Dokumentenarchiv Margrit Herbst

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Margrit Herbst (* 5. Juli 1940 in Flensburg; geborene Hansen) ist eine deutsche Veterinärmedizinerin. Bekannt wurde sie durch die Aufdeckung der Anfänge des deutschen BSE-Skandals im Jahre 1994, die zu ihrer Entfernung aus dem Dienst als amtliche Tierärztin für Fleischhygiene führte. Näheres siehe Wikipedia.

Auf dieser Seite werden Informationen zu dem Fall dokumentiert.

Inhaltsverzeichnis

21.8.1990: Einsendungsbefund von Prof. Dr. Pohlenz (Tierärztliche Hochschule Hannover)

Einsendungs-Nr. E - 90 / 3198 - 3199

Kreis Segeberg

Der Landrat

Fleischhygieneamt

Bad Bramstedt

Eingang: 16.08.90

E 3198/90 (Schl.-Nr. 0363, Ohrmarke 722):

Eingesandt wurde ein enthäuteter Rinterschädel, eine Ohrmarke lag nicht vor, aufgrund der Größe handelt es sich hierbei vermutlich um die im Anschreiben erwähnte schwarzbunte Kuh.

Nach Öffnen der Schädelkalotte zeigen sich subdural ausgedehnte Blutungen infolge Bolzenschusses sowie dorsal als auch im Bereich des Stammhirnes, ausgedehnte Blutungen im Stammhirn. histologisch: Es wurden mehrere Lokalisationen des Stammhirns und der Medulis oblongata unter besonderer Berücksichtigung der dort liegenden Kerngebiete untersucht, es finden sich multifokale Blutungen, eine geringgradige Gliazellproliferation sowie im Großhirn eine geringgradige Satellitose.

Keine eindeutigen Hinweise auf das Vorliegen einer spongioformen Encephalopathie.

E 3199/90 (Ohrmarke: 414, Schl.-Nr. 0364):

Eingesandt wurde ein enthäuteter Rinderschädel, aufgrund der Größe des Schädels handelt es sich hierbei vermutlich um die vorberichtlich erwähnte Jerzyfarse. Infolge des Bolzenschusses finden sich ausgedehnte subdurale Blutungen; histologisch: Es werden mehrere Lokalisationen von Groß- und Stammhirn untersucht, im Großhirn mittelgradige Gliazellaktivierung und Gliazellödem sowie eine gering- bis mittelgradige Satellitose, im Kleinhirn ausgeprägte Eosinephilie zahlreicher Purkinjezellen, Verdacht auf Purkinjezelldegeneration; diffus mittelgradiges perivaskuläres Ödem.

Die beschriebenen Veränderungen ergeben keine Hinweise auf das Vorliegen der bovinen spongioformen Encephalopathie.

Prof. Dr. J. Pohlenz

10.04.1991: Einsendungsbefund von Prof. Dr. Pohlenz (Tierärztliche Hochschule Hannover)

Einsendungs-Nr. E - 91 / 1453

Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamt des Landes Schleswig-Holstein

Eingang: 08.04.91

Zum Zeitpunkt der Untersuchung befindet sich das Untersuchungsmaterial im Zustand fortgeschrittener Autolyse, soweit trotzdem erkennbar: In allen untersuchten Lokalisationen multifokale enzephale Blutungen, deutliche Auflockerung des Neuropils sowie einzelne perineuronale Vakuolen (Astrozytenödem?).

Beurteilung:

Im eingesandten Material histopathologisch kein eindeutiger Hinweis auf Veränderungen wie bei BSE.

Prof. Dr. J. Pohlenz

23.09.1991: Einsendungsbefund von Prof. Dr. Pohlenz (Tierärztliche Hochschule Hannover)

Einsendungs-Nr. E - 91 / 3988

Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamt des Landes Schleswig-Holstein

Eingang: 14.09.91

In den untersuchten 12 Lokalisationen konnten herdförmig hochgradige Blutungen (tötungsbedingt) und graduell unterschiedliche Ödemerscheinungen festgestellt werden. In den Hirnstammlokationen konnten vereinzelt mittelgradige Anzeichen einer Satellitose diagnostiziert werden. In zwei Kleinhirnlokalisationen lag neben Ödemerscheinungen in der Purkinje-Schicht eine Auflockerung der Körperschicht vor. Herdförmig war eine Reduktion der Purkinje-Zellzahl sowie eine Degeneration einzelner Purkinje-Zellen zu beobachten.

Aus der histologischen Untersuchung ergeben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer BSE.

Prof. Dr. J. Pohlenz

28.4.1992: Handreichung der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (Auszüge)

BSE-Diagnostik

Die bovine spongiforme Enzephalopathie (BSE) ist eine neue infektiöse neuropathologische Erkrankung des Rindes. Die ersten Fälle dieser Erkrankung mit charakteristischen klinischen Symptomen traten im April 1985 in Großbritannien auf.

Klinisch zeigen BSE-infizierte Tiere Änderungen im Verhalten oder Temperament mit zunehmenden Koordinationsstörungen und schließlich Festliegen. Infolge der langen Inkubationszeit sind nur erwachsene Tiere klinisch betroffen. Das Alter erkrankter Tiere mit nachgewiesener BSE lag zwischen 22 Monaten und 15 Jahren, wobei 4 Jahre alte Tiere am häufigsten erkrankt waren. Alle Rassen sind gleich empfänglich; das Geschlecht spielt keine Rolle. Der Ausbruch der Erkrankung ist unabhängig von Trächtigkeit oder Laktationsperiode. Die Jahreszeit ist ebenfalls ohne Bedeutung.

Mikroskopisch können im Gehirn BSE-erkrankter Rinder Veränderungen nachgewiesen werden, die denen anderer übertragbarer spongiformer Enzephalopathien bei Tier und Mensch (z. B. Scrapie, Creutzfeldt-Jacob-Krankheit) ähnlich sind. Diese Erkrankungen werden durch unkonventionelle infektiöse Agentien hervorgerufen. Histopathologisch sind bei der BSE bilateral-symmetrische degenerative Veränderungen in bestimmten Lokalisationen der grauen Substanz des Stammhirns nachweisbar. Diese zeigen sich als Vakuolisierung des Neuropils sowie Vakuolenbildung im Perikaryn von Neuronen. Der elektronenmikroskopische Nachweis ungewöhnlicher Fibrillen - morphologisch ähnlich den SAF (Scapie-assoziierten Fibrillen) - bekräftigt die Verwandtschaft von BSE mit den erwähnten übetragbaren spongiformen Enzephalopathien...

Es gibt keine Hinweise dafür, daß das BSE-Agens auf den Menschen übertragbar ist. Da dies jedoch nicht sicher ausgeschlossen werden kann, ist die Einhaltung besonderer Vorsichtsmaßregeln beim Umgang mit verdächtigem Organmaterial notwendig.

Maßnahmen bei BSE-Verdacht

Folgende Maßnahmen sind bei BSE-Verdachtsfällen durchzuführen. Verdachtsfälle von Scrapie bei Schaf und Ziege sind entsprechend zu behandeln.

1. Zur Durchführung der Obduktion

BSE-verdächtige Tierkörper von Rindern sollen nur von eingewiesenen, in der Pathologie fachkundigen Tierärzten seziert werden. ...

2. Befunderhebung und Probenentnahmen

Alle pathologisch-anatomischen Befunde sind in ein Sektionsprotokoll aufzunehmen. Notwendige histologische, bakteriologische und virologische Untersuchungen, insbesondere zur Abklärung differentialdiagnostisch wichtiger Erkrankungen (v.a. Listeriose, Tollwut, Aujeszkysche Krankheit), sind einzuleiten. Hierzu sollen Proben aus dem Gehirnbereich nur unter Schonung der für die BSE-Diagnostik wichtigen Gebiete entnommen werden.

3. Entnahme und Aufteilung des Gehirns

Bei der histopathologischen Untersuchung werden degenerative Veränderungen im Stammhirnbereich beurteilt. Deshalb darf bei der Entnahme und Behandlung das Gehirn weder mechanisch beschädigt noch gequetscht werden. Deshalb darf bei der Entnahme und Behandlung das Gehirn weder mechanisch beschädigt noch gequetscht werden. Das Messer für die Schnitte muß deshalb unbedingt scharf sein; ein Skalpell ist vorzuziehen. Um autolytische und bakterielle Zersetzungsvorgänge zu minimieren, sollte das Untersuchungsmaterial zur Fixierung so frisch wie möglich sein. Am geeignetsten ist unmittelbar nach dem Tode entnommenes Material...

Alle entnommenen eingefrorenen oder in Fixierung befindlichen Teile bleiben im zuständigen Untersuchungsamt, bis die differentialdiagnostischen Untersuchungen abgeschlossen sind...

5. weiterführenden Untersuchungen

Verlaufen die Untersuchungen zu den differentialdiagnostisch relevanten Erkrankungen negativ, werden die Formalin-fixierten bzw. eingefrorenen Gehirnteile nach telefonischer Voranmeldung zur Durchführung weiterführender Untersuchungen an folgende Untersuchungsstellen versandt:

a) Das Landesuntersuchungsamt für das Gesundheitswesen Nordbayern in Nürnberg ... erhält nach zweiwöchiger Formalin-Fixierung den Formalin-fixierten Gehirnstamm zur histopathologischen Untersuchung...

b) Das Großhirn, das abgesetzte Zwischenhirn sowie die Medulla oblongata erhält die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen ...zur Durchführung des Immunoblots. Das Material soll tiefgefroren (Trockeneis !) in separat geschlossenen Gefäßen in einem dichten und bruchsicheren Transportbehältnis versandt werden.

1993: Veröffentlichung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO (übersetzt)

Bovine spongiform encephalopathy

von Richard H. Kimberlin (Scrapie and Related Diseases Advisory Service Edinburgh, UK)

Protokoll zur histopathologischen Diagnose von BSE

...

Diagnosekriterien

Die folgenden Richtlinien für Diagnosekriterien sollten Anwendung finden:

• Positiv.

...

• Nicht eindeutig.

i) Unzureichende Einsendung von Material mit schlechter Repräsentation von Zielregionen für Verletzungen oder schweren postmortalen Veränderungen;

...

Beachten Sie, dass in allen Fällen, in denen die erste Untersuchung zu keinen eindeutigen Ergebnissen führt, nach Ermessen des Pathologen eine weitere Entnahme, Verarbeitung und Untersuchung von Gewebe erfolgen sollte.

• Negativ.

...

Beachten Sie, dass wenn klinische Anzeichen stark auf BSE oder eine alternative Diagnose hingewiesen haben, nach Ermessen des Pathologen weitere Proben entnommen werden sollten, um zu einer Diagnose zu gelangen.

1993: Fachveröffentlichung von McGill/Wells (Auszug)

Neuropathological Findings in Cattle with Clinically Suspect but Histologically Unconfirmed Bovine Spongiforme Encephalopthy ( BSE )

McGill and Wells

Department of Pathology , Central Veterinary Laboratory , New Haw, Weybridge, Surrey KT 15 3 NB, U. K.

J. Comp. Path . 1993 Vol. 108 ,241-260 ( eingereicht am 14. Okt. 1992 )

...

Wie bei Scrapie ist die histopathologische BSE - Diagnose der Schwierigkeit untenworfen , dass erkennbare vakuoläre Veränderungen in ihrer Häufigkeit variieren und selbst im fortgeschrittenen Stadium minimal oder unzureichend für eine Diagnosebestätigung sind ( Wells und andere 1987 und 1989 ; Wells und McGill 1991 ) .

...

Die Angemessenheit der diagnostischen Kriterien für eine BSE - Diagnose kann nur bei Anwendung weiterer anderer diagnostischer Methoden sichergestellt werden.

26.7.1994: Schreiben von Rechtsanwalt Wenge an Kreisverwaltung Segeberg (Auszüge)

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich komme zurück auf den früher geführten Schriftwechsel, in dem ich darum gebeten hatte, meine Mandantin ... nur für solche Arbeiten einzusetzen, denen sie gesundheitlich gewachsen ist.

Obwohl sich hierfür insbesondere die tierärztliche Lebensuntersuchung im Stall anbietet, wurde meine Mandantin nach grundsätzlicher Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit vorwiegend wieder am Band eingesetzt...

Meine Mandantin ist bekanntlich eine anerkannte Kapazität auf dem Gebiet der BSE-Problematik. Neben der hier nochmals angemahnten Rücksichtnahme auf den Gesundheitszustand meiner Mandantin wäre es deshalb auch aus generellen Gründen unverkennbar besonders sachdienlich, ihre speziellen Kenntnisse und Erfahrungen bei der Lebensuntersuchung der angelieferten Rinder einzusetzen. Stattdessen wird die Lebendüberwachung häufig Fleischkontrolleuren, die hierfür nicht ausgebildet sind, übertragen. ...

September 1994: Bericht der EU-Kommission (übersetzt)

EUROPEAN COMMISSION AGRICULTURE

TRANSMISSIBLE SPONGIFORM ENCEPHALOPATHIES

PROTOCOLS FOR THE LABORATORY DIAGNOSIS AND CONFIRMATION OF BOVINE SPONGIFORM ENCEPHALOPATHY AND SCRAPIE

A Report from the Scientific Veterinary Committee

September 1994

...

1. Der Verdacht auf BSE oder Scrapie wird klinisch festgestellt. Zu diesem Zeitpunkt liegt ein klinischer Verdachtsfall vor. Eine Bestätigung der Krankheit erfolgt histopathologisch (Protokoll I). Eine Diagnose von BSE oder Scrapie kann auch durch das Auffinden von Fasern (Protokoll II) oder des Faserproteins (Protokoll III) erfolgen. ...

3. Es kann nicht oft genug gesagt werden, dass Gewebe, welches nach den Protokollen II oder III untersucht werden soll, nicht fixiert sein darf. Gewebe sollte eingefroren werden, wenn eine Verzögerung von mehr als 12 Stunden zwischen Schlachtung und Verarbeitung zu erwarten ist. Postmortale Veränderungen sind bei diesen Verfahren sehr viel weniger bedeutsam, aber übermäßige Verzögerungen sollten nicht begünstigt werden, da die Histopathologie gewöhnlich die Methode der Wahl ist.

4. Die Histopathologie setzt demgegenüber fixiertes Gewebe voraus, und eine postmortale Verzögerung vor der Fixierung kann die Untersuchung ernsthaft beeinträchtigen. Gewebe darf nicht eingefroren werden. Schon ein versehentliches Einfrieren vor Entfernung des Gehirns kann die histopathologische Untersuchung ernsthaft beeinträchtigen. ...

Protokoll I

Bestätigung von BSE und Scrapie durch mikroskopische Untersuchung des Gehirns

...

IV Richtlinien für die Kriterien zur histopathologischen Diagnose von BSE und Scrapie

Bestätigte Diagnose

...

Nicht eindeutige Diagnose

Es kann erforderlich sein, eine nicht eindeutige Diagnose abzugeben wegen

a) vakuoler Veränderungen ... die von ihrem Schweregrad her nicht vom Normalzustand zu unterscheiden sind,

b) unzureichender Erhaltung oder Repräsentation der erforderlichen Gehirnregionen.

Negative Diagnose

Wenn eine histopathologische Routineuntersuchung keine Belege einer Art der Vakuolisierung in einer Reihe von Abschnitten ergibt, welche die Hauptgehirnregionen repräsentieren, bleibt die Diagnose von Scrapie oder BSE unbestätigt und wird zu praktischen Zwecken als negativ deklariert.

Bemerkung: Zusätzliche Schnitte besonders des Gehirnstamms sollten untersucht werden, wenn starke klinischen Anzeichen vorhanden waren oder wenn der Verdacht auf eine präklinische Erkrankung vorlag.

- Kann die Diagnose histopathologisch nicht bestätigt werden, beweist das nicht, dass keine Erkrankung vorliegt.

- Die immunohistochemische Erkennung krankhaften PrP in routinemäßigen formalin-fixierten Parrafinschnitten kann schon bald als leicht verfügbare Methode zum Einsatz in Zweifelsfällen zur Verfügung stehen.

...

Quelle

5.10.1994: Bericht des Ministers für Ernäherung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei an die Mitglieder des Agrarausschusses des Landtags

Kiel, den 5. Oktober 1994

B e r i c h t

des Ministers für Ernährung, Landwírtschaft,. Forsten und Fischerei des Landes Schleswig-Holstein

zu den Vorfällen am Schlachthof Bad Bramstedt'

seit dem 20. Juli 1994

an den Agrarausschuß

des Schleswig-Holsteíníschen

Landtages

...

Aufgrund der Berichterstattung durch den Landrat des Kreises Segeberg steht fest, daß 4 BSE-Verdachtsfälle vom 01.03.1991, 04.04.1991, xx. 09.1991 und 04.03.1993, die über das Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamt des Landes Schleswig-Holstein in Neumünster (LVUA) zu weiteren Untersuchungen an das Institut für Pathologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover bzw. an das Landesuntersuchungsamt Nordbayern und an die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen geleitet wurden, mit negativem Ergebnis auf BSE befunden worden sind.

Zwei weitere Rinderköpfe sind nach Auskunft von Herrn Prof. Pohlenz, Institut für Pathologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover, direkt vom Fleischhygieneamt Bad Bramstedt zur Untersuchung auf BSE an ihn übergeben worden. Die zwei negativen Untersuchungsergebnisse vom 15.08.1990 liegen mir vor. Die patho-histologischen Befunde der untersuchten Gehirne sind so eindeutig BSE-negativ, daß eine weitere Untersuchung mit Hilfe immunologischer oder elektronenmikroskopischer Verfahren nicht erforderlich war. Präventivmaßnahmen in den Herkunftsbeständen waren daher aus tierseuchenhygienische: Sicht nicht erforderlich.

Drei weitere aus dem Fleischhygieneamt gemeldete BSE-Verdachtsfälle wurden durch den Amtstierarzt des Kreises Segeberg am 23.02.1994 nicht bestätigt.

In Anhang 2 dieses Berichtes sind die erhobenen Befunde zusammengestellt.

Frau Dr. Herbst hatte am 01.09.1994 zugesagt, eine Liste aller von ihr am Schlachthof Bad Bramstedt festgestellten BSE-Verdachtsfälle zu erstellen. Dies ist bedauerlicherweise nicht geschehen. Nach derseitigem Kenntnisstand des Kreises Segeberg ist allen erhobenen BSE-Yerdachtsfällen nachgegangen worden. In allen Fällen, in denen der Verdacht durch den Amtstierarst nicht eindeutig ausgeschlossen werden konnte, wurden ergänzende Untersuchungen in Fachinstituten mit eindeutig negativem Ergebnis auf BSE durchgeführt.

Der Vorwurf, BSE-verdächtige Rinder seien in Bad Bramstedt geschlachtet worden, trifft eindeutig nicht zu.

...

BSE allein aufgrund der Schlachttieruntersuchung festzustellen ist kaum möglich, weil hierzu Informationen aus dem Herkunftsbestand erforderlich sind. Außerdem gehen zahlreiche andere Krankheiten, wie z. B. Atarien, Meningitis, Gehirntumor, Listeriose, Tollwut und Aujeszkysche Krankheit mit ähnlichen zentralnervösen Symptomen einher. Darüber hinaus ist zu bedenken, daß auch für gesunde Tiere die Schlachthofatmosphäre einen großen Stress darstellt, so daß sie sich z. T. ebenfalls unruhig, ängstlich und panisch verhalten und auch niederstürzen können.

...

Bericht im Volltext lesen (pdf)

13.12.1994: Bescheid der Hauptfürsorgestelle

Die Ministerin für Arbeit, Soziales, Jugend und Gesundheit des Landes Schleswig-Holstein

Hauptfürsorgestelle

Gegen Empfangsbekenntnis

Kreis Segeberg

Der Kreisausschuß

Hamburger Str. 30

23795 Bad Segeberg

Kündigungsschutzverfahren gem. §§ 15 ff. Schwerbehindertengesetz (SchwBG)

Ihr Antrag auf Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Frau Dr. Margrit Herbst, geb. ...

Bescheid

Mit Schreiben vom 29.11.1994, eingegangen am 29.11.1994, wird vom Kreis Segeberg als Arbeitgeber (ArbG) die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Tierärztin, Frau Dr. Margrit Herbst, ... beantragt. Gem. §§ 15 i.V.m. 21 SchwbG wird dem Antrag entsprochen; die begehrte Zustimmung wird erteilt.

Die 54-jährige Arbeitnehmerin ist geschieden und hat zwei unterhaltsberechtigte Kinder. Aufgrund verschiedener Gesundheitsstörungen wurde vom Versorgungsamt Lübeck ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt. Mit Bescheid des Arbeitsamtes Neumünster wurde die Arbeitnehmerin gem. § 2 SchwerbG den Schwerbehinderten gleichgestellt. Sie ist ausgebildete Tierärztin und seit 1978 in ihrem erlernten Beruf im Fleischbeschauamt des Kreises tätig.

Die Gleichgestellte (GL) hat im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit auf dem Schlachthof Bad Bramstedt den Verdacht erhoben, daß dort Rinder geschlachtet worden seien, bei denen nicht auszuschließen gewesen sei, daß diese an der Rinderkrankheit BSE erkrankt waren. Wegen der besonderen Problematik hinsichtlich einer möglichen Übertragung des Krankheitserregers auf den Menschen bei Genuß infizierten Fleisches, ist diese Thematik für die Medien von besonderem Interesse. Die GL hat sich insoweit mehrfach öffentlich geäußert. Der letzte Vorfall ereignete sich am 16.11.1994. Da sie insoweit gegen Ziff. 31.1 der Dienst- und Geschäftsanweisung für die Kreisverwaltung Bad Segeberg verstoßen hat, obwohl sie im Zusammenhang mit anderen öffentlichen Auftritten darauf hingewiesen wurde, daß die Zustimmung des Arbeitgebers (ArbG) nicht vorliegt und ihr insoweit die fristlose Kündigung angedroht wurde, beantragt der ArbG mit Schreiben vom 29.11.1994, hier eingegangen am 29.11.1994, die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Die Stellungnahmen gem. § 17 Abs. 2 SchwbG wurden eingeholt.

  • Das Arbeitsamt Neumünster erhebt Bedenken gegen die Erteilung der Zustimmung. Unter Berücksichtigung der Schwierigkeiten, die sich bei Wiedereingliederung des Personenkreises ergeben würden. Die GL stehe bereits im 55. Lebensjahr. Der ArbG erfülle die Pflichtquote nicht.
  • Der Personalrat ist mit der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus wichtigem Grund einverstanden.
  • Der Vertrauensmann der Schwerbehinderten ist mit der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses einverstanden.
  • Vom Bevollmächtigten der GL wird beantragt, den Zustimmungsantrag des Kreises zurückzuweisen. Zur Begründung wird u.a. darauf hingewiesen, daß in dem zur Kündigungsbegründung angeführten Fernsehinterview von der GL lediglich Auskünfte gegeben wurden, die sie bereits bei vorhergehenden öffentlichen Auftritten dargestellt habe. Es wird weiterhin eingehend auf die Problematik der Erkrankung sowie die möglicherweise für den Menschen auftretenden Folgen eingegangen. Des weiteren wird ausgeführt, daß vom ArbG der Einsatz der GL auf dem Schlachthof entgegen ihres Antrages erfolgt sei, was zum einen nicht als leidensgerecht angesehen werden könne und zum anderen sie der Möglichkeit beraubt habe, weitere Verdachtsfälle festzustellen. Darüber hinaus wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Hauptfürsorgestelle hat den Antrag des ArbG geprüft und darüber nach den besonderen Regelungen des § 21 SchwbG über die außerordentliche Kündigung entschieden.

Nach § 2l Abs.2 SchwbG kann die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur innerhalb von 2 Wochen beantragt werden; maßgebend ist der Eingang des Antrages bei der Hauptfürsorgestelle. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt in dem der ArbG von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat.

Für die Kündigung maßgebende Tatsache war das Fernsehinterview am 16.11.1994. Dieses ist dem ArbG frühestens am 16.11.1994 bekannt geworden, so daß die Frist nach § 21 Abs. 2 SchwbG mit diesem Tag zu laufen beginnt und am 30.11.1994 endet. Der ArbG beantragte mit Schreiben vom 29.11.1994, eingegangen bei der Hauptfürsorgestelle am 29.11.1994, die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der GL. Da die Frist gem. § 21 Abs. 2 SchwbG am 16.11.1994 beginnt und am 30.11.1994 endet, ist der Antrag des ArbG als fristgemäß gestellt anzusehen.

Nach § 21 Abs. 4 SchwbG soll die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Ein Zusammenhang zwischen anerkannter Behinderung und Kündigungsgrund (Fernsehinterview) ist nicht erkennbar und wurde vom Bevollmächtigten der GL auch nicht geltend gemacht. Die Hauptfürsorgestelle hat ihre Entscheidung somit nicht nach freiem pflichtgemäßen Ermessen, sondern nach der ermessenseinschränkenden Vorschrift des § 21 Abs. 4 SchwbG zu treffen. Insofern ist lediglich zu prüfen, ob offensichtlich kein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorliegen könnte und trotz des nicht vorhandenen Zusammenhanges zwischen anerkannter Behinderung und Kündigungsgrund eine Entscheidung nach freiem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen ist. Die sogenannte Offensichtlichkeitsprüfung hat dazu geführt, daß nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, daß der vom ArbG vorgebrachte Kündigungsgrund einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 BGB darstellen kann. Die eingehende Prüfung und Bewertung des kündigungsbegründenden Vorfalles obliegt - wie vom Gesetzgeber gewollt - nicht der Hauptfürsorgestelle, sondern den Arbeitsgerichten. Auch das Vorliegen eines sogenannten atypischen Falles, in dem Ein Schwerbehinderter aufgrund seiner Behinderung im Vergleich zu einem Nichtbehinderten durch die außerordentliche Kündigung sozial besonders schwer beeinträchtigt wird, konnte nicht festgestellt werden.

Die Hauptfürsorgestellt hat - trotz der anerkannten besonderen Härte einer außerordentlichen Kündigung aus einer Einrichtung des öffentlichen Dienstes - nach § 21 Abs. 4 SchwbG die Zustimmung zu erteilen und damit den Weg zu einer eventuellen arbeitsgerichtlichen Überprüfung der Angelegenheit freizumachen.

...

16.12.1994: Kündigungsschreiben des Kreises Segeberg

Kreis Segeberg

Der Kreisausschuß

PZU

Frau

Dr. Margrit Herbst

Unser Zeichen - 12 -

Betr.: Kündigung Ihres Arbeitsverhältsnisses

Sehr geehrte Frau Dr. Herbst,

Ihr mit dem Kreis Segeberg bestehendes Arbeitsverhältnis kündigen wir hiermit gemäß § 55 Abs. 1 BAT aus in Ihrem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos.

Begründung:

Der wichtige Grund für die Kündigung liegt in dem gegenübar SternTV gegebenen Fernsehinterview, das am 16.11.1994 gesendet wurde.

Das Fehlverhalten liegt zum einen darin, daß Sie damit erneut gegen Ziffer 31.1 der Dienst- und Geschäftsanweisung für die Kreisverwaltung Segeberg verstoßen haben. Sie haben über das Interview weder mit Ihrem Vorgesetzten noch mit der Verwaltungsleitung eine Abstimmung herbeigeführt, obwohl es sich um Aussagen handelte, die einen dienstlichen Bezug hatten und Ihnan die Vorgehensweise in derartigen Fällen mehrmals und sogar schriftlich mitgeteilt wurde (s. Schreiben vom 14.04.1994 und 29.06.1994)

Zudem hatten Sie anläßlich Ihres Gssprächs mit dem Landrat am 05.08.1984 in Gegenwart Ihres Anwaltes auch zugesichert, sich in Zukunft daran zu halten.

Ihr Fehlverhalten liegt aber auch darin, daß Sie durch Ihre Äußerungen in dem Interview den Eindruck erweckt haben, es würden BSE-verdächtige Rinder bewußt oder zumindest grob fahrlässig vom Fleischhygieneamt zur Schlachtung freigegeben und das verdächtige Fleisch so in den Handel gelangen.

Sie haben in dem Interview geäußert, Sie hätten im Rahmen Ihrer Tätigkeit als amtliche Tierärztin in der Schlachttier- und Fleischuntersuchung am Schlachthof Bad Bramstedt in 21 Fällen bei Schlachtrindern den Verdacht auf BSE festgestellt ("Ich gehe davon aus, daß ich 21 BSE-Verdachtstiere gehabt habe"). Auf die Frage der Journalistin, was mit den Tlerkörpern passiert sei, antworteten Sie: "Also die Tiere, bei denen eine sogenannte BSE-Freiheit bestätigt worden ist, - aufgrund der weitergehenden Untersuchungen -, die sind dann schließlich normal in den Handel gegangen". Die darauf folgende Frage der Journalistin: "Und die anderen Fälle, die gar nicht erst weiter untersucht wurden, sind die dann auch in den Schlachthof gegangen?" beantworten Sie mit den Worten: "Die sind dann schließlich ganz normal in den Handel gegangen."

Dadurch ist der Anschein entstanden, daß Sie und die anderen verantwortlichen Tierärzte keine ordnungsgemäße Lebendbeschau bei BSE-verdächtigen Schlachtrindern durchführen, d.h. die verdächtigen Tiere ohne ordnungsgemäße und weitergehende Untersuchungen leichtfertig zur Schlachtung freigeben, anstatt zum Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher die notwendigen gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zu ergreifen. Die Behauptungen in dem Interview erwecken daher den Eindruck eines ungeheuerlichen Fehlverhaltens des Fleischhygieneamts und damit letztlich des Kreises Segeberg.

Vergegenwärtigt man sich die Ihnen vom Landrat gegebene Zusage, bei von Ihnen geäußertem BSE-Verdacht - auch ohne die Zustimmung des Leiters des Fleischhygieneamtes - die Befugnis zu haben, weitergehende Untersuchungen zu veranlassen, sind Ihre Äußerungen zudem unverständlich. Sie hätten jederzeit die Möglichkeit gehabt, auch die von Ihnen behaupteten anderen Fälle untersuchen zu lassen. Zumindest jedoch hätten Sie den Landrat persönlich davon in Kenntnis setzen müssen, warum bei den behaupteten anderen Fällen dem BSE-Verdacht nicht nachgegangen wurde.

Als Sie das Interview gaben, lag im übrigen der Bericht des MELFF an den Agrarausschuss des Landtages vom 06.10.1994, mit dem sich der Agrarausachuß am 13.10.1994 beschäftigte, bereits vor. Die Ergebnisse der Untersuchungen des MELFF waren landesweit in der Presse nachzulesen. Aufgrund eingehender Überprüfungen war das MELFF zu dem Ergebnis gelangt, daß der Vorwurf, BSE-verdächtige Rinder seien in Bad Bramstedt geschlachtet worden, eindeutig nicht zutrifft.

Bereits am 01.09.1994 hatten Sie dem MELFF zugesagt, die Liste aller von Ihnen am Schlachthof Bad Bramstedt festgestellten BSE-Verdachtsfälle zu übersenden. Aufgrund des enormen Ausmaßes Ihres Vorwurfs haben Sie die Verpflichtung gehabt, dem MELFF die umfassende Überprüfung dieses Vorwurfs durch Überlassung Ihrer Unterlagen zu ermöglichen. Bis zum heutigen Datum haben Sie diese Liste nicht an das MELFF übersandt.

Statt dessen haben Sie sich mit Ihren Behauptungen, deren Beweis bzw. zumindest deren Konkretisierung Sie bis heute nicht angetreten haben, wiederum sofort an die Öffentlichkeit gewandt. Sie gehen mithin ausgesprochen leichtfertig mit derartig schwerwiegenden Behauptungen um und schädigen dadurch das Ansehen der Kreisverwaltung.

Da die NFZ zudem Ihre Verhaltensweise als Rufschädigung ansieht, hat die NFZ bereits rechtliche Schritte gegen Sie eingeleitet. Es besteht das nicht zu unterschätzende Risiko, daß sich der Kreis Segeberg Ihr Verhalten zurechnen lassen muß und die NFZ auch gegen den Kreis Segeberg gerichtlich vorgehen könnte.

Da bisher alle Versuche, Ihr insofern krasses Fehlverhalten abzustellen, fruchtlos verliefen, bleibt uns keine andere Wahl als die fristlose Kündigung. Das Vertrauensverhältnis ist derartig nachhaltig zerstört, daß eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar ist.

Der Ordnung halber weisen wir darauf hin, daß sowohl der Personalrat als auch die Schwerbehindertenvertretung und die Hauptfürsorgestelle der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt haben.

Hochachtungsvoll

6.3.1995: Vermerk des Landwirtschaftsministeriums

Herrn Referenten VIII 120

über

Herrn Referenten VIII 400

im H a u s e

Tierseuchenrecht; hier: BSE-Verdachtsfälle im NFZ-Schlachtbetrieb in Bad Bramstedt

Schreiben des Rechtsanwaltes Wenge ohne Datum sowie das Gespräch bei VIII AL 1 am 03.03.1995

Zu dem Schreiben des Rechtsanwaltes Wenge ist zu bemerken, daß es nicht Aufgabe des MELFF ist, wissenschaftliche Untersuchungsbefunde zu interpretieren.

Rechtsanwalt Wenge behauptet, daß aus den Anlagen des Berichtes des Ministers an den Agrarausschuß vom 05.10.1994 ersichtlich sei, daß das vom M landesweit verlautbarte Untersuchungsergebnis unrichtig sei und eine Irreführung der Öffentlichkeit und des Landtages darstelle. Hierzu ist folgendes zu bemerken:

Im Bericht des Ministers an den Agrarausschuß vom 05.10.1994 sind die einzelnen BSE-Verdachtsfalle einschließlich der von den hierzu anerkannten und qualifizierten wissenschaftlichen Untersuchungseinrichtungen erhobenen Befunde in einer tabellarischen Übersicht im Anhang 2 dargestellt. Außerdem sind Kopien der von diesen Einrichtungen erstellten Untersuchungsbefunde dem Bericht beigefügt. Die tabellarische Übersicht stimmt mit den Ergebnissen der Untersuchungsbefunde überein. Somit können die Untersuchungsergebnisse im Bericht des Ministers nicht unrichtig sein, da sie ja denen der Originalberichte entsprechen.

Somit trifft dieser Vorwurf von Rechtsanwalt Wenge nicht zu.

Die Diagnostik der BSE erfolgte in hierfür anerkannten wissenschaftlichen Untersuchungseinrichtungen der Bundesrepublik Deutschland. Sie wurde unter Anwendung des zum Zeitpunkt der Untersuchung jeweils geltenden wissenschaftlichen Kenntnisstandes vorgenommen. Die Wissenschaft verfährt bei diesen Untersuchungen dergestalt, daß erst gar keine weiterführende immunologische oder elektronenmikroskopische Untersuchung für notwendig erachtet wird, wenn sich schon bei der anfänglichen histopathologischen Untersuchung keine eindeutigen Hinweise für das Vorliegen von BSE feststellen lassen.

So wurde in den Jahren 1990 und 1991 verfahren. Obwohl zwischenzeitlich 5 Jahre vergangen sind, inzwischen eine Arbeitsanleitung vom BML für die BSE-Diagnostik erarbeitet wurde, mit der die Maßnahmen bei BSE-Verdacht bundeseinheitlich festgelegt wurden, sowie zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse zum Thema BSE und zur BSE-Diagnostik gemacht wurden, gilt 1995 ebenso wie bereits 1990, daß eine weiterführende immunologische Untersuchung im Falle des Vorliegens nicht eindeutiger Hinweise auf BSE bei der histopathologischen Untersuchung nicht erforderlich ist.

Daher kann erst vom Vorliegen eines BSE-Verdachts gesprochen werden, wenn es bei der histopathologischen Untersuchung zu eindeutigen Hinweisen auf BSE gekommen ist.

Somit ist die Aussage des Ministers im Bericht an den Agrarausschuß zutreffend, daß der Vorwurf, BSE-verdächtige Rinder seien in Bad Bramstedt geschlachtet worden, eindeutig nicht zutrifft.

13.03.1995: Zweites Kündigungsschreiben des Kreises Segeberg

Kreis Segeberg

Der Kreisausschuß

PZU

Frau

Dr. Margrit Herbst

Unser Zeichen - 12 -

Betr.: Kündigung Ihres Arbeitsverhältsnisses

Sehr geehrte Frau Dr. Herbst,

Ihr mit dem Kreis Segeberg bestehendes Arbeitsverhältnis kündigen wir hiermit gemäß § 55 Abs. 1 BAT aus in Ihrem Verhalten liegenden wichtigen Gründen fristlos.

Begründung:

Der wichtige Grund für die Kündigung liegt in dem Artikel der Illustrierten "Tango" Nr. 8 vom 16. Februar 1995. Die dort insbesondere auf Ihren Angaben beruhenden Ausführungen zum Untersuchungsablauf der schwarzbunten Kuh Nr. 772 des Tierhändlers [anonymisiert] stellen erneut einen eklatanten Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht des § 9 BAT sowie Ziffer 29.1 der Allgemeinen Dienst- und Geschäftsanweisung des Kreises Segeberg vom 16.06.1994 dar.

Die dort gemachten Angaben sind weder mit Ihrem Vorgesetzten noch mit der Verwaltungsleitung abgestimmt worden, obwohl sie eindeutig einen dienstlichen Bezug haben. Die Unrechtmäßigkeit dieser Vorgehensweise ist Ihnen hinreichend bekannt; wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die im Dezember 1994 ausgesprochene außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses.

Dieser erneute Verstoß gegen Ihnen bekannte Vorschriften ist Beweis dafür, daß Sie nicht gewillt sind, das krasse Fehlverhalten abzustellen. Uns bleibt daher keine andere Wahl, als das Arbeitsverhältnis erneut fristlos zu kündigen. Der Ordnung halber weisen wir darauf hin, daß sowohl der Personalrat als auch die Schwerbehindertenvertretung und die Hauptfürsorgestelle dieser Kündigung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt haben.

Hochachtungsvoll

1995: Schreiben von Herrn Prof. Dr. W. Schmahl aus dem Institut für Tierpathologie der Univerversität München

Schreiben von Herrn Prof. Dr. W. Schmahl aus dem Institut für Tierpathologie der Univerversität München , Veterinärstr. 13 , 80539 München , an Frau Dr. K. Köster - Lösche aus dem Jahre 1995

"Zu Ihrer Frage vom 12.05.1995 kann ich nur betonen , daß wir zur Diagnose der BSE auf eine möglichst gute Erhaltung des Hirnstamms angewiesen sind . Wird bei einer Schlachtung außer dem Bolzenschuß auch noch ein Rückenmarkszerstörer verwendet , so sind die Chancen für eine histologische Diagnose in der Tat schlecht . Vakuoläre Veränderungen lassen sich halt naturgemäß nur dann zuverlässig feststellen , wenn die Textur des Gewebes einigermaßen erhalten ist . Demzufolge müßte man , bei Bestehen des klinischen Verdachts , sich mit dem Schlachter soweit verständigen , daß nicht am Ende durch sein Zutun keine Diagnose mehr erhebbar ist ."

27.6.1995: Widerspruchsbescheid des Widerspruchsausschusses bei der Hauptfürsorgestelle

Der Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle im Ministerium für Arbeit, Soziales, Jugend und Gesundheit des Landes Schleswlg-Holsteln

Kiel, den 27. Juni 1995

Widerspruchsbescheid

In der Wlderspruchssache der Tierärztin, Frau Dr. Margrit H e r b s t 24576 Bad Bramstedt

vertreten durch

Rechtsanwalt Reinhard Wenge, Wandsbeker Marktstraße 43, 22041 Hamburg

- Widerspruchsführerin (WF)/ Arbeitnehmer in (ArbN)/ Gleichgestellte (GL) -

g e g e n

den Bescheid der Hauptfürsorgestelle vom 10.03.1995

w e g e n

der erteilten Zustimmung zur beabsichtigten 2. außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Kreis Segeberg, Hamburger Straße 30, 23795 Bad Segeberg

- Arbeitgeber (ArbG) -

hat der Widerspruchsausschuß bei der Hauptfürsorgestelle in seiner Sitzung am 09.05.1995 unter Mitwirkung von

Herrn [anonymisiert] - Vertreter der Arbeitnehmer gleichzeitig Vorsitzender

Frau [anonymisiert] - Vertreterin der Arbeitgeber/ öffentlicher Dienst

Herrn [anonymisiert] - Vertreter der Arbeitgeber/ öffentlicher Dienst

Herrn [anonymisiert] - Vertreter der Arbeitnehmer

Herrn [anonymisiert] - Vertreter des Landesarbeitsamtes

Herrn [anonymisiert] - Vertreter der Hauptfürsorgesteile

entschieden:

1. Dem Widerspruch vom 13.03.1995 wird stattgegeben.

2. Der Bescheid der Hauptfürsorgestelle vom 10.03.1995 wird aufgehoben. Dem Arbeitgeber wird die Zustimmung zur beabsichtigten 2. außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der GL versagt.

3. Der WF werden auf Antrag die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten des Widerspruchsverfahrens erstattet.

4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zum Widerspruchsverfahren war notwendig. Kosten für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens werden nicht erhoben.

G r ü n d e

I.

l. Die widerspruchführende ArbN - 54 Jahre alt, geschieden, 2 unterhaltsberechtigte Kinder - ist nach § 2 Abs. l Schwerbehindertengesetz (SchwbG) den Schwerbehinderten gleichgestellt. Die sich aus dem Feststellungsbescheid des Versorgungsamtes Lübeck vom 01.06.1990 ergebenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen sind dem Widerspruchsausschuß bekannt. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 30. Die Gleichstellung ist wirksam ab 25.10.1993. Dies ergibt sich aus dem Bescheid des Arbeitsamtes Neumünster vom 06.01.1994.

II.

Die Nachprüfung des Erstbescheides auf der Grundlage des § 68 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat ergeben:

Der zulässige Widerspruch ist begründet.

Der angefochtene Bescheid der Hauptfürsorgestelle ist fehlerhaft und daher rechtswidrig. Er verletzt die WF in ihren Rechten.

Für die Beurteilung der Angelegenheit durch den Widerspruchsausschuß maßgebend ist der historische Sachverhalt im Zeitpunkt der Zustimmung durch die Hauptfürsorgestelle bzw. der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 07.03.1991 - 5 B 114.89 -). Die weitere Entwicklung ab Mitte März 1995 hat daher außer Betracht zu bleiben.

Bei Anträgen auf Zustimmung zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ist neben den §§ 15, 17 und 18 SchwbG insbesondere der § 21 SchwerbG zu beachten. Daß der vorliegende Antrag rechtzeitig, d.h. innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nach § 21 Abs. 2 SchwerbG gestellt wurde, ist im Erstbescheid zutreffend dargestellt und ist von der WF nicht bestritten worden. Die ebenfalls zweiwöchige Entscheidungsfrist der Hauptfürsorgestelle nach § 21 Abs. 3 Satz 1 SchwbG endete am 13.3.1995. Sie wurde eingehalten. Denn zu dem am 27.02.1995 eingegangenen Antrag wurde am 10.03.1995 die Entscheidung getroffen und noch am gleichen Tage dem Arbeitgeber per Telefax übermittelt sowie brieflich zur Post gegeben. Nach neuester Rechtsprechung reicht bereits die Aufgabe zur Post innerhalb der Entscheidungsfrist zur Wahrung der Frist des § 21 Abs. 3 Satz 1 SchwbG aus (vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 09.02.1994 - 2 AZR 720/93 -).

Wenn auch vorliegend ein Zusammenhang zwischen Kündlgungsgrund und Behinderung nicht gegeben ist, was von der WF nicht widerlegt wurde, so kommt gleichwohl in dieser Angelegenheit eine Entscheidung nach § 21 Abs. 4 SchwbG nicht in Betracht. Der Widerspruchsausschuß ist nämlich der Auffassung, daß ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB für eine außerordentliche Kündigung nicht gegeben ist. Zu dieser Auffassung ist er bei seiner erstmaligen Anhörung der WF in der Sitzung vom 09.05.1995 gelangt. Im Zuge der l. außerordentlichen Kündigung war eine solche Anhörung nicht möglich, weil die WF seinerzeit, d.h. am 16.01.1995, den gleichzeitig stattfindenden Gütetermin vor dem Arbeitsgericht Neumünster wahrzunehmen hatte. Wenn die Prüfung des Sachverhaltes ergibt, daß kein "wichtiger Grund" vorliegt, dann fehlt es an einer der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Anwendung des § 21 Abs. 4 SchwbG. Der Ausschuß geht hier sogar noch einen Schritt weiter, indem er erklärt, daß selbst für den Fall, daß ein wichtiger Grund festgestellt würde, die Zustimmung zur Kündigung zu versagen ist, weil sich die WF zu seiner Überzeugung in einem Gewlssensnotstand befunden hat. Aufgrund ihres Spezialwissens hat die WF bei einer Reihe von Rindern auf dem Schlachthof Bad Bramstedt Symptome zu erkennen geglaubt, die auf eine Infektion mit der Rinderseuche BSE hinweisen. Aus welchen Gründen auch immer ist es ihr nicht gelungen, daß ihre Bedenken auf dem Instanzenweg berücksichtigt wurden. So ist es zu einer Konfliktsituation mit ihrem Gewissen als Tlerärztin, die den allgemeinen Gesundheitsinteressen verpflichtet ist, gekommen. Bei ihren Schritten in die Öffentlichkeit hat sie es in Kauf genommen, die Verschwiegenheitspflicht als Teil der Treuepflicht gegenüber dem ArbG sowie Geschäftsordnungsregelungen des Anstellungsträgers zu verletzen. Sie hat damit die von den Repräsentanten des Staates immer wieder geforderte Zivilcourage bewiesen. Der Ausschuß vertritt daher den Standpunkt, daß der Bruch der Verschwiegenheitspflicht in diesem Einzelfall aufgrund der tierärztlichen Pflichten der WF zu rechtfertigen ist. Für die beabsichtigte Personalmaßnahme, bei dem es sich um das einschneidenste Vorgehen innerhalb des Arbeitsrechts handelt, gibt es keinen Rechtfertigungsgrund. Der Antrag des ArbG auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung verletzt den Grundsatz der Verhaltnismäßigkeit als Maßstab für die Gestaltung arbeitsrechtlicher Beziehunqen; er ist daher zurückzuweisen.

Der Ausschuß räumt dem Interesse des ArbG an einem reibungsfreien Dienstbetrieb einen hohen Stellenwert ein. Er muß sich aber fragen lassen, welchen Zweck das Fleischbeschauamt zu erfüllen hat. Die Gefahrenabwehr im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger einschließlich eihes optimalen Verbraucherschutzes muß auch für ihn oberste Priorität haben. Die WF hat aufgrund ihres Alters, der Behindertensituation und der ungünstigen Aussichten auf dem Arbeitsmarkt ein hohes Interesse am Erhalt ihres Arbeitsplatzes. Ihren Belangen ist nach Lage der Dinge höheres Gewicht einzuräumen als den Beweggründen des ArbG für den von ihm eingeschlagenen Weg.

Dem Widerspruch ist stattzugeben. Der Erstbescheid ist aufzuheben.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 73 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 63 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - SGB X). Da die WF obsiegt hat, sind ihr auf Antrag die zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Es wird darauf hingewiesen, daß eine Kostenerstattung voraussetzt, daß dieser Bescheid bestandskräftig wird. ...

21.9.1995: Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig (Az. 13 A 174/95)

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHES VERWALTUNGSGERICHT

URTEIL

IM NAMEN

DES VOLKES

In der Verwaltungsstreitsache

des Kreises Segeberg, Kreisausschuß, Hamburger Str. 30, 23795 Bad Segeberg,

Klägers,

g e g e n

die Ministerin für Arbeit, Soziales, Jugend und Gesundheit, Adolph-Westphal-Str. 4, 24143 Kiel,

Beklagte,

Beigeladen: Frau Dr. Margrit Herbst, [anonymisiert], 24576 Bad Bramstedt,

Geschäfts-Nr.:

13 A 174/95

w e g e n

Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung

hat die 13. Kammer des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts auf die mündliche Verhandlung am 21. September 1995 in Schleswig, an welcher teilgenommen haben: ... für Recht erkannt:

Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. Juni 1995 wird aufgehoben. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Beklagte und die Beigeladene tragen die außergerichtlichen Kosten des Klägers je zur Hälfte. Die Beklagte und die Beigeladene tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

...

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten und der Akten des Arbeitsgerichts verwiesen.

Entscheindungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Widerspruchsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte hätte die Zustimmung zu der (weiteren) außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beigeladenen erteilen müssen. Die Voraussetzungen für die Zustimmung zu der außerordentlichen Kündigung der Beigeladenen durch den Kläger sind nämlich erfüllt.

Die Zustimmung zu der außerordentlichen Kündigung richtet sich nach § 21 iVm §§ 15, l7 bis 20 Schwerbehindertengesetz. Gemäß § 21 Abs. 2 SchwbG kann die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen beantragt werden; maßgebend ist der Eingang des Antrags bei der Hauptfürsorgestelle. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger hat binnen zwei Wochen nach Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen (durch die Veröffentlichung in der Zeitschrift "Tango" Nr. 8 vom 16. Februar 1995) den Antrag gestellt, nämlich am 27. Februar 1995. Die Hauptfürsorgestelle hat binnen weiterer zwei Wochen, nämlich am 10. März 1995 entschieden, die Entscheidung am gleichen Tage dem Kläger per Telefax mitgeteilt und den Bescheid an diesam Tage zur Post aufgegeben, so daß die Voraussetzungen des § 21 Abs. 3 S. 1 SchwbG ebenfalls erfüllt sind.

Für die Bekanntgaba an den Arbeitgeber ist nämlich jedwede Unterrichtung ausreichend (Cramer, Schwerbehindertengesetz, 4. Aufl., § 21 Rdnr. 6, vgl. auch Großmänn/Schimanski/Dopatka/Pikullik/Poppe-Bahr, Gemeinschaftskommentar zum Schwerbehindertengesetz § 21 Rdnr. 69, 70).

Nach § 21 Abs. 4 SchwbG soll die Hauptfürsorgestelle die Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grunde erfolgt, der nicht im Zusammenhang mit der Sehinderung steht. Insoweit ist die Hauptfürsorgestelle zutreffend davon ausgegangen, daß kein Zusammenhang zwischen dem Kündigung und der Behinderung besteht. Soweit die Beigeladene auch in diesem (verwaltungsgerichtlichen) Verfahren geltend gemacht hat, es bestehe ein derartiger Zusammenhang, ist dieses Vordringen nicht rechtzeitig und wäre darüberhinaus in der Sache auch nicht nachvollziehbar. Zudem wäre die Hauptfürsorgsstelle - einen derartigen behinderungsbedingten Zusammenhang unterstellt - in einem solchen Fall nicht gehindert, die Zustimmung zu erteilen (Ermessensreduzierung auf Null). Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 21. September 1995 - 13 A 197/95 - verwiesen.

Muß somit zugrundegelegt werden, daß der Kündigungsgrund nicht in einem Zusammenhang mit der Behinderung steht, so hat nach der Sollvorschrift des § 21 Abs. 4 SchwbG die Hauptfürsorgestelle im Regelfall die Zustimmung zu erteilen, es sei denn, die vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe vermögen eine außerordentliche Kündung offensichtlich nicht zu rechtfertigen. Nach der Rachtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 02. Juli 1992 - 5 C 39.90 -, DVBl 1992, 1487; Urteil vom 10. September 1992 - 5 C 39/88 -, BVerwGE 91, 7; vgl. auch OVG Münster, Urteil vom 25. April 1989 - 13 A 2399/87 -, NVwZ-RR 1390, 573) "muß" sofern die außerordentliche Kündigung nicht aus einem Grunde erfolgt, der im Zusammenhang mit der Behinderung steht, die Zustimmung erteilt werden, es sei denn, es liegen Umstände vor, die den Fall als außergewöhnlich erscheinen lassen. § 21 Abs. 4 SchwbG verlangt von der Hauptfürsorgestelle nicht die Prüfung, ob die Kündigung aus wichtigem Grunde erfolgt, sondern ob der Grund, aus dem die Kßhdigung erfolgt, mit der Behinderung im Zusammenhang steht oder nicht. Der Grund, aus dem die Kündigung erfolgt, ist immer der vom Arbeitgeber genannte Kündigungsgrund, unabhängig davon, ob er die Kündigung arbeitsrechtlich rechtfertigt. Die Kündigung "erfolgt" aus dem Grund, den det Arbeitgeber zu ihrer Rechtfertigung angibt, § 21 Abs. 4 SchwbG verweist deshalb auf die Begründung der Kündigung und nicht auf ihre Begründetheit. (BVerwG, Urteil von 02. Juli 1992, aaO).

Bei Anlegung dieser Maßstäbe erweist sich die von der Hauptfürsorgestelle vorgenommene Würdigung, es liege kein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung der Beigeladenen vor, als nicht mehr von den Voraussetzungen der Vorschrift des § 21 Abs. 4 SchwbG gedeckt. Die Hauptfürsorgestelle hat im Rahmen der Prüfung, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung nach § 21 Abs. 4 SchwbG vorgelegen haben, ihre Prüfungskompetenz überschritten, indem sie eine eigene arbeitsrechtliche Prüfung vorgenommen hat. Ein derartiges Prüfungsrecht ist aber gerade nicht von § 21 Abs. 4 SchwbG gedeckt.

Die Beklagte "mußte" vielmehr in dem vorliegenden Fall die Zustimmung erteilen. Denn es liegt weder ein Ausnahmesachverhalt in dem Sinne vor, daß die vom Arbeitgeber geltend gemachten Gründe die zweite außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht zu rechtfertigen vermögen, noch liegt eine atypische Situation vor, die es der Hauptfürsorgestelle erlaubt hätte, nach pflichtgemäßem Ermessen eine andere Entscheidung zu treffen.

Eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung kann nur angenommen werden, wenn sie ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu tage liegt, sich jedem Kündigen aufdrängt (vgl. BAGE 4B, 122, 152; zitiert durch BVerwG, Urteil vom 02. Juli 1992 aao). Die zweite außerordentliche Kündigung ist im Zusammenhang mit der ersten außerordentlichen Kündigung und dem insoweit anhängigen vorgreiflichen Kündigungsschutzverfahren (Az.: - 3 dCa 2254/94 -) zu beurteilen. Insoweit hat die Kammer in ihrem - allen Beteiligten bereits zugestellten - Urteil vom 21. September 1995 (Az.: - 13 A 197/95 -) festgestellt, daß eine offensichtliche Unwirksamkeit nicht vorliegt. Nichts anderes kann in Bezug auf die weitere außerordentliche Kündigung gelten.

Es liegt auch keine Ausnahmesituation vor, die es hier geboten hätte, nach pflichtgemäßem Ermessen anders zu entscheiden. Ob ein atypischer Fall vorliegt, der eine noch offene Ermessensentscheidung ermöglicht und gebietet, ist als Rechtsvoraussetzung im Rechtsstreit von den Gerichten zu überprüfen und zu entscheiden. Ein atypischer Fall liegt vor, wenn die außerordentliche Kündigung den Schwerbehinderten in einer die Schutzzwecke des Schwerbehindertengesetzes berührenden Weise besonders hart trifft, ihm im Vergleich zu den der Gruppe der Schwerbehinderten im Falle außerordentlicher Kündigung allgemein zugemuteten Belastungen ein Sonderopfer abverlangt (BVerwG, Urteil vom 02. Juli 1992, aao). Die Beigeladene kann sich nicht auf das Vorliegen einer ihr im Verhältnis zu der Gruppe der Schwerbehinderten ein Sonderopfer abverlangenden Situation berufen. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils vom 21. September 1995 (Az.: -13 A 197/9S -) verwiesen. Die Beigeladene hat in diesem Verfahren keine (weiteren) Umstände vorgetragen, die das Vorliegen einer atypischen Situation rechtfertigten.

Nach alledem war hier die Zustimmung zu erteilen, die Beklagte hätte den Widerspruch der Beigeladenen zurückweisen müssen. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten war daher aufzuheben mit der Folge, daß es bei der mit Bescheid von 10. März 1995 erteilten Zustimmutig verbleibt.

5.4.1995: Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Neumünster (Az.: 3d 2254/94)

Arbeitsgericht Neumünster

Urteil

Geschäftszeichen: - 3d Ca 2254/94 -

Verkündet am 05.04.1995

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

Dr. Margrit Herbst, [anonymisiert], 24576 Bad Bramstedt

Klägerin

Prozeßbevollmächtigte(r) : Rechtsanwalt [anonymisiert]

g e g e n

Kreis Segeberg, vertr. d, d. Kreisausschuß, Hamburger Straße 30, 23795 Bad Segeberg

Beklagter

Prozeßbevollmächtigte(r): -/-

hat die 3. Kammer des Arbeitsgerichts Neumünster auf die mündliche Verhandlung vom 05. April 1995 durch Richterin am Arbeitsgericht R a a s c h-S i e v e r t als Vorsitzende und die ehrenamtlichen Richter Hansen und Salomonsen als Beisitzer für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

III. Der Streitwert beträgt 24.000,--

Rechtsmittelbelehrung

[...]

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Die - einer Schwerbehinderten gleichgestellte - Klägerin ist Tierärztin und seit 1978 bei dem Beklagten auf dem Schlachthof der Firma Norddeutsche Fleischzentrale (NFZ) in Bad Bramstedt. Etwa ab dem Jahre 1990 hat die Klägerin mehrmals bei ihr geführten Rindern den Verdacht auf Befall mit Boviner Spongiformer Encephalopathie (BSE "Rinderwahnsinn") gehabt. Sie wandte sich daraufhin erstmals im Jahre 1992 an den Landrat des Beklagten. Dieser reagierte, indem er der Klägerin anheimstellte, in Zukunft bei BSE-Verdacht - auch ohne Zustimmung des Leiters des Fleischhygieneamts - Kontrolluntersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen (Blatt 6, 93 der Akte). Der Landrat bat die Klägerin, sie solle sich bei Schwierigkeiten direkt und umgehend an ihn wenden (Blatt 219 der Akte). Der Beklagte informierte die beteiligten Mitarbeiter und Vorgesetzten im April 1994 über die getroffenen Maßnahmen (Blatt 94, 219 der Akte). Anläßlich eines Interviews in der Ausgabe 15/94 des Magazins "Stern" wurde die Klägerin erstmals mit Schreiben vom 14. April 1994 auf die einschlägigen Bestimmungen der Dienst- und Geschäftsanweisung des Beklagten (Blatt 232 ff. der Akte) hingewiesen. § 8 dieser Anweisung verpflichtet die Mitarbeiter zu Amtsverschwiegenheit (Blatt 236 der Akte). In § 5 Ziffer 4 Satz 1 der Anweisung heißt es (Blatt 236 der Akte):

"Auskünfte an die Presse erteilt grundsätzlich nur der Landrat oder dessen Vertreter in Geschäften der laufenden Verwaltung."

Am 29. August 1994 teilte der Beklagte der Klägerin mit, daß eine Zustimmung seitens des Beklagten zu der von der Klägerin beabsichtigten Teilnahme an der von SAT 1 am darauffolgenden Tag auszustrahlenden Sendung "Einspruch Meyer" nicht vorliegt. Der Klägerin wurde untersagt, sich öffentlich als Mitarbeiterin des Beklagten zu erkennen zu geben. Sie wurde auf ihre arbeitsvertragliche Pflicht zur Verschwiegenheit hingewiesen, gleichzeitig wurde ihr für den Fall der Zuwiderhandlung eine fristlose Kündigung in Aussicht gestellt (Blatt 41 der Akte). Die Klägerin nahm gleichwohl am 30. August 1994 an der besagten Sendung teil und gab zu erkennen, daß sie als Tierärztin auf einem Schlachthof arbeitet. Wegen der von der Klägerin erhobenen BSE-Vorwürfe fand daraufhin am 01. September 1994 bei der Klägerin im Beisein von Vertretern des Ministeriums für Ernäherung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei (MELFF) eine Besprechung statt (Ablichtung des Besprechungsprotokolls Blatt 71 ff. der Akte). Am 05. September 1994 kam es zu einer weiteren Besprechung beim Landrat des Beklagten. An dieser Sitzung nahmen unter anderem die Klägerin und ihr Prozeßbevollmächtigter sowie Mitarbeiter des Beklagten und des MELFF teil (Blatt 96 der Akte). Die Klägerin wurde erneut auf die einschlägigen Bestimmungen in der Dienst- und Geschäftsanweisung hingewiesen. Im Rahmen eines am 06. September 1994 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens (Blatt 137 der Akte) hat die Klägerin der Staatsanwaltschaft diverse eigene Aufzeichnungen sowie eine von ihr erstellte Liste der BSE-Verdachtsfälle zur Verfügung gestellt (Blatt 10, 25 der Akte). Mit Schreiben vom 26. September 1994 an den MELFF (Blatt 188 ff. der Akte) nahm der Landrat des Beklagten zu den Vorwürfen gegen das Fleischhygieneamt in Bad Bramstedt Stellung. Der Vorwurf der Schlachtung BSE-verdächtiger Rinder wurde zurückgewiesen (Blatt 188 ff. der Akte). Zu diesem Ergebnis gelangt auch ein unter dem Datum vom 05. Oktober 1994 erstellter Bericht des MELFF an den Agrarausschuß des Schleswig-Holsteinischen Landtages über die Vorfälle am Schlachthof in Bad Bramstedt (Blatt 101 ff., insbesondere 131 der Akte). In der Sendung "Stern-TV" vom 16. November 1994 (Blatt 11 der Akte) äußerte die Klägerin ein weiteres Mal Bedenken hinsichtlich der Behandlung BSE-verdächtiger Rinder auf dem Schlachthof des Beklagten; sie erwähnte in dieser Sendung eine Liste von 21 Verdachtsfällen (Blatt 25, 95 der Akte). Tags darauf erschien in dem Magazin "Stern" ein mit der Überschrift "Rinder aus England? Das können wir regeln!" versehener und das BSE-Problem erörternder Bericht (Ausgabe vom 17. November 1994, Seite 232 ff., Blatt 68 ff. der Akte). In diesem Artigel ist von kranken Tieren die Rede, die mit gesunden übers Schlachtband gingen; darunter seien - so wird die Klägerin zitiert - "auch welche mit dringendem Verdacht auf Rinderwahn". Die Klägerin wies in diesem Bericht weiter auf vier krankheitsverdächtige Tiere hin, die in dem Untersuchungsbericht des MELFF vom 05. Oktober 1994 nicht auftauchten (Blatt 68 der Akte). Der Beklagte leitete daraufhin das Anhörungsverfahren für eine außerordentliche Kündigung ein. Nachdem sowohl der Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung als auch die Hauptfürsorgestellt mit Schreiben vom 13. Dezember 1994 (Blatt 32 der Akte) ihre Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung erteilt hatten, sprach der Beklagte mit Schreiben vom 16. Dezember 1994 (Blatt 20 der Akte) die fristlose Kündigung aus. Diese wurde mit einem Verstoß gegen die Dienst- und Geschäftsanweisung des Beklagten begründet. Im Rahmen der Kündigungsschutzklage hat die Klägerin dem Beklagten erstmals mit ihrem Schriftsatz vom 23. Dezember 1994 eine Liste von 24 BSE-verdächtigen Rindern (aus den Jahren 1990 bis 1994) zugänglich gemacht (Blatt 12 ff. der Akte).

