Vorschlag Multikandidatenwahlkreise Bundestag
Diese Seite gehört zu einer Kampagne für die rechtzeitige Verabschiedung eines verfassungsgemäßen Bundestagswahlrechtes, die ab dem 1. Juli 2011 aufrund der Fristen zwangsläufig anlaufen muss:
Inhaltsverzeichnis
- 1 Hintergrund und Ziel
- 2 Vorteile dieses Ansatzes
- 3 Nachteile dieses Ansatzes
- 4 Nicht offensichtliche Seiteneffekte (noch) ohne Bewertung
- 5 Hinweise für Selbsteinteiler
- 6 Nach Bundesländern: mögliche Einteilung(en)
- 6.1 Schleswig-Holstein (11)
- 6.2 Mecklenburg-Vorpommern (zuletzt noch 7)
- 6.3 Hamburg (6)
- 6.4 Niedersachsen (30)
- 6.5 Bremen (2)
- 6.6 Sachsen-Anhalt (9)
- 6.7 Brandenburg (10)
- 6.8 Berlin (12)
- 6.9 Nordrhein-Westfalen (64)
- 6.10 Sachsen (16)
- 6.11 Hessen (21)
- 6.12 Thüringen (9)
- 6.13 Rheinland-Pfalz (15)
- 6.14 Bayern (45)
- 6.15 Baden-Württemberg (38)
- 6.16 Saarland (4)
- 7 Alternativen und Anmerkungen
Hintergrund und Ziel
Am 30.6.2011 endet die dreijährige Frist des BVerfG des Urteils zum negativen Stimmgewicht (s.a. Pressemitteilung BVerfG Nr. 68/2008 vom 3. Juli 2008) an den Deutschen Bundestag um den verfassungswidrigem Umstand des negativen Stimmgewichts im aktuellen Bundestagswahlrecht abzustellen. Schon die letzte, 17. Bundestagswahl am 27. September 2009 fand unter entschieden verfassungswidrigem Wahlrecht statt, was nur aufgrund der absichtlich darüber hinaus geltenden Änderungsfrist noch keine einschneidenden Konsequenzen hatte.
Auslöser war eine Nachwahl zur 16. Bundestagswahl 2005 in Dresden, bei der die CDU sachlich korrekt ihre Anhänger von der Vergabe der Zweitstimme (nicht aber der Erststimme!) in der Nachwahlkampagne abzuhalten versuchte, um nicht bundesweit einen Sitz zu verlieren (!). Die Verfassungsbeschwerde gegen diesen widersinnigen, den Wählerwillen tendenziell konterkarierenden Effekt anhand dieses Falls führte zum oben genannten Urteil.
Auch wenn Überhangmandate nicht durch das Urteil ausgeschlossen wurden, bilden sie derzeit die Voraussetzung für das Auftreten des negativen Stimmgewichts bei Bundestagswahlen; andere Quellen negativen Stimmgewichts wie ungerechte, veraltete Auszählungsverfahren wurden bereits behoben (das moderne, aktuelle Auszählungsverfahren hat dieses Problem nicht und behandelt zudem auch kleinere Parteien fair).
Der einzige Versuch der GRÜNEN, mit einer Wahlgesetzänderungsinitiative das negative Stimmgewicht bereits bei der letzten Bundestagswahl zu bannen, wurde während der laufenden Aufstellungsversammlungsperiode trotz fehlender Auswirkung auf diese von der großen Koalition abgelehnt; er hätte die Überhangmandate bei der letzten Bundestagswahl und damit auch die Hauptursache beseitigt.
Danach hat der Bundestag sich überhaupt nicht mehr um dieses Problem gekümmert, bis Anfang 2011 erste ernsthafte Debatten im Bundestag stattfanden, in deren Verlauf ein weiterer Versuch der Grünen von der schwarzgelben Koalition abgelehnt wurde, durch teilweise Annullierung von Direkt- und damit Überhangmandaten einen verfassungsgemäßen Zusand zu erreichen. Seither ist außer fruchtlosen Debatten im Plenum und in der aktuellen Regierungskoalition nichts mehr passiert und es steht mittlerweile fest, dass kein mehrheitsfähiger und verfassungskonformer Vorschlag fristgerecht auch nur in 1. Lesung verhandelt werden wird. Zudem sind bereits ernsthaft diskutierte Vorschläge der Regierungskoalition in keiner Weise geeignet, das verfassungswidrige negative Stimmgewicht zu beseitigen.
