Antrag:Bundesparteitag 2013.1/Antragsportal/WP072

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2013.1. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

Wende dich bei Fragen und (als Antragsteller) Änderungswünschen an ein Mitglied der Antragskommission.

Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer WP072
Einreichungsdatum
Antragsteller

Patrik74

Mitantragsteller
  • Piratos
  • Frank Giebel
  • Cotillo
  • Matthias Garscha
Antragstyp Wahlprogramm
Antragsgruppe Wirtschaft und Finanzen
Zusammenfassung des Antrags Die Piraten setzen sich für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ein, die den Schwerpunkt auf das Geldvermögen legt. Die Mehreinnahmen sollen genutzt werden, um die wertschöpfende Arbeit von staatlichen Abgaben zu entlasten.
 

Schlagworte Das Stichwort hat die maximale Länge von 85 Zeichen überschritten.
Datum der letzten Änderung 12.04.2013
Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting question.svg Noch nicht abgestimmt

Antragstitel

Einführung einer Bruttogeldvermögenssteuer

Antragstext

Der Bundesparteitag möge beschließen, folgenden Text in das Wahlprogramm der Piratenpartei im Bereich Wirtschaft und Finanzen aufzunehmen:

Heute finanzieren wir das Gemeinwesen in Deutschland überwiegend über Lohn-/Einkommenssteuer und die Verbrauchssteuern. Besitzer der laufend anwachsenden Geldvermögen in Deutschland tragen dagegen seit 1997 nicht mehr zur Finanzierung des Gemeinwesens bei. Die Piraten streben eine leistungsgerechte Besteuerung in Deutschland an, um den Staatshaushalt zu konsolidieren und die Wirtschaft zu fördern. Daher setzen wir uns für die Wiedereinführung der Vermögenssteuer ein, mit dem Schwerpunkt auf das Geldvermögen.

Die Mehreinnahmen sollen genutzt werden, um die wertschöpfende Arbeit von staatlichen Abgaben zu entlasten. Breiten Teilen der Bevölkerung soll es so leichter fallen, ihre eigene materielle Lebenssituation durch eigenen Einsatz zu verbessern und ihrerseits Vermögen aufzubauen. Deshalb soll ein sehr hoher Freibetrag dafür sorgen, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung von dieser Steuer unberührt bleibt und nur die wirklich großen Geldvermögen herangezogen werden.

Alternativ können die Einnahmen aus der Bruttogeldvermögenssteuer auch zum Abbau der Staatsschulden genutzt werden. Der Vorteil in dieser Variante ist, dass damit auch die Zinsen sinken. Diese Minderausgaben können zur Steuersenkung, zur Entlastung der breiten Bevölkerung oder Finanzierung wünschenswerter Projekte genutzt werden.

Antragsbegründung

Warum eine Brutto-Geld-Vermögens-steuer?

Warum Brutto?

Unser Geld beruht auf Schulden. Systematisch steht also dem gesamten Geldvermögen eine ebenso hohe Schuld entgegen. Bei konsolidierter Betrachtung kann also eine Nettogeldvermögenssteuer nur sehr geringe Erträge aufbringen, da sie lediglich dort greifen kann, wo es auf individueller Basis große Unterschiede zwischen dem Geldvermögen und den Schulden gibt. Da der größte Teil der Bevölkerung kein nennenswertes Nettogeldvermögen besitzt, würde eine solche Steuer also kaum die beabsichtigte Lenkungswirkung zur Realinvestition entfalten können. Ein mit Schulden gekauftes Derivat würde nicht besteuert werden.

Weiterhin ist eine Nettogeldvermögenssteuer nicht geeignet, das Geldmengenwachstum zu begrenzen, da die vorhandene Differenz bei konsolidierter Betrachtung immer Null ist. Auf individueller Ebene gibt es jedoch keinen zwingenden Zusammenhang zwischen der Differenz und der absoluten Höhe des Geldvermögens. Es können also immer mehr Derivate mittels neuer Schulden gekauft werden, ohne dass dies jemals besteuert würde. Zudem würde eine Nettobesteuerung einen steuerlichen Anreiz setzen, sich maximal zur verschulden - denn ein maximaler Verschuldungsgrad würde die Steuerlast reduzieren. Eine Nettogeldvermögenssteuer ist also weder geeignet die gewünschte Lenkungswirkung zu entfalten, noch einen bedeutenden Beitrag zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte zu leisten.