Die Klägerin hält die ausgesprochene Kündigung für unwirksam. Ein Verstoß gegen die Dienst- und Geschäftsanweisung könne der Klägerin nicht vorgeworfen werden, da ihr diese gar nicht bekannt sei. Jedenfalls fehle es sowohl an der Rechtswidrigkeit als auch am Verschulden auf Seiten der Klägerin. Außerdem lasse § 5 Ziffer 4 Satz 1 der Dienst- und Geschäftsanweisung, wenn dort von einer grundsätzlichen Informierung der Presse durch den Landrat die Rede sei, die Auslegung zu, daß in Ausnahmefällen sich auch andere Personen an die Medien wenden könnten. Der Entschluß zur Teilnahme an der Fernsehsendung "Stern-TV" (RTL, 16.11.1994) sei auf den "entwarnenden" Bericht des MELFF vom 05. Oktober 1994 sowie den Umstand zurückzuführen, daß die Klägerin nicht in die Folgeuntersuchungen eingeschaltet worden sei. Das MELFF habe noch nicht einmal die Auswertung ihrer eigenen Aufzeichnungen abgewartet. Insgesamt könne der Bericht des MELFF vom 05. Oktober 1994 die Verdachtsmomente auf Ausbruch von BSE entgegen den dort getroffenen Feststellungen nicht widerlegen. Die in der Sendung abgegebenen Äußerungen seien im übrigen nur von untergeordneter Bedeutung gewesen. Die Klägerin habe - nicht zuletzt wegen der jahrelangen Versäumnisse des Beklagten - aus übergeordneten Interessen der Volksgesundheit gehandelt, da der Genuß von Rindfleisch, das von BSE-kranken Rindern stamme, bei Menschen die Creutzfeld-Jacob-Krankheit verursachen könne und aufgrund neuerer Forschungsergebnisse feststünde, daß der herkömmlichen - zur Verifizierung von BSE angewandten - Feinstrukturuntersuchung des Gehirns ein weitaus geringerer Aussagewert als bisher angenommen zukomme. Dies belege auch das aufgrund der am 30. August 1994 ausgestrahlten Sendung eingeleitete staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren. Sie, die Klägerin, habe alle Verdachtsfälle jederzeit gemeldet, sei jedoch teilweise von ihren unmittelbaren Vorgesetzten an Folgeuntersuchungen gehindert oder aber nach Äußerung eines BSE-Verdachts "überstimmt" worden (Blatt 218, 253 der Akte). Auch der Landrat habe die Klägerin nicht bei ihren Untersuchungen unterstützt, obwohl sie sich bereits in einem Brief vom 30. August 1992 an ihn gewandte habe (Auszug auf Blatt 6 ff. der Akte).

Die Klägerin beantragt,

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben vom 16. Dezember 1994 ausgesprochene Kündigung des Beklagten nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin sei sehr wohl an die Vorschriften der Dienst- und Geschäftsordnung des Beklagten gebunden. Die in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommende Verschwiegenheitspflicht sei Teil der allgemeinen - durch die langjährige Beschäftigung im öffentlichen Dienst gesteigerten - Treuepflicht. Auch hat die Klägerin - was zwischen den Parteien unstreitig ist - bei Dienstantritt eine Fassung der Dienst- und Geschäftsanweisung ausgehändigt bekommen. Die Dienst- und Geschäftsanweisung sei zwar zwischenzeitlich überarbeitet worden, entspreche jedoch in der hier maßgeblichen Frage der alten Vorschrift. Gegen § 5 Ziffer 4 Satz 1 der Dienst- und Geschäftsordnung habe die Klägerin trotz der verschiedentlichen Hinweise des Beklagten in den Schreiben vom 14. April und 29. August 1994 sowie anläßlich der Besprechung am 05. September 1994 wiederholt verstoßen. Dafür gebe es keine Rechtfertigung. Die Klägerin habe sich gerade nicht intensivst um eine innerdienstliche Klärung der Vorwürfe bemüht. Der Beklagte habe erhebliche Zweifel, ob die Klägerin ihm tatsächlich jeden Verdachtsfall gemeldet habe. Die Klägerin sei weder ihrer Zusage, eine Liste der BSE-Verdachtsfälle dem MELFF und dem Beklagten zu übersenden, noch ihrem anläßlich des Gesprächs am 05. September 1994 erteilte Versprechen nachgekommen, sich zunächst an den Landrat und nicht an die Medien zu halten. Es könne keine Rede davon sein, daß sich der Landrat nicht um eine Beseitigung etwaiger Mißstände bemüht habe. Die Erweiterung der Kompetenzen der Klägerin im Jahre 1992 belegten dies. Die Klägerin habe sich jedoch danach nicht mehr wegen etwaiger Umsetzungsschwierigkeiten an den Landrat gewandt. Wenn die Klägerin über Jahre hinweg Fakten auf "Schmierzetteln" gesammelt habe, so hätten diese Fakten dem Landrat zugänglich gemacht werden müssen. Keinesfalls hätte sich die Klägerin - so wie geschehen - zuerst an die Staatsanwaltschaft wenden dürfen. Abgesehen davon habe der Beklagte jederzeit das gesetzlich vorgeschriebene Verfahren bei der Lebendbeschau (BSE-verdächtiger) Rinder eingehalten, wie der Bericht des MELFF beweise.

Im Rahmen des laufenden Kündigungsschutzverfahrens hat der Beklagte aufgrund neuerlich gegebener Interviews der Klägerin vorsorglich eine weitere fristlose Kündigung ausgesprochen (Blatt 227 der Akte).

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den Schriftwechsel in den Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet.

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist durch die außerordentliche Kündigung vom 16. Dezember 1994 beendet worden. Der nach §§ 626 Abs. 1 BGB, 55 Abs. 1 BAT erforderliche wichtige Grund liegt in dem wiederholten Gang der Klägerin an die Öffentlichkeit begründet.

1.

Ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB, 55 Abs. 1 BAT ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen. Auch der Bruch der Verschwiegenheitspflicht kann im Einzelfall eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen (BAG, AP Nr. l zu § 626 BGB "Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat"; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 7. Aufl., § 125 VII 44), muß dies jedoch nicht immer (BAG, AP Nr. 82 zu § 1 KSchG 1951; LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.02.1974, DB 1974, 2164; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.1976, EzA Nr. 8 zu § 1 KSchG "Verhaltensbedingte Kündigung"). Erfolgt der Bruch der Verschwiegenheitspflicht im Wege der Einschaltung der Medien, gelten so für diese sogenannte "Flucht in die Öffentlichkeit" strenge Voraussetzungen. Derartige Maßnahmen sind nach herrschenden Meinung in der arbeitsrechtlichen Literatur nur unter strikter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zulässig; insbesondere nur dann, wenn der Arbeitnehmer vorher alle schonenderen Mittel innerhalb des Betriebes vergeblich eingesetzt hat. Zu diesen schonenderen Mitteln zählen unter anderem die Anrufung des Betriebs- bzw. Personalrates, die Einschaltung der zuständigen staatlichen Stellen (insbesondere im Bereich des Arbeitsschutzes) sowie das Beschreiten des Prozeßweges (bei individualvertraglichen Ansprüchen). Selbst bei Beachtung dieser Maßstäbe und Anforderungen sei eine umfassende Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers einerseits sowie des Arbeitnehmers und/oder der Belegschaft andererseits erforderlich (Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band l: Individualarbeitsrecht I, Blomeyer, § 51 Rdz. 53; Schaub, a.a.O. § 53 II 8). Preis/Reinfeld (AuR 1989, 361 ft.) weisen in diesem Zusammenhang entscheidend auf die Schutzwürdigkeit des Arbeitgebers hin. Der Arbeitgeber wird und muß in der Regel darauf vertrauen dürfen, daß ihn die Beschäftigten auf ihm bisher nicht bekannte bzw. nicht grob fahrlässig unbekannt gebliebene gesetzeswidrige Praktiken im Betrieb hinweisen. Dies gebietet die Interessenwahrnehmungspflicht des Arbeitnehmers zur Abwendung von Schäden für den Betrieb (Preis/Reinfeld, a.a.O., S. 370).

Das Bundesarbeitsgericht hat sich zur (frühzeitigen) Einsschaltung der Medien noch nicht abschließend geäußert, vertritt jedoch im (vergleichbaren) Fall der Anzeige des Arbeitnehmers gegen seinen (unter Umständen sogar gesetzeswidrig handelnden) Arbeitgeber einen ähnlich restriktiven Ansatz (BAG, Urt. vom 05.02.1959, AP Nr. 2 zu § 70 HGB).

2.

Bei Berücksichtigung dieser strengen Maßstabe war der von der Klägerin am 16. und 17. November 19S4 beschrittene (erneute) Gang an die Öffentlichkeit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt erforderlich oder geboten - und zwar weder objektiv noch subjektiv aus Sicht der Klägerin.

a)

Die Klägerin war grundsätzlich zur (Amts-) Verschwiegenheit über etwaige Mißstände auf dem Schlachthof des Beklagten in Bad Bramstedt verpflichtet. Diese Pflicht ergibt sich nicht nur aus den Bestimmungen des § 9 BAT und § 8 Dienst- und Geschäftsanweisung des Beklagten (Blatt 236 der Akte); sie stellt auch eine jeden Arbeitnehmer treffende arbeitsvertragliche Nebenpflicht dar (Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Band 1: Individualarbeitsrecht I, Blomeyer, § 51 Rdz. 37; Schaub, a.a.0., § 54 m.w.N. ).

Die Klägerin kann nicht damit gehört werden, ihr seien die entsprechenden Bestimmungen der Dienst- und Geschäftsanweisung des Beklagten zur Informierung der Presse unbekannt gewesen. Unabhängig von der Frage, ob es auf eine solche Kenntnis überhaupt ankommt und ob Vertrag glaubwürdig erscheint - immerhin hat die Klägerin die von dem Beklagten behauptete Aushändigung eines Exemplars der Dienst- und Geschäftsanweisung zu Beginn des Arbeitsverhaltnisses nicht wirksam bestritten, weshalb dieser Vortrag als zugestanden im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO gewertet werden muß -, hätten doch die wiederholten Hinweise des Beklagten in den Schreiben vom 14. April und vom 29. August 1994 sowie anläßlich der Besprechung am 05. September 1994 für die Klägerin Anlaß genug sein sollen, ihr eigenes Verhalten zu überdenken und fortan Stillschweigen im Bezug auf die Behandlung BSE-verdächtiger Rinder durch den Beklagten zu bewahren. Dies ist indessen nicht geschehen, wie die Interviews in der Sendung "Stern-TV" (16.11.1994) sowie im "Stern" (17.11.1994) beweisen.

Das Gericht vermag sich auch nicht der von der Klägerin angeregten Auslegung des in § 5 Ziffer 4 Satz 1 der Dienst- und Geschäftsarrweisung verwandten Begriffes "grundsätzlich" anzuschließen. Mag eine solche Auslegung dieses Begriffes zwar "grundsätzlich" möglich sein, so hätte doch der Klägerin spätestens nach den mehrmaligen Hinweisen seitens des Beklagten klar sein müssen, der Landrat selber in dieser Angelegenheit die Presse zu informieren beabsichtigte.

b)

Für die Klägerin lag auch kein Ausnahmetatbestand vor, der ihren (wiederholten) Gang an die Öffentlichkeit durch Einschaltung der Medien gerechtfertigt hätte. In Anwendung der oben beschriebenen Grundsätze waren ihre Interviews vom 16. und 17. November 1994 schon nicht erforderlich.

(1) Unabhängig von der Berechtigung ihrer Vorwürfe kann keine Rede davon sein, daß sich die Klägerin "intensivst" und "langjährig vergeblich" um eine interne Lösung der BSE-Verdachtsfälle bemüht hätte. Richtig ist, daß sich die Klägerin im Jahr 1992 wegen des BSE-Problems an den Landrat des Beklagten wandte. Dieser reagierte jedoch nicht abweisend oder ausweichend, sondern mit einer Kompetenzerweiterung für die Klägerin sowie mit einer Information der übrigen beteiligten Mitarbeiter. Wenn die Klägerin ihr nunmehr vorträgt, bei den ihr gestatteten Folgeuntersuchungen sei es zu Schwierigkeiten mit den Vorgesetzten gekommen (Blatt 253 der Akte), so muß ihr vorgehalten werden, daß sie nicht versucht hat, diese Schwierigkeiten durch Einschaltung des Landrates zu überwinden. Die Klägerin trägt selbst vor, daß im Zusammenhang mit einem BSE-Verdacht bei einer schwarzbunten Kuh am 03. März 1993 der Mitarbeiter des Beklagten [anonymisiert] die Genehmigung zu Folgeuntersuchungen noch einmal ausdrücklich bekräftigte (Blatt 16 der Akte).

Auch der von der Klägerin angesprochene Brief an den Landrat vom 30. August 1992 (Blatt 6 ff. der Akte) vermag an dem Bemühen des Beklagten zur Klärung der BSE-Vorwürfe nichts zu ändern. Der Klägerin ging es in diesem Brief ersichtlich um eine Änderung ihres Arbeitsplatzes am Schlachtband. Konkrete Vorwürfe einer Falschbehandlung BSE-verdächtiger Rinder wurden nicht erhoben.

Selbst bei einer - einmal unterstellten - Untätigkeit des Landrates hätten doch vor der Einschaltung der Medien andere Möglichkeiten der Abhilfe und Beseitigung etwaiger Mißstände offengestanden. So hätte die Klägerin etwa den Personalrat des Beklagten über aufgetauchte Probleme informieren können, um sodann nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Außerhalb der Dienststelle des Beklagten hätte sich die Klägerin direkt an das MELFF als Fachaufsichtsbehörde wenden können. Bei Beschreiten dieses Weges hätte die Klägerin schwerlich mit einer Kündigung, jedenfalls nicht mit einer außerordentlichen Kündigung rechnen müssen. Das Bundesarbeitsgericht hat nämlich in seinem Urteil vom 18. Juni 1970 (AP Nr. 82 zu § l KSchG 1951) festgestellt, daß der Angestellte des öffentlichen Dienstes keine Kündigung zu befürchten braucht, wenn er von seinem Petitionsrecht Gebrauch macht und dabei auf Mißstände in seinem Amte hinweist.

Die aufgezeigten Alternativmöglichkeiten hätten bei weitem nicht so schwer gewogen wie der direkte und frühzeitige Gang "in die Medien", durch den die Öffentlichkeit häufig gerade nicht (nur) informiert, sondern (zusätzlich) verunsichert wird.

(2) Rechtfertigten schon diese Umstände nicht den Gang an die Öffentlichkeit, so gilt dies umso mehr, wenn man den Zeitpunkt der Teilnahme an der Sendung "Stern-TV" berücksichtigt. Am 16. November 1994 lag der Bericht des MELFF über die Vorgänge im Schlachthof Bad Bramstedt seit ca. sechs Wochen vor. Dieser Bericht bescheinigte dem Beklagten ausdrücklich, dass der Vorwurf der Schlachtung BSE-verdächtiger Rinder nicht aufrechterhalten werden könne. In keinem einzigen der von der Klägerin in der Sendung zitierten Fälle ist ihr BSE-Verdacht durch Folgeuntersuchungen bestätigt worden (vgl. Blatt 139 ff. der Akte). Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, im Bericht des MELFF seien nur 18 BSE-Verdachtsfälle erörtert worden. Dies trifft zwar zu (Blatt 110 bis 113 der Akte), lag aber nicht zuletzt an der mangelnden Bereitschaft der Klägerin, eine umfassende Liste der Verdachtsfälle zur Verfügung zu stellen. Wenn die Klägerin eine solche Liste für die Staatsanwaltschaft erstellen konnte (Blatt 230 der Akte), hätte sie es auch für den Beklagten tun können. Der Beklagte hat eine solche Liste (mit 24 Verdachtsfällen) jedoch erst im Zusammenhang mit der Kündigungsschutzklage erhalten.

3. Auch die im Zeitpunkt der fristlosen Kündigung aufgrund der über 15-jährigen Beschäftigungszeit der Klägerin stehende Unkündbarkeit (vgl. § 53 Abs. 3 BAT) vermochte an dem negativen Ergebnis der Interessenabwägung nichts zu ändern. Der tarifliche Ausschluß der ordentlichen Kündigung und die daraus folgende Dauer der Vertragsbindung können im Rahmen der einzelfallbezogenen Interessenabwägung entweder zu Gunsten oder zu Ungunsten des Arbeitnehmers berücksichtigt werden (BAG, Urteil vom 14.11.1984, EzA Nr. 93 zu § 626 BGB n.F.; KschG, Gemeinschaftskommentar - Hillebrecht, 3. Aufl. § 626 BGB Rdz. 205). Im Gegensatz zu einmaligen Vorfällen wird bei Vorfällen mit Wiederholungsgefahr dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung eher unzumutbar sein als bei ordentlich kündbaren Arbeitnehmer (KSchG, GK, Hillebrecht, 3. Aufl., § 626 BGB Rdz. 205). Der wiederholte Verstoß der Klägerin gegen die Dienst- und Geschäftsanweisung des Beklagten und die darin zum Ausdruck kommende Hartnäckigkeit und Uneinsichtigkeit wirkte sich deshalb im vorliegenden Fall zu Lasten der Klägerin aus. Dem Beklagten war es nicht mehr zumutbar, weitere Schädigungen seines Ansehens - trotz der festgestellten Unrichtigkeit der Vorwürfe - abzuwarten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. l ZPO.

Die Höhe des Streitwertes beruht auf § 12 Abs. 7 ArbGG.

gez. Raasch-Sievert

15.11.1995: Urteil der III. Kammer des Landesarbeitsgerichts Kiel (Az. 3 Sa 404/95)

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In dem Rechtsstreit

Dr. Margrit Herbst, [anonymisiert], 24576 Bad Bramstedt,

- Klägerin und Berufungsklägerin -

Prozeßbevollmächtigter: [anonymisiert]

gegen

Kreis Segeberg, vertr. d.d. Kreisausschuß, Hamburger Str. 30, 23795 Bad Segeberg,

- Beklagter und Berufungsbeklagter -

Prozeßbevollmächtigte: Verbaadsgsschäftsführer Klabunde u. Geschäftsführer Waldheim, Komunaler Arbeitgeberverband Schleswig-Holstein, Reventlouallee 6, 24105 Kiel

hat die III. Kammer des Landesarbeitsgerichts SchIeswig-HoIstem auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 1995 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Lüdemann und die ehrenamtlichen Richter Riedel und Herzog für R e c h t erkannt: ...


Tatbestand und Entscheidungsgründe:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.

Hinsichtlich des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil nebst seiner Verweisungen und und die im Berufungsrechtszuge gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Wert des Beschwerdegegenstandes nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung konnte jedoch aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils keinen Erfolg haben. Insoweit bezieht sich die Berufungskammer zunächst gemäß § 543 ZPO in vollem Umfang auf die sorgfältig abwägenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Der Berufungsbegründung können keine rechtserheblichen Tatsachen entnommen werden, die geeignet wären, dem angefochtensn Urteil entgegenzustehen. Das Berufungsgericht hat die dem Rechtsstreit zugrundeliegende Rechtslage in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien eingehend erörtert. Dabei haben sich keine Gesichtspunkte ergeben, die eine abändernde Entscheidung rechtfertigen könnten.

Zutreffend siellt das erstinstanzliche Urteil fest, daß die Klägerin zur Verschwiegenheit über die Vorgänge an ihrem Arbeitsplatz verpflichtet war. Diese Pflicht zur Verschwiegenheit hat die Klägerin ohne zwingenden Grund verletzt, indem sie entgegen den Weisungen der Beklagten ohne hinreichende innerdienstliche Aufklärung der B S E-Verdachtsfälle an die Öffentlichkeit getreten ist. Die Klägerin hat sich gerade nicht intensiv um eine innerdienstliche Aufklärung bemüht, obwohl der Landrat der Beklagten hierbei seine volle Unterstützung zugesichert hatte. Die Klägerin hat sich jedoch nicht mehr an den Landrat gewandt, sondern vielmehr erst im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses die mangelnde Unterstützung durch Kollegen und Vorgesetzte beklagt. Die Klägerin hat jedoch weder den Landrat noch andere Vorgesetzte um Abhilfe gebeten.

Erst im Rahmen der Berufung wurde festgestelit, daß 18 vermeintliche Verdachtsfälle von der Liste der Klägerin bereits vor der Information des Landrates im Jahre 1992 aufgetreten sind. Diese Fälle konnten also gar nicht mehr innerdienstlich aufgeklärt werden, da die Tiere bereits geschlachtet waren und die Aufzeichnungen der Klägerin, soweit vorhanden, unzureichend waren. Nach dieser Information traten nur noch zwei Verdachtsfälle auf, denen die Beklagte auch nachging. Der Verdacht der Klägerin bestätigte sich jedoch weder bei einer Untersuchung des zuständigen Ministeriums noch durch ein Gutachten des Creutzfeld-Institutes nach Einsendung einer Gewebeprobe. Hierin heißt es ausdrücklich, daß sich keine eindeutigen Hinweise auf BSE ergeben haben. Da demnach weder der Nachweis einer BSE-Erkrankung noch zumindest ein Hinweis hierauf vorlag, konnte die Beklagte davon ausgehen, daß sich der Verdacht der Klägerin nicht bestätigte. Soweit die Klägerin meint, ihr Verdacht sei hierdurch nicht ausgeräumt worden, kann dem nicht gefolgt werden. Sie verwechselt offenbar "Hinweis" mit "Nachweis".

In Kenntnis der Untersuchungsergebnisse und der Bemühungen der Beklagten, den Verdachtsfallen nachzugehen, ist die Klägerin an eine große Öffentlichkeit herangetreten. Hierbei hat sie es nicht vermieden, daß ein Bezug zwischen den vermeintlichen Verdachtsfallen und dem Schiachthof Bad Bramstedt hergestellt wurde. Durch ihre öffentlichen Äußerungen hat sie nicht nur ihre Pflichten gegenüber ihrem Arbeitgeber verletzt, sondern auch den Bestand des Schlachthofes Bad Bramstedt nachhaltig gefährdet. Die durchaus verständlichen Ängste der Bevölkerung in Zusammenhang mit der BSE-Erkrankung wurden durch die unbedachten Äußerungen der Klägerin über unbestätigte Verdachtsfälle geschürt. Die möglichen Auswirkungen auf den Umsatz des Schlachthofes Bad Bramstedt müssen der Klägerin bewußt gewesen sein.

Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses war der Beklagten nicht mehr zumutbar.

Der Gang der Klägerin in die Öffentlichkeit war keineswegs erforderlich und daher auch nicht gerechtfertigt. Die Klägerin hatte sich nämlich noch nicht einmal um den ersten Schritt, d. h. die Überprüfung der angeblichen 18, 21 oder 24 Verdachtsfälle, die in die Schlachtung gelangt sein sollen, bemüht. Bereits hier hätte die Klägerin dem Beklagten auch aus ihrer Sicht unverzüglich Mitteilung machen müssen, damit der Beklagte diese Verdachtsfalle hätte überprüfen und ggf Abhilfe schaffen können. Einer derartigen unverzüglichen und nachhaltigen Informationspflicht ist die Klägerin nicht nachgekommen, obwohl sie als Tlerärztin hierzu verpflichtet war. Ausgehend von der eigenen Einschätzung der Klägerin bezüglich des Gefährdungspotentials ist ihre Handlungsweise nicht nachvollziehbar, worauf die Berufungserwiderung zu Recht hinweist. Einerseits verweist die Klägerin auf § 1 Bundestierärzteordnung und behauptet, den Schritt in die Öffentiichkeit unternommen zu haben, um ihrer gesetzlichen Verpflichtung gegenüber der Ailgemeinheit gerecht zu werden. Andererseits behauptet sie, sie habe diese Feld-Erfahrungen mehr oder weniger zufällig als Wissenschaftlerin erworben und es habe keinerlei dienstliche Verpflichtung bestanden, ihre Aufzeichnungen dem Beklagten zur Verfügung zu stellen.

Gleichwohl verstieß sodann die Klägerin gegen ihre amtliche Verschwiegenheitspflicht, obwohl die wiederholten Hinweise des Beklagten in den Schreiben vom 14. April und 29. August 1994 sowie anläßlich der Besprechung am 5 September 1994 nochmals Anlaß hätten sein müssen, ihr Verhalten zu überprüfen und ihrer Verschwiegenheitspflictit nunmehr nachzukommen. Das Gegenteil dessen geschah jedoch. Bei einem derartigen Verhalten konnte der Beklagte nunmehr nicht anders als geschehen reagieren. Die Klägerin hat sich die ausgesprochene außerordentliche Kündigung selbst zuzuschreiben. Die Berufungskammer verkennt nicht, daß die Klägerin durch die Kündigung hart getroffen wird, insbesondere erhebliche Schwierigkeiten bei der Arbeitsplatzsuche haben wird. Das Lebensalter der Klägerin und ihre langjährige Beschäftigung sind neben der Schwerbehinderung gewichtige Umstände, die für das Interesse der Klägerin an dem Erhalt ihres Arbeitsplatzes sprechen. Gleichwohl muß hier das Interesse des Beklagten an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses überwiegen. Zu Recht hat das angefochtene Urteil darauf hingewiesen, daß der wiederholte Verstoß der Klägerin gegen die Dienst- und Geschäftsanweisung des Beklagten und die darin zum Ausdruck kommende Hartnäckigkeit und Uneinsichtigkeit sich im vorliegenden Fall zu Lasten der Klägerin auswirkt. Weitere schädigende Vorfälle waren zu befürchten. Der Beklagte mußte im Interesse seines eigenen Ansehens und der berechtigten Belange des betroffenen Schlachthofes handeln.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen hier nicht vor. Die gesetzlichen Voraussetzungen des § 72 Abs. 3 ArbGG sind nicht gegeben. Divergenz gemäß Ziffer 2 ist nicht ersichtlich. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung gemäß Ziffer 1 a.a.0,, da dies nur dann zu bejahen ist, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer durch das Revisionsgericht klärungsfähigen und klärungsbedürftigen Rechtsfrage abhängt und diese Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit eng berührt (BAGE 32, 203 = AP Nr. l zu § 72 a ArbGG 1979, Grundsatz). Eine allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung ist hier nicht erkennbar. Auch daß die tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit hier eng berührten, ist nicht festzustellen. Es handelt sich vielmehr um einen ausgesprochenen Einzelfall. Die fallübergreifenden Rechtsfragen hat das Bundesarbeitsgencht in zahlreichen Entscheidungen geklärt.

gez. Dr. Lüdemann gez. Riedel gez. Herzog

19.1.1996: Urteil des Landgerichts Kiel (Az. 4 O 348/94)

LANDGERICHT KIEL

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

der NFZ Norddeutsche Fleischzentrale GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer [anonymisiert],

- Klägerin -

- Prozeßbevollmächtigte [anonymisiert]

g e g e n

Frau Dr. Margret Herbst, [anonymisiert], 24576 Bad Bramstedt,

- Beklagte -

- Prozeßbevollmachtigte [anonymisiert]

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 1995 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht R ö h l als Einzelrichterin

...

Entscheidungsgründe

Die Klage ist nicht begründet.

Ein Unterlassungs- sowie Schadensersatzansprüche der Klägerin aus den §S 823, 824 BGB scheitern bereits daran, daß die Behauptungen der Beklagten wahr sind.

Die Tiere, die vom Fleischhygleneamt an das Institut für Pathologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover geschickt worden sind, sind nur wegen hinreichender klinischer Symptomatik von BSE, d. lt. weil sie BSE-auffällig waren, eingeschickt worden.

Diese Tiere sind auch unstreitig ohne die notwendigen weiteren umfangreichen Untersuchungen ganz normal geschlachtet worden und in den Verbrauch gelangt.

Bei drei der Tiere konnte nach den Befunden der Tierärztlicben Hochschule der Verdacht auf BSE nicht ausgeschlossen werden, dennoch sind nicht die erforderlichen weiteren Untersuchungen durchgeführt worden. Aufgrund der zusammenfassenden Beurteilungen des Instituts für Patholagie der Tierärztlichen Hochschule Hannover hätten die Gehirnteile an die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Tübingen weitergeleitet und dort weiter untersucht werden müssen.

Diese Tiere sind zudem unstreitig, bevor der Untersuchungsbefund der Tierärztlichen Hochschule feststand, geschlachtet worden.

Auf die Frage, ob die Beklagte in Wahrnehmung berechtigter Interessen handelte, kommt es danach nicht mehr an.

Diese Frage wäre im übrigen aber auch zu bejahen gewesen, da die Beklagte ein berechtigtes Interesse wahrgenommen hat, ihre Behauptungen ein angemessenes Mittel darstellten und sie in der Absicht der Wahrnehmung berechtigter Interessen handelte. Das hohe Interesse der Verbraucher, nicht unbekannten, großen Gesundheitsgefahren ausgesetzt zu werden, überwiegt gegenüber den konkreten wirtschaftlichen Interessen der Klägerin.

