2008-05-31 - Rede des Bundesvorsitzenden Dirk Hillbrecht bei Demo in Braunschweig

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Auf dieser Seite finden Sie die Rede des Bundesvorsitzenden der Piratenpartei, Dirk Hillbrecht, bei der Demo "Freiheit statt Angst" am 31. Mai 2008 in Braunschweig

Video

Rede

"Freiheit statt Angst" ist das Motto der heutigen Veranstaltung.
Die Frage stellt sich: Ist die Freiheit in Gefahr?

Liebe Freunde,
Vorratsdatenspeicherung, BKA-Gesetz, flächendeckender Einsatz von Kameras zur Überwachung, Beobachtung von Allem und Jedem schreiten unaufhaltsam - scheinbar unaufhaltsam - voran. Über allem steht die Sicherheit, die zu einer Art Fetisch geworden ist und in deren Sinne man alles tun muss, was irgend geht. Kein Tag vergeht, ohne dass in der Zeitung davon zu lesen ist, dass bestimmte Sicherheitsgesetze eigentlich noch gar nicht ausreichen und angepasst werden müssten. Wobei anpassen immer "Verschärfen", "Erweitern", "noch mehr" bedeutet.

Die Gründe dafür sind verschieden: Mal geht es um Kriminelle, mal um Jugendliche. Hin und wieder werden leider sogar Ausländer nach vorne geholt. Und wenn das alles nicht passt, dann muss mal wieder der "islamistische Terrorist" herhalten. Damit wird Angst und Schrecken in der Bevölkerung verbreitet. Und diese Angst - dieser Schrecken - wird zum Selbstzweck mit der steten Begründung, dass man damit die Freiheit einschränken müsse um mehr Sicherheit zu schaffen.
Da sagen wir "Nein!". Wir brauchen Luft zum Atmen und wir müssen uns entfalten könnne, sonst funktioniert die gesamte Gesellschaft nicht.
Wir wollen nicht, dass der Staat uns ständig hinterherprüft und herumschnüffelt, was wir gerade tun oder lassen.

Liebe Freunde,
ich stehe hier als Mitglied und als Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland. Diese Partei steht hier als eine Kraft, die die Herausforderungen der digitalen Welt ernst nimmt, sich ihr stellt und sie mitgestalten möchte. Das gilt für Dinge wie das ausufernde Patentrecht mit dem immer mehr Wissen und Kreativität der Gesellschaft entzogen werden. Das gilt für das Urheberrecht, bei dem kleine Lobbygruppen aus Musik- und Filmindustrie versuchen, die Kultur der Gesellschaft zu monopolisieren.

Insbesondere gilt das aber für den Staat selbst! Es ist völlig klar: Die aktuellen technischen Entwicklungen erlauben längst eine vollständige Überwachung von Allem und Jedem in nie gekanntem Maße. Man kann heute alles überwachen. Das heißt aber nicht, dass man auch alles überwachen muss!
Eine freie Gesellschaft lebt von Lebendigkeit. Und Lebendigkeit heißt, dass man über Meinungen und Ansichten streiten kann. Streiten kann man aber nur ohne Angst. Und überbordende Überwachung führt genau dazu, dass Angst entsteht. Sie macht ängstlich und zerstört so die Freiheit!

Die Politik muss sich davor hüten diese Entwicklung zu fördern. Gerade das passiert aber momentan. Verbindungsdaten, wie sie mit der Vorratsdatenspeicherung erfasst und über Monate gespeichert werden, sind zum Beispiel genau die Informationen, die eine Telekom - wie diese Woche herausgekommen ist - benutzt hat um ihre eigenen Manager und diverse Journalisten zu bespitzeln. Dass jetzt ausgerechnet Innenminister Schäuble diese spitzelnden Unternehmen zur Mäßigung aufruft, ist an Heuchelei kaum noch zu überbieten!
Und nicht nur das. Diese Affäre wird jetzt auch noch von den ersten gleich wieder genutzt um die Sache noch stärker zu verstärken.
Vorratsdatenspeicherung? Gut! Aber dann doch am besten gleich als eine staatliche Sammeldatenbank...

Wer hätte daran gedacht, dass in unserem demokratischen Rechtsstaat laut darüber nachgedacht werden kann, dass eine staatliche Datenbank aller Telefondaten erzeugt und erstellt werden soll?
Wer hätte gedacht, dass demokratische Politiker und insbesondere eine Bundesjustizministerin einer demokratischen Partei ein BKA-Gesetz auf den Weg bringt, in dem das BKA nach eigenem Gutdünken Abhören und Eindringen darf, sich dabei aber im Wesentlichen selbst überwacht?
Das ist ein Überwachungspanoptikum und das sind Überwachungsphantasien, wie sie selbst in Erich Mielkes feuchten Träumen nicht vorgekommen sind!

Liebe Freunde,
unsere Forderungen sind eigentlich ganz einfach:
Wir wollen die Freiheit zu sagen was wir wollen, ohne Angst davor haben zu müssen, ständig abgehört zu werden!
Wir wollen die Freiheit hinzugehen wo wir wollen, ohne Angst haben zu müssen ständig auf Schritt und Tritt von Überwachungskameras erfasst zu werden, die alles aufzeichnen!
Wir wollen die Freiheit zu schreiben, was wir denken ohne Angst, dass einem die Worte... (im Munde rumgedreht werden?)!
(spontan zu vorbeifahrenden, singenden Fußballfans: Und wir wollen die Freiheit laut mit dem Fahrrad über den Platz fahren und dieses auch tun zu können!)
Und wir wollen die Freiheit zu denken, was wir wollen, ohne Angst vor einer Gedankenpolizei haben zu müssen!

Wir fordern eine neue Kultur der Verantwortung unseren Grundrechten gegenüber!
Sicherheit entsteht nicht, indem man sagt, sie sei da. Sicherheit entsteht auch nicht, indem man alles vermeintlich Unsichere oder Ungewisse erbarmungslos wegdrückt.
Sicherheit entsteht in unser demokratischen freiheitlichen Gesellschaft durch jeden einzelnen Bürger, der frei in seinen Entscheidungen ist!

Deswegen sagen: Wir Freiheit ist Sicherheit und Freiheit statt Angst!
Vielen Dank!