Die mögliche Verfassungskrise nach dem 30. Juni 2011 entsteht so: scheitert die amtierende Regierungskoalition und finden Neuwahlen oder gar im Herbst 2013 die reguläre nächste Bundestagswahl statt, bevor das Wahlrecht verfassungskonform geändert wurde; dann würde diese Bundestagswahl beim BVerfG aufgrund des verfassungswidrigen angewandten Wahlrechts sofort auf Antrag von Wählern und/oder Parteien für ungültig erklärt und es bliebe dem BVerfG wohl nichts anderes übrig, als eine Neuwahl mit einem vom ihm per Urteil geänderten Wahlrecht anzusetzen, da der zuvor gewählte Bundestag nicht befugt wäre, Gesetze wie ein neues Wahlrecht zu erlassen (!) - auch wenn es dazu mal wieder unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt.
Der beste, demokratischste und eleganteste Vorschlag, das Wahlrecht zu aktualisieren, stammt vom Verein Mehr Demokratie e.V. und konnte bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg (s. ab Seite 27/29 rosa Stimmzettel) am 20. Februar 2011 in der Praxis nicht nur erfolgreich getestet, sondern auch ausführlich hinsichtlich seiner Auswirkungen analysiert werden: statt einzelner Wahlkreise, in denen nur derjenige Kandidat mit relativer (nicht aber absoluter) Mehrheit (und ohne Stichwahl bei weniger als 50% gültiger Stimmen) gewählt ist, werden Wahlkreise mit drei bis fünf Mandaten gebildet, so dass bei realistischer Stimmenverteilung stets Kandidaten verschiedener Parteien als Direktmandatsträger zum Zuge kommen und außerdem der Wähler die Wahl zwischen mehreren Kandidaten auch derselben Partei hat: jeder Wähler hat fünf Erststimmen, egal wie viele Mandate in seinem Wahlkreis zu vergeben sind, und kann diese auf einen oder mehrere Kandidaten auch über Parteigrenzen hinweg verteilen. Nur hierfür ist überhaupt keine Änderung an dem System der Gesamtsitzverteilung nach Zweitstimmen oder der Verrechnung der Direktmandate notwendig.
Vorteile dieses Ansatzes
- erheblich mehr Erststimmen sind für die Verteilung von Direktmandaten relevant (bisher waren alle Erststimmen für alle Kandidaten bis auf den Wahlkreisgewinner ohne Belang für die Sitzverteilung im Bundestag)
- dadurch Bannung des "The winner takes it all"-Effekts, der ursächlich für Überhangmandate und damit verbundenes negatives Stimmgewicht ist, durch einigermaßen anteilige Verteilung der Direktmandate an alle größeren Parteien - das ist der Grund, warum dies auch eine echte Lösung des Problems darstellt
- umfangreiche Einflussnahme der Wähler auf die Auswahl der Personen durch freie Verteilbarkeit der zu vergebenden Stimmen
- auch Parteien, die nicht zu den beiden stärksten im Wahlkreis zählen, haben eine Chance, Kandidaten durchzubekommen (vgl. Katja Suding (FDP) in Hamburg (s.o.), die im Wahlkreis Blankenese eines der dortigen Direktmandate gewann trotz deutlichem Rückstand hinter SPD, CDU, GRÜNEN), bei günstiger Lage kann ein Kandidat bzw. Kandidatenliste einer Partei mit gut 10% Erststimmen bereits ein Direktmandat in Fünf-Mandatenwahlkreisen gewinnen, was die Ausschließlichkeit der Chancen für Kandidaten solcher Parteien via Landesliste in den Bundestag zu kommen, beendet.