Im übrigen, liegt es in der Hand der Klägerin, die nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Stand erforderlichen Untersuchungen und Maßnahmen durchzuführen und dem Verbraucher die Maßnahmen darzulegen und dadurch negative Folgen von Äußerungen der Beklagten von sich abzuwenden.

Eine Schriftsatzfrist war der Klägerin auf die Erklärungen der Beklagten im Termin am 16. November 1995 bereits deshalb nicht einzuräumen, weil die Klage bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt - unabhängig von neuem Vorbringen der Beklagten im Termin - abzuweisen war.

Davon abgesehen war die Klägerin im Termin am 16. November 1995 auch in der Lage, sich zu dem Vorbringan der Beklagten zu erklären. Der anwesende Justitiar der Klägerin war im wesentlichen nur daran interessiert, von der Beklagten den Informanten zu erfahren, als die Beklagte erklärte, sie habe anhand Provisionsabrechnungen der Klägarin gesehen, daß Rinder englischer Herkunft als deutscher Herkunft deklariert worden seien.

Der Korrespondenzanwalt der Klägerin hat nach dem Hinweis des Gerichts, daß es die Klage für abweisungsreif halte, lange Ausführungen zur Rechtslage und zu den Ausführungen der Beklagten gemacht.

Insoweit ist dem Gericht auch gar nicht erkennbar, zu welchem "neuen" Vorbringen der Beklagten die Klägerin noch vortragen wollte, zumal die Beklagte für die Klägerin über ihren bisherigen Vertrag hinaus kein neues Vorbringen gebracht hat.

Die Kostenenscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZFO.

R ö h l

27.10.1996: Brief von Frau Dr. Köster-Lösche an den Agrarausschuß des Schleswig-Holsteinischen Landtages (Auszug)

"Ich habe den Agrarausschuß am 23.2. dieses Jahres darauf aufmerksam gemacht,daß in Schleswig-Holstein BSE-Verdachtsrinder in den Handel gegangen sind und der Landwirschaftsminister in seinem Bericht an den Agrarausschuß unzutreffenderweise daraus unverdächtige Tiere gemacht hat. Bis heute habe ich keine Antwort erhalten.

Die Art der Untersuchung entsprach nicht den Diagnostik-Kriterien, die im Institut de Recherches Veterinaires, Brüssel, zeitgleich bei einer Untersuchung von Rinderhirnen auf BSE aus fünf Mitgliedsländern der EU zur Anwendung kamen und somit Stand der Technik waren ( Final consolidated report on brains from cattle from five member states submitted for rabies investigation and examinded for evidence of BSE, reporting period 2.3.1991 till 1.3.1994 ). Diese schreiben selbst für ein histopathologisch negatives ( unter h, iii, negative ) vor:

Where clinical signs strongly suggested BSE, or an alternative diagnosis, further samplings should be undertaken at the pathologist’s discretion to reach a diagnose.

Stand der Technik war also, selbst bei BSE- negativer Histopathalogie zu untersuchen, bis eine Diagnose für die klinischen Symptome vorlag. Die fraglichen Fälle in Schleswig-Holstein waren klinisch für BSE verdächtig und histopathologisch nicht negativ. Weder pathologisch-anatomisch, noch im Labor des Lebensmittel- und Veterinäruntersuchungsamtes Neumünster wurde eine Differentialdiagnose gestellt. Das Fleisch der o. g. Rinder ging trotz klinischen BSE-Verdachts ohne Diagnose ihrer Erkrankung in den Handel."

13.8.1996: Schreiben von Prof. Dr. Pohlenz (Tierärztliche Hochschule Hannover)

Institut für Pathologie

Tierärztliche Hochschule Hannover

Prof. Dr. J. Pohlenz

...

Ministerium für ländliche Räume, Landwirtschaft, Ernäherung und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein

z.Hd. Herrn Dr. [anonymisiert]

Postfach 1131

24100 Kiel

Sehr geehrter Herr Kollege [anonymisiert],

hiermit beziehe ich mich auf unsere telefonische Rückfrage vom 8.8., in der ich mich dafür entschuldigen muss, daß Ihre Anfrage vom 2.8. bisher unbeantwortet blieb. Dies erfolgte wegen meiner urlaubsbedingten Abwesenheit. Auf Ihre Anfrage zu den Untersuchungen von Gehirnen, die uns im August 1990 und im März und April 1991 übersandt wurden, teile ich Ihnen folgendes mit:

Wie aus allen vier Befunden hervorgeht, haben sich bei der histologischen Untersuchung keine eindeutigen Hinweise auf das Vorliegen einer spongiformen Enzephalopathie ergeben. Es muß darauf hingewiesen werden, daß alle vier Tiere durch Bolzenschuß getötet worden waren und entsprechend Befunde in dem Hirngewebe vorhanden sein können, die das histologische Untersuchungsergebnis beeinträchtigen könnten.

Da ich bereits seit 1989 im Besitz von Referenzschnitten zur ,BSE' und ,Scrapie' war, bin ich sicher, daß der Verdacht auf das Vorliegen einer dieser Krankheiten durch die histologische Untersuchung gestellt werden kann. Ich habe schon 1990 die Möglichkeit gehabt und wahrgenommen, in fraglichen Fällen mit Kollegen in Deutschland, beispielsweise Prof. Dahme, Neuropathologie, oder auch in der Schweiz mit Prof. Vanderfelde sowie den Kollegen in Weybridge , die Konsultation zur histologischen Diagnose vorzunehmen.

Man sollte sich darüber klar sein, daß noch heute in der Schweiz die histologische Diagnose allein entscheidet. Zu der Zeit 1990/91, auf die sich in diesem Fall bezogen wird, war die immunhistologische Untersuchung in Deutschland noch nicht etabliert und in England in der Entwicklung. Es ist noch jetzt so, daß nur Verdachtsfälle, die durch die histologische Untersuchung auftreten, in weiterführenden Untersuchungen abgeklärt werden. In keinem der hier benannten Fälle war ein Verdacht von ,BSE' vorliegend.

In der Hoffnung, Ihnen mit dieser Aussage gedient zu haben, zeichne ich mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr.J.Pohlenz

23.5.1997: Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig (Az. 1 U 29/96)

Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht

Urteil

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

NFZ Norddeutsche Fleischzentrale GmbH, [anonymisiert],

Klägerin und Berufungsklägerin,

-Prozeßbevoilmächtigte: [anonymisiert]-

gegen

Dr. Margrit Herbst, [anonymisiert], 24576 Bad Bramstedt,

Beklagte und Serufungsbeklagte,

-Prozeßbevolimächtigter [anonymisiert] -

hat der 1. Zivilsenat des Schleswig-Hoisteinischen Oberfsndesgerichts in Schleswig auf die mündliche Verhandlung vom 18 April 1997 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Godbersen und die Richter am Oberlandesgericht Czauderna und Prof. Dr. Schack für Recht erkannt:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 19. Januar 1996 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kiel wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsieistung in Höhe von 7.900,- DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer für die Klägerin betragt 180.969,30 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin ist ein großes fleischerzeugendes und -verarbeitendes Unternehmen. Die Beklagte arbeitete ais Tierärztin von 1978 bis 1994/95 im Fleischhygieneamt des Kreises Segeberg auf dem Schlachthof der Klägerin in Bad Bramstedt. Dort hatte die Beklagte die angelieferten Tiere auf Erkrankungen zu untersuchen und sie ggfs. auszusondern. Die Tiere wurden lebend "im Stall" und im geschlachteten Zustand "am Band" untersucht. Bis 19)0 wurde die Beklagte fast ausschließlich im Stall eingesetzt. Bei dieser Lebenduntersuchung stellte sie ab 1990 gefegentlich Symptome fest, die sie trotz ihrer langjährigen diagnostischen Erfahrung nicht eindeutig bestimmten Rinderkrankheiten zuordnen konnte und die ihrer Ansicht nach den Verdacht auf Bovine Spangiforme Enzephaiopathie (BSE) begründen konnten. Seit dieser Zeit befaßt sich die Beklagte wissenschaftiich intensiv mit der BSE-Problematik.

...

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob, wie das Landgericht angenommen hat, die von der Beklagten aufgestellten Behauptungen wahr sind. Denn sie hat jedenfalls in Wahrnehmung berechtigter Interessen und deshalb rechtmäßig gehandelt. Damit entfallen deliktische Schadensersatzansprüche ebenso wie ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB.

1. Grundsätzlich trägt die Klägerin die Beweislast für die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung, deren Unterlassung sie begehrt. Allein § 186 StGB i.V.m. § 823 II BGB kehrt zum Schutz vor übler Nachrede die Beweislast um. Insoweit trägt der Verletzer das Risiko, daß die von ihm aufgestellte ehrenrührige Behauptung nicht erweislich wahr ist, und nicht die Verletzte, bei der es sich wie hier auch um eine juristische Person handeln kann (Schönke/Schröder/Lenckner, StGB, 25. Aufl. 1997, vor § 185 Rdn. 3 a). Diese aus § 186 StGB gefolgerte Beweislastregel gilt jedoch nur mit einer wichtigen Einschränkung: Wenn der Verletzer in Wahrnehmung berechtigter Interessen (Art. 5 Abs. 1 und 3 GG, § 193 StGB) gehandelt hat, bleibt es bei der allgemeinen Regel, daß die Verletzte die Unwahrheit der Behauptung beweisen muß (BGH NJW 1985, 1621; Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. I, 2. Aufl. 1991, § 823 BGB Rdn. 54; Palandt/Thomas, BGB, 56. Aufl. 1997, § 824 BGB Rdn. 13). Denn nur wenn die Behauptung erwiesenermaßen unwahr ist, kann an ihrer Verbreitung kein berechtigtes Interesse mehr bestehen. Die Beklagte mußte deshalb nur beweisen, daß sie in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt hat. Hieran bestehen nach Auffassung des Senats keine Zweifel.

2. Die Beklagte durfte in ärztlicher und wissenschaftlicher Verantwortung handelnd in Anbetracht der für die Bevölkerung drohenden großen Gesundheitsgefahren ihren wiederholt intern geäußerten und bisher nicht widerlegten BSE-Verdacht auch dann an die Öffentlichkeit bringen, wenn dadurch die wirtschaftlichen Interessen der Klägerin geschädigt worden sein sollten. Letzteres ist schon deshalb zweifelhaft, weil die Klägerin bis heute keine konkreten Umsatzeinbußen dargetan hat und überdies nicht erst die Beklagte mit ihren Interviews die Beunruhigung der schleswig-holsteinischen Bevölkerung über BSE und über die Vorgänge auf dem Schlachthof im besonderen ausgelöst hat.

Für die Beklagte spricht, daß sie der Klägerin keinen Schuldvorwurf gemacht, sondern in durchaus zurückhaltender Formulierung nur behauptet hat, daß es auf dem Schlachthof „hin und wieder BSE-auffällige Tiere” gegeben habe, die normal geschlachtet worden und in den Verbrauch gelangt seien. Der Einwand der Klägerin, sie selbst treffe kein Verschulden, weil die Entscheidung über die Schlachtung allein das Fleischhygieneamt zu verantworten habe, und deshalb hätte die Beklagte sie nicht mit der Formulierung „auf dem Schlachthof” öffentlich bloßstellen und in einen internen Behördenstreit des Fleischhygieneamtes verwickeln dürfen, geht fehl. Die Beklagte mußte ihre Behauptungen notgedrungen konkretisieren, und die Vorgänge haben sich nun einmal räumlich auf dem Gelände der Klägerin abgespielt. Die Beklagte hätte auch nicht formulieren können „auf einem Schlachthof in B.”, ohne wegen einer solchen Äußerung womöglich von anderen ortsansässigen Schlachtern belangt zu werden. Auf jeden Fall war es aber die Klägerin, die das Fleisch, gleich ob schuldhaft oder schuldlos, in den Verbrauch gebracht hat.

3. Daß es auf ihrem Schlachthof überhaupt BSE-auffällige Tiere gegeben habe, bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen. Daß sich die lang dauernden Querelen innerhalb des Fleischhygieneamtes auf dem Gelände der Klägerin ihrer eigenen Wahrnehmung entzogen haben sollen (vgl. § 138 Abs. 4 ZPO), ist schwer vorstellbar, ebenso, daß sie über die Art der Verwendung auffälliger Rinder selbst nichts gewußt haben soll. Dessen ungeachtet ist der Senat davon überzeugt, daß es hinreichend „BSE-auffällige Tiere” gegeben hat, die das Vorgehen der Beklagten als gerechtfertigt erscheinen lassen. Zunächst sind die vier Rinderköpfe zum IPTH nach Hannover zur Untersuchung eines BSE-Verdachtes geschickt worden. Daß dies ohne irgendwelche auf BSE hindeutenden Symptome und nur deshalb geschehen ist, um die angeblich grundlos quengelnde Beklagte zufriedenzustellen, hält der Senat für ausgeschlossen. In einem der vier Fälle soll die Einsendung auch nicht auf Anregung der Beklagten geschehen sein, sondern während ihrer Urlaubsabwesenheit am 4. April 1991. In zwei der vier Fälle sind trotz der Tötung mit Bolzenschußgeräten perineuronale Vakuolen festgestellt worden. Das sind Aushöhlungen der Hirnsubstanz, wie sie auch bei BSE vorkommen. Wenn der Befund sodann von Prof. Dr. P. mit „histopathologisch kein eindeutiger Hinweis auf BSE” nur äußerst vorsichtig formuliert worden ist, räumt dies einen BSE-Verdacht keineswegs aus, sondern spricht zusätzlich dafür, daß diese Tiere BSE-auffällig gewesen sind. Danach konnte von einem „eindeutig negativen Ergebnis” der Untersuchungen, mit denen das zuständige Ministerium sich und die Bevölkerung beruhigen wollte (MELFF-Bericht vom 5. Oktober 1994), nicht die Rede sein. Es liegt auf der Hand, daß „keine eindeutigen Hinweise auf BSE” etwas grundlegend anderes sind als eindeutig keine Hinweise auf BSE.

Damit konnte sich (nicht nur) für die Beklagte der Verdacht aufdrängen, daß den staatlichen Stellen durchaus im Einklang mit den fleischerzeugenden und -verarbeitenden Betrieben sehr daran gelegen war, einen amtlichen BSE-Nachweis wenn irgend möglich zu verhindern. Wenn vereitelt wurde, daß die der sachverständigen Beklagten aufgefallenen Tiere sachgerecht medikamentös getötet oder lebend zum IPTH nach Hannover geschickt werden konnten, wenn trotz der nicht eindeutigen und damit unsicheren Befundergebnisse keine weiteren Untersuchungen durchgeführt wurden, wenn die Beklagte schließlich gegen ihren Willen aus dem Stall ans Band versetzt worden ist und ihr damit die Möglichkeit genommen wurde, bei der klinischen Lebenduntersuchung weitere BSE-Verdachtsmomente festzustellen, und wenn die Untersuchungsergebnisse im MELFF-Bericht öffentlich verharmlost wurden, dann durfte sich die Beklagte, die als wissenschaftliche Expertin um eine Stellungnahme gebeten worden war, in der geschehenen Weise und in durchaus zurückhaltender Form öffentlich äußern.

4. Ob die Beklagte zuvor den Dienstweg vollständig ausgeschöpft hat, spielt für die Äußerungen im hier maßgeblichen Zeitpunkt im Herbst 1994 für die Wahrnehmung berechtigter Interessen keine Rolle mehr. Unstreitig hat sich die Beklagle immer wieder an ihren Vorgestzten im Fleischhygieneamt gewandt. Daß sie damit angesichts der hierarchischen Behördenstruktur keinen Erfolg hatte, darf man der Bekiagten nicht vorwerfen. Streitig ist, ob der Brief vom 30.8.1992 existiert, den die Beklagte dem nächsthöheren Vorgesetzten Landrat Gorrissen geschrieben haben will (der Brief wird auf Bl. 25 f. d.A. zitiert). Der Landrat erinnert sich nicht, einen solchen Brief erhalten zu haben (B!. 264, 284 d.A.). In jedem Fall durfte sich die Beklagte in einer bereits öffentlich geführten Diskussion über Gesundheitsprobleme von großer gesellschaftlicher Bedeutung einschalten mit auf konkrete Wahrnehmungen gestützten Behauptungen, die weder aus der Luft gegriffen noch eindeutig widerlegt sind. Das gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, daß auch im MELFF-Bericht (auf S. 22 ff.) festgestellt wird, daß kranke Tiere vorschriftswidrig zwschen den Normalschlachtungen am Band geschlachtet worden sind. Ob das auch im Fall der hier im Vordergrund stehenden vier BSE-auffälligen Rinder geschehen ist oder ob diese, wie die Klägerin nunmehr (BI. 261 d.A.) behauptet, ordnungsgemäß im Sanitätsschiachtraum geschlachtet worden sind, mag dahinstehen. Jedenfalls sind diese vier Tierkörper der normalen Verarbeitung zugeführt worden, obwohl in drei Fällen das Untersuchungsergebnis - wie schon ausgeführt - so vorsichtig formuliert worden war, daß Anlass zur Zurückhaltung bestanden hätte.

5. Unter diesen Umständen handelte die Beklagte durchaus verantwortungsbewußt und in Wahrnehmung berechtigter Interessen. Eine öffentliche Diskussion über echte und vermeintliche Mißstände in einer die Bevölkerung so elementar berührenden Frage wie der Fleischhygiene und der Volksgesundheit darf nicht dadurch verhindert werden, daß man den Informanten einem existenzvernichtenden Haftungsrisiko aussetzt. Der Respekt vor der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in Art. 5 Abs. 1 und 3 GG verlangt hier von der Klägerin, die weder absichtlich beleidigt noch überhaupt eines schuldhaften Verhaltens bezichtigt worden ist, die möglicherweise absatzschädigenden Behauptungen der Beklagten hinzunehmen. Damit erweisen sich die Unterlassungs- und Feststellungsansprüche und auch der (im übrigen unschlüssige) Zahlungsanspruch als unbegründet.

Der Senat hat keinen Anlaß gesehen, die mündliche Verhandlung wegen der nachträglich eingereichten, nur zum neuen Vorbringen im Schriftsatz der Beklagten vom 16. April 1997 nachgelassenen Schriftsätze gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr 10, 711, 546 Abs. 2 ZPO.

Dr. Godbersen

Czauderna

Prof. Dr. Schack

22.7.1997: Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein (Az. 3 Sa 58/96a)

1. Die Restitutionsklage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

Tatbestand

Die einer Schwerbehinderten gleichgestellte Klägerin war bei dem Beklagten seit 1978 als Tierärztin beschäftigt. Der Beklagte sprach ihr mit Schreiben vom 16.12.1994 eine fristlose Kündigung aus, nachdem sie in einer am 16.11.1994 ausgestrahlten Fernsehsendung Bedenken hinsichtlich der Behandlung BSE-Verdächtiger Rinder auf dem Schlachthof Bad Bramstedt geäußert hatte.

Das Arbeitsgericht Neumünster wies ihre Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 05.04.1995 (Bl. 261 - 276 d. A.) ab. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein bestätigte diese Entscheidung durch Urteil vom 15.11.1995 (Bl. 376 - 381 d. A.).

Am 17.01.1997 gab die Kriminalpolizei der Klägerin einen Karton mit Unterlagen zurück, die Ende September 1994 im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen frühere Vorgesetzte der Klägerin beigezogen worden waren. In diesem Karton befand sich ein Rundschreiben des Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei des Landes Schleswig-Holstein (MELFF) vom 20.07.1994 (Bl. 408 - 410 d. A.), das an die Landräte und Bürgermeister der kreisfreien Städte gerichtet war. In dem Schreiben hieß es, niemand könne derzeit ausschließen, daß der BSE-Erreger auch die Barriere Rind/Mensch zu überschreiten vermöge; die Expositionsprophylaxe habe bei dem derzeitigen Kenntnisstand unter Abwägung des Gefahrenpotentials absolute Priorität vor wirtschaftlichen Gesichtspunkten des einzelnen Tierhalters. Der Karton enthielt ferner die Original-Zettel, auf denen die Klägerin von 1990 bis Februar 1994 die Symptome der ihr als BSE-verdächtig aufgefallenen Rinder notiert hatte.

Die Klägerin reichte daraufhin am 15.02.1996 eine Restitutionsklage beim Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ein. Sie ist der Auffassung, daß die Voraussetzungen des § 580 Nr. 7 b ZPO erfüllt seien.

Die Klägerin beantragt,

1) das rechtskräftige Urteil gleichen Rubrums des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 15. November 1995 - Az. 3 Sa 404/95 - aufzuheben,

2) der im Verfahren vor dem Arbeitsgericht Neumünster - Az. 3d Ca 2254/94 - erhobenen Kündigungsschutzklage der damaligen Klägerin und jetzigen Restitutionsklägerin stattzugeben.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht insbesondere geltend, die Klägerin habe nicht hinreichend substantiiert dargelegt, daß sie die Original-Zettel und das Rundschreiben des MELFF im Sinne des § 580 Nr. 7 b ZPO aufgefunden habe bzw. sie zu benutzen in Stand gesetzt worden sei. Es sei außerdem nicht ersichtlich, aus welchem Grunde die Original-Zettel und das Rundschreiben des MELFF eine andere Einschätzung rechtfertigen könnten.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Restitutionsklage ist abzuweisen, da die Voraussetzungen des § 580 Nr. 7 b ZPO nicht erfüllt sind.

Nach dieser Vorschrift findet die Restitutionsklage statt, wenn die Partei eine Urkunde auffindet oder zu benutzen in Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. Eine Restitutionsklage ist nach dieser Vorschrift nur begründet, wenn die aufgefundene Urkunde allein schon der angefochtenen Entscheidung eine tragende Stütze nimmt. Bei der danach vorzunehmenden Prüfung ist von dem Rechtsstandpunkt der früheren Entscheidung auszugehen (BAG, Urteil vom 19.10.1967 - 5 AZR 203/67 - N]W 1968, 862 f.).

Im vorliegenden Fall ist bereits sehr fraglich, ob die Tatbestandsmerkmale „auffinden“ bzw. „zu benutzen in Stand gesetzt werden“, erfüllt sind. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben, da die Urkunden jedenfalls nicht eine der Klägerin günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden.

1. Daß die Notizzettel der Klägerin nicht in Original vorlagen, sondern nur in Form von Kopien, spielte in der Begründung des angefochtenen Urteils keine Rolle.

2. Das Schreiben des MELFF nimmt diesem Urteil keine tragende Stütze. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein ging in seiner Entscheidung nicht davon aus, daß der BSE-Erreger nicht die Barriere Rind/Mensch zu überschreiten vermag. Eine tragende Stütze des Urteils in tatsächlicher Hinsicht war vielmehr die Annahme, daß weder der Nachweis einer BSE-Erkrankung noch zumindest ein Hinweis hierauf vorgelegen habe. Darin knüpfte das Gericht die Schlußfolgerung, die beklagte Partei habe davon ausgehen können, daß sich der Verdacht der Klägerin nicht bestätigt habe.

Daß das Gericht zu einer anderen Einschätzung gelangt wäre, wenn ihm das Schreiben des MELFF vom 20.07.1994 bekannt gewesen wäre, ist nicht nachvollziehbar. Bei der Akte befindet sich beispielsweise eine Presseinformation der CDU vom 09.03.1994 (Bl. 66 - 67 d. A.), in der dieselbe Grundlinie vertreten wird wie in dem Schreiben des MELFF. Die darin enthaltenen Informationen hatten dennoch keine Auswirkungen auf die Definition eines Verdachtes, die das Landesarbeitsgericht (implizit) zu Grunde legte.

II. Zu der Frage, ob die außerordentliche.Kündigung unwirksam war, kann die Kammer deshalb nicht vorstoßen. Sie regt jedoch an, nochmals zu überprüfen, ob nicht die Möglichkeit einer Reintegration der Klägerin besteht. Es ist verständlich, daß der Beklagte der Einschätzung aus dem Bericht des MELFF vom 05.10.1994 gefolgt ist, wonach sich der Verdacht, daß BSE-verdächtige Rinder im Schlachthof geschlachtet worden seien, nicht bestätigt habe. Die Befunde des Prof. Dr. Pohlenz sprechen jedoch, wie das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in seinem Urteil vom 23.05.1997 herausgearbeitet hat, dafür, das der Verdacht nicht ausgeräumt worden war.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 72 Abs. 2 ArbGG nicht vorliegen. Der frühere Rechtsstreit hatte zwar grundsätzliche Bedeutung; denn es ging, wenn auch weder das Arbeitsgericht noch das Landesarbeitsgericht auf die Problematik eingegangen sind, um das Verhältnis der Verschwiegenheitsinteressen des Beklagten zu den durch Art. 5 Abs. 1 und 3 Grundgesetz garantierten Grundrechten der Klägerin. Die Rechtssache wirft jedoch auf der Ebene des Restitutionsverfahrens keine Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung auf.

gez. gez. gez.

12.9.2000: Arbeitsanleitung zur Labordiagnostik von anzeigepflichtigen Tierseuchen

Arbeitsanleitung zur Labordiagnostik von anzeigepflichtigen Tierseuchen Transmissible Spongiforme Enzephalopathien (BSE und Scrapie)

Ausgabe 12. September 2000, BAnz. Nr. 172a S. 64

...

Tiere mit hinreichender klinischer Symptomatik von BSE oder Scrapie sind vorzugsweise medikamentell schmerzlos zu töten oder durch elektrischen Strom, um weitere diagnostische Untersuchungen zu ermöglichen. Bolzenschußapparate sind nicht zur Tötung von verdächtigen Tieren einzusetzen. Außerdem sollte möglichst wenig Zeit (< 8 Stunden) vergehen, bis die benötigten Gewebeproben (siehe unten) entnommen werden.

...

Bei klinisch definierten Verdachtsfällen von BSE oder Scrapie sind notwendige histologische, bakteriologische und virologische Untersuchungen zur Abklärung differentialdiagnostisch wichtiger Erkrankungen (v.a. Tollwut) unter Anwendung entsprechender Schutz- und Desinfektionsmaßnahmen einzuleiten.

...

Nicht schlüssige histopathologische Ergebnisse

Eventuell muß eine unentschiedene Diagnose gestellt werden wegen:

a) dem Vorhandensein vakuolärer Veränderungen im Neuropil der grauen Substanz oder dem Perikaryon der Neuronen, die in der Schwere vom „Normalfall" nicht zu unterscheiden sind,

b) unsachgemäßer Aufbewahrung oder Darstellung der benötigten Gehirnabschnitte

Negative histopathologische Ergebnisse

Wenn bei der routinemäßigen histopathologischen Untersuchung keine Anzeichen beider Arten von Vakuolenbildung in einer Reihe von Abschnitten auftreten, die die wichtigen Hirnbereiche darstellen, bleibt die Scrapie- oder BSE-Diagnose unbestätigt und gilt aus praktischen Gründen als negativ.

Anmerkung: Zusätzliche Abschnitte, insbesondere vom Hirnstamm, sollten untersucht werden, wenn die klinischen Symptome sehr stark auf BSE oder Scrapie hindeuten oder eine vorklinische Krankheit vermutet wurde.

2.4 Weiterführende Untersuchungen

Bestätigt sich der BSE- oder Scrapieverdacht bei der histopathologischen Untersuchung oder verläuft die Untersuchung unentschieden, werden alle Gehirnproben (fixiertes Material, Paraffinblöcke und eingefrorenes Material) umgehend an die Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere, Paul-Ehrlich-Straße 28, 72076 Tübingen (Tel.: 07071/967-0, Fax.: 07071/967-105,-303,-305) zur Enddiagnose versandt. Das Material soll in separaten, geschlossenen Gefäßen in einem dichten und bruchsicheren Transportbehältnis versandt werden. Fixiertes Gewebe für die histopathologische Untersuchung darf nicht gefrieren. Dem Material ist ein Schreiben beizufügen, in dem alle sachdienlichen Angaben über den Verdachtsfall enthalten sind.

Quelle

26.1.2001: Schreiben von Prof. Dr. Pohlenz

Institut für Pathologie

Tierärztliche Hochschule Hannover

Prof. Dr. J. Pohlenz

...

Herrn Dr. [anonymisiert]

Ministerium für ländliche Räume, Landesplanung, Landwirtschaft und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein

Postfach 7129

24171 Kiel

BSE-Diagnostik

hier: Einsendungsnummern E 1019/91, E 1453/91 und E 3198/90 sowie E 3199/90

Sehr geehrter Herr Kollege [anonymisiert],

unter Bezugnahme auf Ihren Brief vom 22.01. teile ich Ihnen folgendes mit:

Die von mir telefonisch geäußerte Aussage entspricht den Tatsachen. Wir haben in der Zeit von Herbst 1990 bis Frühjahr 1991 vier Einsendungen zur Untersuchung gehabt. Die Einsendungen, die Sie im Betreff Ihres Schreibens aufgeführt haben, müssen ergänzt werden durch die Einsendungs-Nr. E 3199/90. Ich habe aus gegebener Veranlassung wiederholt diese Blöcke neue schneiden lassen und anhand der histologischen Präparationen Nachuntersuchungen angestellt. An diesen ändert sich meine damals durchgeführte Befundbeschreibung nicht. Seit die immunhistologische Untersuchung etabliert ist, haben wir diese Untersuchungen auch auf die Blöcke von 1990/91 ausgedehnt - dies ist entsprechend den Erfahrangen aus Großbritannien und Tübingen zulässig und von der OIE akzeptiert - und haben bei der immunhistologischen Untersuchung in keinem der vier Tiere Anhaltspunkte für das Vorliegen von pathogenem Prionprotein gehabt.

Ich hoffe, Ihnen mit diesen Angaben gedient zu haben und möchte davon ausgehen, daß nun diese Angelegenheit wirklich und endgültig erledigt sein wird.

In der Anlage füge ich Ihnen entsprechend Ihrer Aufforderung eine Rechnung bei, nach der zu ersehen ist, daß wir für eine immunhistologische Untersuchung 80, - DM liquidieren müssen. Entsprechend ist diese Rechnung mit 320, - DM angesetzt.

Mit freundlichen Grüßen

Prof.Dr.J.Pohlenz

2001: Fachveröffentlichung von Groschup/Kramer (Auszug)

Dr. M. H. Groschup und Dr. M. Kramer

Institut für neue und neuartige Tierseuchenerreger an der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere auf der Insel Riems und Institut für Epidemiologie an der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere in Wusterhausen

Epidemiologie und Diagnostik der BSE in Deutschland

Deutsches Tierärzteblatt 5 , 2001 , 510 – 517 .

Seite 515 :

"Histopathologische Diagnostik

Der Nachweis der spongiformen Veränderungen im Gehirngewebe hat diesen Infek- tionskrankheiten den Namen gegeben: übertragbare ( transmissible ) spongiforme Enzephalopathien ( TSE ) . Beim Vorliegen solcher Veränderungen und entspre- chender klinischer Symptomatik kann die histopathologische Untersuchung zur Diag- nostik ausreichen. Da die spongiformen Veränderungen aber erst sehr spät, d. h. wahrscheinlich erst in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium auftreten, schließt andererseits ein histopathologisch unauffälliger Befund das Vorliegen einer BSE – Infektion nicht aus.

Erfahrungen im Vereinigten Königreich deuten darauf hin, dass selbst bei 5 Prozent der klinisch kranken Rinder keine histopathologischen Veränderungen vorhanden sind."

2001: Fachveröffentlichung im Tierärzteblatt

Pflicht zur Anzeige

Deutsches Tierärzteblatt 9 / 2001

Seite 952 :

"Tierärzte sind nach § 9 des Tierseuchengesetzes verpflichtet, einen BSE-Verdacht bei der zuständigen Behörde anzuzeigen. Verendete Rinder müssen von den Landwirten unverzüglich der Tierkörperbeseitigungsanstalt angezeigt werden. Auf diese Pflichten hat jetzt das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft hingewiesen.

Hintergrund sind die Ergebnisse eines BSE-Inspektionsbesuches der EU-Kommission Ende Mai. Die Inspektoren zeigten sich zwar vom Umfang der Untersuchungen beeindruckt, stellten aber fest, daß einen hohen Anteil autolysierter Proben gibt, die zu falsch-negativen Ergebnissen führen können. Sie merkten außerdem an, daß die Anzahl der als BSE-verdächtig angezeigten Rinder auch im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten sehr gering ist. Die Inspektionen des Lebensmittel- und Veterinäramtes der EU-Kommission haben in praktisch allen Ländern Mängel aufgedeckt. …"

3.9.2013: Schreiben der damaligen Vorsitzenden der für das Restitutionsverfahren zuständigen Kammer des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein

PROF. DR. NINON COLNERIC

An Edward J. Snowden

Hamburg, 3. September 2013

Sehr geehrter Edward Snowden,

am vergangenen Freitag war ich in Berlin bei der Feier zur Verleihung des Whistleblower-Preises 2013 an Sie zugegen. Danach habe ich mich spontan entschlossen, 10.000 € zu spenden, um das Preisgeld zu erhöhen. Der IALANA-Vertreter, dem ich dies mitteilte, schlug mir vor, Ihnen einen Brief zu schreiben und darin meine Beweggründe zu erläutern. Diese Anregung greife ich gerne auf.

Zunächst möchte ich mich Ihnen kurz vorstellen. Ich bin eine Frau deutscher Staatsangehörigkeit. Während meines Berufslebens habe ich überwiegend als Richterin in der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit gearbeitet. Von 2000 bis 2006 war ich die deutsche Richterin am Europäischen Gerichtshof. Anschließend wurde ich europäische Ko-Dekanin der China-EU School of Law in Beijing. Jetzt bin ich im Ruhestand.

Als Richterin in der Arbeitsgerichtsbarkeit sah ich die Schwächen des Schutzes für Whistleblower im deutschen Recht. Am meisten bedrückte mich der Fall von Dr. Margrit Herbst, einer Veterinärmedizinerin, die Indizien dafür entdeckt hatte, dass Rinder auf dem Schlachthof, auf dem sie arbeitete, an BSE erkrankt waren. Sie meldete diesen Verdacht intern, bekam aber keine zufriedenstellende Antwort. Schließlich informierte sie die Öffentlichkeit und wurde deswegen entlassen. Ich hatte mit ihrer Kündigungsschutzklage erst in einer sehr späten Phase zu tun. Sie wollte nämlich die Wiederaufnahme des Verfahrens erreichen, nachdem sie den Rechtsstreit verloren hatte. Das Urteil, gegen das sie ankämpfte, war rechtskräftig. Ich konnte sehen, dass die Richter, die ihren Fall verhandelt hatten, noch sehr stark unter dem Einfluss einer veralteten Lehre von der Treuepflicht gegenüber dem Arbeitgeber gestanden hatten, aber leider war es nicht möglich, die prozessualen Hindernisse für eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu überwinden. Seitdem habe ich mich für die Einführung einer Whistleblower-Gesetzgebung in Deutschland eingesetzt. Dr. Margrit Herbst wurde der Whistleblower-Preis 2001 verliehen.

Meines Erachtens hat Dr. Margrit Herbst nicht gegen das – korrekt im Lichte der deutschen Verfassung interpretierte - Gesetz verstoßen. In Ihrem Fall werden amerikanische Richter vermutlich zu der Entscheidung gelangen, dass Sie gegen das Gesetz verstoßen haben. Trotzdem möchte ich meine Solidarität mit Ihnen zum Ausdruck bringen. Sie sind moralisch im Recht, und Sie haben der Gesellschaft einen großen Dienst erwiesen. Sie zahlen dafür einen sehr hohen Preis. Ich wünschte, wir könnten mehr tun, um die negativen Folgen zu mildern, unter denen Sie nun leiden.

Wenn es in Deutschland mehr Menschen wie Sie gegeben hätte, wäre die Katastrophe des Nazi-Regimes nie geschehen. Ich glaube, was mich letztendlich dazu bewogen hat, etwas zu Ihrem Preis beizusteuern, war dieser Gedanke.

Während seiner Rede sagte Jacob Appelbaum, dass Mut ansteckend sei. Ja, das glaube ich auch. Für mein eigenes Leben war das Beispiel eines mutigen Richters, der sich Hitler widersetzte, von überragender Bedeutung. Auch Sie werden ein sehr wichtiges Vorbild sein. Um diese Wirkung zu steigern, habe ich Greenwalds und Appelbaums Reden in Weibo, das chinesischen Pendant zu Twitter, eingestellt.

Ich hoffe von Herzen, dass Sie eine sicheren Hafen finden werden und schließlich wieder ein normales Leben führen können.

Mit den besten Grüßen

Ninon Colneric

[anonymisiert]

Übersetzer: Craig Meulen, Pascal Luig

Darstellung von Dr. med. vet. Margrit Herbst

Chronologie 1

Untersuchungen BSE-verdächtiger Rinder im Bad Bramstedter Schlachthof der Norddeutschen Fleischzentrale zwischen 1990 und 1994 und Bewertung der Untersuchungsergebnisse aus verschiedenen Blickwinkeln


1990 : 7 Tiere


Im Sommer wurde das erste Rind mit traberartigen Bewegungsabläufen bei der Lebenduntersuchung der Schlachtrinder beobachtet. Kurz danach begann meine wissenschaftliche Arbeit „ in Sachen BSE und Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung “.


Später wurden 3 Rinder mit hochgradigen Bewegungsstörungen und sekundären Gelenkschwellungen wegen BSE-Verdacht von mir vorläufig beschlagnahmt.


Diagnose der zuständigen Kollegen : einfache primäre Gelenkentzündungen, daher Schlachtfreigabe ohne Einschränkung.


16.8.1990 / Tiere Nr. 5-7:

3 Rinder wegen BSE-Verdacht vorläufig beschlagnahmt. Telefonisch Rückendeckung von Prof. [anonymisiert], Direktor des Tiergesundheitsamtes in Hannover, eingeholt, um eine ordnungsgemäße Verdachtsabklärung zu sichern. Dabei wurde mir mitgeteilt, daß der zuständige Pathologe, [anonymisiert] aus Hannover, sich bereits in England mit den gängigen BSE-Untersuchungsverfahren vertraut gemacht hatte, da man bereits im Jahre 1990 amtlicherseits mit BSE-Erkrankungen deutscher Rinder rechnen mußte. Sicherheitshalber wurden 2 Rinderköpfe durch einen Boten des Tiergesundheitsamtes Hannover abgeholt. [anonymisiert] führte weitergehende Laboruntersuchungen durch, die nicht dem aktuellen Erkenntnisstand eines Fachmannes entsprachen. Von mir erbetene Mäuseversuche wurden von Herrn [anonymisiert] abgelehnt. Aus heutiger Sicht haben trotz allem Laborbefunde eine klinische BSE-Erkrankung beider Rinder bestätigt. Auf Anweisung meiner Vorgesetzten wurden die Tiere zum Verzehr freigegeben.


1991 : 8 Tiere


15.1.1991 / Tier Nr. 8 :

Kuh mit BSE-Verdacht gemeldet. Möglicherweise Englandimporttier !


Diagnose des zuständigen Amtstierarztes: „ Verwachsungen im Bauchraum“, nach „angeblicher Tötung und Obduktion“ in der Tierkörperbeseitigungsanstalt in Rotenhahn ( Kreis Segeberg ).


Da dieses Tier in der Auflistung der BSE-Verdachtsfälle des Veterinäramtes nicht enthalten ist und ein Sektionsbericht nicht vorgelegt wurde , muß man davon ausgehen, daß auch dieses Rind normal in den Handel gegangen ist.


Keine Datumsangabe / Tier Nr. 9:

Dieses Rind wurde auf Anweisung des Beschauamtsleiters [anonymisiert] so schnell für die Tierkörperbeseitigungsanstalt getötet , daß von mir überhaupt keine Protokollaufzeichnungen gemacht werden konnten. Eigenartig war nur, daß vorher nicht einmal die erforderliche Zustimmung des Schlachtbetriebes eingeholt worden ist.


27.2.1991 / Tier Nr. 10 :

Nach Meldung des BSE-Verdachtes bei einem rotbunten Bullen persönlich Rücksprache mit Prof. [anonymisiert] und Prof. [anonymisiert] der Rinderklinik der Tierärztlichen Hochschule Hannover genommen zwecks Diagnosesicherung am lebenden Tier. Infolge der Zusicherung der Übernahme durch die Klinik wurden von mir die Transportpapiere ausgefertigt und das Verbringungsgeschehen mit dem Veterinäramt abgeklärt. In meiner Abwesenheit entschließt man sich später zur Schlachtung in Bad Bramstedt und läßt dieses Tier nach feingeweblicher Pseudountersuchung durch [anonymisiert] ohne Feststellung der Krankheitsursache in den Handel gehen. Auch in diesem Fall haben nach heutiger Beurteilung Laborbefunde eine klinische BSE-Erkrankung bestätigt.

Kurz danach wurde mir von einem Kollegen vertraulich mitgeteilt , daß meine Vorgesetzten in Zukunft alles tun werden , um die Bestätigung eines BSE-Verdachtes zu verhindern .

Im Mai 1991 wurde BSE zur anzeigepflichtigen Seuche erklärt !

Ich wurde teilweise an die Schlachtbänder strafversetzt , wo ich u. a. Schlachterarbeiten , wie z. B. das Abschneiden von Nieren und Rinderschwänzen, durchführen mußte .


12.9.1991 / Tier Nr. 11 :

BSE-Verdachtsmeldung bei einem Rind , welches möglicherweise als Kalb einer BSE- verdächtigen Kuh von England über Holland billig nach Deutschland verkauft wurde. Aus Zeitmangel konnte von mir kein Untersuchungsprotokoll angefertigt werden.


14.9.1991 / Tier Nr. 12 :

BSE-Verdachtsmeldung bei einer schwarzbunten Kuh , die möglicherweise als Kalb englischer Herkunft anzusehen ist. Wiederum erfolgte eine unsachgemäße Laboruntersuchung mit ungeeignetem Untersuchungsmaterial durch [anonymisiert] in Hannover. Aus dem heutigen Kenntnisstand heraus lag eine klinische BSE-Erkrankung vor , die zudem noch labormäßig abgesichert worden ist. Auch dieses Tier ging ohne Einschränkung und Symptomabklärung in den Handel.


13.11.1991 / Tier Nr. 13 :

BSE-Verdacht bei einer schwarzbunten Kuh den Vorgesetzten gemeldet. Tier ging auf Veranlassung der zuständigen Kollegen in den Handel.


29.11. 1991 / Tier Nr. 14 :

BSE-Verdacht bei einer jungen schwarzbunten Kuh gemeldet. Die stellvertretende Beschauamtsleiterin läßt gegen meine Empfehlung normal schlachten.


3.12.1991 / Tier Nr. 15 :

BSE-Verdacht bei einer ca. 18 Monate alten Kreuzungskuh gemeldet. Die Bramstedter vorgesetzten Tierärzte [anonymisiert], [anonymisiert], [anonymisiert] und der Segeberger Amtstierarzt [anonymisiert] geben das Rind mit der Diagnose Sehnenverkürzung ohne Einschränkung zum Verbrauch frei und beschließen gemeinsam, daß in Zukunft innerbetrieblich abgestimmt werden soll, ob eine BSE-Verdachtsmeldung an das für die Tierseuchenbekämpfung zuständige Veterinäramt des Kreises Segeberg weitergegeben werden soll.


3.12.1991 / Tier Nr. 16 :

Ein weiteres aggressives Tier der gleichen Herde in Bad Bramstedt soll auf der Weide erschossen werden. [anonymisiert] wird vom mir diesbezüglich informiert.


4.12.1991 / Tier Nr. 17 .

Bericht von Landwirt [anonymisiert] aus Weddelbrook, daß eine aggressive junge Kuh traberartig auf einer Weide herumläuft und zur Schlachtung vorgesehen ist.


4.12.1991 / Tier Nr. 18 :

Ein Tier mit abnorm gestreckter Kopfhaltung und traberartigen Bewegungen soll angeblich blind sein. Blindheit ( BSE-Symptom ) kann nicht von mir festgestellt werden, jedoch aggressives Verhalten. Vor Schichtwechsel den nachfolgenden Kollegen über den möglichen BSE-Verdacht informiert.


1992 : 4 Tiere ( 49 Krankheitstage )


19 2.1992 / Tier Nr. 19 :

BSE-Verdacht bei einer schwarzbunten Kuh aus dem Bad Bramstedter Umland gemeldet. Normale Schlachtung durch Vorgesetzte angeordnet.


19.2.1992 / Tier Nr. 20 :

Normalschlachtung einer rotbunten Kuh aus dem Stader Bereich trotz BSE-Verdacht durch vorgesetzte Tierärzte.


20.2.1992 / Tier Nr. 21 :

Ebenfalls Normalschlachtung einer rotbunten Kuh aus dem Stader Bereich trotz meiner vorläufigen Beschlagnahme wegen BSE-Verdacht.


20.2.1992 / Tier Nr. 22 :

Schwarzbunte Kuh aus dem Umkreis von Stade mit BSE-Verdacht gegen meinen Rat normal ohne Einschränkung zum Verbrauch freigegeben.

Am 27. 3.1992 wurde ich zu einem Gespräch mit dem Landrat und dem damaligen Personalchef, [anonymisiert], gebeten. Dabei habe ich auf Hygienemängel in Bad Bramstedt und auf aktuelle BSE-Gefahren für Mensch und Tier hingewiesen. Ausführlich wurde über meine Zusammenarbeit mit anderen kritischen BSE-Fachleuten diskutiert. Mein Vorhaben , ein neurologisches Untersuchungsverfahren für die Untersuchung BSE-kranker Rinder unter Schlachthofbedingungen auszuarbeiten, wurde gutgeheißen. Der Landrat versprach mir für die Zukunft volle persönliche Unterstützung.

Kurz danach wurde ich gegen meinen Willen an das Schlachtband strafversetzt und somit der Möglichkeit beraubt, weitere BSE-Verdachtsfälle lebender Rinder zu melden. Mir wurde nahegelegt zu kündigen oder Wohlverhalten zu zeigen. Da ich diesen Empfehlungen nicht nachkommen wollte, verstärkte man die bisher schon üblichen schikanösen Verfahrensweisen.


1993 : 1 Tier ( 273 Krankheitstage )

Ein am 16.2.1993 eingereichter Sonderurlaubsantrag zwecks Teilnahme an einem Neurologen-Kongreß in Kolumbien wanderte ohne Eingangsstempel in den Papierkorb. Diese List sollte vermutlich meine fristlose Kündigung wegen unerlaubter Entfernung vom Arbeitsplatz bewirken, da man mir nur mündlich die Kongreßteilnahme erlaubt hatte und ich somit die Dienstfreistellung nie hätte beweisen können. Diese Gefahr erkennend, mußte ich die Teilnahme am Kongreß absagen.


3.3.1993 / Tier Nr. 23 :

BSE-Erkrankung einer schwarzbunten Kuh aus dem Bad Bramstedter Umland gemeldet. Bei der Entnahme der Gewebeproben wurden mir notwendige Schutzmaßnahmen vom Beschauamtsleiter [anonymisiert] verweigert. Dieses Rind wurde von der Bundesforschungsanstalt in Tübingen weitergehend feingeweblich mit möglicherweise ungeeignetem Gehirnmaterial untersucht. Die BSE-Freiheit wurde eigenartigerweise von dort mündlich übermittelt. Es stellt sich die berechtigte Frage nach einem Untersuchungsprotokoll. Meine Bitte um eine Kontrolluntersuchung auf immunologischer Basis bei [anonymisiert] im Robert-Koch-Institut in Berlin wurde abgelehnt. Das Tier erhielt bereits einen Tag nach der Schlachtung den Tauglichkeitsstempel. Auch diese Kuh muß aus heutiger Sicht als klinisch BSE-krank eingestuft werden.

Zur gleichen Zeit wurde ich fortan gezwungen auf einer vom TÜV ausgemusterten Hebebühne mit defekter Pneumatik zu arbeiten. Lange Krankheitsfehlzeiten und bleibende Rückenschäden waren die Folgen.

Am 13.4.1993 wurde ein Erlaß des Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftsministers über „ Bovine Spongiforme Enzephalopathie ( BSE ) ; Maßnahmen und Untersuchungen bei Verdachtsfällen “ herausgegeben. Darin wurden Hochsicherheitsbedingungen für beamtete Untersucher vorgeschrieben. Des weiteren durften Verdachtstiere nicht mehr unter Einsatz des Bolzenschußgerätes geschlachtet werden. Statt dessen wurde die medikamentöse Tötung angeordnet, damit, wie bis dahin nie geschehen, frisches und unzerstörtes Hirnmaterial zur feingeweblichen Untersuchung und frisches eingefrorenes Hirnmaterial zum immunologischen Testverfahren gelangen konnte. Um weiteren Falschaussagen amtlicher Untersucher zu begegnen , möchte ich nachdrücklich darauf hinweisen, daß immunologische Untersuchungsverfahren auch bereits 1990 in der deutschen Fachliteratur beschrieben worden sind !


1994 : 1 Tier ( 348 Krankheitstage , später fristlose Kündigung )


20.3.1994 / Tier Nr. 24 :

Bei einer Kuh aus einem Nachbarkreis erneut BSE-Verdacht gemeldet. Weitergehende Laboruntersuchungen wurden vom Segeberger Amtstierarzt [anonymisiert] abgelehnt. Das Tier wurde in einem nahegelegenen Notschlachtbetrieb geschlachtet und zum Verzehr freigegeben. Auch bei diesem Tier lag nach heutigem Kenntnisstand eine klinische BSE-Erkrankung vor.

Ein Schreiben meines Anwaltes vom 26.7.1994 mit der Bitte um Rückversetzung vom Schlachtband in den Stall aus gesundheitlichen Gründen und Verbraucherschutzaspekten wurde von der Bad Segeberger Kreisverwaltung nicht akzeptiert. Da ich nicht Beihilfe zu möglichen vielfachen Tötungsdelikten leisten wollte, habe ich im August 1994 in einer SAT 1-Sendung über die Behandlung BSE-verdächtiger Rinder durch Vorgesetzte und über Einschleppungsmöglichkeiten und Verbreitungsrisiken berichtet, nachdem ich erfahren hatte, daß eine Vielzahl von billigen britischen Kälbern in Holland von unseren Viehanlieferern aufgekauft und später auf dem Schlachthof der Norddeutschen Fleischzentrale in Bad Bramstedt geschlachtet worden sind. Kurz zuvor hatte ich den britischen BSE-Diagnoseschlüssel erhalten und die Gewißheit bekommen, daß sich meine Befürchtungen hinsichtlich der Schlachtung BSE-verdächtiger Rinder bewahrheitet hatten .

Dem Bericht des Schleswig Holsteinischen -Landwirtschaftsministers vom 5.10.1994 ist zu entnehmen, daß ich an einem Fernsehbericht im NDR mit Vorwürfen in bezug auf Hygienemängel des NFZ-Schlachthofes in Bad Bramstedt teilgenommen haben soll. Diese Angabe entspricht nicht den Tatsachen. Beachtenswert ist jedoch der folgende Vermerk : „ 30.08.1994- Fernsehsendung Einspruch mit Frau Dr. Herbst - M setzt sich mit Landrat des Kreises Segeberg in Verbindung .“

In einer diesbezüglichen RTL-Sendung , ausgestrahlt am 16.11.1994 , erklärte der damalige Vorsitzende des Niedersächsischen Landvolkverbandes, [anonymisiert] , der auch an der SAT 1-Sendung teilgenommen hatte , daß der Veterinärin gekündigt worden sei. Da ich das Kündigungsschreiben erst 4 Wochen später erhalten habe, müssen bereits vorher Absprachen auf Landesebene mit dem Bauernverband erfolgt sein.

Es folgte im Dezember 1994 eine fristlose Kündigung wegen des Bruches meiner dienstlichen Verschwiegenheitspflicht. Nicht berücksichtigt wurde hierbei die gesetzliche Bestimmung der Bundestierärzteordnung, wonach ich gemäß § 1 berufen war :

„ Den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen...’’

Übergangen wurde auch von den Arbeitsgerichten , dem zuständigen Ministerium und dem Kreis Segeberg die gegenüber der Allgemeinheit bestehende Verpflichtung, daß die grundsätzlich bestehende Schweigepflicht des Tierarztes in Fällen wie diesem nicht besteht. Das ist in § 4 Abs. 2 der Berufsordnung der Tierärztekammer von Schleswig-Holstein vom 30.11.1979 ausdrücklich geregelt . Dort heißt es sinngemäß :

Die Schweigepflicht besteht nicht, wenn öffentliche Belange die Bekanntgabe einer Feststellung erforderlich machen.

Zusätzlich erhielt ich im Oktober 1994 eine Unterlassungsklage des Schlachthofbetreibers, weil man mir verbieten wollte zu behaupten, daß im Schlachthof der Norddeutschen Fleischzentrale in Bad Bramstedt hin und wieder BSE-verdächtige Rinder normal geschlachtet worden sind .

Die Unterlassungsklage wurde von den Richtern zurückgewiesen, da auch die Richter am Schleswiger Oberlandesgericht der Auffassung waren, daß es in Bad Bramstedt hinreichend BSE-auffällige Rinder gegeben haben mußte. Von einem eindeutig negativen Ergebnis der Untersuchungen, mit denen das zuständige Kieler Ministerium sich und die Bevölkerung habe beruhigen wollen, konnte nicht die Rede sein. Danach konnte sich ( nicht nur ) für die Beklagte der Verdacht aufdrängen, daß den staatlichen Stellen im Einklang mit den fleischerzeugenden und fleischverarbeitenden Betrieben sehr daran gelegen war, einen amtlichen BSE-Nachweis wenn irgendmöglich zu verhindern. Außerdem dürfe eine öffentliche Diskussion über Mißstände in Bezug auf mögliche Gesundheitsgefahren für den Verbraucher nicht dadurch unterbunden werden, indem man den Informanten einem existenzvernichtenden Haftungsrisiko aussetzt.

Am 24.1.1995 versuchte der Kreis Segeberg, ein Ordnungswidrigkeitsverfahren wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Tierseuchengesetz einzuleiten. Mein Anwalt berief sich auf die Darstellung von Kollegen und Mitarbeitern der NFZ, die in einem Hamburger Abendblatt-Artikel vom 1.9.1994 wiedergegeben ist und stellte fest :

„ Die von meiner Mandantin - die angeblich überall BSE-Verdacht witterte - geäußerten Verdachtsfälle waren Gegenstand eines Überstimmungsverfahrens der vorgesetzten Tierärzte. Wenn diese sich jetzt nicht an jeden Einzelfall erinnern wollen, so hat dies nicht meine Mandantin zu vertreten.’’

Die Haltung der zuständigen Kollegen entsprach übrigens der „amtlichen’’ Vorgabe des zuständigen Ministers. Nachdem dem Kreis Segeberg nahegelegt wurde zu überprüfen, inwiefern die anderen Bediensten des Veterinäramtes ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen sind und dem Landrat die Erstattung einer Strafanzeige wegen wissentlich falscher Verdächtigung angedroht wurde , erfolgte eine Verfahrenseinstellung.

Eine im März 1996 ausgesprochene Einladung der NEW YORK ACADEMY OF SCIENCES zwecks Mitgliedsaufnahme mußte ich aus finanziellen Gründen ablehnen.

Chronologie 2

1992

Am 27.3.1992 wurde ich nach der Meldung des 19. BSE - Verdachts zu einem Gespräch mit dem Landrat und [anonymisiert] gebeten . Dabei habe ich auf Hygienemängel in Bad Bramstedt und auf aktuelle BSE - Gefahren für Mensch und Tier hingewiesen . Desweitern informierte ich über meine private Zusammenarbeit mit kritischen BSE-Fachleuten . Daraufhin wurde mir nahegelegt , einen Antrag behördliche Genehmigung einer Nebentätigkeit zu stellen , welcher am 29.04. 1992 ( Anlage ) genehmigt wurde . Mein Vorhaben , ein neurologisches Untersuchungsverfahren für die Untersuchung BSE-kranker Rinder unter Schlachthofbedingungen auszuarbeiten , wurde gutgeheissen . Der Landrat versprach mir für die Zukunft volle persönliche Unterstützung und nahm zwei wissenschaftliche Facharbeiten aus den Jahren 1991 und 1992 ( Anlage ) in Empfang .

Kurz danach hatten der damalige Bad Bramstedter Fleischhygieneamtsleiter [anonymisiert] und seine damalige Stellvertreterin [anonymisiert] einen Termin bei der Kreisverwaltung . Ich wurde gegen meinen Willen u. a. an Schlachtbänder versetzt und somit überwiegend der Möglichkeit beraubt , im Stall bei der Lebenduntersuchung BSE-verdächtige Rinder vorläufig zu beschlagnahmen . Von [anonymisiert] wurde mir nahegelegt zu kündigen oder Wohlverhalten zu zeigen . Da ich diesen Vorschlägen nicht Folge leisten wollte , wurden die bisher üblichen schikanösen Verfahrensweisen mir gegenüber verstärkt ( Anlage ) . Am 31.03.1992 wurde [anonymisiert] von mir brieflich um Rückversetzung in den Stall gebeten ( Anlage ). Es kam keine Reaktion . Am 30.08.1992 habe ich den Landrat persönlich auf dem normalen Postwege angeschrieben und u. a. um die versprochene Rückendeckung gebeten ( Anlage ) . Nach Angaben des Landrats ist dieser Brief nie angekommen . Weitere diesbezügliche ergebnislose briefliche und / oder persönliche Verbindungsaufnahmen z. B. mit dem Personalrat , dem Behindertenbeauftragten und [anonymisiert] ( zuständige Dezernentin ) .


1993 Ein am 16.02.1993 eingereichter Antrag auf Sonderurlaub zwecks Teilnahme an einem Neurologenkongress in Kolumbien wanderte als Original mit den entsprechenden behördlichen Vermerken ( Anlage ) im Fleischhygieneamt Bad Bramstedt in den Papierkorb . Vermutlich sollte diese Verfahrensweise meine fristlose Kündigung wegen unerlaubten Fernbleibens vom Arbeitsplatz begründen . Wegen dieser Gefahr habe ich kurzfristig von der Kongressteilnahme absehen müssen .


BSE-Verdacht Nr. 20 ( 03.03.1993 )

Schwarzbunte Kuh 090-167 1042

Anlieferungsdatum : 03.03.1993

Schlachtdatum : 04.03.1993

Besitzer : [anonymisiert] 24568 Nützen-Springhirsch


Von mir erhobene Befunde anlässlich der Schlachttieruntersuchung : Aggessivität , Ängstlichkeit , psychomotorische Unruhe , Ataxie der Beckengliedmassen mit Überköten , Atxie der Vorderbeine mit Hypermetrie , steifer , schwankender , unsicherer Gang , frische Hautverletzungen dorsal an den vorderen Fesselköpfen , Hyperästhesie ( Überempfindlichkeit auf Berührungsreize ) , Scheuern des Kopfes und des Halses , Bursitis präscapularis ( Beule am Vorderbereich des Schulterblattes ) und konvergierender Strabismus ( Schielen nach aussen ) .

Meine Zusatz-Beurteilung hinsichtlich anderer in Frage kommender Erkrankungen : Aujeszkysche Krankheit ( anzeigepflichtige Seuche , Schlachtverbot )

Tollwut ( anzeigepflichtige Seuche , Schlachtverbot , Tötung z. B. mit Hochvolt-Gerät erforderlich zwecks Gewinnung von geeignetem Hirnmaterial )

Vor der „ Nachbegutachtung “ durch den Segeberger Amtstierarzt [anonymisiert] und den nicht- beamteten rumänischen Fleischhygieneamtsleiter [anonymisiert] erfolgte mein Anruf bei Herrn [anonymisiert] in der Kreisverwaltung Bad Segeberg , da er an dem Gespräch mit dem Landrat in Segeberg teilgenommen hatte . Er bestätigte mir , dass meine Ermächtigung , in begründeten Verdachtsfällen weitergehende Untersuchungen zu veranlassen , weiterhin Bestand habe .Zu derartigen Kontrolluntersuchungen hatte sich [anonymisiert] vom Berliner Robert-Koch-Institut anlässlich eines Neurologenkongresses in Bad Bramstedt bereiterklärt . Meine Bitte neben den vorgesehenen üblichen Laboruntersuchungen eine Kontrolluntersuchung auf immunologischer Basis in Berlin durchführen zu lassen , wurde von [anonymisiert] und [anonymisiert] abgelehnt ( siehe Angaben im Tierseuchengesetz über Einholung eines Obergutachtens ) .

Das Tier wurde unter Verwendung des Bolzenschussgerätes geschlachtet , in einen normalen Kühlraum verbracht und erhielt bereits einen Tag später den Tauglichkeitsstempel . Bei der Probenentnahme wurden mir von [anonymisiert] jegliche personelle Hilfe und notwendige Schutzmassnahmen verweigert . Erst in Anwesenheit eines Zeugen wurden mir dünne Gummihandschuhe zur Verfügung gestellt , obwohl Hochsicherheitsbedingungen erforderlich gewesen wären.


Einige Monate später wurde ich zunächst mit Verdacht auf eine Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung in die Ostsee-Klinik Damp , später in die Neurologische Klinik der Kieler Universität eingewiesen .


13.04.1993 Neue Dienstanweisung vom MELFF :

Bovine spongiforme Enzephalopathie ( BSE ) : Massnahmen und Untersuchungen bei Verdachtsfällen


18.04.1993 Brief an den Veterinäramtsleiter [anonymisiert] ( Kreisverwaltung Segeberg )

Gravierende Sicherheit- und Hygienemängel einer neugestalten Arbeitsplatzeinrichtung für Tierärzte


BSE-Verdacht Nr. 21 ( 23.02.1994 )

Schwarzbunte Kuh 028-796

Anlieferungsdatum : 23.02.1994

Schlachtung nach Verbringung in den Notschlachtbetrieb [anonymisiert], Bad Bramstedt

Besitzer : [anonymisiert], 25551 Hohenlockstedt


Von mir erhobene Befunde anlässlich der Schlachttieruntersuchung .

Gestreckte abnormale Kopfhaltung , Berührungsempfindlichkeit ( Kopfscheue ) , verstärkte Schallempfindlichkeit , Tremor ( rhythmisches Zittern einzelner Muskelgruppen mit unterschiedlicher Lokalisation ) , zeitweises Abblatten des Schulterblattes , Hypermetrie der Vordergleidmassen im Wechsel mit kreuzweisem Auffussen , hinten wechselseitiges Überköten , Nachhandschwäche , Ataxien , Taumeln , Lateropulsion ( Fallsucht beim Drehen ) , pferdeartiges Aufstehen , frische Hautverletzungen am Sprunggelenk , Harnabgang in kleinen Mengen , Apathie , möglicherweise Euterentzündung und gestörtes Allgemeinbefinden .

Eigene Anrufe bei der Kreisverwaltung in Bad Segeberg : 1 . [anonymisiert] ( Leiterin des Hauptamtes ) hat Urlaub . 2 . [anonymisiert] ( Dezernentin ) ist nicht erreichbar . 3 . Ca. 16.30 Gespräch mit [anonymisiert] : Kontrolluntersuchung für einen erneuten Fall wird genehmigt .


Kurzes Informationsgespräch mit dem nebenamtlichen Fleischhygienetierarztes [anonymisiert] aus Brande-Hörnerkirchen bei seinem Bandeinsatz in der Nachmittagsschicht Weitergehende Untersuchungen auf BSE wurden vom Segeberger Amtstierarzt [anonymisiert] im Stall abgelehnt und das Rind zwecks Schlachtung in einen Notschlachtbetrieb verbracht . Der dort zuständige , inzwischen verstorbene , Tierarzt [anonymisiert] wurde von mir telefonisch auf das Vorliegen eines BSE-Verdachtes hingewiesen mit der dringenden vergeblichen Bitte , diesem nachzugehen .

Mein Einsatz im Stall hatte ich dem Umstand zu verdanken , dass [anonymisiert] , Frau Tierärztin [anonymisiert] und Frau [anonymisiert] an diesem Tag wegen einer Fortbildungsmassnahme ausser Haus waren . Herr [anonymisiert] war zum Innendienst eingeteilt . Im Stall befand sich lediglich ein Haustelefon der NFZ . Um Anrufe mit der Segeberger Kreisverwaltung durchführen zu können , musste man vom Stall durch die Schlachthallen zum Fleischhygieneamtsbüro eine Wegstrecke von ca. 100 m zurücklegen und somit bei einer Schlacht- bzw. Untersuchungsfrequenz von ca. 60 Rindern pro Stunde möglicherweise wertvolle Untersuchungszeit vergeuden , sofern keine Schlachtpausen vorhanden waren . Ausserdem war das Büro damals anscheinend überwiegend vormittags mit Sekretärinnen besetzt .

Der damalige Beschauamtsleiter herrschte fast wie ein Tyrann . Sein Bespitzelungssystem war wirkungsvoll und sehr ausgeklügelt . In Ungnade gefallene Kollegen und andere unliebsame Mitarbeiter wurden systematisch schikaniert . Dieses hatte zur Folge , dass viele gute , kritische Tierärzte freiwillig die Kündigung eingereichten .


20.07.1994 Frau Tierärztin [anonymisiert] und Herr [anonymisiert] berichten in einer Fernsehsendung über Hygieneverstösse in Bad Bramstedt .

25.07.1994 RA Wenge an Müller – Statt Herbst sogar Fleischkontroleure ( Nichttierärzte ) in der Lebenduntersuchung unzulässigerweise eingesetzt.

Am 30. 08.1994 meldet [anonymisiert] 2 BSE-Verdachtsfälle

30.08.1994 Teilnahme an der Fernsehsendung „ Einspruch “ in Berlin

01.09.1994 Gespäch mit MELFF , Frau Journalistin [anonymisiert] , [anonymisiert] ( Amtsärztin in Niebüll ) und [anonymisiert] in meiner Wohnung Anschliessend sollte eine unangemeldete Prüfung im Fleischhygieneamt stattfinden .

02.09.1994 [anonymisiert] wird ( auf Veranlassung des Bauernverbandes ? ) vorläufig seines Amtes enthoben .

05.09.1994 Gespräch mit dem Landrat in Bad Segeberg

06.09.1994 Erste Razzia der Kieler Staatsanwaltschaft im Schlachthof

19.09.1994 und 26.09.1994 Kontaktaufnahmen mit Kripo Kiel

28.09.1994 Meine erste Zeugenvernehmung zuhause in Bad Bramstedt . Alle wesentlichen Unterlagen werden der Kripo zur Verfügung gestellt .

04.10.-15.11.1994 Reha - Klinik Damp ( Recherchen von stern-TV - [anonymisiert],Bad Bevensen- und [anonymisiert] vom Stern über engl. Rinder aus Holland )

24.11.1994 Zweite Zeugenvernehmung in Kiel ( Fotokopien meiner Stallbeschlagnahmedokumente erhalten )

22. Juli 1997 : Restitutionsverfahren abgelehnt

5. Sept. 1997 : Verfassungsbeschwerde nicht angemommen

Fachliche Bewertung des Geschehens

Als teilzeitbeschäftigte angestellte Fleischhygienetierärztin war ich im Stall der Norddeutschen Fleischzentrale in Bad Bramstedt für die Lebenduntersuchung der Schlachttiere zuständig. Festgelegt durch gesetzliche Vorgaben im Rahmen des Fleischhygienegesetzes war es meine Aufgabe, die etwa 60 pro Stunde angelieferten Rinder als gesund, krankheitsverdächtig oder krank einzustufen. Die als gesund beurteilten Tiere wurden zur Schlachtung freigegeben, die anderen Rinder vorläufig beschlagnahmt. Für die weiteren Untersuchungen und Beurteilungen aller geschlachteter bzw. getöteter Rinder waren überwiegend andere im Fleischhygieneamt des Kreises Segeberg in Bad Bramstedt angestellte Tierärzte und Fleischkontrolleure zuständig, sofern keine tierseuchenrechtlichen Vorgaben einer Endbeurteilung beanstandeter Tiere zum Tragen kamen.

Bis einschließlich 1979 war der Leiter des Fleischhygienesamtes ein beamteter Tierarzt, der nach einer entsprechenden Zusatzausbildung an Ort und Stelle tierseuchenrechtliche Maßnahmen in die Wege leiten konnte. Nachdem diese Planstelle mit Angestellten besetzt worden war, lag der Bereich der Tierseuchenbekämpfung ausschließlich in den Händen der beamteten Tierärzte im ca. 30 km entfernten Veterinäramt der Kreisverwaltung in Bad Segeberg. Für die Beurteilung BSE-kranker und BSE-verdächtiger Tiere und die Erstellung von Gutachten sind Amtstierärzte vom Gesetz her zuständig.

Nur bei einer Untersuchung am lebenden Tier kann zunächst eine klinische BSE-Erkrankung bzw. der BSE- Verdacht festgestellt werden (siehe meine Gerichtsakten sowie Internetsymptomtabellen von Frau Dr. Kari Köster-Lösche und Herrn Roland Heynkes). Nur 5 von 21 Rindern wurden in Speziallabors weitergehend untersucht. Sogar bei negativen histopathologischen Folgeuntersuchungen ist die klinische BSE-Diagnose bzw. der BSE- Verdacht der Bad Bramstedter Rinder vorrangig zu bewerten und nicht widerlegt worden. Außerdem sind die von mir festgestellten BSE-typischen Symptome in keinem Fall durch den Nachweis anderer neurologischer Erkrankungen, wie z. B. Tollwut und Listeriose, widerlegt worden.

Bereits 1990 hätten die Amtstierärzte BSE-verdächtige Rinder medikamentös zwecks Diagnoseabsicherung einschläfern können bzw. müssen und / oder ein tierärztliches Obergutachten amtlicherseits einfordern müssen. Der größte Teil der beanstandeten Rinder gingen mit harmlosen Verlegenheitsdiagnosen in den Handel.

Für eine aussagekräftige einfache feingewebliche Untersuchung wird frisches und unzerstörtes nicht durch Bolzenschußapparat beschädigtes Hirnmaterial benötigt. Auf das Vorliegen von Texturschäden, jedoch nicht auf biologische Zersetzungsvorgänge infolge Gewebeüberalterung, weist der untersuchende Herr Prof. Pohlenz vom Institut für Pathologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover hin. Notwendige beweiskräftige Tierversuche wurden nicht zur Diagnoseabklärung herangezogen.

Auf die nach dem Tierseuchenrecht mögliche medikamentöse Tötung verdächtiger Rinder wurde von den Tierseuchenbekämpfungsberechtigten in Bad Segeberg verzichtet . In keinem Fall gelangte frisches bzw. unmittelbar nach dem Tode schonend entnommenes Gehirnmaterial sofort zur weitergehenden Untersuchung. Eine damalige diesbezügliche Information über die Notwendigkeit dieser Maßnahme an mich als eine in der Schlachttieruntersuchung tätige angestellte Tierärztin und eine aussagekräftige spezielle immunologische Untersuchung im Berliner Robert Koch-Institut wurde unterlassen. Somit wurden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits damals die Bad Bramstedter BSE-Verdachtsfälle labormässig nie optimal abgeklärt.

Obwohl Herr Prof. Pohlenz sich bereits vor der Einsendung der ersten Bad Bramstedter Rinderköpfe in England mit den BSE-Laboruntersuchungsverfahren vertraut gemacht haben soll, behauptete er später, daß in der Schweiz die histologische Untersuchung allein entscheidet, und daß die immunhistologische Untersuchung in Deutschland nicht etabliert und in England noch in der Entwicklung war. Diese Aussage entspricht nicht der Wahrheit, da bereits bis einschließlich 1990 im englischen und im deutschen Schrifttum mehrfach verschiedene immunologische BSE Untersuchungsverfahren beschrieben worden sind. Hinzuweisen wäre noch auf die Tatsache , daß die Schweiz eine Prion-Protein-Färbung nach dem Prinzip der Peroxydase-Antiperoxydase-Methode, also eine immunologische Methode, bei histopathologisch nicht eindeutigen Befunden durchführt und klinisch BSE-verdächtige, histopathologisch negative Rinder damals sofort praktisch ausnahmslos verbrannt hat .

Spätere angeblich negative immunologische Nachuntersuchungsergebnisse von Prof. Pohlenz sind aus verschiedenen Gründen möglicherweise keineswegs als eindeutig negativ zu bewerten, wie man es den Kollegen und der Presse weismachen wollte . Bei diesen Nachuntersuchungen handelte es sich um retrospektive Erhebungen, für die ausschließlich ( wenn überhaupt ) fixiertes und kein frisches, naturbelassenes Untersuchungsmaterial zur Verfügung stand. Für die in diesem Fall angewandten immunologischen Untersuchungsmethoden zum Nachweis krankmachender Prion-Proteine wird normalerweise frisches unzerstörtes und bei ca. - 20 ° C eingefrorenes Hirngewebe benötigt, welches nie vorhanden gewesen ist. Weiterhin ist der Fachliteratur zu entnehmen, daß bei infektiösen BSE-Rindern nicht in jedem Fall krankhafte Prion-Proteine nachweisbar sind.

Festzustellen bleibt, daß der von mir geäußerte Verdacht nicht etwa nach Kräften abgeklärt wurde, sondern daß sogar der Wortlaut der Diagnosen nach dem Vorliegen der Laboruntersuchungsberichte der Tierärztlichen Hochschule Hannover für einen Bericht an das Kieler Landesparlament manipuliert und daß Ergebnisse mit eingeschränkter Aussagekraft zur allgemeinen Verharmlosung in der Öffentlichkeit mißbraucht wurden.

Fragwürdige Verdachtsabklärung

In den Jahren 1990 bis 1994 diagnostizierte ich im Stall des Schlachthofes der Norddeutschen Fleischzentrale in Bad Bramstedt insgesamt 21 BSE-Verdachtsfälle. Zunächst wurde nur sehr zögerlich den Verdachställen nachgegangen. Manchmal wurde auch innerhalb der Chefetage „abgestimmt “, ob es sich überhaupt um einen BSE-Verdacht handeln könne. Um die Schwelle für die Einleitung eines vorgeschriebenen BSE-Diagnoseverfahrens heraufzusetzen, wurde der klinische Tierseuchenverdacht unzulässigerweise zum Vorverdacht heruntergestuft. Statt zum BSE-Verdacht gelangte man auf diese Weise bei 17 Tieren u. a. zu den Diagnosen : Blindheit, Brünstigkeit, Ermüdung, Ohrspeicheldrüsenentzündung. Diese Diagnosen erfordern selten weitergehende Untersuchungen und bewirkten, dass das Fleisch dieser Tiere meistens uneingeschränkt in den Handel gehen konnte.

Da der klinische BSE-Verdacht bei 4 Rindern von den zuständigen vorgesetzten Tierärzten nicht umgestoßen werden konnte, wurden zusätzlich feingewebliche Untersuchungen von der Tierärztlichen Hochschule in Hannover bzw. von der Bun-desforschungsanstalt für Viruskrankheiten in Tübingen durchgeführt. Dabei gab es verschiedene Verfahrensmängel, die eine sorgfältige und umfassende Abklärung der Verdachtsmomente verhinderten :

1. Die klinischen, für die pathologisch-anatomischen Untersuchungen sehr wichtigen Vorberichte wurden dem Pathologen nicht mitgeliefert. In einem Fall fehlte selbst der Hinweis, dass ein weiteres Rind aus dem gleichen Herkunftsbestand auf der Weide wegen Raserei erschossen worden sein soll.

2. Die fraglichen Rinder wurden geschlachtet und nicht medikamentös eingeschläfert . Somit wurden die Strukturen der zu untersuchenden Hirngewebsproben durch den Einsatz des Bolzenschussgerätes und des Rückenmarkszerstörers erheblich defor-miert und für die einfachen feingeweblichen Untersuchungen mehr oder weniger unbrauchbar gemacht.

3. Tierexperimente bzw. aussagekräftige immunologische Untersuchungen wurden bei Herrn Prof. Diringer vom Robert-Koch-Institut in Berlin nicht durchgeführt.

Festzustellen bleibt, dass die von mir geäußerten Verdachtsmomente in den meisten Fällen nicht nach dem neuesten Stand der Wissenschaft abgeklärt wurden, sondern dass sogar Befundergebnisse der Laboruntersuchungen der Tierärztlichen Hoch-schule Hannover für einen Bericht an das Kieler Landesparlament manipuliert wur-den. Somit wurden Ergebnisse mit eingeschränkter Aussagekraft zur allgemeinen Verharmlosung und Desinformation der Öffentlichkeit missbraucht.

Stellungnahme zu den Behauptungen des Landrates (Auszug)

Fakt ist , dass Anfang der neunziger Jahre im Schlachthof der Norddeutschen Fleischzentrale in Bad Bramstedt 9 Rinder mit klinisch manifester BSE-Erkrankung und etliche Tiere mit BSE-Verdacht geschlachtet und als Lebensmittel und Tierfutterbeigaben in den Handel gegangen sind . Obwohl die gesetzlichen Vorgaben des Tierseuchengesetzes nicht von den ,,Chefveterinären ‘’ eingehalten wurden , wollte mich der Landrat des Kreises Segeberg wegen eines Verstosses gegen das Tierseuchengesetz belangen ( Anlage 3 ) . Nach Androhung einer Strafanzeige wegen wissentlich falscher Verdächtigung wurde dieses Verfahren gegen mich eingestellt . Zu meiner Verwunderung muss ich feststellen , dass Segeberger und Kieler Behörden erneut versuchen , mit falschen Schuldzuweisungen und wissenschaftlich fragwürdigen Stellungnahmen des Patho-logen zu argumentieren ( Anlage 4 ) .

Die Angabe im MELFF-Bericht , dass ich bereits am 20. Juli 1994 an die Öffentlichkeit gegangen bin , entspricht nicht der Wahrheit . Erst am 30. August 1994 bin ich zum ersten Male vor die Kamera getreten , nachdem ich erfahren hatte , dass eine Vielzahl von billigen englischen Kälbern in Holland von unseren Viehanlieferern aufgekauft und später in Bad Bramstedt zur Schlachtung angelierfert worden sind . Kurz davor hatte ich den englischen BSE-Diagnoseschlüssel erhalten und zu meinem Entsetzen feststellen müssen , dass BSE-auffällige Rinder der Norddeutschen Fleischzentrale ohne Einschränkung tatsächlich in den Handel gelangt sind. In meiner Auflistung habe ich 24 Rinder aufgeführt . Bei 3 Rindern , die nach Angaben der Anlieferer BSE-spezifische Symptome aufwiesen , habe ich dem Gesetz gemäss diese mündlich erhaltenen Information weitergegeben . Vor der Presse , Vortragsteilnehmern und Wissenschaftlern habe ich immer nur von 21 Rindern gesprochen .

Die Beurteilung meiner klinischen Untersuchung an 21 Rindern hat das folgende Ergebnis :

  • 9 Rinder klinische BSE
  • 5 Rinder BSE-Verdacht
  • 7 Rinder BSE nicht ausgeschlossen

Die abnehmende Zahl meiner BSE-Verdachtsmeldungen im Laufe der Jahre ist u. a. nicht nur durch meine „ Entfernung aus dem Stalleinsatz “ , sondern auch durch die Krankheitszeiten seit dem Gespräch mit dem Landrat am 23.03.1992 bedingt .

...

Vorschriften für die gesetzliche histopathologische Diagnose der BSE-Verdachtstiere


Dauer der ersten Gewebefixation  : 2 Wochen Gewebeauswahl

Dauer der zweiten Gewebefixation : 1 Woche

Dauer der ersten histologischen Weiterbehandlung : ca. 24 Stunden

Dauer der zweiten histologischen Weiterbehandlung : ca. 12-18 Stunden

Färbephase : ca. 48 Minuten

_________________

Gesamtdauer der histologischen Untersuchung ca. 3 ½ Wochen

Nach den Angaben des MELFF-Berichtes vom 5. Oktober 1994 zu den Vorfällen am Schlachthof in Bad Bramstedt benötigte Prof. Pohlenz nur Untersuchungszeiten von 3-10 Tagen.

Bezug         Einsendedatum         Befunddatum        maximale Untersuchungsdauer 

Anlage 1       07.03.1991                11.03.1991                         5 Tage

Anlage 2       14.09.1991                23.09.1991                        10 Tage

Anlage 4       08.04.1991                10.04.1991                         3 Tage

Keine Sei-
tenangabe      16.08.1990                21.08.1990                         6 Tage

Keine Sei-
tenangabe      16.08.1990                21.08.1990                         6 Tage 

Stellungnahme zum Schreiben von Herrn Prof. Pohlenz an Herrn Dr. Heilemann vom 13. 7. 1996

Nur bei einer Untersuchung am lebenden Tier kann eine klinische BSE-Erkrankung bzw. der Verdacht festgestellt werden ( siehe Gerichtsakten von Frau Dr. Herbst sowie Internetsymptomtabellen von Frau Dr. Kari Köster-Lösche und Herrn Roland Heynkes ). Selbst bei negativen feingeweblichen Folgeuntersuchungen ist die klinische Diagnose der Bad Bramstedter Rinder vorrangig zu bewerten und nicht widerlegt worden. In keinem Fall sind die BSE-typischen Symptome durch den Nachweis anderer neurologischer Erkrankungen , wie z. B. Tollwut und Listeriose , widerlegt worden. Für eine aussagekräftige einfache feingewebliche Untersuchung wird frisches und unzerstörtes nicht durch Bolzenschussapparat beschädigtes Hirnmaterial benötigt. Auf das Vorliegen von Texturschäden , jedoch nicht auf biologische Zersetzungsvorgänge infolge Gewebeüberalterung , weist Herrn Prof. Pohlenz hin . Notwendige beweiskräftige Tierversuche wurden nicht zur Diagnoseabklärung herangezogen . Auf die nach dem Tierseuchenrecht mögliche medikamentöse Tötung verdächtiger Rinder wurde von den Tierseuchenbekämpfungsberechtigten verzichtet . In keinem Fall gelangte frisches bzw. unmittelbar nach dem Tode schonend entnommenes Gehirnmaterial sofort zur weitergehenden Untersuchung und eine diesbezügliche Information über die Notwendigkeit dieser Massnahme an Frau Dr. Herbst als angestellte , nicht für die Tierseuchenbekämpfung zuständige , Tierärztin wurde unterlassen.

Obwohl Herr Prof. Pohlenz bereits vor der Einsendung der ersten Bad Bramstedter Rinderköpfe sich in England mit den BSE-Laboruntersuchungsverfahren vertraut gemacht hatte , behauptet er , dass in der Schweiz die histologische Untersuchung allein entscheidet , und dass die immunhistologische Untersuchung in Deutschland nicht etabliert und in England noch in der Entwicklung war. Diese Aussage entspricht nicht der Wahrheit , da bereits bis einschliesslich 1990 im englischen und im deutschen Schriftum mehrfach verschiedene immunologische BSE-Untersuchungsverfahren beschrieben worden sind . Das Berliner Robert-Koch-Insitut war schon vor 1990 in der Lage, eine aussagekräftige spezielle immunologische Untersuchung auf Veranlassung der Behörden durchzuführen. Hinzuweisen wäre noch auf die Tatsache , dass die Schweiz eine Prion-Protein-Färbung nach dem Prinzip der Peroxydase- Antiperoxydase-Methode, also eine immunologische Methode , bei histopathologisch nicht eindeutigen Befunden durchführt und klinisch BSE-verdächtige , histopathologisch negative Rinder sofort praktisch ausnahmlos verbrennt .

Stellungnahme zum Schreiben von Herrn Prof. Pohlenz an Herrn Dr. Best vom 26. 1. 2001

Das Untersuchungergebnis ist aus verschiedenen Gründen nur mit Einschränkungen zu bewerten , da es sich um retrospektive Erhebungen handelt , für die aussschliesslich fixiertes und kein frisches, naturbelasssenes Untersuchungsmaterial zur Verfügung stand . Für die angewandte ordnungsgemässe Untersuchungmethode wird normalerweise frisches unzerstörtes und bei ca. - 20 ° C eingefrorenes Hirngewebe benötigt , welches nie vorhanden gewesen ist .Weiterhin ist der Fachliteratur zu entnehmen , dass bei infektiösen BSE-Rindern nicht in jedem Fall krankhafte Prion-Proteine nachweisbar sind .

Zivilcourage im BSE-Skandal und die Folgen

Erst wenn der letzte Baum gerodet,

der letzte Fluss vergiftet,

der letzte Fisch gefangen,

werdet Ihr feststellen,

dass man Geld nicht essen kann.

Was immer den Tieren geschieht,

geschieht auch bald den Menschen.

Alle Dinge sind miteinander verbunden.

Chief Seattle 1855


BSE - Eine Gefahr für Mensch und Tier

Mit der Diagnose BSE, auch Rinderwahnsinn genannt, stand für kritische Fachleute zuweilen mehr auf dem Spiel als nur der wissenschaftliche Ruf, manchmal sogar die Existenz, wenn sie politischen und wirtschaftlichen Gründen ihrem Dienstherrn lästig wurden. Maulkörbe, soziale Ausgrenzung, Entlassung und Prozesse waren häufig die Folge.

Nach wie vor wird das BSE - Problem mit seinen bisher unüberschaubaren Implikationen für Mensch und Tier bagatellisiert. Wahrscheinlichkeitsberechnungen lassen vermuten, dass systematisch eine BSE - Unterdiagnostik in Kontinentaleuropa betrieben wird und wurde. Nach einem EU - Gutachten aus dem Jahre 1999 zur Beurteilung der Risiken für eine BSE - Kontamination der menschlichen Nahrung, soll das Infektionspotential eines einzigen BSE - Rindes ausreichen, um rund 400 000 Menschen zu exponieren. Da die Gefahr für alle Spezies mit der Zahl der vagabundierenden Erreger ständig steigt, nimmt auch die Anzahl der zu überdenkenden BSE-Infektionsrisiken zu. Von Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz ist die Politik noch weit entfernt. Trotz dieser Fakten wird weiterhin von staatlichen Stellen eine umfassende und wahrheitsgemäße Information der Öffentlichkeit verhindert. Es muss in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen werden, dass es sich nicht etwa um einen Mangel an Kenntnissen gehandelt hat, der die zuständigen Politiker, Behörden und Landwirtschaftsfunktionäre daran hinderte, frühzeitig angemessene Maßnahmen gegen die BSE - Ausbreitung zu ergreifen. Vielfach wurden Warnungen kritischer BSE - Experten bezüglich möglicher BSE - Risiken ausgesprochen. Aber diese Warnungen wurden ignoriert und viele Versuche unternommen, die Kritiker zum Schweigen zu bringen. Das reale Seuchenausmaß lässt sich wegen möglicher langer Inkubationszeiten noch fortdiskutieren und verheimlichen, und es ermöglicht den Verantwortlichen, einen Zeitraum bis zu ihrer Pensionierung oder Versetzung auf eine andere Stelle zu überbrücken, in der Absicht, dass sie für die dann auftretenden sichtbaren Schäden nicht mehr verantwortlich gemacht werden können.

Deshalb wird uns seit vielen Jahren versichert, dass das Infektionsrisiko für den Menschen verschwindend gering sei. Dabei wurde die Artenbarriere bereits in mindestens 67 Fällen durchbrochen und wissenschaftliche Erkenntnisse werden zunehmend alarmierender. Trotz allem fehlen viele wissenschaftliche Untersuchungen, die es ermöglichen, sichere Aussagen über die Anzahl der eventuell latent BSE - Infizierten, sowie über die Manifestationsrate dieser bisher therapieresistenten Erkrankungen und ihrer Latenz- und Inkubationszeit zu machen.

Der statistischen Wahrscheinlichkeit nach müssen auch in Deutschland BSE - infizierte Menschen vorhanden sein. Zunehmend gibt es auch bei uns vertrauliche Hinweise auf Erkrankungen. Die Behauptung, dass in Deutschland bisher kein Patient an BSE im Menschen erkrankt ist, widerspricht jeglicher wissenschaftlicher Logik, zumal bereits experimentell nachgewiesen wurde, dass BSE nicht nur die neue Variante der Creutzfeldt - Jakob - Krankheit, sondern auch die so genannte sporadische Form, die in Deutschland anzutreffen ist, verursachen kann. Es ist höchstwahrscheinlich, dass wir es auch in Deutschland mit einem unbekannten Reservoir von Menschen zu tun haben, die bereits infiziert sind, aber noch keine Krankheitserscheinungen zeigen.

Für das Vorkommen der menschlichen BSE - Variante bei uns spricht auch, dass deutsche Creutzfeldt - Jakob - Patienten Kontakt mit Rinderhornspänen als Gartendünger gehabt haben sollen. Bei einer Bolzenschussbetäubung der Schlachtrinder kann BSE - belastetes Hirnmaterial in den Hornbereich eindringen. Somit ist es wahrscheinlich, dass infolge der Staubentwicklung beim Ausstreuen des Düngers BSE - Erreger eingeatmet werden und / oder über eine Verunreinigung der Augen auf kürzestem Wege in das menschliche Gehirn gelangen können.

1995 berichteten Göttinger Wissenschaftler über anfängliche Verhaltensauffälligkeiten bei deutschen Creutzfeldt - Jakob - Patienten. Ähnliche Symptome, wie z. B. Depressionen, Angstzustände, Wutanfälle, Gedächtnislücken und Sehstörungen können auch bei der BSE im Menschen, der so genannten neuen Creutzfeldt - Jakob - Variante, auftreten. Deshalb wäre es angebracht, Menschen mit Gemütsveränderungen, die aus unerklärlichen Gründen schwere Verkehrsunfälle verursachen oder Tötungsdelikte begehen, auf das Vorliegen einer der vielen Creutzfeldt - Jakob -Varianten zu untersuchen.

Bereits in den achtziger Jahren wurden in Großbritannien BSE - ähnliche Krankheitsbilder bei Jagdhunden beschrieben. Seit 1990 sind zunehmend auch Hauskatzen, Pumas und Geparden betroffen. Bis heute geht man amtlicherseits der Frage nach der möglichen BSE - Gefährdung des Menschen durch Bissverletzungen aggressiver Tiere tunlichst aus dem Wege. Dabei ist es dringend erforderlich, BSE als Ursache psychischer Veränderungen und Beißattacken auszuschließen, statt durch Erziehungs- oder Vermittlungsmaßnahmen neue potentielle Gefahrenquellen zu schaffen.

Deshalb kann niemand vorhersagen, wie es weitergehen wird. Bisher gibt es kaum gesicherte Erkenntnisse über Größen der minimalen infektiösen Dosis, über die Auswirkungen wiederholter Expositionen, über Kofaktoren und Varianzen der individuellen Empfänglichkeit. Nach wie vor werden viele Tiere geschlachtet, die symptomlos infiziert sind und sich noch in der Inkubationszeit befinden. Auch diese Tiere stellen als Infektionsquellen ein Risiko unbekannten Ausmaßes dar. Außerdem lassen sich allzu leicht auch andere Tierarten infizieren, die ein erhebliches Infektionspotential bedeuten. Nicht tödlich mit BSE infizierte Menschen können Infektiosität anreichern und Empfänger ihres Blutes und ihrer Organe töten. Da ihre Infektionsträger bereits an den Menschen angepasst sind, können sie die Krankheit mit wesentlich kürzeren Inkubationszeiten übertragen. Es sieht nicht nach einer Abnahme des BSE - Problems aus, sondern nach einer schwer abschätzbaren Dauerproblematik mit vielen menschlichen Opfern. Deshalb ist es dringend notwendig, alle möglichen BSE - Quellen ohne Scheuklappen zu untersuchen.

Konfliktverlauf an der Arbeitsstelle

Als teilzeitbeschäftigte angestellte Fleischhygienetierärztin des Kreises Segeberg im Fleischhygieneamt Bad Bramstedt war ich überwiegend im Schlachthof der Norddeutschen Fleischzentrale, auch NFZ genannt, für die Lebenduntersuchung der Schlachttiere im Stall zuständig. Festgelegt durch gesetzliche Vorgaben des Fleischhygienegesetzes war es meine Aufgabe, die etwa 60 pro Stunde angelieferten Rinder als gesund, krankheitsverdächtig oder krank einzustufen. Die von mir als gesund beurteilten Tiere wurden unverzüglich zur Schlachtung freigegeben, die anderen Rinder vorläufig beschlagnahmt. Für die weiteren Untersuchungen und Beurteilungen aller geschlachteter bzw. getöteter Rinder waren überwiegend andere im Fleischhygieneamt angestellte Tierärzte und Fleischkontrolleure zuständig, sofern keine tierseuchenrechtlichen Bestimmungen bei der Beurteilung beanstandeter Tiere zum Tragen kamen. Für die Untersuchung und Beurteilung seuchenkranker oder seuchenverdächtiger Rinder waren die beamteten Tierärzte des Segeberger Kreisveterinäramtes zuständig.

Im Sommer 1990 wurde von mir das erste Rind mit traberartigen Bewegungsabläufen bei der Lebenduntersuchung beobachtet. Da wir zu diesem Zeitpunkt keine eindeutige klinische Diagnose stellen konnten, war ich sehr beunruhigt, zumal ich ahnte, dass es sich möglicherweise um eine BSE - Erkrankung handeln könnte. Um an fachliche Informationen zu gelangen, begann ich kurz danach mit umfangreichen wissenschaftlichen Literaturarbeiten über BSE und Creutzfeldt - Jakob - Erkrankungen.

Als einige Tage später 3 Rinder wegen BSE - Verdachtsmomente von mir vorläufig beschlagnahmt wurden, die dann später von den vorgesetzten Tierärzten zur Schlachtung freigegeben wurden, wurde mir klar, dass ich im Fleischhygieneamt eine genaue Diagnoseabklärung nicht ohne weiteres erreichen würde.

Also änderte ich meine Taktik, als an einem Augusttag 1990 die BSE - Verdachtstiere Nr. 5 - 7 von mir vorläufig beschlagnahmt wurden. Um endlich eine ordnungsgemäße Verdachtsabklärung zu sichern, holte ich mir telefonisch Informationen über BSE sowie Rückendeckung von Herrn Prof. F., Direktor des Tiergesundheitsamtes in Hannover. Dabei erfuhr ich, dass der damals für die BSE - Laboruntersuchungen zuständige Pathologe in Hannover, Herr Prof. P., sich bereits in England mit den Untersuchungsmethoden vertraut gemacht hatte, da man amtlicherseits bereits im Jahre 1990 mit BSE - Erkrankungen deutscher Rinder gerechnet hatte.

Sicherheitshalber wurden 2 Rinderköpfe durch einen Boten des Tiergesundheitsamtes Hannover abgeholt. Herr Prof. P. führte dann Laboruntersuchungen durch, die nicht in jeder Hinsicht dem aktuellen Wissenschaftsstand entsprachen. Von mir erbetene Mäuseversuche wurden abgelehnt. Aus heutiger Sicht haben trotz allem Laborbefunde meinen klinischen BSE - Verdacht bei beiden Rindern erhärtet. Auf Anweisung meiner Vorgesetzten wurden die Tiere für den Handel freigegeben und der Verbraucherschutz aus meiner Sicht erneut vernachlässigt.

Anfang Januar 1991 wurde BSE - Verdachtsfall Nr. 8 meiner direkten Einflussnahme entzogen und von den Vorgesetzten ohne eingehende Laboruntersuchungen gemaßregelt. Um die Tierärzteschaft für BSE - Gefahren zu sensibilisieren, habe ich im Januar 1991 in der „ Rundschau für Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung “ einen Fachbeitrag mit dem Thema „ BSE - Alte Krankheit mit neuer Problematik “ veröffentlicht.

Da ich nach Anzeige des 9. BSE - Verdachtes Ende Februar 1991 ein weiteres Vertuschungsmanöver befürchten musste, habe ich zunächst telefonisch Verbindung mit Herrn Prof. S und Herrn Prof. Sch. von der Rinderklinik der Tierärztlichen Hochschule Hannover aufgenommen. Es wurde vereinbart, dass das lebende Rind zwecks umfangreicher Diagnostik nach Rücksprache mit dem Segeberger Veterinäramt von der Rinderklinik übernommen werden sollte. Während meiner Abwesenheit entschloss man sich später zur Schlachtung in Bad Bramstedt und ließ das Tier ohne genaue Feststellung der Krankheitsursache in den Handel gehen. Kurz danach wurde mir von einem Kollegen vertraulich mitgeteilt, dass meine Vorgesetzten in Zukunft Maßnahmen ergreifen werden, um den amtlichen Nachweis einer BSE - Erkrankung zu verhindern.

Im März gleichen Jahres habe ich auf Einladung des Tierärztlichen Arbeitskreises für Fleischhygiene im Vortragsraum der Norddeutschen Fleischzentrale einen Vortrag mit dem Titel „ Rinderwahnsinn ( BSE ) eine neue Gefahr ? “ gehalten. Interesse, Betroffenheit und aggressive Resonanz waren groß. Aber auch diese Warnungen und Interventionen führten nicht dazu, dass BSE - Verdachtsmomente endlich im eigenen Hause zuverlässig abgeklärt wurden.

Im Mai 1991 wurde BSE zur anzeigepflichtigen Seuche erklärt ! Ich wurde teilweise zu körperlich schweren Schlachtbandarbeiten eingeteilt, wo ich u. a. Schlachterarbeiten, wie z. B. das Abschneiden von Nieren und Rinderschwänzen, durchführen musste. Da klinische BSE - Verdachtsmomente nur am lebenden Rind im Stall beobachtet und dokumentiert werden können, wurde ich auf diese Art „ ins Abseits geschoben “.

Im Juni 1991 veröffentlichte die Fachzeitschrift „ Der praktische Tierarzt “ nach einigem Zögern des Herausgebers meine Übersichtsarbeit „ BSE und andere spongiforme Enzephalopathien “. Die nationale und internationale Resonanz war sehr groß. Sonderdruckanforderungen und Briefe aus dem In- und Ausland erreichten mich über das Fleischhygieneamt. Nachdrucke dieser Arbeit erschienen u. a. in der „ Rundschau für Fleischhygiene und Lebensmittelüberwachung “ und in einer ungarischen Fachzeitschrift. Somit hatte ich erneut die Tierärzteschaft nachdrücklich auf mögliche aktuelle und langfristige BSE - Gefahren hingewiesen, obwohl es auch zu diesem Zeitpunkt nicht opportun war, zu behaupten, dass BSE für Mensch und Tier gefährlich sein könnte.

Anlässlich der Meldung meines 14. BSE - Verdachtsfalls beschlossen die vorgesetzten Tierärzte, dass in Zukunft innerbetrieblich abgestimmt werden soll, ob eine BSE - Verdachtsmeldung an das für die Tierseuchenbekämpfung zuständige Veterinäramt des Kreises Segeberg weitergegeben werden soll.

Nachdem die meisten BSE - kritischen Stimmen der Veterinäre erfolgreich unterdrückt wurden, traten zunehmend opportunistische humanmedizinische Wissenschaftler in Erscheinung, die wenig Kenntnisse über die tierischen BSE -Varianten hatten, jedoch zu dem Zeitpunkt bereit waren, im Sinne der damals betriebenen Landwirtschaftspolitik zu bestätigen, dass „ BSE mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für den Menschen ungefährlich ist “. Es ging den Verharmlosern nicht um Aspekte des Verbraucherschutzes, sondern darum, dass es ihrer Karriere förderlich war, eine politisch gewünschte Meinung zu vertreten.

Um diesem verantwortungslosen Geschehen im Rahmen meiner Möglichkeiten entgegenzuwirken, habe ich zusammen mit dem Kieler Neurologen und Psychiater Prof. Dr. M. im Januar 1992 einen Fachbeitrag mit dem Titel „ Spongiforme Enzephalopathien bei Mensch und Tier “ in der „ Therapiewoche Neurologie Psychiatrie “ veröffentlicht. Auch nach Erscheinen dieser Übersichtsarbeit war die Resonanz der Fachwelt beachtlich.

Nach Meldung meines 19. BSE - Verdachtsfalls wurde ich am 27.03.1992 zu einem Gespräch mit dem Landrat G. und dem Personalchef Ö. in das Segeberger Landratsamt gebeten. Dabei habe ich auf Hygienemängel in Bad Bramstedt und auf aktuelle BSE - Gefahren für Mensch und Tier hingewiesen. Ausführlich wurde über meine Zusammenarbeit mit anderen kritischen BSE - Fachleuten diskutiert. Mein Vorhaben, weiterhin ein neurologigisches Verfahren für die Untersuchung BSE - kranker und BSE - verdächtiger Rinder unter Schlachthofbedingungen auszuarbeiten, wurde gutgeheißen. Der Landrat versprach mir für die Zukunft persönliche Unterstützung.

Kurz danach wurde ich erneut gegen meinen Willen teilweise im Schlachthallendienst eingesetzt und somit der Möglichkeit beraubt, weitere BSE - Verdachtsfälle lebender Rinder zu melden. Mir wurde nahe gelegt zu kündigen oder Wohlverhalten zu zeigen. Da ich diesen Empfehlungen nicht nachkommen wollte, verstärkte man die bisher schon üblichen schikanösen Verfahrensweisen.

Im Vertrauen auf die zugesagte Unterstützung meiner obersten Vorgesetzten habe ich in einem Brief, datiert am 31.03.1992, unserem Personalchef Herrn Ö. folgendes mitgeteilt :

„ Seit ungefähr einem halben Jahr mache ich wechselweise Dienst im Stall und am Band. Nachdem ich mich einige Jahre ausschließlich mit der Lebenduntersuchung beschäftigt hatte, wurde mir die Änderung mitgeteilt und ich hatte sie zu akzeptieren. Ebenfalls am Montag gab ich meinem Chef vorsichtig zu bedenken, dass es meiner Gesundheit nicht gerade zuträglich sei. Daraufhin wurde mir mitgeteilt : „ Ich müsse mir meine Rückversetzung in den Stall erst verdienen “. Etwas später legte ich ihm 2 Atteste, die für den Gutachter gedacht waren, vor ( Fotokopien in Anlage ). Er nahm sie ohne Worte zur Kenntnis, änderte den Dienstplan aber nicht.

Am folgenden Tag habe ich darauf bestanden, im Stall eingesetzt zu werden. Schließlich führte ich an, dass der Landrat mir erlaubt habe, BSE - verdächtige Tiere von 2 unabhängigen Stellen untersuchen zu lassen und dass ich diese Tiere ja nur im Stall ausfindig machen könnte. Daraufhin hat er mir mitgeteilt, ich solle mir wegen Unbrauchbarkeit eine neue Stelle suchen. Einen Informationsanruf bei Ihnen hielt er nicht für nötig und weder Sie noch der Landrat hätten über diese Angelegenheit zu befinden. Also wurde ich an das Schlachtband zurückbeordert.

Nun wollte ich Sie fragen, ob Sie meine Rückversetzung in den Stall veranlassen können ? Am kommenden Montag habe ich einen Gutachtertermin in Bad Bramstedt und nachmittags einen Termin bei einem Kieferspezialisten in Hamburg. Ich möchte den Tag frei nehmen. Vorsorglich möchte ich Sie um eine mögliche Hilfestellung ersuchen, da ich damit rechnen muss, dass mir dort Schwierigkeiten gemacht werden.“

Eine Reaktion auf das Schreiben erfolgte nicht.

Inzwischen gab es neben der Diskussion über mögliche Gefahren durch die Schlachtung BSE - verdächtiger Rinder allgemeine hygienische und personelle Probleme im Fleischhygieneamt. Mehrfach wurden diese Vorkommnisse, meistens erfolglos, von mehreren Kollegen an höhere Instanzen gemeldet.

Am 23.04.1992 wandte ich mich schriftlich an die Segeberger Gesundheitsdezernentin, Frau A., und gab ihr den Inhalt einer „ Strafarbeit “, die ich auf Veranlassung von Herrn Dr. B. schreiben musste, mit folgendem Text vorsorglich zur Kenntnisnahme :

„ Am 21.04.92 hielt ich mich während der offiziellen Schlachtpause ( = Frühstückspause ) etwa 10 Minuten zur Information meiner Kollegen über die Ergebnisse der Schlachttieruntersuchung im Tierärztezimmer auf. Dabei wurde mir eine Tasse Kaffee angeboten. Üblicherweise verbringen die Herren Dr. L. und L. ( Fleischkontrolleur ) während der meistens halbstündigen Schlachtpause regelmäßig beim Stalldienst die Frühstückszeit nicht im Stall, sondern im Aufenthaltsraum der Fleischbeschauer.“

Und wieder erfolgte mir gegenüber keine Stellungnahme.

Am 29.04.1992 genehmigte mir der Kreis Segeberg die folgenden Nebentätigkeiten :

1.) Untersuchung und Auswertung der Übertragbarkeit tödlicher Gehirnerkrankungen bei Mensch und Tier

2.) Anfertigung wissenschaftlicher Fachbeiträge, Vorträge und Publikationen im Rahmen der Tierärzte- und Ärztefortbildung

Am 26.05.1992 verfasste ich ein Schreiben für die Segeberger Personalabteilung mit folgendem Inhalt :

„ Aufgrund eines Dringlichkeitsantrages ist mir eine Kur von der BfA für die Dauer von 4 Wochen in der Berolina - Klinik in 4972 Löhne 3 ( wegen Schmerzen an mehreren Gelenken - eig. Mittlg. ) bewilligt worden. Auch wenn der Beginn der Rehabilitationsleistung noch nicht bekannt ist, möchte ich es Ihnen anzeigen. Weiterhin möchte ich darum bitten, dass die von Frau A. und Herrn Ö. angebotenen Maßnahmen in unserem Stallaufenthaltsraum ( Anbringung von Lichtschutzfolien und Lärmschutzstreifen an der unteren Türinnenseite ) durchgeführt werden.

Bitte benachrichtigen Sie unseren Chef persönlich diesbezüglich. “

Es erfolgte keine Verbesserung meiner Arbeitsbedingungen im Stall, obwohl der Gemeindeunfallversicherungsverband Schleswig - Holstein bereits am 09.01.1990 meine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt hatte.

Stattdessen wurden während meiner Abwesenheit die von mir angebrachten Lärmschutzmanschetten an den Eisentüren der Rinderboxen ohne Kommentar entfernt.

Am 23.07.1992 schrieb ich krankheitsbedingt ( u. a. wegen einer Entzündung im Bereich einer Achillessehne ) einen Brief an den Fleischhygieneamtsleiter mit folgenden Fakten :

„ Bezugnehmend auf unser vorangegangenes Telefonat übersende ich Ihnen wunschgemäß 2 Bescheinigungen. Ich hoffe, dass Sie damit meiner Bitte um Stalleinsatz bis zum baldigen Termin beim Handchirurgen ( Bänderverletzung am Daumengelenk - eig. Mittlg. ) nachkommen werden.“

Anlage 2 : Feststellungsbescheid vom Versorgungsamt ( Grad der Behinderung 30, psychovegetatives Syndrom mit Neigung zur seelischen Verstimmung, Brustwirbel- und Lendenwirbelsäulensyndrom, Erhöhung der Herzschlagsfolge, Neigung zu Kieferhöhlenentzündungen )

Als ich auch nach einem zweiten „ Hilfeersuchen “, gerichtet an den Segeberger Personalratsvorsitzenden, trotz Hinweis darauf, dass ich mich wegen meines Behinderungsgrades auf eine ¾ Stelle habe setzten lassen müssen, keine Unterstützung bekam, wandte ich mich schließlich mit einem vom 30.08.1992 datierenden Schreiben an den Landrat und führte folgendes aus :

„ Ansonsten möchte ich auf Ihr Angebot, anstehende Fragen in Bezug auf den Rinderwahnsinn im eigenen Hause zu lösen, zurückkommen. Inzwischen gilt als bewiesen, dass eine Trennung der übertragbaren tödlichen Gehirnerkrankungen ( = TSE - Erkrankungen ) in menschliche und tierische Erkrankungsformen nicht akzeptabel ist, da es sich lediglich um Varianten einer Erkrankungsform handelt. Nach Verwendung eines aus Scrapie - infiziertem Schafhirn gewonnenen Tollwutimpfstoffes sind Menschen an der Creutzfeldt - Jakob - Krankheit erkrankt und verstorben. Die Ärzteschaft macht uns Tierärzten in einem umfassenden Memorandum den Vorwurf, dass eine Patientensicherheit in Bezug auf Anwendung von Medikamenten und Impfstoffen tierischer Herkunft nicht mehr gewährleistet ist, solange wir nicht auf das Vorkommen von TSE - Erregern untersuchen ( siehe Anlage 1 ). Da inzwischen vermehrt Schlachter, Schlachthauspersonal, Tierärzte, tierärztliches Hilfspersonal, Landwirte und Personal der Tierkörperbeseitigungsanlagen an der Creutzfeldt - Jakob - Krankheit verstorben sind, hat das Bundesgesundheitsamt bereits diesbezüglich genauere Untersuchungen eingeleitet.

Der größte Teil unserer Tierärzteschaft schweigt weiterhin zu dieser Problematik. Eine Meldung der anzeigepflichtigen BSE - Erkrankung unterbleibt, weil man den betroffenen Kunden nicht verlieren will. Da die meisten erkrankten Rinder zur Schlachtung kommen, können die BSE - Rinder nur anlässlich der Lebenduntersuchung an den Schlachthöfen ausgemacht werden. Nach der Schlachtung sind spezifische Veränderungen bei der Routineuntersuchung am Schlachtband nicht mehr feststellbar.

Vorsichtshalber werde ich weiterhin mit der juristischen Rückendeckung des Creutzfeldt - Institutes, mit Herrn Prof. M. ( Neurologe und Psychiater ) und mit Herrn Prof. G. ( Umweltwissenschaftler in Calgary ) agieren. Demnächst wird sich wahrscheinlich ein Kieler Neuropathologe unserer Gruppe anschließen und weitere Erkenntnisse und Ideen einbringen. Ein neuer BSE - Test, mit dem man Verdachtsfälle sicher abklären kann, ist noch in der Entwicklung.

Ich bemühe mich nun um ein neues neurologisches Untersuchungsschema, welches den Gegebenheiten der Schlachtviehlebenduntersuchung angepasst ist.

Zu meinem Bedauern wurde ich in den letzten Monaten häufig am Schlachtband und nicht im Stall eingesetzt. Außerdem werde ich seit langem bei jeder Gelegenheit von Herrn Dr. B. massiv unter Druck gesetzt, in der Hoffnung, dass er sich auf diesem Weg endgültig von mir trennen kann. Damit wäre aber ein kleines Problem unseres Chefs gelöst, aber an der brisanten Problematik für Verbraucher und Patienten wird sich nichts ändern.

Da ich aus dieser verfahrenen Situation keinen Ausweg sehe, habe ich es gewagt, mich direkt an Sie, verehrter Herr Landrat, zu wenden. Ich habe lediglich den Wunsch, gerecht behandelt und möglichst bald in den Stalldienst zurückversetzt zu werden, damit ich mich neben meiner ¾ Stelle weiterhin der aufgezeigten Problematik stellen kann.“

Eine Änderung der Arbeitseinsatzpläne wurde nicht veranlasst.

Im Dezember 1992 erhielt ich zusammen mit Herrn Prof. Dr. M., Sprecher des Kieler H. G. Creutzfeldt - Instituts, von der Abteilung der Neurowissenschaften der kolumbianischen Universität in Medellin eine Einladung für einen 3-wöchigen Arbeitsaufenthalt. Während der geplanten Untersuchungen und Vorlesungen, die sich mit der Humanmedizin beschäftigen, sollte geprüft werden, ob es sinnvoll ist, ein internationales Programm für die Erforschung der Enzephalopathien zu starten. Ein am 16.02.1993 eingereichter Sonderurlaubsantrag wurde von den Vorgesetzten genehmigt, trug aber keinen Eingangstempel. Zufällig war ich im Büro anwesend, als unsere Sekretärin den kompletten Originalantrag im Papierkorb „ entsorgte “. Auf meine Bitte hin wurden mir die Unterlagen von der Sekretärin freundlicherweise ausgehändigt und überlassen. Diese listige Vorgehensweise der Vorgesetzten sollte vermutlich meine fristlose Kündigung wegen unerlaubter Entfernung vom Arbeitsplatz bewirken, da man mir die Kongressteilnahme nur mündlich erlaubt hatte. Weil ich später die Dienstfreistellung nie hätte beweisen können, habe ich vorsorglich meine Kongressteilnahme absagen müssen.

Am 03.03.1993 wurde von mir Tier Nr. 20 mit BSE - Verdacht vorläufig beanstandet. Kurz danach rief ich den Segeberger Personalchef an, der an dem Gespräch mit dem Landrat teilgenommen hatte. Er bestätigte, dass die so genannte Landratsermächtigung für die Veranlassung weitergehender BSE - Laboruntersuchungen bei begründeten Verdachtsfällen weiterhin bestehe. Für die Durchführung der damals schon möglichen aussagekräftigen immunologischen Untersuchung hatte sich Herr Prof. D. vom Berliner Robert - Koch - Institut zur Verfügung gestellt, der mir bereits vorher genaue Anweisungen zur Untersuchungsmethodik gegeben hatte. Aber diese Zusatzuntersuchung wurde von den vorgesetzten Tierärzten verhindert. Anschließend wurde ich vom Beschauamtsleiter gezwungen, ohne Hilfsperson und personelle Sicherheitsmassnahmen Muskel- und Organproben für anderweitig durchzuführende Laboruntersuchungen zu nehmen, obwohl schon damals behördlich angeordnet war, dass das Tragen einer vollen Schutzkleidung ( geschlossener Kittel, dicke Gummihandschuhe, Schutzbrille und Mund - Nasenmaske ) bei der Untersuchung BSE - verdächtiger Rinder erforderlich sei. Einfache Schutzhandschuhe wurden mir erst ausgehändigt, als der Schlachtbandleiter der Norddeutschen Fleischzentrale plötzlich Zeuge der Auseinandersetzung wurde. Ich musste mich damals dieser Dienstanweisung beugen, da Gehaltszahlungen die einzige finanzielle Existenzgrundlage für meine Kinder und mich bedeuteten. Dieses Rind wurde von einer Bundesforschungsanstalt in Tübingen weitergehend feingeweblich mit möglicherweise ungeeignetem Gehirnmaterial untersucht. Das Tier erhielt bereits einen Tag nach der Schlachtung den Tauglichkeitsstempel, ohne dass Laboruntersuchungsergebnisse vorlagen. Angeblich sei diese Kuh nur brünstig gewesen, obwohl sie auch aus heutiger Sicht vermutlich als klinisch BSE - krank eingestuft werden muss.

Ungefähr im gleichen Zeitraum begannen meine Schlachtbandarbeitseinsätze auf einer vom TÜV ausgemusterten Hebebühne mit defekter Pneumatik. Da ich kaum noch körperlich in der Lage war, die Schlachtbandarbeit unter diesen zusätzlich erschwerten Bedingungen zu leisten, wandte ich mich mit einem Schreiben vom 18.04.1993 an den Leiter des Segeberger Kreisveterinäramtes und teilte ihm mit :

„ Vor einigen Wochen wurde an der Tierkörperbahn der Rinderschlachthalle der NFZ in Bad Bramstedt eine umgebaute Hebebühne neu installiert. Die tierärztliche Untersuchung der sich bisher kontinuierlich seitwärts bewegenden Rinderhälften wurde vom Hallenboden auf die Bühnenplattform verlegt. Der neue Arbeitsplatz weist z. B. folgende Mängel auf :

1. Infolge eines Pneumatikdefektes kommt es zu vielen unvorsehbaren Absenkungen der Bodenplatte, und wegen einer unzureichenden Verankerung der Haltesäule wackelt die gesamte Arbeitsbühne erheblich. Bandscheiben und Gelenke der Untersucher nehmen durch diese unzumutbare Stoßbelastung u. U. bleibenden Schaden.

2. Der ungesicherte Plattformzugang befindet sich zwischen den sich kreuz- und querbewegenden Rinderhälften und wird von diesen versperrt. Das Betätigen der Bühne geschieht durch 2 Fußschalter, die im Boden eingelassen sind und oft versehentlich betätigt werden. Was geschieht, wenn z. B. der Untersucher bei höchstem Plattformstand einen Unfall erleidet ? Soll das Rinderband erst ca. 30 Min. lang leer laufen oder soll nach Erklimmen und Herunterfahren des Arbeitskorbes erst das Schutzgeländer abgenommen werden ?

3. Der Bereich unter der Hebebühne ist nicht wie vorgeschrieben z. B. durch ein bewegliches Scherengitter abgesichert. Dicht an der Bühnenrückwand arbeitet ein Schlachter. Wird dieser oder ein anderer Mitarbeiter an diesem Engpass von der sich herabsenkenden Bodenplatte erfasst, kann es zu folgenschweren Verletzungen des Betroffenen kommen.

4. Laut Prüfbuch ist die Hebebühne nur für einen eng definierten Arbeitsbereich zugelassen und muss regelmäßig durch einen Weisungsbefugten oder durch die DEKRA kontrolliert werden. Nach Ab- und Umbauten erlischt die Betriebsgenehmigung. Es ist anzunehmen, dass in diesem Fall die neue Inbetriebnahme ohne TÜV - Zulassung erfolgt ist.

5. Bei Annäherung an den Arbeitskorb verhaken sich Vorder- und Brustbeine der Rinder an der Bodenplatte und / oder Schutzgitter und die Tierkörper verdrehen sich unvorherzusehender Weise nach links oder nach rechts. Durch so entstehende Berührungszonen zwischen den Rinderhälften bzw. zwischen Tierkörpern und Arbeitsplatzeinrichtung erfolgt eine unzulässige Keimübertragung auf alle geschlachteten Tiere, und das Verletzungsrisiko des mit dem Messer arbeitenden Tierarztes wird erheblich erhöht. Zusätzlich vergrößern sich beide Risiken durch die Anordnung von Herrn Dr. B., die sich oft ineinander verkeilenden Tierkörper manuell um ca. 360 Grad zu drehen. Bei einem Durchlauf von ca. 100 Rinderhälften pro Stunde ist dieses in der vorgegebenen Zeit kaum möglich.

6. In seinem Korb eingesperrt ist es dem Untersucher weder möglich, untere Tierkörperteile zu untersuchen, noch eine Arbeitsüberwachung der mitarbeitenden Fleischkontrolleure wahrzunehmen.

Am 07.04.1993 habe ich wegen des angeführten Gefährdungspotentials zunächst die Tierkörper vom Hallenboden aus untersucht. Bald darauf wurde ich von Herrn Dr. B. trotz angemeldeter Sicherheitsbedenken vor die Wahl gestellt, entweder auf die Bühne zurückzukehren, oder das Schlachtband sofort zu verlassen. Mit tiefer Einstellung der Bühne habe ich die weiteren Untersuchungen durchgeführt, was am folgenden Tag von Herrn Dr. B. gerügt wurde. Ein weiteres Gespräch vom 15.04.93 brachte keine Klärung der strittigen Standpunkte. Eine mündliche Zusicherung, dass die Anlage in dieser Form genehmigt sei, reicht mir nicht aus in Bezug auf die Haftungsproblematik.“

Im Antwortschreiben des Veterinäramtes vom 06.05.1993 wurde mitgeteilt :

1 . Die besagte Hebebühne ist zur ordnungsgemäßen Durchführung der Fleischuntersuchung erforderlich, da sonst bei den Rinderhälften im oberen Bereich keine ausreichende Besichtigung und Untersuchung erfolgen kann.

2 . Wie mir Herr Dr. B. sagte, ist die Plattform außer am Zugang ausreichend gesichert, der Zugang selbst ist schmal und muss offen bleiben.

3 . Gegebenenfalls vorhandene technische Defekte wären nach Bekanntwerden durch die NFZ zu beseitigen.

4 . Für arbeitsschutzrechtliche Belange ist der Betrieb bzw. die Berufsgenossenschaft zuständig. Ebenso kann ich mich zu den unter Punkt 4 Ihres Schreibens gemachten Bemerkungen nicht äußern, hier müssten Sie sich an die NFZ wenden.

5 . Ansonsten besteht durch das Auf- und Abfahren mit der Hebebühne die Möglichkeit, untere wie auch obere Tierkörperpartien den Vorschriften entsprechend zu untersuchen. Allein vom Hallenboden aus kann diese Untersuchung sicher nicht als ausreichend erachtet werden.

Dass hier wieder mit zweierlei Maß gemessen wurde, zeigt die Tatsache, dass Herr Dr. G. und Frau Tierärztin K. nach Aussagen eines Kollegen vom Hallenboden aus die Tierkörperhälften untersuchen dürfen und nicht auf der Hebebühne arbeiten müssen. Also blieb mir nichts anderes übrig, als mich anderweitig um eine Änderung meiner Arbeitsbedingungen zu bemühen.

Zunächst verfasste ich am 09.05.1993 an den berufsgenossenschaftlichen arbeitsmedizinischen Dienst in Kiel sinngemäß folgende Zeilen :

betrifft: Sicherheits-, Hygienemängel und Gesundheitsgefahren im Bereich der Schlachtanlage der Norddeutschen Fleischzentrale in Bad Bramstedt

Da trotz des beigefügten Schreibens vom 18.04.1993 an den Leiter des Veterinäramtes des Kreises Segeberg, Herrn Dr. S. eine Kontrolle der sich im Betrieb befindlichen Hebebühne noch nicht stattgefunden hat, möchte ich Sie um Hilfe ersuchen. Jedoch hat sich der ebenfalls von mir verständigte Vorsitzende unseres Personalrates in Segeberg bereits der Sache angenommen, da es sich ja wohl um das Erzwingen von Tätigkeiten auf einer unzumutbaren Arbeitsplatzeinrichtung seitens unseres Fleischhygieneamtsleiters Herrn Dr. B. handelt.

Die Angelegenheit drängt, da ich bereits krankhafte Veränderungen im Bereich des Bewegungs- und Stützapparates habe. Der Grad der Behinderung beträgt bei mir 30. Im Oktober 1992 habe ich beim Versorgungsamt in Lübeck einen Antrag auf Erhöhung des Behinderungsgrades gestellt, der noch bearbeitet wird. Mit unserer Betriebsärztin in Bad Segeberg, Frau Dr. H. - U., wurde vor einiger Zeit vereinbart, dass ich überwiegend im Stall und nicht am Band eingesetzt werden darf. Da die mit dem Dienst notwendigerweise verbundenen Gefahren im Rahmen der Fürsorgepflicht auf ein unverzichtbares Mindestmaß zu beschränken sind, muss ich Ihnen fernmündlich, wie auch dem Betriebsratvorsitzenden, einen Vorfall melden, auch wenn zu erwarten ist, dass Herr Dr. B., Frau Kollegin R. ( freiwillig ) und Frau Dr. D. ( erzwungenermaßen ) alles abstreiten werden.

