NDS:Hannover/AG Landtagsumbau/Göttinger Sieben
Inhaltsverzeichnis
Göttinger Sieben, die ersten niedersächsischen Piraten ?
Diese Info stammt zum großen Teil aus dem Buch „Die Göttinger Sieben“ , herausgegeben vom Kuratorium „Denkmal für die Göttinger Sieben“ 1994 , besonders den Beiträgen von Eckard Spoo und Waldemar Röhrbein und aus einer Schrift des Landtages: Das Landesdenkmal "Die Göttinger Sieben"
Einleitung
In Hannover standen 1994 300 Kriegerdenkmale (Graf von Waldersee (Boxeraufstand) ist wohl der bekannteste). Jede Menge Straßennamen erinnerten an Kriegshelden. Das Landesdenkmal der Göttinger Sieben ist wohl das einzige aber für Leute mit Zivilcourage.
Was war passiert?
Verfassung von 1833
In Folge der Juli-Revolution 1830 kam es zu Verhandlungen über eine Verfassung. Die Ständeversammlung verabschiedete eine Verfassung. Der König Wilhelm IV verfügte noch 14 Änderungen und setzte dass Staatsgrundgesetz für das Königreich Hannover am 26.9.1833 in Kraft.
Damit war Hannover eine konstitutionelle Monarchie. In einer gesetzgebenden Kammer saßen Adel, Geistlichkeit und Universität, in der anderen Bürger und – neuerdings – auch Bauern. Entscheidend war aber, dass das Parlament das Budgetrecht für alle Einkünfte bekam.
Die Beamten schworen ihren Amtseid auf diese Verfassung. Ein solcher Eid war damals eine heilige Handlung, die der Schwörende mit Gott ausmachte: er schwor, diese Verfassung einzuhalten.
Bruch der Verfassung
Als nun Ernst August König 1837 von Hannover wurde, hatte er noch die "unverbrüchliche Festhaltung" an der Landesverfassung garantiert. Am 1.11.1837 setzte er in genau diese Verfassung außer Kraft. Einfach so !! Den möglichen Weg einer Verfassungsänderung beschritt er nicht. Die alte Ständeverfassung von 1819 sei wieder in Kraft. Und er entband die Beamten von ihrem Verfassungseid.
Protestaktion
Konnte ein König einfach so die Staatsbeamten von einem Eid entbinden? Darf man einem König huldigen, der die Verfassung bricht, in dem er sie aufhebt und nicht den vorgesehenen Weg der Verfassungsänderung beschreitet?
Das fragten sich eigentlich alle. Aber nur 7 Professoren der Universität Göttingen hatten den Mut, am 18.11.1837 einen Protestbrief zu schreiben. Diesen nannten sie "Untherthäningste Vorstellung einiger Mitglieder der Landes-Universität das Königliche Patent vom 1. November betreffend", besser bekannt als "Protestation des Gewissens."
Der Kern war: auch ein König kann niemanden von seinem Eid auf eine Verfassung entbinden und die unterschreibenden Professoren würden einer nicht verfassungsgemäß zu Stande gekommenen Ständeversammlung die Anerkennung verweigern.
die Folgen
Zwei wichtige Schritte der Göttinger Sieben müssen unterschieden werden:
Erstens: sie protestierten überhaupt – das war schon in jener Zeit ein starkes Stück – alle 7 wurden ihrer Ämter enthoben
Zweitens: sie machten die Sache öffentlich (die Verbreitungen erfolgte so (Gedrucktes unterlag ja der Zensur): Studenten saßen in Räumen und schrieben den Text der Protestation nieder, der ihnen vorgelesen wurde, so gab es schon am 2. Tag mehrere tausend Abschriften, die über ganz Deutschland verschickt wurden – die Wirkung in anderen deutschen Ländern war ungeheuerlich: die bürgerlich Presse war voll auf der Seite der Professoren. 3 Professoren hatten zugegeben, die Protestnote anderen weitergegeben zu haben, sie wurden zusätzlich des Landes verwiesen.
Ein ordentlicher Prozess fand nicht statt, denn das hätte noch mehr Öffentlichkeit bedeutet und sogar der Ausgang wäre für den ungeliebten König nicht kalkulierbar gewesen.
Auch so, der Konflikt um die Göttinger Sieben befeuerte das Verfassungsbewusstsein in Deutschland und gilt als Wegbereiter der Revolution von 1848. Und so saßen denn auch 4 der 7 Göttinger in der Paulskirche.
Warum Piraten?
Die Göttinger Sieben waren:
- Erstens: Verfassungsverteidiger
- Zweitens: Transparenzanhänger
- Drittens: mutig
Und König Ernst August?
Der war unbeliebt. Außer dieser obigen Angelegenheit leistete er sich noch dieses: er war gegen jegliche Neuerungen, so auch gegen den Bahnanschluss von Hannover und gegen aufkommende Industrie („sonst würden uns die Knechte und Mägde von unseren Gütern weglaufen!“). Einen Bahnanschluss bekam Braunschweig 1837 und Hannover 1843 (Hannover bekam auf Wunsch des Königs nur einen kleinen Bahnhof, der größere kam nach Lehrte). Das Königreich Hannover war durch seine Regentschaft (bis 1851) um mindestens 10 Jahre hinter der Entwicklung in anderen deutschen Ländern besonders Preußen nicht nur in der industriellen sondern auch der militärtechnischen Entwicklung) zurückgeblieben: [1]
Und das sollte sich rächen: bei unveränderter Ausgangslage nun legte sich der Nachfolger Georg V entgegen aller Ratschläge 1866 noch mit Preussen an, mußte kapitulieren und Hannover wurde Provinz, erst nach dem 2. Weltkrieg wieder eine Hauptstadt. Sollte man solchen Königen als Lokalpatriot dankbar sein?
Übrigens bekam Hannover dann doch noch eine liberale Verfassung. Im Rahmen der Revolutions von 1848 mußte der König einer solchen zustimmen [2].
Ausgerechnet am Bahnhof von Hannover steht das Denkmal von Ernst August mit der Unterschrift: dem Landesvater – sein treues Volk. Diese Unterschrift ist erlogen, schreibt wieder E. Spoo. Niemand wollte für ein Denkmal spenden und so musste es der Nachfolger Georg V selbst bezahlen.
Ernst August spielte die Rolle, die im letzten Jahr von der Leyen für uns spielte: keine Ahnung, was läuft, aber trotzdem handeln. Mit der entsprechenden Öffentlichkeit kam es zur Anfeuerung revolutionärer Gedanken, Bildung von politischen Ideenzirkeln.
Weiterführende links
es gibt jede Menke links in Internet, diese 2 halte ich für gut: