HSG:München/Positionspapiere/Verfasste Studierendenschaft

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Positionspapier: Einführung einer Verfassten Studierendenschaft in Bayern und politisches Mandat

HINWEIS:
  • Beschlossen mit 6:0:0 auf der Mitgliederversammlung am Dienstag, den 20. März 2012

Notwendigkeit einer Verfassten Studierendenschaft

Die Piraten stehen für direkte Demokratie und mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten für den Einzelnen in allen Bereichen der Gesellschaft. An den bayerischen Hochschulen haben die Studierenden gegenwärtig nicht in angemessenem Maße die Möglichkeit, auf ihre Studien- und Lebensbedingungen Einfluss zu nehmen und ihre Interessen gegenüber der Hochschule und der Politik zu vertreten. Das bayerische Hochschulgesetz sieht in seiner aktuellen Fassung kaum Mitsprache der Studierenden durch Fachschaften oder sonstige studentische Vertreter vor. Die existierenden Fachschaften und Studierendenvertretungen und die Landes-ASten-Konferenz (der Zusammenschluss aller gewählten Studierendenvertretungen Bayerns) operieren ohne wirkliche rechtliche Grundlage und nur unter Duldung der Hochschulen und der Politik. Die Studierenvertretungen arbeiten ehrenamtlich und sind stark unterfinanziert; an der LMU München beispielsweise steht ihr aufgrund der geltenden Verordnungen weniger als 1€ pro Student und Semester zur Verfügung [1]. Das studentische Beratungs- und Freizeitangebot wird hierdurch deutlich beschnitten und auf ein Minimum reduziert.

Die Situation in Bayern unterscheidet sich erheblich von der in den anderen Bundesländern: Wenn der Einführungsprozess in Baden-Württemberg 2012/13 abgeschlossen ist, wird Bayern das einzige Bundesland ohne Verfasste Studierendenschaft sein [2].

Die Verfasste Studierendenschaft besitzt als Teilkörperschaft des öffentlichen Rechts juristische, repräsentative und finanzielle Freiheiten, durch die der Handlungsspielraum der studentischen Vertreter erheblich erweitert wird. Der Status einer juristischen Person ermöglicht es ihr, die Studierendenschaft als Gesamtheit rechtlich zu vertreten; die im gegenwärtigen bayerischen Hochschulgesetz nicht vorgesehen studentischen Vertreter werden durch sie rechtlich legitimiert.

Durch eine direktdemokratische Legitimation ist sie in der Lage, die Interessen der Studierenden paritätisch gegenüber Organisationen und Verbänden, aber auch der Politik und der Wirtschaft zu repräsentieren.

Zusätzlich entsteht aus ihrer Befugnis, Gelder einzunehmen und zu verwalten, eine finanzielle Unabhängigkeit von staatlichen Mitteln, durch die studentennahe Dienstleistungen wie etwa Beratungs- und Fortbildungsangebote, aber auch die Bereitstellung von studienrelevanten Ressourcen ausgebaut und neu geschaffen werden können.

Die Piraten setzen sich deshalb für die Einführung einer Verfassten Studierendenschaft auch in Bayern ein.

Mitsprache bei der Einführung

Um adäquate Mitbestimmungsmöglichkeiten schon während des Einführungsprozesses zu gewährleisten, soll eine Kommission aus Vertretern der Landesregierung und der bayerischen Studierenden gebildet werden. Der Landtag beruft in diese Kommission Vertreter des Bildungsministeriums und der Landes-ASten-Konferenz als höchstem studentischen Gremium in Bayern, sowie gegebenenfalls weitere studentische Vertreter, die die Bedürfnisse zusätzlicher Hochschultypen und -größen vertreten.

Aufgabe der Kommission ist die Erarbeitung eines Konzepts zur Einführung der Verfassten Studierendenschaft in Bayern, in dem verbindliche Entscheidungen über die Details der Ausgestaltung und das Prozedere bei der Einführung formuliert werden.

Eine Diskussion dieser Fragen ohne studentische Mitsprache lehnen wir ab.


Details der Ausgestaltung und Einführung

Bezüglich der von der Kommission zu entscheidenden Detailfragen positioniert sich die HSG Freibeuter München wie folgt:

Aufbau der Verfassten Studierendenschaft

Zum Aufbau einer Verfassten Studierendenschaft gibt es zwei grundlegende Modelle, das direktdemokratische Studierendenparlamentsmodell und das repräsentativdemokratische Studierendenratsmodell. Zusätzlich existiert in der Theorie ein drittes Modell - das sogenannte StuPa/StuRa-Mix-Modell - in dem Elemente beider Modelle kombiniert werden.

Die Stärke des StuPa-Modells besteht im Wesentlichen darin, dass die Studierendenvertreter auf direktdemokratischem Wege in das Studierendenparlament gewählt werden. Die Studierenden sind hierbei bei der Wahl nicht eingeschränkt und können Kandidaten aller Fachrichtungen ihre Stimme geben. Es sind außerdem Listen der politischen Hochschulgruppen möglich. Das Modell benachteiligt jedoch die Fachschaften; eine gerechte Verteilung des Mitbestimmungsrechts auf die Fakultäten ist nicht gewährleistet.

Das StuRa-Modell wiederum orientiert sich stark an den Fachschaften. Die Studierenden wählen Vertreter für ihre eigene Fachschaft, sodass eine Beteiligung aller Fakultäten am hochschulpolitischen Entscheidungsfindungsprozess gewährleistet ist.

Dieses Modell beschneidet die Studierenden jedoch in der Wahl ihrer Vertreter, da keine allgemeine Wahl stattfindet und nicht die Möglichkeit besteht, Studierende anderer Fachrichtungen oder Vertreter der politischen Hochschulgruppen zu wählen (es sei denn, es handelt sich um Mitglieder der eigenen Fachschaft).

Wir sprechen uns für das StuPa/StuRa-Mix-Modell aus, da es die Vorteile beider Modelle vereint. Während die Studierenden bei der Wahl des Studierendenparlaments direkt und ohne Einschränkungen die Kandidaten wählen können, durch die sie sich in uni- und landesweiten Belangen am besten vertreten fühlen, stehen ihnen gleichzeitig auch Vertreter aus der eigenen Fachrichtung zur Verfügung, die mit den spezifischen Problematiken des Faches bzw. der Fakultät vertraut sind. Das Mixmodell gewährleistet so gleichzeitig die freie Wahl der Abgeordneten und einen Niederschlag der Fächervielfalt an der Hochschule in der Verfassten Studierendenschaft.

Das Mixmodell zeichnet sich außerdem dadurch aus, dass es durch seine Vielfältigkeit für Hochschulen aller Arten und Größen geeignet ist, was besonders bei einer bayernweit einheitlichen Einführung der Verfassten Studierendenschaft von Vorteil ist.

Mitgliedschaftsmodell

Zur Mitgliedschaft sind zwei verschiedene Modelle praktikabel: die Pflichtmitgliedschaft, bei der alle Studierenden automatisch Mitglieder der Verfassten Studierendenschaft sind, und das Opt-Out-Modell, bei dem die Studierenden mit der Immatrikulation automatisch Mitglieder der Verfassten Studierendenschaft werden, jedoch die Option haben, aus ihr auszutreten. Für die Pflichtmitgliedschaft spricht, dass sie große organisatorische Vorteile mit sich bringt. Da jeder Student Mitglied der Verfassten Studierendenschaft ist, ist es nicht nötig, bei Inanspruchnahme ihrer Angebote die Mitgliedschaft zu überprüfen, wie es beim Opt-Out-Modell der Fall wäre. Alle Angebote der Verfassten Studierendenschaft stehen allen Studierenden offen; unnötiger bürokratischer Aufwand wird weitgehend verhindert.

Da es nicht notwendig ist, Personal zur Verwaltung der Mitglieder einzusetzen, können die Beiträge stattdessen in konkrete Beratungsangebote und Projekte zu Gunsten der Studierenden investiert werden. Darüber hinaus entsteht der Verfassten Studierendenschaft durch die Pflichtmitgliedschaft eine finanzielle Planungssicherheit, welche die Durchführung von längerfristigen Projekten ermöglicht.

Politisch hat die Pflichtmitgliedschaft den Vorteil, dass die Verfasste Studierendenschaft die Studierenden als Ganzes vertritt und somit mehr öffentliche Gewichtung erfährt. Zusätzlich werden die Studenten durch die Pflichtmitgliedschaft angespornt, sich aktiv in die Arbeit der Verfassten Studierendenschaft einzubringen und ihre Meinung im Rahmen der jährlichen Hochschulwahlen zum Ausdruck zu bringen.

Gegen die Pflichtmitgliedschaft spricht in erster Linie, dass die Studierenden keine Möglichkeit haben, aus der Verfassten Studierendenschaft auszutreten. Je nach Aufgabenverteilung zwischen Verfasster Studierendenschaft und Studentenwerk kann dies jedoch unter Umständen dadurch gerechtfertigt werden, dass die Verfasste Studierendenschaft Aufgaben wie z.B. die Verwaltung des Semestertickets übernimmt, die automatisch von jedem Studierenden in Anspruch genommen werden.

Das Opt-Out-Modell bringt entsprechende organisatorische Nachteile mit sich, spricht den Studierenden dafür aber das Recht zu, durch einen Austritt aus der Verfassten Studierendenschaft in stärkerem Maße als durch Nichtwahl von ihrer negativen Meinungsfreiheit Gebrauch zu machen. Zudem wird niemand verpflichtet, den Mitgliedsbeitrag zu bezahlen.

Welches der beiden Mitgliedschaftsmodelle zum Tragen kommt, bleibt der Verfassten Studierendenschaft überlassen (siehe Abschnitt „Einführungsmodus“).

Politisches Mandat

Durch das politische Mandat ist geregelt, zu welchen Themen sich die Verfasste Studierendenschaft äußern kann; grundsätzlich besteht entweder die Möglichkeit, der Verfassten Studierendenschaft ein allgemeines politisches Mandat zu erteilen oder dieses auf hochschulpolitische Themen zu beschränken.

Einige Themen wie z.B. die Wohnsituation der Studierenden lassen sich jedoch nicht klar von hochschulfernen Themengebieten abgrenzen. In der Vergangenheit ist es deshalb in mehreren Fällen zu Klagen gegen Studierendenvertreter gekommen, weil diese Aussagen zu Themen getätigt haben, die nach Auffassung der Kläger nicht von ihrem hochschulpolitischen Mandat abgedeckt waren.

Ein allgemeines politisches Mandat hingegen befähigt die Verfasste Studierendenschaft, nicht nur auf einen Mangel hinzuweisen, sondern auch konkrete, von einem hochschulpolitischen Mandat unter Umständen nicht abgedeckte Verbesserungs- oder Alternativvorschläge anzubringen, ohne sich Gedanken um eventuelle rechtliche Folgen machen zu müssen.

Damit die Vertreter der Verfassten Studierendenschaft die Studierenden auch in entfernt hochschulpolitischen Belangen wie Wohungsnot oder Bildungsausgaben vertreten können, sollte den Studierendenvertretern deshalb ein allgemeines politisches Mandat erteilt werden.

Finanzierung

Die Verfasste Studierendenschaft finanziert sich durch Mirgliedsbeiträge. Während diese Form der Finanzierung den Studierendenschaften der größeren Hochschulen ausreichende Mittel zur Verfügung stellt, können diese an kleineren Hochschulen ungenügend sein, wenn die Beiträge nicht unverhältnismäßig hoch gestaltet werden sollen.

Um diesem Problem entgegenzuwirken, sprechen wir uns für einen „Solidaritätsbeitrag“ aus. Hierbei wird ein festgesetzter Prozentsatz der Einnahmen einer jeden Verfassten Studierendenschaft in Bayern in einen Topf eingezahlt; die Studierendenschaften der Hochschulen, an denen es aufgrund der Größe ihrer Hochschule zu finanziellen Engpässen kommt, haben daraufhin Anspruch auf Mittel aus diesem Fonds.

Staatliche Zuschüsse sollten vermieden werden, um die Unabhängigkeit der Verfassten Studierendenschaft aufrechtzuerhalten.

Einführungsmodus und Zusammenschlüsse auf Landesebene

Die verpflichtende Einführung der Verfassten Studierendenschaft wird im bayerischen Landeshochschulgesetz festgelegt. Um ein landesweit einheitliches System mit vergleichbaren Strukturen zu schaffen, sollten die zentralen Punkte Aufbau der Verfassten Studierendenschaft, politisches Mandat und Finanzierung von der Einführungskommission einheitlich für ganz Bayern beschlossen werden, wobei Einzelheiten zum Aufbau wie z.B. die Anzahl der Vertreter von der Verfassten Studierendenschaft individuell festgelegt werden können. Die Entscheidung über das Mitgliedschaftsmodell und die Höhe der Mitgliedsbeiträge bleiben ebenfalls der Verfassten Studierendenschaft überlassen, um ihr die Möglichkeit zu geben, die Bestimmungen an Größe und Zusammensetzung der jeweiligen Hochschule auszurichten.

Mit der Einführung der Verfassten Studierendenschaft geht die Einrichtung eines bayernweiten Dachverbands aller Verfassten Studierendenschaften einher, der die Vertretung der bayerischen Studierenden auf Landesebene übernimmt und die Landes-ASten-Konferenz ersetzt.

Die Einführungskomission besteht nach der erfolgten Einführung der Verfassten Studierendenschaft in Bayern als ständige Komission weiter, die sich um die stetige Verbesserung und Anpassung der Verfassten Studierendenschaft bemüht.

Beschluss

Beschlossen mit 6:0:0 auf der Mitgliederversammlung am Dienstag, den 20. März 2012.

Einzelnachweise