SH:Aufgaben/Presse/PU20111212-01

Guttenbergs Internet

Ein Kommentar von Chironie

Nicht jeder, der einen weißen Kittel trägt, ist Arzt. Und nicht jeder, der promoviert, hat einen Doktortitel verdient. Das Wort Promotion kommt aus dem Lateinischen, es bedeutet Beförderung und ist ein Privileg, das besonders fleißigen Mitmenschen zuteil wird, die nach einem abgeschlossenen Studium den harten Weg der wissenschaftlichen Vertiefung in ihr Fach wagen. Weiterlesen

Es steht außer Frage, dass niemand einen derartigen Status verdient, der nicht Willens oder in der Lage ist, den nötigen Schweiß für eine ausführliche Forschungsarbeit aufzubringen. Genau jener fehlende Schweiß wurde einem jungen, politisch rasant aufstrebenden, Freiherrn aus Bayern im Februar dieses Jahres zur persönlichen und beruflichen Schwitzhütte.

Die Details sind hinreichend bekannt, die Schuld ist festgestellt, der erschwindelte Titel aberkannt. Jedem kollektiv denkenden Menschen dürfte das große Wort Gerechtigkeit dazu einfallen. Beschäftigen wir uns dennoch mal mit einer wichtigen Frage: Wo wollen Menschen hin, die nahezu alle Kleinigkeiten, die sie je geleistet haben, so groß verkaufen, dass die eigene Mittelmäßigkeit wie ein goldenes Gewand erscheint, das alles um sie herum erstrahlen lässt? Ins Paradies etwa? Oder einfach nur an einen Ort, an dem es nach Anerkennung, Macht und Geld riecht?

Im Jahr 2011 hat wohl kaum ein politisches Gesicht die gesamte Nation derart zerspalten wie Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg. Er ist zurück! Und wie es aussieht, ist bereits eine Fortsetzung seines Höhenfluges für Europa geplant. (Im schlechtesten Fall schreiben wir das Wort „Gutmensch“ schon 2012 mit zwei „T“...?) Und das, obwohl es schon sehr bezeichnend ist, wie schnell manch einer rückwärts rudert, sobald der Wind von vorn weht.

Während K.T. v. G. vor dem fluchtartigen Verlassen der schmähenden Heimat noch ein Turbo-Motor des staatlichen Kontroll-Dranges im Internet war, avanciert er neuerdings zur Bremse des selbigen und steuert, mit der EU-Kommissarin für Digitales, Neelie Kroes, zielstrebig bisheriges Feindesland an. Er startet eine Initiative zur Freiheit im Internet. Hut ab! Wenn das nicht für eine enorme Flexibilität der eigenen Werte spricht?

Ob man sich mit einem derartigen Sinnes-U-Turn der eigenen Glaubwürdigkeit keinen, einen oder mehrere Gefallen tut, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass Herr von und zu G. nicht gewillt ist, sich mit der politischen Zweitreihe zu begnügen. Er will nach vorn. Er möchte führen. Mit aller Kraft. Um jeden Preis. Da bleibt nur eine letzte Frage: Wo führt es uns hin, von Opportunisten geführt zu werden? Ah, da sind wir ja schon...! Ahoi, Deutschland! Welcome back, Gutti! Wir wünschen Schmalz und Scheinbruch!