Warum Geld?

Ein Ziel der Steuer ist es, die Investitionen von der Finanzanlage weg und hin zur Realwirtschaft zu orientieren. Würde die Vermögenssteuer also auf alle Vermögensarten Anwendung finden, gäbe es keinen steuerlichen Unterschied zwischen einer Investition in eine Fabrik - welche realwirtschaftlich wünschenswert ist - und in ein Finanzderivat, das volkswirtschaftlich keinen realen Mehrwert schafft; genau hier soll aber ein fiskalischer Anreiz gesetzt werden, indem reines Geldvermögen belastet wird, die reine Sachanlage aber nicht.

Weiterhin hat die reine Besteuerung des Geldvermögens den Vorteil, dass es hinsichtlich der monetären Bewertung des Vermögens keine Schwierigkeiten gibt. Wie bei der heutigen Kapitalertragsteuer können die Beträge zu jedem Zeitpunkt akkurat ermittelt werden und die Informationen liegen bei den Banken in digitaler Form vor, so dass eine tagesgenaue Berechnung des Geldvermögens ebenso einfach und vollautomatisiert zu leisten wäre. Verfassungsrechtliche Bedenken, die sich aus einer unangemessenem Bewertung von Sachvermögen ergeben und in Folge zur Aussetzung der bestehenden Vermögenssteuer geführt haben, sind also nicht zu befürchten. Dabei ist es verfassungsrechtlich durchaus zulässig verschiedene Vermögensarten unterschiedlich zu bewerten. (Siehe Entscheidungen des BVerfG)

Drittens muss immer berücksichtigt werden, dass jede Steuer letztendlich aus dem Geldvermögen bezahlt werden muss. Zieht man also das Sachvermögen zur Steuerbasis hinzu, so kann es vorkommen, dass Halter von großen Sachvermögen und geringem Geldvermögen (bspw. Landwirte) gezwungen sind, Schulden aufzunehmen, um ihre Steuern bezahlen zu können. Damit erhöht man aber die Geldmenge und macht die gewünschte Umschichtung von Geld- in Sachvermögen unattraktiver. Das Geldvermögen als Steuerbasis kann also genauer und einfacher ermittelt werden als das Sachvermögen und vermeidet, dass jene, die in die Realwirtschaft und nicht in Finanzprodukte investiert haben, über Gebühr belastet werden.

Warum Vermögen?

Eine Ertragssteuer - auch eine progressive - kann den Vermögenszuwachs lediglich bremsen. Bisher sind große Vermögen trotzdem stärker gewachsen als kleine. Diese Entwicklung kann eine reine Ertragssteuer langfristig nicht aufhalten, da sie nur den Zuwachs reduziert, aber nicht verhindert (außer bei einem Grenzsteuersatz von 100%, der sicherlich nicht verfassungsgemäß ist).

Eine - ggf. progressive - Vermögenssteuer hingegen entwickelt sich mit der absoluten Höhe des Vermögens, so dass sehr hohe Vermögen zunehmend stärker belastet werden. So kann durchaus ein Punkt erreichen werden, an dem die Steuerlast weitestgehend den Erträgen entspricht und dadurch dem weiteren An- und Auseinanderwachsen der Vermögen entgegenwirkt. Rein systematisch ist also eine Vermögenssteuer geeigneter der Ungleichverteilung der Vermögen entgegenzuwirken als eine Ertragssteuer.

FAQ

Hat das Bundesverfassungsgericht die ungleichmäßige Besteuerung von Vermögen nicht für Verfassungswidrig erklärt?

Nein. Das BVG hatte damals bemängelt, dass Immobilien und Geldvermögen durch eine nachlässige Bewertung der Immobilien ungleichmäßig besteuert wurden, obwohl das Gesetz eine gleichmäßige Besteuerung vorsah.

Das BVG hat aber in seiner Urteilsbegründung deutlich gemacht, dass eine ungleichmäßige Besteuerung durchaus zulässig ist und nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt (wie auch bei Einkommen- und Verbrauchsteuern), wenn der Gesetzgeber dieses explizit formuliert und damit Lenkungsziele verfolgt, die über die reine Ertragswirkung der Steuer hinausgehen.

