AG Wirtschaft/Grillfeste/Positionspapier Recht auf Arbeit

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Recht auf Arbeit

These 1.1: Ein Recht auf Arbeit ist sowohl zeitgemäß als auch wünschenswert.

Der mit Abstand größte Teil der Bevölkerung in Deutschland ist direkt oder indirekt als Familienangehöriger oder Rentner auf Einkommen aus Arbeit angewiesen. Dieses Arbeitseinkommen ist nicht nur Lebensgrundlage, sondern aktive Teilhabe an Wirtschaft und Gesellschaft.

Der Verlust des Arbeitsplatzes gehört zu den zentralen Ängsten der überwiegenden Mehrheit der Menschen. Diese Ängste und Bedürfnisse nicht ernst nehmen bedeutet, diese Menschen in einer ihrer zentralen Anliegen nicht ernst nehmen.

Aufgrund der konkreten und seit Jahrzehnten anhaltenden Arbeitslosigkeit ist daher die Forderung nach einem Recht auf Arbeit eine sowohl wünschenswert als auch zeitgemäß.

Bei einem Recht auf Arbeit, geht es um einen Anspruch eines einzelnen Menschen im Rahmen seiner Fähigkeiten und unter Berücksichtigung seine sozialen Bindungen einen Arbeitsplatz zu bekommen. Die dabei geleistete Arbeit muss angemessen und bei voller Arbeitszeit auskömmlich entlohnt werden.

Vollbeschäftigung im Rahmen dieser Diskussion bedeutet daher nicht, dass alle Erwerbsfähigen 40 Stunden pro Woche arbeiten, sondern es gibt keine unfreiwillige Erwerbs-Arbeitslosigkeit und keine prekären Arbeitsverhältnisse.

These 1.2: Ein Recht auf Arbeit ist machbar.

Bei der Umsetzung eines Rechts auf Arbeit geht es nicht darum, dass unnötige, oder noch schlimmer unsinnige Arbeit künstlich geschaffen wird oder mögliche Produktivitätssteigerungen verzögert oder verhindert werden.

Es geht insbesondere auch nicht darum die Produktion künstlich in die Höhe zu treiben, um über die Ausweitung der Produktion zu mehr Arbeitsplätzen zu kommen.

Innerhalb der derzeitigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ist Vollbeschäftigung in dem hier verstandenen Sinne nicht machbar, weil es ein purer Zufall wäre, dass bei gegebenen Löhnen und einer gegebenen Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen sich regional das Angebot und die Nachfrage nach Arbeit ausgleichen. Das ist die Erfahrung der letzten 60 Jahre.

Die hier geforderte Abschaffung der prekären Arbeitsverhältnisse würde sogar noch zu einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit führen.

Systemtechnisch gesehen scheitert Vollbeschäftigung daran, dass Vollbeschäftigung keine Regelgröße innerhalb von Regelkreisen ist. Anschaulich gesprochen ist das so, wie wenn man mit geschlossenen Augen Auto fahren müsste und nur auf die Stimme des Navigationsgerätes angewiesen ist. Durch die fehlende Rückkopplungen über die Augen und der dadurch ausbleibenden oder unpräzisen Steuerung des Autos, ist der Misserfolg vorprogrammiert.

Das bestehende Wirtschaftssystem könnte relativ einfach ergänzt werden, damit Vollbeschäftigung zur Regelgröße innerhalb verschiedener Regelkreise wird.

Hier ein Beispiel, wie dieses Prinzip umgesetzt werden könnte.

Jeder, der am 1. Arbeitsmarkt keine Arbeit findet wird von der Agentur für Arbeit so lange zu den oben beschriebenen Bedingungen angestellt bis er eine Arbeit im 1. Arbeitsmarkt findet.

Die Agentur für Arbeit selbst vermittelt diese Arbeitnehmer analog einer Zeitarbeitsfirma über ein Arbeitsportal zu individuellen markträumenden Preisen weiter. D.h. jeder der zur Agentur für Arbeit geht, bekommt nicht nur einen angemessenen Lohn, sondern arbeitet im nachgefragten Umfang.

Der Verlust, den die Agentur für Arbeit zwangsläufig aus diesem Geschäft macht, könnte zum einen über die ersparten Kosten aus Arbeitslosigkeit und z.B. über einen Aufschlag zur Mehrwertsteuer finanziert werden. Die Mehrwertsteuer ist deshalb ein geeigneter Ansatzpunkt, weil zum einen durch die gesunkenen Arbeitskosten das Preisniveau tendenziell sinkt und darüber hinaus nicht nur die im Inland produzierten Waren und Dienstleistungen die Kosten zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit tragen.

