SH:Landtagswahl 2012/Wahlprogramm/Kapitel08

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Arbeit und Gesundheit

- Der Mensch steht im Mittelpunkt -

Freiheit hat auch mit dem Recht jedes Menschen zu tun, ein möglichst selbstbestimmtes Leben bis ins hohe Alter zu führen. Dazu ist man oft auch auf die Solidarität anderer angewiesen. Deshalb will die Piratenpartei, dass auch künftig Gesunde für Kranke, Arbeitende für Arbeitslose, Jung für Alt und Alt für Jung eintreten. So kann eine gerechte Gesellschaft bestehen, die Freiheit für jeden ermöglicht.

Die Piratenpartei will, dass sich das Land Schleswig-Holstein in diesem Sinne auch bei der arbeits-, sozial- und gesundheitspolitischen Gesetzgebung im Bundesrat einbringt.

Förderung von offenen Arbeitsstrukturen

Wir setzen uns für die Förderung von offenen Arbeitsstrukturen wie Hackerspaces (von Hacker und Space, engl. für Raum) und Co-Workingspaces ein. Es handelt sich dabei um offene Räume für die verschiedensten Berufsbereiche, die von mehreren Gruppen oder Personen zum gemeinsamen Arbeiten genutzt werden. Als »Büro-WGs« speziell für Heimarbeiter oder Selbständige schaffen sie Mehrwert für den Einzelnen und die Gemeinschaft.

Die so geschaffenen Möglichkeiten bieten ein großes Innovationspotenzial. Dem Bürger wird die Chance gegeben, seine sozialen und beruflichen Talente im Austausch und in der Zusammenarbeit mit anderen zu entfalten. Darüber hinaus bieten sie offene Arbeitsstrukturen flexible Arbeitszeiten und stellen damit eine Möglichkeit dar, Familie, Freizeit und Beruf in Einklang zu bringen. Wir möchten die Bereitstellung von leer stehenden Räumlichkeiten für solche Projekte fördern.

Arbeitsmarktpolitik im Fokus des Europäischen Sozialfonds

Wir leben in einer zunehmend automatisierten Arbeitswelt, in der nicht mehr länger die menschliche Arbeitskraft im Vordergrund stehen kann, sondern die Wertschöpfung des Produktes.

Wir sind davon überzeugt, dass es genügend »Arbeit« im Lande gibt, die nicht nur eine andere Wertschätzung erfahren sollte, sondern auch angemessen entlohnt gehört. Darüber hinaus erkennen wir die Potentiale der gut ausgebildeten Generation 50plus und wollen sie sinnvoll einsetzen.

Wir setzen uns daher dafür ein, dass Weiterbildungsmaßnahmen nach dem Credo des Europäischen Sozialfonds (ESF) durchgeführt werden, die gemäß Lissabon-Agenda zur Förderung einer dynamischen und wettbewerbsfähigen wissensbasierten Wirtschaft beitragen sollen.

Bisher werden aus diesem Fonds unzählige Beschäftigungsgesellschaften, sogenannte Bildungsträger, Wohlfahrtverbände etc. bedient, mit denen u.a. unsinnige Beschäftigungsprogramme für Langzeitarbeitslose geschaffen werden, die dann mit den am Markt vorhandenen Betrieben in direkten Wettbewerb treten. Die Zuschüsse aus diesem ESF-Fonds betragen in Schleswig-Holstein laut Landeshaushalt 2011/12 15,7 Mio Euro. Ob die Mittelverwendung den Auflagen der Lissabon-Agenda in oben genannten Fällen gerecht wird, bezweifeln wir stark.

Wir setzen uns dafür ein, dass Weiterbildungsmaßnahmen unterbleiben, die nur der Begradigung der Arbeitslosen-Statistik dienen.

Begrenzung der Leiharbeit

Arbeitnehmerüberlassung ist ursprünglich ein Instrument der Wirtschaft, um Auftragsspitzen zu bewältigen, wird aber zunehmend missbraucht.

In einzelnen Unternehmen stellen die Leiharbeitskräfte mittlerweile betriebsintern eine Art Konkurrenz und Druckmittel gegen die Stammbelegschaft dar und ersetzen diese sogar. In vielen Fällen werden langjährige Mitarbeiter in Untergesellschaften ausgegliedert und zu schlechteren Bedingungen »neu« weiterbeschäftigt.

Leiharbeit sollte wegen ihres Missbrauchspotenzials wieder begrenzt werden. Wir wollen, dass das Land Schleswig-Holstein dazu eine entsprechende Initiative im Bundesrat startet. Leiharbeiter sollen nicht eine billige Verfügungsmasse sein, mit der reguläre Beschäftigte unter Druck gesetzt werden können, sondern für die ihnen abverlangte Flexibilität mit einem Lohnzuschlag ab dem dritten Monat entschädigt werden.

Missbrauch von Praktika verhindern

Praktikanten sind nicht dafür da, die Leistung eines Unternehmens zu erhöhen, sondern um ihr Wissen und praktische Fähigkeiten zu erweitern.

Arbeitgeber, die Praktikanten als billige Arbeitskräfte ausbeuten, verhalten sich nicht nur unfair gegenüber den Praktikanten sondern auch gegenüber ihren Mitbewerbern und den sozialen Sicherungssystemen.

Darum wollen wir die Regelungen für Praktika verschärfen. Probezeit, Werkstudententätigkeit und befristete Arbeitsverträge sind ausreichende Werkzeuge des Arbeitsmarkts, um Berufsanfängern den Start in das Berufsleben zu erleichtern oder ein neues Arbeitsverhältnis zu ermöglichen.

Missbrauch von staatlichen Zuschüssen verhindern

Insbesondere im Niedriglohnbereich werden befristete Arbeitsverträge bis zu 12 Monaten durch EGZ (Eingliederungszuschuss für Arbeitslose aus dem Europäischen Sozialfonds) an den Arbeitgeber subventioniert.

Dies führt zum einem zu Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Mitbewerbern, die solche Zuschüsse nicht erhalten. Auch ist immer wieder zu beobachten, dass nach Ablauf der 12monatigen Förderung die Mitarbeiter nur entlassen werden, damit ein neuer Förderzyklus mit »frischen Mitarbeitern« beginnen kann.

Wir setzen uns entschieden dafür ein, diese Praxis zu unterbinden und fordern entsprechende Nachbesserungen in der Agenda 2010.

Kosten durch unnötige Verbeamtung reduzieren

Wir setzen uns für die Anfertigung einer umfassende Studie ein, die ermitteln soll, welche Tätigkeiten im öffentlichen Dienst eine Verbeamtung notwendig erfordern und welche Tätigkeiten von Angestellten erledigt werden können.

Keine sachgrundlosen Befristungen im öffentlichen Dienst

Wir setzen uns dafür ein, dass öffentlich-rechtliche Arbeitgeber Arbeitsverhältnisse nicht mehr sachgrundlos befristen dürfen. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber sind zur Erfüllung ihrer Aufgaben bereits aufgrund ihrer Existenz verpflichtet und müssen daher hinreichend Personal hierfür vorhalten. Zugleich dürfen sie Rechtpositionen ohnehin nur wegen eines sachlichen Grundes einschränken. Dieser liegt jedoch bei der sachgrundlose Befristung eben nicht vor. In Anbetracht der teils erheblichen Nutzung der sachgrundlosen Befristung wird hierdurch vielen Arbeitnehmern eine sicherere Zukunftsplanung nicht ermöglicht.

Bewegungsangebote für Menschen außerhalb von Arbeitsprozessen

Wir setzen uns für die Bewegungsangebote für Kinder und Jugendliche in allen pädagogischen Einrichtungen, Erwachsenen an ihren Arbeitsplätzen, sowie Studenten und Lehrenden an Universitäten ein. Sportanlagen sollten außerhalb der planmäßigen Belegung durch Sportgruppen für selbst organisierte Sportaktivitäten geöffnet werden. Kostenlose Sportangebote in öffentlichen Anlagen sollten gefördert werden. Jeder Mensch muss die Möglichkeit erhalten schwimmen zu lernen. Wir setzen uns für die Einrichtung und Erhalt von Schwimm- und Sportstätten und Räumen für freie Bewegung ein.

Gesundheit und Pflege auf kommunaler Ebene

Wir setzen uns für eine lokale Erstversorgung durch Pflegekräfte ein. In jeder Gemeinde sollte eine Pflegekraft arbeiten, z.B. eine pro 1000 Einwohner. Sie soll immobile Menschen und Familien besuchen, und den Gesundheitszustand und den Versorgungsbedarf ermitteln. Sie achtet darauf, dass die Person mit Medikamenten und Hilfsmitteln versorgt ist. Sie ist Schnittstelle zwischen Angehörigen, Hausarzt, Gemeinde, Physiotherapie und Pflegedienst. Sie besucht die Menschen zu Hause auf Anfrage der Betroffenen mit und ohne ärztliche Weisung. Sie rechnet ihre Leistung mit der Krankenkasse ab und erhält ein Grundgehalt von der Gemeinde. Sie organisiert Kurse in der Gemeinde zu Themen wie Ernährung, Pflege, Medikamente, erste Hilfe u.v.m.

Wohnortnahe Versorgung der Bevölkerung mit Hebammenhilfe

Wir setzen uns dafür ein, dass Schwangere die freie Wahl haben, wo sie ihr Kind bekommen möchten. Zu diesem Zweck soll die zeitnahe und regionale Erreichbarkeit einer Hebamme auch in ländlichen Räumen sichergestellt werden. Die umfasst die im Hebammengesetz (HebG §4) vorbehaltene Tätigkeiten. Des weiteren soll der Gebührenvertrag mit den Krankenkassen ausgeweitet werden, um die wirtschaftliche Absicherung der Hebammen sicher zu stellen. Die gesetzlichen Regelungen für die Leistung der Hebammen an Versicherte gemäß Reichsversicherungsordnung (§196 RVO) sollen in das Sozialgesetzbuch V überführt werden.

Erstbetreuung der Schwangeren durch die Hebamme

Wir setzen uns für eine primäre niedrigschwellige und bedarfsgerechte Betreuung und medizinische Versorgung in der Schwangerschaft, während der Geburt bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes durch Hebammen ein. Die Hebamme soll als Lotsin in allen Fragen um Schwangerschaft, Geburt und Stillen/Ernährung fungieren. Sie übernimmt die Weiterleitung in medizinische Behandlung bei Auftreten von Komplikationen (Regelwidrigkeiten).