Auszug aus dem BVerfG-Urteil zur Vermögenssteuer:

"aa) Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung dennoch vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber dadurch das wirtschaftliche oder sonstige Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will (vgl. BVerfGE 38, 61 [79 ff.]; 84, 239 [274]; stRspr). Eine solche Intervention, die das Steuerrecht in den Dienst außerfiskalischer Verwaltungsziele stellt, setzt aber eine erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers voraus, mit dem Instrument der Steuer auch andere als bloße Ertragswirkungen erzielen zu wollen. ...

Deshalb ist es ausgeschlossen, eine bei gleichbleibender gesetzlicher Regelung allein aufgrund veränderter tatsächlicher Verhältnisse bewirkte steuerliche Ungleichbelastung damit zu rechtfertigen, daß der tatsächlich erreichte, vom Gesetzgeber aber so nicht beschlossene Belastungsunterschied legitime Lenkungsziele erreichen könnte. Gesetzgeberisches Unterlassen verändert nicht die bisherige Konzeption des geltenden Steuergesetzes; ...

bb) Verfolgt ein Steuergesetz zulässigerweise auch Lenkungsziele, so muß der Lenkungszweck mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein."

Quelle: http://lexetius.com/2001/8/224

Wie hoch ist das erwartete Steueraufkommen?

Es gibt in Deutschland lediglich 920.000 Personen mit einem Vermögen von mehr als 1 Mio. € davon wiederum haben

ca. 2.700 Personen zwischen 40 Mio. € und 80 Mio. €
ca. 1.300 Personen zwischen 80 Mio. € und 400 Mio.€
ca. 100 Personen zwischen 400 Mio. € und 800 Mio. €
ca. 50 Personen zwischen 800 Mio. € und 20 Mrd. €

Quellen:

Wenn man also grob ansetzt, dass das durchschnittliche Vermögen in jeder Klasse bei ca. 30% des arithmetischen Mittels der Klasse liegt (um der exponentiellen Verteilung Rechnung zu tragen), dann kommt man ohne weiteres auf ca. 7,2 Bio. € Vermögen in der Hand von ca. 1% der Bevölkerung.

Bei einem Freibetrag von bspw. 1 Mio.€ bleiben also 6,3 Bio.€ als Steuerbasis übrig, besteuert man diese mit 3% ergäbe das Steuermehreinnahmen in Höhe von 189 Mrd.€

Ist denn Ungleichverteilung in Deutschland wirklich so schlimm? Wir sind doch ein Sozialstaat mit einer Staatsquote von annähernd 50%.

"Die Vermögen der Deutschen sind im internationalen Vergleich besonders ungleich verteilt. Zudem besitzen die meisten Haushalte auch deutlich weniger, als etwa diejenigen in Frankreich, Spanien oder Italien.

Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage der Deutschen Bundesbank unter gut 3500 Haushalten. Demnach beträgt das Nettovermögen - dazu zählen unter anderem Geld, Immobilien und Autos abzüglich der Schulden - im Durchschnitt 195.000 Euro. In Spanien liegt dieser Wert bei 285.000 Euro und in Frankreich bei 229.000 Euro. Die Masse der Deutschen kann von solchen Werten ohnehin nur träumen. Denn wegen der besonders ungleichen Verteilung verfügt ein typischer deutscher Haushalt nur über 51.400 Euro. Das ist der sogenannte Medianwert - das heißt, eine Hälfte ist reicher, eine Hälfte ist ärmer. In Frankreich liegt dieser Wert bei rund 114.000 Euro, in Italien bei rund 164.000 Euro.
...
Die ungleiche Verteilung der deutschen Vermögen drückt sich auch in der starken Konzentration an der Spitze aus. Die reichsten zehn Prozent der Haushalte verfügen über fast 60 Prozent der Nettovermögen. Um zur Gruppe des reichsten Zehntels zu gehören, braucht es in Deutschland gut 440.000 Euro. Das sei eine deutlich stärkere Konzentration als in der Verteilung der Einkommen, heißt es in der Studie der Bundesbank. Die reichsten 10 Prozent der Haushalte kommen auf die Hälfte der Bruttoeinkommen, aber nur auf knapp ein Drittel der Nettoeinkommen."

Quelle: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/armut-und-reichtum/vermoegensverteilung-spanier-ein-drittel-reicher-als-deutsche-12121631.html

Kommt es nicht eher auf die Einkommensverteilung als auf die Vermögensverteilung an?