Dieser nunmehr geschaffene primäre Regelkreis für Vollbeschäftigung muss und kann durch sekundäre Regelkreise und Maßnahmen unterstützt werden, um das Gesamtsystem zu optimieren.

Damit beispielsweise Unternehmen nicht ihre Stammbelegschaft abbauen um im Gegenzug preiswerterer Arbeitskräfte von der Agentur für Arbeit einzukaufen, können Bedingungen eingebaut werden, die Unternehmen für eine gewissen Zeit ausschließen, wenn sie in einem gewissen Zeitraum davor Arbeitnehmer entlassen haben.

Andererseits könnten Unternehmen bevorzugt behandelt werden, wenn sie überlassene Arbeitnehmer fest anstellen.

Welche Funktionen und Wirkungen hat Arbeitslosigkeit in unserer Volkswirtschaft?

These 2.1: Arbeitslosigkeit ist der zentrale Mechanismus, mit dem Arbeitseinkommen gegenüber Unternehmensgewinne bzw. Vermögenseinkommen diskriminiert werden.

Wie in jedem Markt muss auch auf den Arbeitsmärkten derjenigen Bedingungen akzeptieren, der am kürzeren Hebel sitzt. Bedingungen, die er nicht akzeptieren müsste, wenn der betroffene Arbeitsmarkt ausgeglichen wäre.

Im Ergebnis führt Arbeitslosigkeit also dazu, dass ein Arbeitnehmer tendenziell ein niedrigeres Einkommen erzielt, als wenn der betreffende Arbeitsmarkt ausgeglichen wäre. Diese Diskriminierung bezieht sich nicht nur auf Arbeitssuchende, sondern wirkt in alle Beschäftigungsverhältnis.

In der Tendenz führt dies dazu, dass die Gewinne der Unternehmen relativ höher ausfallen und damit die Einkommen aus Vermögen.

These 2.2: Arbeitslosigkeit ist ursächlich für unsere extreme Ungleichverteilung des Vermögens: 10% haben 60% des Vermögens und 50% haben nichts.

Langfristig führt eine systematische Diskriminierung in der Einkommensverteilung zu einer Ungleichverteilung im Vermögen. Diese Entwicklung wird noch dadurch verstärkt, dass die Vermögenskonzentration selbstverstärkend ist, weil die Konsumquote mit steigendem Vermögen sinkt und dadurch der Anteil des Einkommens aus Vermögen automatisch steigt.

These 2.3: Arbeitslosigkeit ist ein entscheidender Mechanismus, mit dem ungerechtfertigte Unterschiede in der Bezahlung von Arbeit ermöglicht werden.

Ausgeglichene Arbeitsmärkte führen zu einer größeren Homogenität der Löhne als nicht ausgeglichene Märkte, weil sich das Risiko, das mit einem Arbeitsplatzwechsels verbunden ist, erhöht. Wer aufgrund eines ausgeglichenen Arbeitsmarktes mehr oder weniger reibungslos von einem Beschäftigungsverhältnis in ein anderes wechseln kann, ist eher bereit zu pokern, wenn es um die Durchsetzung von Lohnerhöhungen geht. Lohnentwicklungen setzten sich in nicht ausgeglichenen Arbeitsmärkten langsamer durch und führen dadurch zu einer größeren Spreizung innerhalb eines Arbeitsmarktes.

These 2.4: Arbeitslosigkeit ist eine Verschwendung von Ressourcen.

Überspitzt könnte man sagen, dass Arbeitslosigkeit dazu führt, dass sich ein Teil der Bevölkerung zu Tode arbeitet und ein anderer Teil zu Tode langweilt. Diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben, lassen sich aus Angst vor Arbeitslosigkeit in Stress und Überstunden drängen und verhindern dadurch die Integration eines Teils der Arbeitslosen. Die Arbeitslosen selbst werden daran gehindert ihre Leistung in den Produktionsprozess mit einzubringen. Ihre Arbeitskraft bleibt teilweise ungenutzt und wird dadurch verschwendet.

Verschwendetet Arbeitskraft bedeutet für die Betroffene weniger Entfaltungsmöglichkeiten sowohl im materiellen als auch immateriellen Sinne.

Wenn alle, die möchten, am wirtschaftlichen Geschehen teilhaben, dann wird insgesamt Stress abgebaut und die Arbeitskraft wird besser genutzt. Die Volkswirtschaft als Ganzes arbeitet näher am Optimum.

Welche Implikationen ergeben sich aus den bisherigen Thesen?

These 3.1: Die Piraten sollten ein Recht auf Arbeit zu einem ihrer zentralen Wahlkampfthemen machen.

