HH:Satzung/Anträge/Beschluss einer Landeswahlordnung auf Satzungsebene (0001)

Aus Piratenwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche
Pictogram voting keep-light-green.svg Der Antrag Beschluss einer Landeswahlordnung auf Satzungsebene (0001) wurde am 16.10.2012 eingereicht.

Am 10.11.2012 wurde er vom 15. Landesparteitag angenommen.


Antrag

Antragstitel: Beschluss einer Landeswahlordnung auf Satzungsebene

Antragsteller:

Burkhard Masseida

Antragstext

Tango-text-x-generic with pencil.svg Antrag an den Landesparteitag der Piratenpartei Hamburg

Die bisherige Satzung der Piratenpartei Hamburg wird in einen Abschnitt gefasst, der den Titel "Abschnitt A: Grundlagen" erhält.

Ans Ende der Satzung wird folgender Abschnitt angehängt:

Abschnitt B: Landeswahlordnung

§1 Geltungsbereich

(1) Diese Wahlordnung bestimmt

  • die Wahlmodalitäten von Personenwahlen zum Landesvorstand und zum Landesschiedsgericht durch den Landesparteitag,
  • die Wahlmodalitäten der Bewerberaufstellung für die Wahlen zu Volksvertretungen und öffentlichen Ämtern durch Versammlungen, die durch den Landesverband eingeladen werden, sowie
  • die Wahlmodalitäten für sonstige Personenwahlen im Landesverband Hamburg durch den Landesparteitag.

§2 Vorschlagsrecht

(1) Jeder Pirat, der das aktive Wahlrecht hat und akkreditiert ist, kann jeden, der das passive Wahlrecht hat, zur Wahl vorschlagen, sofern er ihn für geeignet hält das Amt zu bekleiden. Ein Pirat, der sowohl aktives, als auch passives Wahlrecht besitzt, kann sich selbst vorschlagen. Der Vorgeschlagene muss der Kandidatur zustimmen. Dies kann durch persönliche Erklärung auf der Versammlung oder durch eigenhändig unterschriebene schriftliche Erklärung gegenüber der Versammlung geschehen. Im Falle der schriftlichen Erklärung ist eine Erklärung beizufügen, dass die Wahl im Erfolgsfalle angenommen wird. Die Versammlung kann über ihre Geschäftsordnung bestimmen, dass alle Vorgeschlagenen zur Kandidatur zusätzlich die offene Unterstützung von einer festgelegten Anzahl weiterer aktiv wahlberechtigter Piraten einwerben müssen, solange die verlangte Unterstützerzahl nicht 5% der akkreditierten Versammlungsteilnehmer übersteigt und keine gesetzlichen Regelungen dem entgegen stehen.

(2) Das aktive und passive Wahlrecht ergibt sich aus den Regelungen der Bundessatzung und dieser Landessatzung, bei der Bewerberaufstellung zusätzlich und vorrangig aus den Wahlgesetzen. Insbesondere ist für die Kandidatur zu Versammlungsämtern keine Mitgliedschaft in der Piratenpartei Hamburg erforderlich, wenn die Geschäftsordnung der Versammlung nichts abweichendes bestimmt.

§3 Wahlmodus

(1) Die Mitglieder des Landesvorstandes werden nach Vorzugswahl gewählt. Dabei wird pro Amt eine Wahl durchgeführt, Ämter gleicher Bezeichnung werden gemeinsam in einem Wahlgang gewählt, sofern diese Satzung nichts anderes erlaubt. Sind nach einem Wahlgang nicht alle Ämter besetzt, so wird ein neuer Wahlgang durchgeführt.

(2) Die Mitglieder des Landesschiedsgerichts werden nach Vorzugswahl gewählt. Dabei werden alle Mitglieder in einem Wahlgang und alle Ersatzmitglieder in einem weiteren Wahlgang gewählt. Die Rangfolge der Ersatzmitglieder ergibt sich aus der Reihenfolge, die im Wahlverfahren ermittelt wird. Sind nach einem Wahlgang nicht alle Ämter besetzt, so wird ein neuer Wahlgang durchgeführt.