Dies ist ein weit verbreitetes Missverständnis, weil es aus rein ideologischen Gründen selten untersucht wird. Eine internationale Studie der Weltbank kam aber zu dem gegenteiligen Ergebnis:

"They find evidence that asset inequality - but not income inequality - has a relatively large negative impact on growth. They also find that a highly unequal distribution of assets reduces the effectiveness of educational interventions. This means that policymakers should be more concerned about households' access to assets, and to the opportunities associated with them, than about the distribution of income."

Quelle: http://www-wds.worldbank.org/external/default/WDSContentServer/IW3P/IB/2000/08/14/000094946_0007280537414/Rendered/PDF/multi_page.pdf

Wir sollten es von denen nehmen, die es haben, und nicht von denen, die es erst noch kriegen wollen. Wir wollen nicht Reichtum verhindern, sondern Armut.

Kommt es in diesem Fall nicht zu einer Flucht in die Sachwerte?

Sicherlich werden die Besitzer großer Geldvermögen versuchen, diese in Sachvermögen umzuwandeln; dies hat aber auf die Steuerbasis keinen Einfluss. Die Steuerbasis ist das Bruttogeldvermögen und dieses ändert sich nicht. Wenn jemand ein Haus für 1 Mio.€ kauft, hat er nun zwar 1 Mio.€ weniger, aber der Verkäufer hat nun 1 Mio.€ mehr - die Summe bleibt immer gleich, es können nicht gleichzeitig alle umschichten; dies macht die Bruttogeldvermögenssteuer auch zu einer sehr planbaren Einkommensquelle für den Staat.

Es gibt nur zwei Möglichkeiten das Steueraufkommen zu reduzieren und beide sind gleichermaßen wünschenswert:

  1. Eine gleichmäßigere Verteilung des Geldvermögens, um die Freibeträge besser auszunutzen
  2. Eine Reduzierung des Geldvermögens, das größtenteils nur im Finanzkasino landet und dort unheilvoll wirkt

Da Geldvermögen immer eine Schuld entgegensteht, führen steigende Staatsschulden automatisch auch zu steigenden Geldvermögen und damit günstigerweise auch automatisch zu höheren Einnahmen aus der Bruttogeldvermögenssteuer. Auf diese Weise reguliert sich das System bei vernünftiger Ausgestaltung von selbst, der höhere Schuldendienst wird automatisch von steigenden Steuereinnahmen begleitet und umgekehrt.

Wäre eine Erbschaftssteuer nicht geeigneter als eine Vermögenssteuer?

Denkbar wäre eine Kombination von kontinuierlich erhobener Geldvermögenssteuer und einer auf das Sachvermögen bezogenen Erbschaftsteuer vor.

Der volkswirtschaftliche Zweck des Geldes besteht nicht darin angelegt zu werden, sondern Transaktionen zu ermöglichen bzw. zu vereinfachen.

Wenn also viel Geld "liegenbleibt" und nicht verwendet wird, ist offensichtlich zu viel davon im System, was zu Fehlallokation, Blasenbildung, Instabilität, etc. führt. Es muss also eingezogen werden, welches einen permanenten Anreiz erzeugt, mit seinem Geld etwas anzufangen; und nicht wenige werden also versuchen langfristig in Sachvermögen zu sparen - was volkswirtschaftlich allemal sinnvoller ist. Auch hier kann es Exzesse geben, aber die Dynamik bei Sachvermögen wird nie die Größenordnungen und Schnelligkeit der Verwerfungen des Finanzsektors erreichen, und man hätte so die Chancen zu intervenieren bevor es völlig aus dem Ruder läuft.

Sparen die Leute nun aber zeitlebens in Realanlagen, dann werden sie zum Ende ihres Lebens eine ganze Menge Sachvermögen angesammelt haben; über Produktivvermögen bis hin zu Gütern des täglichen Bedarfs. Hier greift nun die Erbschaftsteuer auf Sachvermögen, um allzu große Akkumulationen, die volkswirtschaftlich schädlich sind (siehe oben), wieder rückgängig zu machen.

Problematisch an einer Sachvermögenssteuer sehe ich allerdings, dass die Eigentümer im Zweifelsfall ihr Sachvermögen behalten wollen und dafür Kredite aufnehmen, um die Steuer zu begleichen; auf diese Weise würde diese Steuer selbst wieder zu mehr Geldvermögen führen, was ja nicht Ziel war.

Diskussion

  • Vorangegangene Diskussion zur Antragsentwicklung: {{{diskussionVorher}}}
  • [{{{antragsdiskussion}}} Pro-/Contra-Diskussion zum eingereichten Antrag]


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