- keine grundlegende Änderung des Bundestagswahlrechts, insbesondere dem Verhältnis zu/der Listenverteilung, der Teil für die Wahlkreise aus den erfolgreichen LQFB-Anträgen PA023 bzw. PA024 wird übernommen
Nachteile dieses Ansatzes
- Die Wahlkreise werden z.T. sehr groß. Von einem örtlichen Abgeordneten kann kaum noch geredet werden, wenn sein Wahlkreisbüro 100 km weg ist.
- In immerhin sechs Bundesländern gäbe es nur einen einzigen oder zwei Wahlkreise, drei weitere Länder (und damit insgesamt mehr als die Hälfte) bestünden lediglich aus drei Wahlkreisen. Der Sinn einer getrennten Wahl nach Wahlkreis und Landesliste kann da mit Recht hinterfragt werden.
- Kaum mehrheitsfähig. Insbesondere die großen Parteien sträuben sich dagegen ein Wahlrecht anzunehmen, bei dem der Bürger die Parteientscheidung darüber, welcher Abgeordnete gewählt werden soll, überstimmen kann. In Bremen und Hamburg waren Volksbegehren notwendig, um derartige Wahlrechte gegen teilweise erheblichen Widerstand der Parteien durchzusetzen. (Bei einer Variante mit starren Wahlkreislisten und nur einer Stimme fiele dagegen der Vorteil der gesteigerten Einflussnahme des Wählers weg.)
Nicht offensichtliche Seiteneffekte (noch) ohne Bewertung
- Gesteigerte Zersplitterung der Parteienlandschaft. Regional starke Parteien wie Freie Wähler (oder u.U. auch NPD) würden unter Umgehung der 5%-Hürde ohne Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen. Die Drei-Direktmandate-Regel in §6 (6) BWahlG[1] wäre zu überdenken
- selbst bei 5 Mandaten in einem Wahlkreis sind regelmäßig deutlich über 10% der Erststimmen nötig, um ein Direktmandat zu gewinnen, d.h. das dürften allenfalls die Freien Wähler in Bayern schaffen, von den Bundestagsparteien mal abgesehen. Man könnte die Grundmandatsklausel z.B. auf 5 Sitze erhöhen.
- Nein, bei der vergangenen Hamburgwahl reichten in drei von sieben 5er-Wahlkreisen deutlich weniger als 10% für einen Sitz. Die Grünen benötigten in Wahlkreis 15 nur 9,4% und in Wahlkreis 4 nur 9,2%. Der LINKEn genügte in Wahlkreis 2 sogar 8,8%. 10% ist der durchschnittliche Wert, den man beim Divisorverfahren mit Standardrundung benötigt (0,5 x 20%). Im wesentlichen genügt es, drittstärkste Kraft werden, nahezu egal mit welchem Ergebnis. 10,2% brauchte die GAL, um im Wahlkreis 11 ein Mandat zu holen – aber das ist ein 4er-Wahlkreis.
- selbst bei 5 Mandaten in einem Wahlkreis sind regelmäßig deutlich über 10% der Erststimmen nötig, um ein Direktmandat zu gewinnen, d.h. das dürften allenfalls die Freien Wähler in Bayern schaffen, von den Bundestagsparteien mal abgesehen. Man könnte die Grundmandatsklausel z.B. auf 5 Sitze erhöhen.