In unserer arbeitsteiligen Gesellschaft konsumieren alle die gemeinsam erstellten Waren und Dienstleistungen. Jeder müsste und würde verhungern, wenn er nicht am Arbeitsergebnis anderer teilhaben könnte.

Es ist daher nicht gerechtfertigt, wenn ein Teil der Gesellschaft erheblich höhere Kosten in Form von Arbeitslosigkeit tragen muss, als der Rest der Gesellschaft. Auch wenn es erhebliche Leistungsunterschiede zwischen den Arbeitnehmern gibt und selbst wenn in der Tendenz die weniger leistungsfähigen Arbeitnehmer arbeitslos werden, so ist dennoch der individuelle Beitrag zur Arbeitslosigkeit eher zu vernachlässigen. Arbeitslosigkeit hat gesamtwirtschaftliche und ordnungspolitische Ursachen, deren Kosten weitgehend auf dem Rücken der Arbeitslosen ausgetragen werden. Das gilt selbst dann, wenn die Arbeitslosen Transferleistungen beziehen. Die individuellen Kosten der Arbeitslosigkeit in Form von entgangenem Arbeitseinkommen und wirtschaftlicher Teilhabe sind unverhältnismäßig höher zu bewerten, als die Arbeitslosenunterstützung.

Anstatt Almosen und Arbeitslosenunterstützung sollte durch eine gerechte Teilhabe am Wirtschaftprozess, jeder Mensch die Möglichkeit haben, selbst für sein Ein- und Auskommen zu sorgen.

Wie hoch der gesellschaftliche Beitrag am eigenen Einkommen ist kann man ermessen, wenn man z.B. aus Deutschland nach Mali umziehen würde. Selbst wenn man die Sprache und Sitten und Gebräuche perfekt beherrschen würde, würde bei gleicher Anstrengung das reale Einkommen i.a. dramatisch auf unter 5% sinken.

Vergleicht man das wirtschaftliche Geschehen mit einem Kartenspiel, dann führt Arbeitslosigkeit dazu, dass einige Spieler erheblich bessere Karten bekommen als andere. Der Ausgang des Spiels wird dann von den Gewinnern als persönliche Leistung wahr genommen, obwohl der entscheidende Teil am Gewinn auf die unfaire Verteilung der Karten zurückzuführen ist.

Was als persönliche Leistung und persönlicher Erfolg erscheint, hat auch im wirtschaftlichen Bereich oft seine Ursachen in einer unfairen Verteilung der Karten. Nur hier sind die unfairen Rahmenbedingungen von den Beteiligten in der Regel nicht wahrnehmbar.

Wir Piraten sollten uns daher für wirtschaftliche Rahmenbedingungen einsetzen, in denen Vollbeschäftigung systembedingt erreicht wird. Ein Recht auf Arbeit bedeutet nicht nur eine faire Teilhabe am wirtschaftlichen Geschehen, sondern bedeutet die Menschen in ihren Bedürfnissen und sorgen ernst nehmen.

Vollbeschäftigung führt auch zu einem stabileren Wirtschaftsystem, weil die Menschen aufgrund stabiler Einnahmen langfristig planen können. Eine stabilere Nachfrage der Konsumenten wirkt sich auch stabilisierend auf die Unternehmen und Staatsfinanzen aus.

Vollbeschäftigung ist möglich. Vollbeschäftigung ist für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die gesamte Volkswirtschaft und auch für den Staat absolut positiv. Vollbeschäftigung ist daher eine sowohl zeitgemäße als auch wünschenswerte Forderung.

These 3.2: Ein Recht auf Arbeit ist der fehlende Baustein auf dem Weg zum BGE

Eine so visionäre Idee, wie das BGE, stößt bei einem großen Teil der Bevölkerung auf Unverständnis. Zum Teil liegt dies daran, weil die gesamtwirtschaftlichen Wirkungen nicht verstanden werden. Dazu kommt noch, dass viele befürchten, dass ein erheblicher Teil versuchen würde, auf Kosten der Allgemeinheit zu leben und sich ganz aus der Erwerbsarbeit verabschiedet.

Das BGE löst auch nicht die vielschichtige Diskriminierung, die durch Arbeitslosigkeit entsteht. Das BGE gewährleistet keine Teilhabe an einer angemessen bezahlten Erwerbsarbeit und der damit einhergehenden Teilhabe am Wirtschaftsgeschehen.

Ohne Vollbeschäftigung wird das BGE zum „Schmerzensgeld“ für versagte Teilhabe und entgangener Entfaltung.

Mit Vollbeschäftigung wird das BGE zu einem bedeutenden Schritt auf ein neues Niveau der individuellen Freiheit, Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung.