AG Energiepolitik/RisikoVorsorge PeakOil/Programmantrag
Inhaltsverzeichnis
- 1 Risikovorsorge gegen bevorstehenden Rückgang der Ölförderung (Peak Oil): Fossile Energieträger aufgeben, bevor sie sich verknappen
- 1.1 Situation
- 1.2 Unsere Position
- 1.3 Verantwortung der Politik
- 1.4 Unser Ziel
- 1.5 Mut zur Begegnung mit der Realität
- 1.6 Umstellung von Transportsektor und Gebäudeheizung
- 1.7 Energiesteuer als Motor eines strukturellen Wandels
- 1.8 Selbstverantwortung und Stärkung von Subsidiarität
- 1.9 Herausforderung an die Gesellschaft
- 2 Begründung, Anmerkungen und Nachweise
- 2.1 Situation und Risiken
- 2.2 Experteneinschätzungen
- 2.3 Bewertung der bisherigen Energiepolitik
- 2.4 Der Faktor Zeit und verfügbare Alternativen
- 2.5 Kosten
- 2.6 Energiesteuer
- 2.7 Grundrechte verteidigen in Krisenzeiten
- 2.8 Weiterführende Links und Literatur zum Thema
- 2.9 Anmerkungen und Einzelnachweise
- 3 Anlage zum Antrag
- 4 Diskussion
Der Text ist eine gekürzte Fassung des vorher abgestimmten Positionspapiers. Diskussion hierzu
Weiterhin wurden Teile einer summierten Variante für den Programmparteitag zur Landtagswahl Niedersachsen verwendet.
Risikovorsorge gegen bevorstehenden Rückgang der Ölförderung (Peak Oil): Fossile Energieträger aufgeben, bevor sie sich verknappen
Programmantrag zum Bundesparteitag 2012.2 in Bochum
Stadium: Entwurf
Programmantrag zum Bundesprogramm Abschnitt Umwelt / Energie (im Abschnitt "Wirtschaftspolitik" sollte zusätzlich ein Querverweis eingefügt werden).
Kurzfassung: Wir wollen gegen einen sich anbahnenden Rückgang der weltweiten Ölproduktion Vorsorge treffen, indem wir riskante Abhängigkeiten von fossiler Energie gezielt und so schnell wie möglich vermindern.
Kurze Version in einfacher Sprache:
http://wiki.piratenpartei.de/AG_Energiepolitik/RisikoVorsorge_PeakOil/Programmantrag_EinfacheSprache
Situation
Ein Rückgang der globalen Ölförderung aufgrund schrumpfender Reserven und unzureichender Neufunde ist absehbar (1)(2) und kann nach Meinung vieler Experten schon kurzfristig innerhalb weniger Jahre nach Erreichen eines Maximums (Peak Oil) erfolgen (3)(4). In diesem Fall muss aufgrund stark steigender und volatiler Preise und einer schnell wachsenden Ressourcenlücke mit erheblichen wirtschaftlichen Krisenerscheinungen gerechnet werden (5).
Unsere Position
Wir sehen diese mögliche Verknappung von Erdöl als ernsthaftes ökonomisches, ökologisches und sicherheitspolitisches Risiko an (1)(2)(3) und fordern angemessene energiepolitische Maßnahmen hierzu.
Verantwortung der Politik
Die alarmierenden Unterschiede in den Prognosen der Internationalen Energieagentur der OECD (IEA), der Association for the Study of Peak Oil and Gas (ASPO) (6), und jener der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (7)(8), welche die Bundesregierung für ihre Planungen zugrunde legt, sind aktiv zu untersuchen und aufzuklären. Wir fordern, dass die zukünftige Energiepolitik die unterschiedlichen Szenarien und ihre Risiken angemessen gewichtet. Die Umsetzung einer zukunftsfähigen Energieversorgung muss die Gefahr von erheblichen Verknappungen bei der Ölversorgung, auf die ASPO und IEA eindringlich hinweisen, berücksichtigen und frühzeitig sinnvolle Vorsorgemaßnahmen treffen. Eine Politik, die angesichts erheblicher Risiken nur von den denkbar optimistischsten Szenarien ausgeht, ist verantwortungslos und setzt die Lenkungswirkung der ihr zur Verfügung stehenden Mittel nicht im Gemeinwohlsinne ein.
Auch wenn der Zeitpunkt eines Förderrückgangs erst Jahre später mit Sicherheit bekannt sein wird, ist Handeln jetzt geboten, da nachträglich aufgrund zu langer Investitions- und Nutzungszyklen nicht mehr rechtzeitig und angemessen reagiert werden kann.
Unser Ziel
Zur sicheren Deckung der elementaren Bedürfnisse halten wir die die Schaffung eines von fossilen Quellen weitgehend unabhängigen Energie- und Transportsystems für dringend notwendig. Dies stellt eine enorme Herausforderung dar (9)(10).
Mittelfristig muss unsere Gesellschaft aus der Nutzung von Erdöl als bei weitem wichtigsten primären Energieträger ausstiegen. Dazu sind wir bereit, wirtschaftliches Wachstum als oberstes Ziel hintenan zu stellen und der Deckung der Grundbedürfnisse, einer Erneuerung des Solidarprinzips sowie Verbesserungen der kulturellen und sozialen Lebensqualität Vorrang zu geben.
Mut zur Begegnung mit der Realität
Transparenz: Das Menschenbild der Piraten legt selbstverantwortliche, mündige Bürger zugrunde. Voraussetzung dafür ist eine umfassende Information über die Faktenlage. Bürgern und Verbrauchern müssen die lang- und mittelfristigen Aussichten in Bezug auf die Szenarien klar und nachvollziehbar erklärt werden. Nur so können wir eine kollektive Selbstverantwortung wahrnehmen. Für eine tragfähige Antwort auf Peak Oil ist neben einer Erörterung der Lage eine breite Diskussion der möglichen Alternativen notwendig.
Strategien: Zu den von uns befürworteten Strategien, die mit den weiteren Zielen der Energiewende zu verzahnen sind, gehören neben einer stark beschleunigten Umstellung auf unerschöpfliche erneuerbare Energieträger gezielte Schritte, um die Abhängigkeit vom Erdöl in den Bereichen Transport und Verkehr, Gebäudeheizung, Landwirtschaft sowie chemischen Grundstoffen zu vermindern. Die Förderung erneuerbarer Energien muss dieses Ziel explizit berücksichtigen.
Da die Wechselwirkungen energetischer, technischer und ökonomischer Faktoren extrem komplex sind, streben wir zur Gestaltung von Maßnahmen einen vernetzten, dezentralen Prozeß an, um die besten Antworten auf diese Herausforderung für unsere Gesellschaft zu finden und die demokratischen Grundrechte auch in ökonomischen Krisenzeiten zu sichern.
Maßnahmen: Maßnahmen müssen Erdöl und damit ersetzbare Energieträger wie Kohle und Erdgas einsparen und die Abhängigkeit vom Erdöl reduzieren. Die heute schon erheblich gestiegenen Energiepreise ermöglichen es, viele sinnvolle vorsorgende Punkte kostenneutral umzusetzen. Für eine wirkungsvolle Risikominderung halten wir eine möglichst schnelle Umstellung für essentiell.
Teilziele
- Sicherstellung eines bezahlbaren Personennahverkehrs sowie planerische Unterstützung kurzer Wege und Förderung nichtfossiler Mobilität..
- Umstellung des Gütertransports auf nichtfossile Energieträger.
- Senkung der Energiekosten von Wohnungen durch effektive und faire Förderung der Wärmedämmung und moderne Heizungen (11) (12).
- Stärkung der Möglichkeiten von Verbrauchern, ihren Lebensstil stark steigenden Energiekosten anzupassen, insbesondere durch verbesserte Transparenz von Heizkosten.
- Sicherung der Nahrungsmittel-Grundversorgung durch eine energieeffiziente Landwirtschaft.
- Absicherung der Stromerzeugung gegen Verteuerungen und Überlastungen (13).
- Anpassung des Finanzsystems an eine voraussichtlich schrumpfende wirtschaftliche Entwicklung.
- Ersatz energie- und rohstoffaufwendiger Verpackungen durch ein universelles Pfandsystem mit kurzen Rücklaufwegen.
Eine Umwidmung von Lebensmitteln oder Ressourcen zur Lebensmittelproduktion zur Gewinnung von Treibstoff oder industriellen Grundstoffen wie z.B. Verpackungsmaterial aus Mais lehnen wir in Bekräftigung bestehender Positionen der Piraten ab.
Umstellung von Transportsektor und Gebäudeheizung
Zur Finanzierung der Umstellung schlagen wir erstens eine zweckgebundene "Ölausstiegsumlage" auf alle Erdölprodukte wie Dieselöl, Heizöl, Benzin sowie mittelfristig Erdgas vor. Die erzielten Mittel sollen nach dem "Feebate-Prinzip" gezielt verwendet werden, um die rasche Einführung nachhaltiger Energieträger und Techniken im Transportsektor und bei der Gebäudeheizung zu fördern. Die Höhe dieses Steueranteils soll in den nächsten zehn Jahren substanziell steigen. Sie soll auf diese Weise einen Teil der zu erwartenden Preissteigerungen planbar vorwegnehmen und so die schädliche Wirkung schockartiger Preissteigerungen dämpfen, bedrohliche Leistungsbilanzdefizite verhindern und Investitionssicherheit für Alternativen schaffen. Ziel ist eine Verminderung des Treibstoffverbrauchs im Transportsektor um 30 % innerhalb von zehn Jahren.
Energiesteuer als Motor eines strukturellen Wandels
Als eine zweite, langfristiger wirkende steuerliche Maßnahme befürworten wir die umfassende Neugestaltung der Energiesteuer ("Ökosteuer"). Eine erweiterte Besteuerung von Öl, Erdgas, Kohle und Importen energieintensiver Grundstoffe soll Sozialabgaben auf Arbeitseinkommen schrittweise ersetzen und Einkommens- und Gewinnsteuern reduzieren. So soll die Besteuerung des Produktionsfaktors Arbeit auf den Verbrauch fossiler Energieträger umgeschichtet werden (14).
Dies ermöglicht es, selbstbestimmt und technikneutral Strategien zur Einsparung von Energie zu entwickeln, ohne Gefahr zu laufen, Einzelinteressen zu subventionieren oder technologisches Mikromanagement zu betreiben. Dieser Ansatz halten wir für sinnvoll, um dezentral, innovativ und vielfältig langfristige Alternativen zu entwickeln und menschliche Kreativität zu nutzen.
Diese Umschichtung soll insbesondere für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen ausdrücklich aufkommensneutral gestaltet werden, so dass jede Einsparung von Energie eine Steigerung des persönlichen Einkommens ermöglicht. Sie wäre aus unserer Sicht grundsätzlich vereinbar mit Modellen eines bedingungslosen Grundeinkommens, welche in der Piratenpartei als Alternative zum heutigen System von Transferleistungen diskutiert werden. (15) (16) (17) (18)
Selbstverantwortung und Stärkung von Subsidiarität
Grundsätzlich befürworten wir als gesellschaftliche Antwort eine Kombination aus Förderung der Selbstverantwortung und Solidarprinzip.
Schutz von Verbrauchern und Individuen: Verbraucher sollen in ihren Möglichkeiten gestärkt werden, ihren Lebensstil hohen Energiepreisen anzupassen, etwa durch Erleichterung eines Wohnungswechsels zur Reduzierung von Arbeitswegen oder Heizkosten. Wir befürworten eine Verbesserung und Stärkung des Energieausweises für Mietwohnungen, zum Beispiel durch eine Verkürzung von Kündigungsfristen bei fehlender Vorlage.
Industriepolitik: Bisher beruht der überwiegende Teil industrieller Aktivitäten auf fossilen Energieträgern. Das Eintreten einer Förderverknappung und resultierende Preissteigerungen werden voraussichtlich zu tiefgreifenden strukturellen Umbrüchen und Krisen führen, insbesondere in Industriezweigen, deren Produkte bei Herstellung oder Gebrauch einen hohen Verbrauch an fossilen Energieträgern haben (19). Aktivitäten industrieller Verbände wie die britische "Industry Taskforce on Peak Oil and Energy Security", welche den unausweichlichen Strukturwandel unterstützen, sollen gefördert und müssen mit umfassenden uneingeschränkten Informationen unterstützt werden (20). Für Krisensitutionen sollen Pläne erstellt werden, um Unternehmen vorzubereiten und Firmen, die in Schwierigkeiten geraten, zu unterstützen. Dabei sind die Unternehmen in Verantwortung zu nehmen, indem frühzeitige Eigenvorsorge gefordert wird. Staatliche Unterstützung muss unabhängig von der Unternehmensgröße und nach transparenten, einheitlichen Kriterien vergeben werden.
Orientierung an Zukunftsfähigkeit: Eine öffentliche Subventionierung von durch Peak Oil unwirtschaftlich werdenden Industriezweigen oder Konsumgütern, die keine langfristigen Zukunftsperspektiven erschließt, lehnen wir ab. Wir fordern deswegen die Einstellung jeglicher Subventionen zugunsten des mit fossilen Quellen angetriebenen motorisierten Individualverkehrs sowie aller Steuererleichterungen und Subventionen bei Produktion und Verbrauch fossiler Energieträger.
Solidarprinzip: Durch Rückwirkungen und Netzwerkeffekte werden auch indirekt vom Öl abhängende Infrastrukturen betroffen sein (21). In Folge dieser Umbrüche wird es auch zu Verlusten von Arbeitsplätzen kommen, die nicht verhindert werden können: Die fossile Ökonomie ist ein sinkendes Schiff. Es entspricht nicht unserem Verständnis von Menschenwürde, dass Schwächere darauf zurück bleiben. Wir wollen alle Möglichkeiten nutzen, diese Transformation solidarisch und positiv zu gestalten.
Herausforderung an die Gesellschaft
Die Schaffung eines von fossilen Quellen weitgehend unabhängigen Energiesystems ist ein bisher ungelöstes Problem und kann als Jahrhundertaufgabe betrachtet werden. Wir Piraten nehmen diese Herausforderung an. Wir sehen sie als Anstoß, die Vorteile eines dezentralen Ansatzes und eines Abbaus von Hierarchien zugunsten stark vernetzter kollektiver Lösungsfindungsprozesse zu nutzen.
Begründung, Anmerkungen und Nachweise
(nicht mehr Teil des Antragstextes)
Zugrunde gelegtes Positionspapier mit ausführlicherer Begründung: https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/3545.html
Als Diskussionsgrundlage siehe auch: Häufige Fragen und Argumentationen zu Peak Oil
Situation und Risiken
Seit etwa 2005 stagniert, trotz steigender Nachfrage in Schwellenländern und stark steigender Preise, die globale Förderung von konventionellem Erdöl. In der Nordseeregion ging seit 1999 die Förderrate, ähnlich wie in vielen weiteren Regionen, um 30 % zurück. Die Kosten der Ölexploration steigen gleichzeitig massiv (22). Umfangreiche Investitionen zur Ausweitung der Förderkapazitäten in Saudi-Arabien wurden wegen zu hoher Kosten gestrichen (23). Gleichzeitig beobachtet man eine Verlagerung von Raffineriekapazitäten aus den OECD-Staaten nach Asien und Aktienrückkäufe von Ölunternehmen. Währenddessen bleibt trotz massiver geldpolitischer Stimuli wirtschaftliches Wachstum in den OECD Staaten weitgehend aus. All dies sind deutliche Zeichen für eine Systemkrise - die Indizien häufen sich, dass die Menschheit hier hart an energetische Grenzen des Wachstums stößt.
Experteneinschätzungen
Angesichts begrenzter Erdölvorräte, gegenüber dem steigendem weltweitem Verbrauch stark zurückgehender Neufunde (29) und fehlender Transparenz bezüglich verbleibender Ressourcen sehen viele Experten einen Rückgang der Ölförderung zunehmend als ernstzunehmendes wirtschaftliches und sicherheitspolitisches Risiko an (30) (1) (2) (3) (4) (6) (9). Diese kann je nach Prognose innerhalb weniger Jahre eintreten - ein Risiko, vor dem auch die Internationale Energieagentur ausdrücklich warnt (3) (2). Eine unvorbereitete Verknappung der Ölförderung würde lebenswichtige Bereiche wie Personen- und Gütertransport, Landwirtschaft, Gebäudeheizung sowie ganze Industriezweige betreffen und volkswirtschaftlich destabilisierend wirken (3) (4) (5) (10). Dies stellt die bisherige Prämisse beständigen wirtschaftlichen Wachstums in Frage. Neben katastrophal hohen Energiepreisen und hierdurch verursachten Insolvenzen sowie einer Verursachung erheblicher Leistungsbilanzdefizite erscheint selbst ein daraus folgender Zusammenbruch von Strukturen des Geld- und Finanzwesens und wirtschaftlichen Kreisläufen denkbar. (24) (25) (26)
Zu den ökonomischen Risiken kommen außenpolitische Risiken, da die Versorgung mit Primärenergie aufgrund schnell sinkender Ölförderung in der Nordseeregion immer stärker von Ländern wie Saudi-Arabien, Russland und Venezuela abhängt (27). Eine unvorbereitete Verknappung der Ölförderung leistet auch einer wachsenden Kriegsgefahr - insbesondere im Nahen Osten - Vorschub (4).
Bewertung der bisherigen Energiepolitik
Die bisher bestehenden Pläne zu einer Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien weisen in die richtige Richtung, reichen jedoch bei weitem nicht aus. Zum einen produzieren die meisten erneuerbaren Energieträger Strom, während Erdöl den weit überwiegenden Teil der im Personen- und Gütertransport sowie der Landwirtschaft verwendeten Treibstoffe liefert. Bei einer Verknappung des Erdöls besteht daher die Gefahr schwerwiegender Versorgungskrisen und dauerhafter ökonomischer Rezession (3) (26). Dieser gefährlich hohe Treibstoffanteil muss umgehend reduziert werden. Zum andern sehen gängige Pläne eine weitgehende Umstellung der Energieversorgung bis 2050 vor, während durch Peak Oil bei einem sehr ungünstigem Verlauf bereits innerhalb der nächsten zehn Jahre rund 50% der Erdölversorgung - und damit rund 17 % der für Deutschland verfügbaren Primärenergie (28) - wegfallen könnten. Eine Energie- und Wirtschaftskrise würde dann Handlungsspielräume inakzeptabel beschränken.
Berücksichtigt werden muss auch, dass zahlreiche Überbrückungstechniken wie Gewinnung von Treibstoff aus Ölsanden, Kohleverflüssigung oder Fracking aufgrund ihrer Endlichkeit, der limitierten Produktionsraten und der ökologisch zum Teil verheerenden Folgewirkungen nur sehr begrenzt Zeit gewinnen würden. Ein umfassendes Ausweichen auf Biokraftstoffe, sogenanntes "unkonventionelles Erdöl" und ineffiziente Coal-to-Liquid Techniken ist weder mit der Zielsetzung einer Verminderung der CO2-Emissionen in erträglichen Grenzen noch einer Eindämmung steigender Lebensmittelpreise zu vereinbaren und erscheint wegen der stark absinkenden Effektivität (EROEI) der fossilen Energiegewinnung auch ökonomisch nicht langfristig tragfähig.
Deswegen muss eine Umstellung schnellstmöglich erfolgen.
Der Faktor Zeit und verfügbare Alternativen
Weil für eine Umstellung der Energieversorgung vermutlich nicht mehr viel Zeit bleibt (3), wollen wir uns nicht auf Techniken verlassen, die real noch nicht existieren oder nicht sicher umsetzbar sind, sondern bestehende Alternativen nutzen und weiter entwickeln. Hinzu kommt, dass bekannte Überbrückungstechniken und alternative Ressourcen nur sehr begrenzt Zeit gewinnen würden (30). Einen einfachen technischen Fix der Energiegewinnung gibt es nicht (31). Daher sind Effizienzmaßnahmen und notfalls Einsparungen zugunsten besonders wichtiger Aktivitäten ein wesentlicher Teil jeder Lösungsstrategie. Langfristig sind umfassende strukturelle Veränderungen nicht vermeidbar, die intelligent, kollektiv und wo nötig solidarisch gemeistert werden sollten.
Kosten
Die Kosten einer Überreaktion aufgrund von "Falschem Alarm" oder verfrühten Maßnahmen muss im Rahmen einer Risikoanalyse in Beziehung gesetzt werden zu den wesentlich höheren Kosten (3) einer verspäteten Reaktion. Auch bei der Bewertung der Förderung von erneuerbaren Energieträgern sind die Folgekosten einer unvorbereiteten dauerhaften Verknappung des Erdöls und steigender Preise für alle Energieträger den Kosten einer verstärkten Förderung gegenüber zu stellen.
Energiesteuer
Da eine Reduktion des Energiekonsums unumgänglich ist, ist es vordringlich, die Effizienz nachdrücklich zu erhöhen und gleichzeitig Rebound-Effekte (also das Aufzehren von Effizienzgewinnen durch Mehrverbrauch) zu verhindern. Dies läßt sich durch eine Energiesteuer erreichen.
Grundrechte verteidigen in Krisenzeiten
Aufgrund der ökonomischen Auswirkungen kann aus einer Ölpreiskrise schnell eine gesellschaftliche Krise werden. Dies birgt Gefahren für die Demokratie, denn akute Krisen werden häufig in kleinen Führungszirkeln behandelt, welche nicht ausreichend demokratisch legitimiert sind. Gerade in Krisensituationen bestehen wir darauf, Bürgerrechte zu wahren und einen demokratischen Prozeß herzustellen, damit nicht Machtungleichgewichte und soziale Ungleichheiten in der Folge von Umbrüchen verstärkt werden.
Weiterführende Links und Literatur zum Thema
- Peak Oil? Einführung der ASPO, Association for the Study of Peak Oil and Gas, 2012
- James Murray, David King: Oil’s tipping point has passed, Nature, Volume 481, Seiten 433–435 (26. Januar 2012)"
- Direkter Link zum Artikel: http://www.aspo-australia.org.au/References/Bruce/MurrayKing2012.pdf
- "Peeking at Peak Oil", Kjell Aleklett und Uppsala Global Energy Systems Group, Springer New York, London 2012, ISBN 978-1461434238
- "The alternative Energy Matrix" aus dem Blog des Physikers Tom Murphy, der energetische Alternativen kritisch begutachtet
Anmerkungen und Einzelnachweise
(1) Dietmar Reiche: Peak Oil – geht uns der Kraftstoff aus?, Deutschlandfunk, 2008-06-27, Dietmar Reiche, Deutschlandfunk 27. Juni 2008
(2) Norbert Rost: Internationale Energieagentur warnt vor Ölkrise ab 2015, Artikel auf peakoil.com, 2011-11-09
(3) Robert Hirsch, Roger Bezdek, Robert Wendling: Peaking of World Oil Production: Impacts, Mitigation & Risk Management, Studie im Auftrag des Department of Energy, Washington D.C., 2005
(4) Dezernat Zukunftsanalyse: Peak Oil - Sicherheitspolitische Implikationen knapper Ressourcen, Studie des Zentrums für Transformation der Bundeswehr, Berlin, November 2010
(5) IWF: World Economic Outlook - April 2011, International Monetary Fund, Washington D.C., 2011, Kapitel 3, Seite 89-124
(6) ASPO: PEAK OIL?, Association for the Study of Peak Oil and Gas, Ottobrunn, 2012 ]
(7) Harald Andruleit, Hans Georg Babies, Jürgen Meßner, Sönke Rehder, Michael Schauer, Sandro Schmidt: Reserven, Ressourcen und Verfügbarkeit von Energierohstoffen 2011, Deutsche Rohstoffagentur (DERA) in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR), Hannover, November 2011
(8) BGR optimistisch: Peak Oil erst 2036?, Norbert Rost, peakoil.com, 7. Februar 2012
(9) Pierre René Bauquis et al: Mobilizing society in the face of peak oil, Aufruf von ASPO und ehemaligen Vertretern der Ölindustrie an die französischen Präsidentschaftskandidaten, Tribune parue dans le Monde.fr le 22 mars 201,
(10) Josef Auer: German Mechanical Engineering Steeling Economy for the Post-Oil Era, Deutsche Bank Research, Frankfurt am Main, 2008
(11) Sinnvoll erscheinende konkrete Maßnahmen sind zum Beispiel forcierte Anstrengungen bei der Wärmedämmung, der Aufbau von saisonalen Wärmespeichern und Nahwärmenetzen, ein nachdrücklicher Ausbau des bereits heute streckenweise stark ausgelasteten ÖPNV, die Verwendung von emissionsarmen elektrischen Trolleybussen als Brückentechnologie, die Einrichtung von Transport- und Lieferdiensten für Haushalte ohne Auto sowie der Ausbau des elektrifizierten Güterverkehrs.
(12) Bei der Gebäudeheizung von Altbauten gibt es ein riesiges Einsparpotenzial an fossiler Energie: 40 % des Primärenergieverbrauchs entfällt auf Gebäudeheizung, und bis zu 90 % davon lassen sich einsparen. Wärmedämmung ist bereits gesetzlich vorgeschrieben, wird aber im Fall von Mietshäusern durch ungelöste Interessenkonflikte verschleppt. Siehe Altbauten dürfen weiter einheizen. Die Energieeinsparverordnung EnEV 2012 tut Immobiliengesellschaften einen Gefallen, Matthias Brake, telepolis 18. April 2012
(13) Nicht nur Benzin, Gas und Kohle können teurer werden, sondern auch Strom, da Strom zum Heizen mit Wärmepumpen oder Heizlüftern benutzt werden kann. Regenerativ erzeugter Strom kann und wird also Heizöl im Rahmen des wirtschaftlich Vorteilhaften substituieren. Steigt der Ölpreis stark, wird das zu Strompreissteigerungen führen, da Öl bisher eine weit größere Energiemenge stellt.
(14) Jürgen Grahl, Reiner Kümmel: Produktionsfaktor Energie - Der stille Riese, Energie & Zukunft, Ausgabe 1, Aachen, 2006, S. 4 - 23.
(15) Importe und Exporte energieintensiver Güter und Rohstoffe können analog zur Umsatzsteuer durch Importbesteuerung und Rückerstattungen steuerlich gleichgestellt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
(16) Eine Kombination oder Kopplung einer Energiesteuer mit der Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, kann im Rahmen dieses Entwurfs nicht ausreichend behandelt werden.
(17) Eine mögliche Konkretisierung einer Energiesteuer mit einer Modellrechnung, welche sich die hier abgestimmte Position jedoch nicht zu eigen macht, ist auf der Webseite Umsteuern mit Energiesteuern dargestellt.
(18) Götz Werner: Einkommen für alle, 5. Auflage, Bastei Verlag, Köln, 2008
(19) Besonders gefährdet erscheinen die Automobilindustrie, die zivile Luftfahrtindustrie, sowie die Herstellung energieintensiver Grundstoffe wie Stahl, Papier und Aluminium.
(20) Beispiele wären die Initiativen des VDMA (Verein Deutscher Maschinen- und Anlagenbau) oder die britische Industry Taskforce on Peak Oil and Energy Security (ITPOES> (http://europe.theoildrum.com/node/6201).
(21) Beispielsweise Einkaufszentren, die nur per PKW günstig zu erreichen sind.
(22) Oil exploration costs rocket as risks rise, Christopher Johnson, Reuters London, 11. Februar 2010
(23) Saudi Arabia - Headed for a downfall?, Gail Tverberg for ASPO-US, Energy Bulletin, 5. Dezember 2011
(24) James Murray, David King: Oil’s tipping point has passed, Nature, Volume 481, Seiten 433–435 (26. Januar 2012), Online: http://www.aspo-australia.org.au/References/Bruce/MurrayKing2012.pdf
(25) Oil and the Trade Deficit. Rising Energy Expenditures and U.S. Energy Security, US Diplomatic Council on Energy Security, Mai 2012, online: http://www.secureenergy.org/sites/default/files/DCES-Oil-and-the-Trade-Deficit.pdf
(26) Gail E. Tverberg, Oil supply limits and the continuing finncial crisis, Energy (37) 2012, Seiten 27-34) (temporarily online)
(27) Die Ölförderung Großbritanniens ist beispielsweise seit ihrem Höhepunkt im Jahr 1999 um rund 30% gesunken. Peak Oil: Großbritanniens Ölförderung in 2011 um fast ein Sechstel gesunken, Norbert Rost, telepolis, 17. April 2012
(28) Energieträger nach Anteilen Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen 2011, nach: Umweltbundesamt, Dessau, 2011
(29) Neufunde an konventionellem Erdöl halten mit dem Verbrauch bei weitem nicht Schritt. Während die Ölfunde von etwa 55 Gb/a im Jahr 1966 auf etwa 6Gb/a im Jahr 2012 gesunken sind, stieg der weltweite Verbrauch im selben Zeitraum von rund 10Gb/a auf etwa 22Gb/a an. Grafik: The growing Gap, Wikipedia, 13. Janiuar 2011, Quelle: ASPO
(30) "Peeking at Peak Oil", Kjell Aleklett und Uppsala Global Energy Systems Group, Springer New York, London 2012, ISBN 978-1461434238
(31) Der Physiker Tom Murphy beispielsweise, der alternative Energieträger umfassend untersucht hat, warnt nachdrücklich vor der Vorstellung, dass es für den umfassenden Ersatz der fossilen Energieträger eine einfache technische Lösung gäbe: The Alternative Energy Matrix, Tom Murphy, Blog "Do The Math", 7. Februar 2012
Anlage zum Antrag
Parallele Anträge zu Landesprogrammen
- Risikovorsorge gegen Peak Oil, Programmantrag zum Landtagswahlprogramm Niedersachsen 2012
Anträge mit ähnlicher Thematik und Zielen
Die vorstehenden Anträge nennen Nachhaltigkeit und Förderung erneuerbarer Energieen als Ziele und konkretisieren dies teilweise ausführlich. Sie adresseren aber nicht Peak Oil und benennen bisher auch keine Energiesteuer als übergeordnete, konkrete Maßnahme. Im Verhältnis zu diesen kann der vorliegende Antrag als ergänzend betrachtet werden.
- Dieser Antrag nennt die Erschöpfung fossiler Brennstoffe als Begründung für eine nachdrückliche Förderung von Elektromobilität. Er vertritt jedoch keine Energiesteuer als ergebnisoffene und technikneutrale Maßnahme. Zudem enthält die ausdrückliche Förderung von Elektromobilität das Risiko, bestimmte politisch gut vertretene Branchen zu subventionieren und andere erfolgversprechende Strategien zu vernachlässigen.
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