Hinweise für Selbsteinteiler
Wie immer bei Wahlkreisgrenzenfestlegungen ist das Ergebnis nicht eindeutig, sollte aber gewissen Rahmenbedingungen genügen (in abnehmender Reihenfolge der Bedeutung):
- strikte Beachtung der Bundeslandgrenzen wegen der Korrelation zu den Landeslisten
- zusammenhängende Wahlkreisgebiete
- möglichst einfach zusammenhängende Wahlkreisgebiete (kann u.U. Probleme um Inseln von Stadtstaaten wie Bremen und Berlin machen, d.h. nur dort sind Abweichungen denkbar)
- nicht mehr als Fünf Mandate pro Wahlkreis
- möglichst nicht weniger als Drei Mandate pro Wahlkreis (aber s.u. Bremen, dort nicht einzuhalten, nur zwei Mandate)
- ungefähr gleiche Wähleranzahl pro zu vergebendem Mandat (# neuer Wahlkreise)
- weitgehende Einhaltung der Verwaltungsgliederung des Wahlgebiets, insbesondere kreisfreie Städte und Landkreise, soweit möglich (es besteht m.E. keine Notwendigkeit, bei so großen Wahlkreisen mit Wahlkreisgrenzen solche Kreise zu durchschneiden)
- möglichst zusammenhalten, was am Ehesten zusammengehört, soweit die vorige Möglichkeit nicht 100% besteht
- Regionen nicht zerschneiden, was sich als schwierig bis unmöglich in Beispielen erwiesen hat (zu groß)
- nicht zu einseitiger Zuschnitt, d.h. nicht fast nur Drei- oder Fünfmandatewahlkreise, sondern Anpassung an die lokalen Gegebenheiten mittels aller der unterschiedlichen möglichen Mandatszahlen von Drei bis Fünf
Nach Bundesländern: mögliche Einteilung(en)
Hier habe ich mal eine denkbare Einteilung verschiedener Bundesländer und großer Städte begonnen, die gerne fortgesetzt werden kann. Die Reihenfolge richtet sich nach der aktuellen Nummerierung der Bundestagswahlkreise, was die Bundesländer betrifft. Mögliche Grenzen und m.E. sinnvolle Werte für Wahlkreisanzahlen werden vorab angegeben zusammen mit der Mandatszahl nach der Wahlkreiseinteilung von 2008/2009 nach Bundesländern. Die empfohlene (bzw. in Einzelfällen zwingende) Anzahl Multikandidatenwahlkreise führt übrigens in dieser Machbarkeitsstudie zu einer Wahlkreisanzahl von 80, auf dies sich die unverändert 299 Direktmandate verteilen, d.h. im Durchschnitt kommen dann 3,7 Mandate auf einen Wahlkreis, also weniger als in Hamburg für die Bürgerschaftswahl. Größere Wahlkreise im Mittel wären also denkbar bzw. evtl. anzustreben. Das umfangreichste Aufteilungsbeispiel für ein Bundesland findet sich weit unten für Baden-Württemberg.
Schleswig-Holstein (11)
Hier sind drei Wahlkreise nötig, da sonst die Mindest- bzw. Maximalmandatszahlen mindestens in einem Wahkreis nicht eingehalten würden. Die ausgewogenere Einteilung sind 2x4 + 1x3 WahlkreisexMandate, 2x3 + 1x5 wäre auch möglich. Auch Kiel, Norderstedt usw. sind hier viel zu klein, um einen nennenswerten Teil eines neuen Wahlkreises zu bilden, wer mag, kann sich mal an der Einteilung versuchen.
Autokennzeichen : Anzahl Mandate des Wahlkreises (in Klammern: Anzahl Sitze CDU:SPD nach der Wahl, danach Sitze CDU:SPD:GRÜNE:FDP nach neuer Einteilung unter Summierung der Erststimmen für die neuen Wahlkreise)
Ein Beispiel von Orca:
- NF-SL-FL-HEI-RD-IZ : vier (4:0 vs. )
- KI-NMS-PLÖ-SE-PI : vier (3:1 vs. )
- OH-HL-OD-RZ : drei (2:1 vs. )
Mecklenburg-Vorpommern (zuletzt noch 7)
Hier sind zwei neue Wahlkreise zwingend. Aufgrund der dem Bevölkerungsschwund Rechnung tragenden Kreisreform zum September 2011 lässt sich vielleicht grob ein Mecklenburger und ein Vorpommern-Wahlkreis gestalten, wobei nur noch 6 Mandate zu besetzen sein dürften, also zwei Drei-Mandate Wahlkreise: Nordvorpommern, Südvorpommern und Mecklenburgisch-(Vorpommersche-)Seenplatte bilden den einen, die Hansestadt Rostock, Schwerin und die übrigen neuen mecklenburgischen Landkreise den anderen Wahlkreis (das liegt hart an der Grenze der erlaubten Wählerzahlunterschiede bei gleichen Mandatszahlen).