(3) Die Bewerber bei Bewerberaufstellungen für die Wahlen zu Volksvertretungen und öffentlichen Ämtern werden, falls eine sortierte Bewerberliste zu erstellen ist nach Vorzugswahl gewählt. Die Liste wird nach Maßgabe der Versammlung in einem oder mehreren Wahlgängen gewählt. Dabei ist es möglich, für jeden Wahlgang eine feste Anzahl der zu besetzenden Plätze vorzugeben oder die Anzahl nach oben unbestimmt zu lassen. Die Reihenfolge auf der Liste ergibt sich aus der Reihenfolge der Wahlgänge, in denen die Bewerber gewählt wurden und unter diesen jeweils aus der Reihenfolge, die im Wahlverfahren ermittelt wurde. Nach jedem Wahlgang kann mit einer Zweidrittelmehrheit aller abgegebenen Stimmen, die nicht Enthaltungen sind, die Liste geschlossen werden, auch wenn die angestrebte Zahl zu besetzender Plätze noch nicht erreicht wurde. Auch kann die Wahl durch die Versammlung abgebrochen und zu einem späteren Zeitpunkt erneut durchgeführt werden. Treten zu einer Wahl mehr als 25 Kandidaten an, so kann die Versammlung für einzelne Wahlgänge oder die gesamte Wahl ein abweichendes Wahlverfahren beschließen.

(4) Einzelbewerber bei Bewerberaufstellungen für die Wahlen zu Volksvertretungen und öffentlichen Ämtern werden nach Vorzugswahl gewählt.

(5) Sonstige Personenwahlen finden wie folgt statt:

  • Ist eine genaue Anzahl von Ämter gleicher Bezeichnung zu besetzen und es stehen höchstens so viele Kandidaten zur Wahl, wie Ämter zu besetzen sind, oder aber ist eine nach oben nicht beschränkte Anzahl an Ämter gleicher Bezeichnung zu besetzen, so ist der gewählt, der die einfache Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen kann. Über die Kandidaten kann bei offener Wahl auch gemeinsam abgestimmt werden. In dem Fall sind alle Kandidaten gewählt, sofern sie gemeinsam die einfache Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen können. Scheitert die gemeinsame Wahl, so wird im Anschluss über die Kandidaten einzeln abgestimmt.
  • Ist eine genaue Anzahl von Ämtern gleicher Bezeichnung zu besetzen und es gibt mehr Kandidaten als Ämter oder sind eine bestimmte Anzahl gleichartiger Ämtern mit Rangfolge zu besetzen, so findet eine Wahl durch Zustimmung statt. Die Versammlung kann allerdings beschließen, stattdessen eine Vorzugswahl durchzuführen.

Sind nach einem Wahlgang nicht alle Ämter besetzt, so wird ein neuer Wahlgang durchgeführt.

§4 Wahlgrundsätze

(1) Alle Wahlen nach Wahl durch Zustimmung finden grundsätzlich offen statt, sofern nicht die Satzung, die Geschäftsordnung oder ein Gesetz etwas anderes bestimmt. Wahlen, die nach Vorzugswahl durchgeführt werden, finden grundsätzlich geheim statt.

(2) Für offene Wahlen erhält jeder Stimmberechtigte eine Stimmkarte.

(3) Jeder Stimmberechtigte kann eine geheime Wahl oder Abstimmung beantragen, genauere Regelungen trifft die Geschäftsordnung.

§5 Vorzugswahl

(1) Bei der Vorzugswahl kann/können eine oder mehrere Personen gewählt werden. Der Wähler kann dabei unter mehreren gleichzeitig gewählten Kandidaten, bestimmte Kandidaten anderen vorziehen. Die Wahl und Auswertung erfolgt, wie folgend beschrieben, nach der Methode "Instant Runoff".

(2) Jeder Wähler sortiert die Kandidaten in eine Rangfolge. Dabei kann auf jeden Platz der Rangfolge nur genau ein Kandidat einsortiert werden. Ränge können leer bleiben. Alle Kandidaten, die in die Rangfolge einsortiert wurden, gelten als gewählt. Kandidaten, die nicht in die Rangfolge einsortiert wurden, gelten als nicht gewählt.

(3) Ein Wahlzettel zur Bestimmung der Rangfolge sollte eine Matrix aus Kandidaten und Rängen vorsehen, in der man für jeden Kandidaten den gewünschten Rang ankreuzen kann. Es müssen wenigstens so viele Ränge vorgesehen sein, wie Kandidaten antreten. Alternativ sind auch Wahlzettel möglich, auf denen die Wähler die Kandidaten schriftlich in eine nummerierte Reihenfolge bringen. Fehlerhaft ausgefüllte Wahlzettel, auf denen Ränge mehrfach vergeben wurden, sind nicht automatisch in Gänze ungültig, sondern werden bei der Auszählung so weit ausgewertet, wie es widerspruchsfrei möglich ist.

(4) Der bzw. die Gewinner der Wahl werden unter den gewählten Kandidaten wie folgt bestimmt:

  1. Die Stimmen werden anhand der ersten Präferenz - in späteren Runden anhand der ersten Präferenz für einen noch nicht gestrichenen Kandidaten - auf dem Stimmzettel auf die Kandidaten verteilt.
  2. Gewonnen hat der Kandidat, der auf diese Art die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich vereinen konnte.
  3. Trifft dies auf keinen Kandidaten zu, so wird der Kandidat mit der geringsten Anzahl an Stimmen für die Zählung gestrichen. Besteht unter mehreren Kandidaten mit der geringsten Anzahl an Stimmen Stimmengleichstand, so werden alle betreffenden Kandidaten gestrichen, sofern noch mindestens zwei Kandidaten übrig bleiben. Bliebe nur ein einziger oder gar kein Kandidat übrig, so wird unter den Kandidaten mit Stimmengleichstand ermittelt, welcher am meisten Stimmen auf sich vereinen könnte, wenn die anderen betroffenen Kandidaten gestrichen würden, und dieser wird dann als einziger nicht gestrichen. Tritt auch hier ein Gleichstand auf, entscheidet das Los.
  4. Wurde noch kein Gewinner ermittelt, wird die Zählung nach Nr. 1.-3. ohne die zuvor gestrichenen Kandidaten wiederholt.
  5. Bleibt so nur noch ein Kandidat übrig, ohne dass dieser die erforderliche einfache Mehrheit erreicht hat, so scheidet der Kandidat aus.
  6. Sind im gleichen Wahlgang weitere Kandidaten in Ämter gleicher Bezeichnung oder in eine Rangliste zu wählen, so wird die Zählung nach Absatz Nr. 1.-5. erneut durchgeführt, wobei die bereits gewählten und die ausgeschiedenen Kandidaten als gestrichen gelten.

§6 Wahl durch Zustimmung (Akzeptanzwahl)

(1) Bei Wahl durch Zustimmung hat jeder Stimmberechtigte so viele Stimmen, wie Kandidaten zur Auswahl stehen, darf für einen Kandidaten jedoch nicht mehr als eine Stimme abgeben. Mit einem leeren abgegebenen Stimmzettel werden bei geheimer Wahl alle Kandidaten abgelehnt. Bei offener Wahl werden für jeden Kandidaten die Ja- und die Nein-Stimmen abgefragt. Gewählt ist der Kandidat, welcher die meisten Stimmen, bei offener Abstimmung die meisten Ja-Stimmen erhält, sofern er eine absolute Mehrheit der sich nicht enthaltenden Abstimmenden erhält.

(2) Haben zwei oder mehrere Kandidaten für ein zu besetzendes Amt exakt die gleiche (höchste) Stimmenanzahl, wird unter diesen Kandidaten ein weiterer Wahlgang durchgeführt. Steht auch danach kein Sieger fest, wird per Los entschieden.

(3) Die Regelungen aus Abs. (1-2) gelten analog für die Wahl mehrerer Ämter gleicher Bezeichnung.


Begründung

Insbesondere für die anstehenden Wahlen in Vorbereitung auf die Bundestagswahl ist es sinnvoll, ein Wahlverfahren über die Satzung festgelegt zu haben. Das vermeidet Diskussionen und evtl. taktisch geprägte Streitereien auf den Aufstellungsversammlungen und minimiert das Risiko von Anfechtungen. Das Instant-Runoff-Verfahren wurde bereits bei der vergangenen Vorstandswahl verwendet und funktioniert bei überschaubarer Kandidatenzahl. Ein Test mit sehr großer Anzahl Kandidaten ist allerdings nicht zufriedenstellend verlaufen und hat die Notwendigkeit von Verfahrensoptimierungen zu Tage treten lassen. Daher enthält diese Wahlordnung eine Möglichkeit, bei großer Kandidatenzahl ein einfacheres System zu verwenden. Auch die Wahlen zu Versammlungsämtern, oder zu anderen Ämtern wie bspw. Kassenprüfern, die in der Regel offen durchgeführt werden, werden standardmäßig nicht nach dem Instant-Runoff-Verfahren durchgeführt, weil dieses nur schriftlich funktioniert.

Den Hintergrund, wie das Instant-Runoff-System funktioniert, und warum genau dieses Verfahren ausgesucht wurde, stellt dieses PDF aus dem Saarland dar, wo das Verfahren ebenfalls angewendet wird: http://wiki.piratenpartei.de/wiki/images/f/f6/IRV_Saarland_JanNiklasFingerle.pdf (Die Stimmzettel sehen etwas anders aus, als unsere, aber das Wahlprinzip ist dasselbe.)

Bei der Auswahl von Wahlsystemen ist es immer notwendig, einen Kompromiss zwischen Einfachheit, optimaler Abbildung des Wählerwillens und Praktikabilität zu finden. Ich hab mich ausführlich mit Wahlsystemen beschäftigt und bin der Meinung, das hier vorgestellte Verfahren ist unter Abwägung dieser Faktoren am besten geeignet. Der Test beim vergangenen Parteitag hat auch gezeigt, dass die Wahlmethode der Durchnummerierung von den Wählern durchweg verstanden und angenommen wurde.

Die Wahl durch Zustimmung weist bei mehreren Kandidaten starke demokratische Defizite auf und ist dadurch für wichtige Wahlen völlig ungeeignet. Gleichzeitig ist sie aber bei Wahlen per Handzeichen die einzige praktikable Methode, denn man kann schlecht vom Versammlungsleiter verlangen im Auge zu behalten, dass bei mehr als einem Kandidaten jeder nur für genau eine Person abstimmt. Und Rangverfahren sind per Handzeichen gar nicht möglich.

Bei einem einfachen Mehrheitswahlsystem kann man auf Wahllisten immer nur eine Position gleichzeitig wählen und benötigt sehr häufig noch zusätzlich eine oder mehrere Stichwahlen. Das ist völlig unpraktikabel, wenn wir bspw. eine Landesliste zur nächsten Bürgerschaftswahl aufstellen wollen, weil wir dann schätzungsweise mindestens 30 Wahlgänge brauchen. Das funktioniert nur, wenn man wie bei anderen Parteien üblich die Liste vorher im kleinen Kreis aushandelt und dann bis auf wenige Kampfkandidaturen alle auf einem Zettel parallel wählt. Genau genommen ist Instant-Runoff aber genau das. Es werden bloß keine einzelnen Wahlgänge durchgeführt, sondern der Wähler gibt von Anfang an durch die Rangfolge vor, wie er bei beliebigen Stichwahlen entscheiden würde.

Noch exakter den Wählerwillen wiedergeben täten vielleicht Condorcet-Verfahren, wie z.B. die Schulze-Methode. Diese sind dann aber tatsächlich nicht mehr von Hand auszählbar und vom Wähler nicht mehr ohne weiteres nachzuvollziehen. Daher habe ich sie ausgeschlossen.