Stellt man historisch die WKs 12 bis 14 zuzüglich 17 als Mecklenburger Wahlkreis einerseits und die WKs 15,16 und 18 andererseits als i.W. Vorpommern-Wahlkreis einander nach der damaligen Sitzverteilung und im neuen Modus entgegen, dann ergibt sich folgende Verschiebung: M-WK von 3 Sitzen CDU und 1 LINKE auf 2 für CDU, und je 1 für LINKE, SPD (d.h. ein Sitz CDU->SPD netto), V-WK von 3 Sitzen CDU auf je 1 Sitz für CDU, LINKE, SPD (d.h. netto von der CDU je ein Direktmandat an LINKE und SPD).
Hamburg (6)
Hier sind nur zwei Multikandidatenwahlkreise mit je Drei Mandaten möglich. Mehr oder weniger Wahlkreise würden die entsprechenden Mandatszahlen pro Wahlkreis unter- bzw. überschreiten.
Es bleibt also nur die Aufteilung der beiden neuen Multikandidatenwahlkreise in die jeweils drei bisherigen offen. Orca erdreistet sich mal zu dem Vorschlag, einerseits die bisherigen Mitte, Altona und Bergedorf-Harburg ("Süd"), andererseits Eimsbüttel, Wandsbek und Nord zu den neuen Wahlkreisen zusammenzulegen. Das kann natürlich relativ frei eingeteilt werden (s.o. allgemeine Regeln); hier erschiene vielleicht eine Neuaufteilung nach den sieben Bezirken Hamburgs (drei in einem, vier im anderen Wahlkreis?) sinnvoller.
Niedersachsen (30)
Hier ergeben sich rechnerisch zwischen 6 und 10 neue Multikandidatenwahlkreise, am Besten wären wohl 8 (vorwiegend mit vier Mandaten); leider ist die Landeshauptstadt Hannover nicht groß genug für einen eigenen Multikandidatenwahlkreis.
Bremen (2)
Hier kann die Regel aufgrund des zu kleinen Wahlgebiets nicht eingehalten werden: die beiden Direktmandate müssen in einem Multikandidatenwahlkreis Bremen-Stadt+Bremerhaven zusammengefasst werden. Hier kommt lediglich zum Tragen, dass für die Anzahl von 299 Direktmandaten und insgesamt 598 Mandaten im Bundesgebiet der Wahlbereich Bremen einfach zu klein ist, um eine ausreichend große Mandatszahl zu ergeben (zwei Direkt- und insgesamt vier Mandate); das hat nichts mit dem Wahlrecht zu tun, sondern ist eine reine Größenfrage: nur eine Eingemeindung nach Niedersachsen würde dieses Problem wirklich beheben oder eine Auflösung der Ländergrenzenanbindung bzw. Landeslisten.
Sachsen-Anhalt (9)
Hier sind entweder zwei Wahlkreise mit Vier bzw. Fünf Mandaten oder drei mit Drei Mandaten möglich. Aufgrund des Bevölkerungsschwundes erscheint die erste Lösung besser, weil bei Verlust eines weiteren Sitzanspruchs sonst ohnehin komplett auf zwei Wahlkreise neu zugeschnitten werden muss.
Brandenburg (10)
Rechnerisch sind hier entweder zwei Fünf-Mandate oder insgesamt drei Multikandidatenwahlkreise (zwei mit Drei, einer mit vier Mandaten) möglich, letztere erlaubt eher die Vermeidung eines "gelochten" Wahlkreises (nicht einfach zusammenhängend).
Berlin (12)
Hier sind entweder drei Wahlkreise mit Vier Mandaten (vermutlich ausgewogenste Lösung für die 12 Berliner Bezirke bzw. bisherigen Einzelwahlkreise) oder jeweils einer mit 3, 4 und 5 Mandaten, oder auch vier Wahlkreise mit jeweils nur Drei Mandaten möglich.
Nordrhein-Westfalen (64)
Hier ergeben sich rechnerisch Aufteilungen in 13 bis 21 Wahlkreise als Möglichkeiten, davon wäre m.E. der Mittelwert von 17 am Sinnvollsten, wenn er denn einigermaßen passt.
Hier ist immerhin eine einfache Möglichkeit vorhanden, nämlich die Zuordnung der größten Stadt Köln im Bundesland zu einem neuen Drei-Mandate Wahlkreis, alle anderen Städte wie Düsseldorf usw. sind dafür schon wieder zu klein.
Sachsen (16)
Hier bietet sich die Einteilung in vier Wahlkreise mit je Vier Mandaten an, da die Alternative 4x3 + 1x4 zu kleinteilig und unausgewogen erscheint. Auch hier sind die beiden größten Städte Dresden und Leipzig zu klein für exklusive Multikandidatenwahlkreise.
Hessen (21)
Hier ergeben sich rechnerisch zwischen 5 und 7, also am Ehesten 6 Multikandidatenwahlkreise. Frankfurt am Main liegt ungefähr an der Grenze, wo ein Drei-Mandate Wahlkreis nur für die Stadt möglich wird, im Sinne der ausgewogenen Wählerzahlen wird aber die Einbeziehung des Umlandes voraussichtlich nötig oder vorzuziehen sein.
Thüringen (9)
Hier sind entweder zwei Wahlkreise mit Vier bzw. Fünf Mandaten oder drei mit Drei Mandaten möglich. Aufgrund des Bevölkerungsschwundes erscheint die erste Lösung besser, weil bei Verlust eines weiteren Sitzanspruchs sonst ohnehin komplett auf zwei Wahlkreise neu zugeschnitten werden muss.
Rheinland-Pfalz (15)
Hier sind rechnerisch drei bis fünf Wahlkreise möglich, vier dürften am Ausgewogensten sein.
Bayern (45)
Hier sind rechnerisch 9 bis 15 möglich, also am Ehesten 12 anzustreben. - Die Landeshauptstadt München bietet als einzige in Bayern die Möglichkeit zu einem reinen Stadtwahlkreis mit Vier Mandaten.
Baden-Württemberg (38)
Für dieses Bundesland ist der mögliche Bereich 8 bis 12 Wahlkreise. Eine exemplarische Einteilung von Orca ergab tatsächlich den mittleren Wert von 10 Wahlkreisen, davon 3x3, 6x4, 1x5 WahlkreisexMandate. Das sähe dann im Einzelnen so aus (bei gleichlautenden Autokennzeichen wurden die betreffenden Stadt- und Landkreise jeweils zusammengefasst):
Autokennzeichen : Anzahl Mandate des Wahlkreises (in Klammern: Anzahl Sitze CDU:SPD nach der Wahl, danach Sitze CDU:SPD:GRÜNE:FDP nach neuer Einteilung unter Summierung der Erststimmen für die neuen Wahlkreise)
- S-ES : vier (4:0 vs. 2:1:1:0)
- LB-BB-CW : drei (3:0 vs. 2:1:0:0)
- HN-MOS-TBB-KÜN : drei
- KA-RA-BAD-PF : vier
- MA-HD : vier (4:0 vs. 2:1:1:0)
- SHA-WN-AA-GP-HDH-UL : fünf
- OG-FDS-VS-RW-TUT : vier
- TÜ-RT-BL-BC-SIG : vier
- FR-LÖR-WT-EM : vier
- KN-FN-RV : drei (3:0 vs. 2:1:0:0)
Saarland (4)
Es muss zwingend einen Multikandidatenwahlkreis mit Vier Mandaten geben, da bei mehreren Multikandidatenwahlkreisen nur noch Zwei oder weniger Mandate pro Wahlkreis anfielen. Damit gibt es hier nichts weiter einzuteilen.
Alternativen und Anmerkungen
Zwei Vorschläge der Grünen wurden bereits vom Bundestag mit klarer Mehrheit abgelehnt, und brauchen daher m.E. nicht mehr weiter diskutiert werden. Zwei besonders aussichtsreiche Möglichkeiten, die noch nicht abgestimmt wurden, werden im Folgenden erläutert:
Lösung ala SPD: Ausgleichsmandate auf Bundesebene
Wenn für erworbene Überhangmandate auf Bundesebene (wichtig! nach Ländern zuerst würde negatives Stimmgewicht nicht komplett abschaffen) andere Parteien Ausgleichsmandate erhalten, dann wird der negative Stimmgewichtseffekt von Überhangmandaten mit ausgeglichen. Der Nachteil wäre die weitere Vergrößerung des Bundestages über die Nominalzahl von 598 Sitzen und den bereits angefallenen Überhangmandaten um diese noch zahlreicheren Ausgleichsmandate hinaus. Dies könnte durch eine Verringerung der Wahlkreiszahl z.B. um ca. 10% allerdings in etwa kompensiert werden.
Dieser Ansatz hätte am Ehesten Aussicht auf Annahme durch eine Bundestagsmehrheit, insbesondere nach einem vorzeitigen Scheitern der jetzigen Koalition, könnten nämlich alle Bundestagsparteien (bis auf die Union) dafür stimmen.
Lösung ala Wahlrechtskommission aus den 90'er Jahren: Nichtzählung von Zweitstimmen bei erfolgreichen Erststimmen
Da viele Wähler die Wahl wie eine Lotterie betrachten, würden sie wohl kaum darüber klagen, dass ihre Zweitstimme dann nicht gezählt wird, wenn ihre Erststimme erfolgreich war (d.h. an den Wahlkreissieger ging); die Zweitstimme wird so zu einer sonst nicht gewerteten "Versicherung" gegen eine nicht zählende Erststimme und erstmals ihrem Namen gerecht. Gewonnene Direktmandate verringern so den Zweitstimmenanteil einer Partei bundesweit (aber nur, wenn der Wähler Erst- und Zweitstimme Kandidaten derselben Partei gegeben hat) und gleichen damit indirekt in den Bundesländern mit weniger gewonnenen Direktmandaten die mehr gewonnenen in anderen Bundesländern für diese Partei aus. Ein Hauptnachteil dieses Vorgehens ist der Zwang zur kontextbedingten zweiten Auszählung: nachdem die Wahlkreissieger feststehen, müssen die betreffenden Zweitstimmen jener Stimmzettel annulliert bzw. dürfen nicht gezählt werden. Außerdem wird wieder eine neue Art taktischen Wählens angeregt.
Anmerkung: da verschiedene juristische (u.a. die GRÜNEN) und natürliche Personen bereits Verfassungsbeschwerde ab dem 1.7.2011 angekündigt haben, ist es denkbar, dass das BVerfG in einem Eilentscheid diese oder eine ähnliche Lösung als vorübergehende Abhilfe vorschreibt, bis eine dauerhafte Gesetzeslösung gefunden ist.
"Bremer Modell"
Auch in Bremen wird seit kurzem nach einem von Mehr Demokratie gestalteten, per Volksbegehren durchgesetzten Wahlrecht gewählt. Dort gibt es keine Wahlkreise (abgesehen von der Trennung Bremen/Bremerhaven) und keine unterschiedlichen Erst- und Zweitstimmen. Statt dessen wird mit einer einzigen offenen Liste gewählt, wo jeder Wähler bis zu fünf Stimmen kumulieren und panaschieren kann.
Dieses System könnte man auf den Bund übertragen. Es gäbe dann nur noch Landeslisten. Regionale Abgeordnete könnten lokal Wahlkampf machen, um vielleicht durch die Direktstimmen in ihrem "Wahlkreis" in den Bundestag einzuziehen.
Anmerkung: in den größeren Bundesländern (v.a. NRW, BY, BW) könnte man statt Landeslisten auch mit Bezirkslisten arbeiten, um die Wahlgebiete nicht zu groß und damit zu entfernt von vielen Wählern zu machen, als Kompensation für den Wegfall der Wahlkreise.
Dieses Modell mit dem Wegfall der Erststimme stellt natürlich eine radikale Änderung dar, wäre aber konsequent, denn eine Aufteilung in Erst- und Zweitstimme ist wenig sinnvoll, wenn die Größe der Wahlkreise und der Länder sich in der Hälfte der Bundesländer maximal um den Faktor drei unterscheiden. Die Alternative, in Wahlkreisen und mit bundesweiten Listen zu wählen, würde dagegen wohl gegen das Föderalismusprinzip verstoßen, und auch wegen der Besonderheit der CDU/CSU keine Zustimmung finden.