Am 3. März 1993 wurde von mir während der Lebenduntersuchung der Schlachtrinder ein BSE - Verdacht aus- gesprochen. Am gleichen Tag wurde mit dem stellvertretenden Leiter des Segeberger Veterinäramtes, Herrn Dr. V., vereinbart, das Tier in der Notschlachthalle zu töten und den Kopf des verdächtigen Tieres am folgenden Morgen zwecks weitergehender Untersuchung ( Tollwut -, Aujeszky - und / oder BSE - Verdacht ) weiterzuleiten. Am 4. März erklärte mir unser Beschauamtsleiter Herr Dr. B., die Angelegenheit ginge ihn nichts an. Ich solle das Nötige im Auftrage der Segeberger Kollegen durchführen. Obwohl mein eigentliches Betätigungsfeld 50 m von der Notschlachthalle entfernt war, sagte er drohend zu mir : „ Ich solle aufpassen, dass ich im Stall kein krankes Tier übersehe “. Eine angeforderte weitere Hilfskraft könne er mir nicht zur Verfügung stellen, da keine vorhanden sei.

Kurze Zeit später traf ich Frau Kollegin Dr. D., die sich zunächst bereitwillig erklärt, mir bei den Untersuchungen zu helfen. Der Zusage zur Mithilfe hat sie dann anscheinend „ unter Druck “ von Herrn Dr. B. nicht nachkommen können. Ein Bestehen auf die Zurverfügungstellung von Gummischutzhandschuhen lehnte Herr Dr. B. zunächst ab, weil er das Tragen von diesen vor dem „ Notschlachter nicht begründen könne “, dafür könne er „ meine Weigerung “ sofort in Segeberg melden. Ich bestand auf die Herausgabe der Handschuhe und erhielt sie schließlich. Stattdessen musste in der BSE - Verdachtsuntersuchungsspanne von Dr. B., Frau R. und Frau Dr. D. Kaffee getrunken werden. 4 Wochen später erwies sich der BSE - Verdacht als unbegründet. Auf Tollwutverdacht konnte nicht untersucht werden, da Herr Dr. B. Kraft seines Amtes auf die übliche Tötung ( Bolzenschuss an der Stirn ) bestand und nicht bereit war, eine in diesem Fall geeignetere Methode anzuwenden. Wie beurteilen Sie dieses Verhalten ?

Nach einer brieflichen Information des Betriebsratsvorsitzenden über die Hebebühnenproblematik, datiert am 09.05.1993, wandte ich mich am gleichen Tage an die Segeberger Betriebsärztin und teilte ihr schriftlich mit :

„ Leider muss ich mich wieder an Sie wenden, da trotz eines Gespräches von Herrn Dr. S. mit Herrn Dr. B. keine Abhilfe der von uns aufgezeigten Hygiene- und Sicherheitsmängel erfolgt ist. Die theoretischen Ausführungen von Herrn Dr. S. erscheinen zunächst einleuchtend. Leider fand eine entscheidende Besichtigung und Prüfung der sich im Betrieb befindlichen Hebebühne nicht statt. Meine Kollegen Frau P. und Dr. L. wiesen mich noch auf die Tatsache hin, dass sich nach Verhaken des Gestänges unter den Ellbogenbereich kleiner Tierkörper die gesamte Rinderhälfte angehoben und sich von flachen Aufhängehaken lösen und auf den Tierarzt oder Mitarbeiter herabfallen kann. Laut Unfallstatistik soll zwei Mal jährlich ein Mitarbeiter durch herabfallende Rinderteile zu Tode kommen.

An den berufsgenossenschaftlichen und arbeitsmedizinischen Dienst in Kiel und an unseren Personalrat in Segeberg habe ich mich bereits gewandt. Ebenfalls gemeldet habe ich beiden Instituten, dass Herr Dr. B. mich am 04.03.1993 zunächst zwingen wollte, ein BSE - bzw. Aujeszky - Verdachtsrind ohne Schutzhandschuhe zu untersuchen. Im Oktober ist beim Versorgungsamt Lübeck von mir ein Antrag auf Erhöhung des Behinderungsgrades eingegangen. Bis heute liegt bei mir noch keine endgültige Entscheidung vor. Bitte nehmen Sie sich der Sache an. “

Und wieder wurden meine Arbeitseinsatzbedingungen nicht angemessen geändert. Es folgte eine Krankheitsspanne vom 16.04.1993 bis zum 07.11.1993, darin eingeschlossen ein Krankenhausaufenthalt in der Ostseeklinik Damp ( Schleswig-Holstein ). Die Diagnosen lauteten u. a. :

a ) Hypotone Kreislaufregulationsstörung

b ) LGL - Syndrom

c ) Unklare hypoglykämische Zustände

d ) Therapieresitentes Wirbelsäulensyndrom

e ) Bandverletzung im Bereich des rechten Daumens, vermutlich Arbeitsunfall

f ) Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule im Sinne einer Bogenschlussstörung S 1

g ) Beginnende Spondylarthrose in beiden präsakralen Segmenten

h ) Beginnende Iliosacralgelenksarthrose

i ) Morbus Köhler / Metatarsale II

Auf Anraten des Reichsbundes stellte ich wegen der zu erwarteten Kündigung einen Gleichstellungsantrag beim zuständigen Arbeitsamt, der am 19.10.1993 genehmigt wurde. Als Antragsgründe führte ich an :

a ) Therapieresistentes Wirbelsäulensyndrom

b ) Psychoterror, von Dr. B. ausgehend

c ) Körperverletzung im Amt durch Dr. B. ?

Zusätzlich fertigte auf meinen Wunsch Herr Priv. - Doz. Dr. H. von der Ostseeklinik Damp am 4.11.1993 eine Bescheinigung für das Segeberger Gesundheitsamt bezüglich der Arbeitsplatzproblematik an :

„ Aufgrund der orthopädischen und auch internistischen Krankheitsbilder halte ich medizinischerseits die Patientin für nicht mehr in der Lage, schwerste Arbeiten in Zwangshaltung zu verrichten. Im Gegensatz dazu wären leichte bis maximal mittelschwere Arbeiten, diese jedoch nur kurzfristig, möglichst in wechselnder Körperhaltung, im Sitzen, Stehen und Gehen mit den betriebsüblichen Pausen anzuraten. Insbesondere sollte darauf geachtet werden, dass schwere wirbelsäulenbelastende Arbeiten, die mit Zwangshaltungen verbunden sind, vermieden werden. “

Während sich die Zahl meiner Krankheitstage im Jahre 1992 nach dem Gespräch mit dem Landrat auf 45 belief, erhöhte sie sich im Jahre 1993 auf 273 Tage und später im Jahre 1994 auf 348 Krankheitstage. Infolgedessen war ich im Jahr 1994 krankheitsbedingt, wie auch im Jahr davor, nur ein einziges Mal in der Lage, einen BSE - Verdacht ( Nr. 21 ) am 23.02.1994 anzuzeigen. Den Arbeitseinsatz im Stall und nicht am Schlachtband hatte ich der Tatsache zu verdanken, dass die vorgesetzten Fleischhygienetierärzte wegen einer Fortbildungsveranstaltung außer Haus waren. Zu meiner persönlichen Absicherung zog ich sofort nach meiner BSE - Vermutungsdiagnose einen nebenamtlichen Fleischhygienetierarzt ins Vertrauen. Als anschließend, wie zu befürchten war, weitergehende Untersuchungen vom Segeberger Amtstierarzt Dr. W. abgelehnt wurden, und das Rind zwecks Schlachtung in einen Notschlachtbetrieb verbracht wurde, habe ich den dort zuständigen Tierarzt auf das Vorliegen eines BSE - Verdachtes hingewiesen mit der dringenden Bitte, diesem nachzugehen. Aber weder meine Bitte, noch drei Anrufe bei der Kreisverwaltung in Bad Segeberg konnten verhindern, dass das verdächtige Rind mit einer harmlosen Verlegenheitsdiagnose für den Handel freigegeben wurde.

In Briefen an die Segeberger Personalabteilung, an den Personalreferenten und den Kreisausschuss bat mein Hamburger Anwalt im Februar 1994 aufgrund meiner längeren krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit um eine Rückversetzung vom Schlachtband an den früheren Stallarbeitsplatz. Die Schlachtbandarbeit wird teilweise auf einer Hebebühne an einem kontinuierlich laufenden Band verrichtet und erfordert ein hohes Maß an Standfestigkeit, die u. a. wegen der Folgen meiner vorausgegangenen Fußgelenksoperation sehr eingeschränkt war.

Hinzu kam, dass für die Untersuchung der an Haken aufgehängten Rinder ein manuelles Drehen der ca. 200 bis 250 kg schweren Rinderhälften um ca. 360 ° mit einem sich am Zeigefinger der linken Hand befindlichen Muskelhaken erforderlich war, und sich in der rechten Hand ein großes Untersuchungsmesser befand. Auch nach diesem Anwaltsschreiben wurde auf meine beschränkte Einsatzfähigkeit bei der Einsatzplanung keine Rücksicht genommen.

Stattdessen musste ich mich auf Veranlassung des Arbeitgebers am 11.03.1994 einer orthopädischen Begutachtung unterziehen. Bei der Arbeitsplatzbesichtigung des Gutachters hatte der Beschauamtsleiter vorgegaukelt, dass ich 95 % der Arbeitszeit im Stall verbringe und nur 15 Min. Arbeit am Band auf der Hebebühne verrichte. Allein durch die Inaugenscheinnahme wurde vom Gutachter die Arbeit auf der Hebebühne als leicht eingestuft.

Wegen der ständigen Verschlechterung meines Gesundheitszustandes stellte mein Hausarzt ( Arzt für Betriebsmedizin ) schließlich am 29.02.1994 einen Wiedereingliederungsantrag, der bereits am 03.03.1994 abgelehnt wurde. Zusätzlich teilte der Segeberger Kreisausschuss in einem Schreiben vom 12.03.1994 mit, dass man sich weiterhin nicht imstande sieht, den Aufgabenbereich zu meinem Gunsten zu ändern und von mir die volle Übernahme der mir obliegenden Tätigkeiten erwartet.

Bereits am 02.05.1994 musste ich, nach einem kurzen Arbeitseinsatz, erneut eine ärztliche Bescheinigung einreichen. Darin wurde dokumentiert, dass ich aufgrund andauernder Lumbalbeschwerden und Schmerzen im Bereich der Iliosacralgelenke, die besonders bei Belastung, beim schweren Heben und extrem körperlichen Drehungen auftreten, zurzeit als Tierärztin am Band arbeitsunfähig bin.

Erneut wandte sich mein Hamburger Anwalt am 02.05.1994 an den Segeberger Kreisausschuss mit folgender Darstellung :

„ Bedauerlicherweise hat sich die Einschätzung des Gutachtens, dass die Wiederaufnahme der Arbeit am Band unschädlich sei, inzwischen als nicht zutreffend erwiesen, so dass der Arbeitsversuch nach Wiederauftreten der dauernden Rückenschmerzen abgebrochen werden musste. Die Fehleinschätzung des Gutachtens dürfte damit zusammenhängen, dass der erforderliche Krafteinsatz bei dieser Arbeit unterschätzt wurde. Dies gilt insbesondere für die Probenentnahme aus den mit weißen Zetteln markierten Rinderhälften, die zur Probenentnahme auf ein „ Abstellgleis “ gelangen, wo sie eng nebeneinander hängen. Es erfordert erheblichen Körpereinsatz, den für die Probenentnahme erforderlichen Raum zu schaffen. An diesem Platz müsste eigentlich eine Hilfskraft beigezogen werden, was bei anderen Mitarbeitern auch geschieht. Im Falle meiner Mandantin wurde aus hier nicht bekannten Gründen eine derartige Hilfestellung schon früher abgelehnt. “

Die Reaktion des Kreisausschusses kam relativ schnell mit einem Schreiben vom 04.05.1994, in dem auch weiterhin keine Veranlassung gesehen wurde, meine Arbeitssituation bezüglich meines Körpereinsatzes zu erleichtern.

Am 26.07.1994 richtete mein Anwalt erneut ein Schreiben an den Kreis Segeberg mit folgenden Textpassagen :

„ Ich komme zurück auf den früher geführten Schriftwechsel, in dem ich darum gebeten hatte, meine Mandantin, die bekanntlich aufgrund ihrer verschiedenen körperlichen Beeinträchtigungen einer Schwerbehinderten gleichgestellt ist, nur für solche Arbeiten einzusetzen, denen sie gesundheitlich gewachsen ist. Obwohl sich hierfür insbesondere die tierärztliche Lebenduntersuchung im Stall anbietet, wurde meine Mandantin nach grundsätzlicher Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit vorwiegend wieder am Band eingesetzt, was wegen der damit verbundenen schweren körperlichen Belastung jeweils wieder zu erneuter Arbeitsunfähigkeit aufgrund verschlimmerter Rückenbeschwerden geführt hat. Ich wiederhole deshalb hiermit erneut die Bitte meiner Mandantin, bei der Arbeitszuweisung auf ihren Gesundheitszustand Rücksicht zu nehmen. Bei ihren letzten Einsatz an dem ( inzwischen umkonstruierten ) Band hatte meine Mandantin neben tierärztlichen Tätigkeiten, zu denen noch das Herausschneiden und Sortieren von Nieren nach drei Qualitätsstufen zählen mag, die zusätzliche Aufgabe, für die NFZ alle Kuh- und Ochsenschwänze abzuschneiden und sie, wie auch alle Nieren, an ein parallel in ca. 3 m Entfernung laufendes Band anzuhängen. Ein Schwanz wiegt ca. drei Kilogramm. Abgesehen davon, dass die körperliche Belastung hierdurch im Falle meiner Mandantin wesentlich zur abermaligen Arbeitsunfähigkeit beigetragen haben dürfte, handelt es sich bei dieser Arbeit nach diesseitiger Beurteilung eindeutig nicht um tierärztliche Aufgaben, sondern um eine Tätigkeit, die von einem Bediensteten der NFZ auszuführen ist. Die Zuweisung derartiger sachfremder Zusatzaufgaben erscheint umso bedenklicher, als dadurch die den Tierärzten obliegende Überwachung der Fleischkontrolleure praktisch unmöglich gemacht wird. Wer ständig mit Ochsenschwänzen hin und her läuft, kann nicht gleichzeitig überwachen.

Meine Mandantin ist bekanntlich eine anerkannte Kapazität auf dem Gebiete der BSE - Problematik. Neben der hiermit nochmals angemahnten Rücksichtnahme auf den Gesundheitszustand meiner Mandantin wäre es deshalb auch aus generellen Gründen unverkennbar besonders sachdienlich, ihre speziellen Kenntnisse und Erfahrungen bei der Lebenduntersuchung der angelieferten Tiere einzusetzen. Stattdessen wird die Lebendüberwachung häufig Fleischkontrolleuren, die hierfür nicht ausgebildet sind, übertragen. Es darf darauf hingewiesen werden, dass der Verbraucher angesichts möglicher Gefahren, die vom Fleischverzehr ausgehen können, eine optimale staatliche Überwachung der Schlachtbetriebe erwartet und erwarten muss. Es erscheint zweifelhaft, ob dieses Erfordernis zur Zeit in Bad Bramstedt erfüllt ist. Wie Ihnen bekannt sein wird, wurde der Verdacht, dass dies nicht der Fall ist, kürzlich bereits in einer regionalen Fernsehsendung des Norddeutschen Rundfunks geäußert und von Tierärzten begründet. In dieses negative Bild würde es leider passen, wenn meine Mandantin weiterhin nicht entsprechend ihren besonderen Erfahrungen und Kenntnissen zur Erkennung der BSE - Erkrankung eingesetzt würde.“

Am 09.08.1994 wurde vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen in Kaltenkirchen das erste sozialmedizinische Gutachten erstellt. Im Gutachten wurde darauf hingewiesen, dass bereits vor Ablauf der 3-Jahresfrist eine erneute Kurmaßnahme über den Rentenversicherungsträger befürwortet worden ist. Außerdem hielt auch der Gutachter, neben der weiterhin bestehenden Arbeitsunfähigkeit, eine Arbeitsplatzumbesetzung für notwendig, um monotone Haltungen und einen starren Bewegungsablauf zu vermeiden und forderte, die Schwere der Tätigkeit dem Habitus der Patientin anzupassen.

Am 14.11.1994 schlug Chefarzt Dr. L. nach einem Aufenthalt in der Reha - Klinik Damp erneut eine innerbetriebliche Umsetzung vor. Die zweite MDK - Begutachtung am 22.12.1994 zog ebenfalls die Schlussfolgerung, dass eine Arbeitsplatzumbesetzung erforderlich sei. Diese Vorschläge kamen durch meine fristlose Entlassung im Dezember 1994 nicht mehr zur Anwendung.

Bekannt ist, dass Mobbing auch ein Anzeichen für eine ungesunde Betriebskultur ist. Normalerweise sollte es Aufgabe der Führungspersonen sein, die physische und psychische Gesundheit der Untergebenen zu schützen und deren Persönlichkeit zu achten. Leider entsprach dieses im Fleischhygieneamt Bad Bramstedt nicht der Realität. Kollegen und Schlachthofmitarbeiter wurden vom Fleischhygieneamtsleiter mehrfach aufgefordert, Kollegen zu bespitzeln. In Ungnade gefallene Kollegen wurden schikaniert, und viele nebenamtlich tätige Tierärzte mussten um die Anzahl ihrer Schichteinsätze fürchten. Andere, oft fachlich hoch qualifizierte, kritische Tierärzte reichten freiwillig die Kündigung ein.

Rückblickend musste ich feststellen, dass ich wegen der offiziellen BSE - Verharmlosungspolitik jahrelang gezielt und vorsätzlich vielen verschiedenen Mobbing - Maßnahmen ausgesetzt worden bin, mit dem einzigen Ziel, mich als BSE - Warnerin auszuschalten.

Rechtlich relevante Mobbing - Handlungen, denen ich ausgesetzt wurde, waren z. B. :

Herabsetzende und /oder entwürdigende Kritik an meiner Arbeitsleistung

Zwang zur Übernahme von sinnlosen oder kränkenden Arbeiten

Vorsätzliche Erschwerung der Arbeitsbedingungen

Erzwingen von gesundheitsschädlichen Arbeiten

Räumliche Abgrenzung von den Kollegen und andere soziale Ausgrenzungsversuche

Angaben des

Untersuchungszeitraums

Arbeitsunfähigkeitszeiten nach dem Gespräch

mit dem Landrat am 27. 03. 1992 und nach

Diensteinsatzänderungen

Anzahl der gemeldeten

BSE - Verdachtsfälle

Ab Sommer 1990 7 Tiere
1991 8 Tiere
1992 45 Tage


4 Tiere
1993 273 Tage 1 Tier
1994 348 Tage 1 Tier

Bespitzelungen durch Kollegen und Schlachthofmitarbeiter

Üble Nachrede, Verleumdungen und / oder wissentlich falsche Verdächtigungen

Mündlich ausgesprochene existenzielle Bedrohungen im Rahmen von persönlichkeitsfeindlichen Angriffen

Soziale Entwürdigungsversuche

Dass systematischer Psychoterror durch Mobbing in einer Grenze zur strafbaren Körperverletzung berührende Weise meine seelische und körperliche Gesundheit verletzt hat, beweisen das gehäufte Auftreten von verschiedenen gravierenden, teils irreversiblen Gesundheitsschäden ab dem Jahr 1990 und die zunehmenden Arbeitsunfähigkeitszeiten seit dem Gespräch mit dem Segeberger Landrat im März 1992 über die BSE - Problematik in Deutschland und in Bad Bramstedt :

Krankheitstage 1992 : 45

Krankheitstage 1993 : 273

Krankheitstage 1994 : 348

15.12.1994 fristlose Kündigung

Vergleicht man die von mir gemeldeten BSE - Verdachtsfälle ab Sommer 1990 bis zur fristlosen Kündigung im Dezember 1994 mit meinen Arbeitsunfähigkeitszeiten, lassen Hochrechnungen eine gezielte „ Vertuschung “ erahnen :

Ähnliche Erfahrungen mit der verharmlosten deutschen BSE - Problematik äußerte der Züricher BSE - Experte Dr. Markus Moser in einem Gespräch mit der Journalistin Gabriele Goettle ( Referenzmethoden / Zu Besuch bei einem BSE - Test - Experten, die tageszeitung 28.07.2003 ) :

„ Wir erwähnen Frau Dr. Herbst, die in Deutschland zu früh BSE diagnostizierte. Lebhaft sagt er : „ Der Punkt ist, dass sie es nicht beweisen konnte. Der Skandal ist, dass diese Fälle nicht korrekt untersucht worden sind, dass dem nicht nachgegangen wurde. Auffallend ist, dass sie ihre Beobachtungen mit einer ungefähren Frequenz von dem gemacht hat, was wir heute wissen. Als ich damals von der Geschichte erfuhr, da wusste ich nicht, spinnt da jemand oder hat da jemand wirklich was gesehen ? Und ich dachte, sie kann doch nicht die Einzige sein ? ! Ich hab dann später viele Anrufe gekriegt von Tierärzten aus Deutschland, die irgendwie … so wahnsinnig gelitten haben … , weil sie Fälle gesehen hatten und nun nicht wussten, ist es BSE oder nicht ? … Also diese x Tierärzte, die mich kontaktiert haben und die einfach eine extreme Angst hatten, weil sie natürlich genau gesehen und gemerkt hatten, wie kohärent das System war, hatten diese Angst andererseits nicht so ganz unbegründet, wie sich zeigt. … “

Rechtliche Auseinandersetzungen und der Gang an die Öffentlichkeit

Als ich die Ausweglosigkeit meiner vielfältigen Bemühungen um eine ordnungsgemäße BSE - Verdachtsabklärung erkannte, ging ich schließlich an die Öffentlichkeit. Deshalb berichtete ich im August 1994 in einer SAT. 1 -Fernsehsendung über die Art der Behandlung BSE - verdächtiger Rinder durch Vorgesetzte und über mögliche BSE - Einschleppungsmöglichkeiten und Verbreitungsrisiken. Außerdem hatte ich in Erfahrung gebracht, dass eine Vielzahl von billigen britischen Kälbern in Holland von deutschen Viehanlieferern aufgekauft und u. a. auf dem Schlachthof der Norddeutschen Fleischzentrale in Bad Bramstedt geschlachtet worden sind.

In dem „ Bericht des Ministers für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei des Landes Schleswig - Holstein zu den Vorfällen am Schlachthof Bad Bramstedt seit dem 20. Juli 1994 an den Agrarausschuß des Schleswig - Holsteinischen Landtages “, datiert am 05.10.1994, wird behauptet, dass ich an einem Fernsehbericht des Norddeutschen Rundfunks, ausgestrahlt am 20.07.1994, mit Vorwürfen in Bezug auf Hygienemängel des NFZ - Schlachthofes in Bad Bramstedt teilgenommen und über BSE berichtet haben soll. Diese Angabe entspricht nicht den Tatsachen.

Beachtenswert ist jedoch der folgende Vermerk in dem Bericht : „ 30.08.1994 - Fernsehsendung Einspruch mit Frau Dr. Herbst - M(inister) setzt sich mit Landrat des Kreises Segeberg in Verbindung “, zumal ich in der Programmvorschau auf meinen Wunsch hin unter Dr. Herbst ( H. G. Creutzfeldt - Institut ) Kiel aufgeführt worden bin. Kurz nach Erscheinen der Videotextvorschau wurde meinem Anwalt vom Kreis Segeberg per Fax mitgeteilt, dass ich mit meiner Kündigung rechnen müsse, wenn ich mich im Rahmen der Sendung als Fleischhygienetierärztin des Kreises Segeberg zu erkennen gäbe. Die Kündigungsandrohung im Vorfeld der Sendung war in meinen Augen nicht gerechtfertigt und wurde von mir als erneute „ Maulkorbmaßnahme “ bewertet, die mich amtlicherseits zum „ Schweigen “ veranlassen sollte. Auf die direkte Frage des Moderators Ulrich Meyer nach meiner Arbeitsstelle erwähnte ich schließlich den Arbeitgeber, da es in diesem Zusammenhang geboten war. Ein eindringlicher persönlicher Appell des Moderators vor laufender Kamera an den Landrat des Kreises Segeberg konnte die Kündigung vorerst abwenden.

Nachdem ich einige Zeit später den britischen BSE - Diagnoseschlüssel erhalten hatte, machte ich eine neue Bewertung meiner Untersuchungsbefunde. Als ich nunmehr mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch noch die Gewissheit bekommen hatte, dass sich meine Befürchtungen hinsichtlich der Schlachtung BSE - verdächtiger Rinder möglicherweise bewahrheitet hatten, machte ich erneut den Schritt in die Öffentlichkeit und berichtete über Vermutungen in einem stern TV - Beitrag, der am 16.11.1994 von Günther Jauch im RTL - Fernsehen moderiert wurde.

Während dieser Fernsehsendung erklärte der Vorsitzende des Niedersächsischen Landvolkverbandes, der auch an der SAT.1 - Sendung teilgenommen hatte, dass der Veterinärin gekündigt worden sei. Da ich das Kündigungsschreiben erst 4 Wochen später erhalten hatte, muss man davon ausgehen, dass bereits vorher infolge Absprachen auf Länderebene mit dem Bauernverband meine Kündigung eine beschlossene Sache war. Somit wurde einer EU - Vorgabe an das deutsche Gesundheitsministerium aus dem Jahre 1993 Folge geleistet, die beinhaltete, dass eine neue öffentliche Debatte über die BSE - Problematik gefährlich wäre, da sie dramatische Auswirkungen auf den Rindfleischverbrauch der gesamten Gemeinschaft haben könnte.

Es folgte im Dezember 1994, nach zwei „ Abmahnungen “, eine fristlose Kündigung. Aufgrund von BSE - Falschinformationen des Kieler Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Fischerei sowie entstellender Sachvorträge gelang es der Arbeitgeberseite dem Arbeitsgericht in Neumünster und dem Landesarbeitsgericht in Kiel schuldhafte Verhaltensweisen meiner Person glaubhaft zu machen. In diesem Zusammenhang wurde u. a. behauptet, dass die von mir beanstandeten Rinder BSE - frei waren. Diese Behauptung haben die Arbeitsgerichte als wahr bewertet und der Kündigung stattgegeben. Später haben das Landgericht in Kiel und das Oberlandesgericht in Schleswig im Rahmen einer Zivilklage des Schlachthofbetreibers diese Falschmeldungen erkannt und richtig gestellt.

Als Kündigungsgründe wurden wiederholte Verstöße gegen die Dienst- und Geschäftsanweisung des Kreises Segeberg angegeben, da „ die Klägerin grundsätzlich zur ( Amts - ) Verschwiegenheit über etwaige Missstände auf dem Schlachthof verpflichtet war “.

Nicht beachtet wurde die gesetzliche Bestimmung der Bundestierärzteordnung, wonach der Tierarzt gemäß § 1 berufen ist :

„ Den Menschen vor Gefahren und Schädigungen durch Tierkrankheiten sowie durch Lebensmittel und Erzeugnisse tierischer Herkunft zu schützen.’’

Übergangen wurde auch von den Arbeitsgerichten, dem zuständigen Ministerium und dem Kreis Segeberg die gegenüber der Allgemeinheit bestehende Verpflichtung, dass die Schweigepflicht des Tierarztes in Fällen wie diesen nicht besteht. Das ist in § 4 Abs. 2 der Berufsordnung der Tierärztekammer Schleswig - Holstein vom 30.11.1979 ausdrücklich geregelt. Sinngemäß heißt es dort :

Die Schweigepflicht besteht nicht, wenn öffentliche Belange die Bekanntgabe einer Feststellung erforderlich machen.

Außerdem hatten die Arbeitsgerichte, die über die Rechtmäßigkeit meiner fristlosen Kündigung zu befinden hatten, nicht berücksichtigt, dass es letztlich um das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit ging. Diesen gravierenden Fehler hat später das Landesarbeitsgericht im Wiederaufnahmeverfahren ausdrücklich hervorgehoben und für mich bisher folgenlos gerügt, obwohl im Urteil eine Reintegration empfohlen worden ist.

Während dieser Verhandlungen fühlte ich mich als Angeklagte, die als Bauernopfer herhalten musste, damit das Märchen von der BSE - Freiheit Deutschlands weiterhin verbreitet werden konnte. Auf die aus meiner Sicht ungerechtfertigten, nicht der Wahrheit entsprechenden, Vorwürfe der Gegenseite war ich überhaupt nicht vorbereitet. Den Vorschlag der Gegenseite, mir eine Abfindung in Höhe von ca. 20.000, -- DM zu zahlen, empfand ich zynisch, zumal mir als alleinerziehende Mutter meine bisher einzige finanzielle Existenzgrundlage durch die Kündigung entzogen wurde.

Als Auftraggeber der behördlichen Lebensmittelüberwachung hat der Verbraucher, bzw. der Steuerzahler, ein Recht auf wahrheitsgemäße Information. Auch diese Tatsache wurde ebenfalls außer Acht gelassen. Sollte Verbraucheraufklärung - in meinem Fall arbeitsgerichtlich als unnötige Verbraucherbeunruhigung bewertet - in Zukunft ein strafbewertes Delikt sein, haben Verbraucher auch weiterhin kaum einen Schutz vor verdorbenen Lebensmitteln, verharmlosten bzw. verschwiegenen Arzneimittelnebenwirkungen, Gefahren durch gentechnisch veränderte Futter- und Lebensmittel, Strahlungsschäden, Umweltzerstörung, Globalisierungsfolgen u.s.w. .

Bereits im Oktober 1994 wurde mir eine Schadensersatz- und Unterlassungsklage des Schlachthofbetreibers zugestellt. In der Klageschrift wurde u. a. beantragt, mich zur Zahlung eines Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu verurteilen, wenn ich weiterhin behaupten würde, dass auf dem Schlachthof der Norddeutschen Fleischzentrale in Bad Bramstedt hin und wieder BSE - auffällige Tiere ohne die notwendigen umfangreichen Untersuchungen normal geschlachtet werden und in den Verbrauch gelangen. Außerdem sollte ich dem Schlachthofbetreiber den entstandenen und künftig noch entstehenden Schaden ersetzen.

Die Klage wurde vom Landgericht in Kiel und vom Schleswig - Holsteinischen Oberlandesgericht in Schleswig zurückgewiesen. Die Urteilsverkündungen erfolgten am 19.01.1996 und am 23.05.1997. Sogar die Richter am Schleswiger Oberlandesgericht waren der Auffassung, dass es in Bad Bramstedt hinreichend BSE - auffällige Rinder gegeben haben musste : „ Von einem eindeutig negativen Ergebnis der Untersuchungen, mit denen das zuständige Kieler Ministerium sich und die Bevölkerung habe beruhigen wollen, konnte nicht die Rede sein. Danach konnte sich ( nicht nur ) für die Beklagte der Verdacht aufdrängen, dass den staatlichen Stellen im Einklang mit den fleischerzeugenden und fleischverarbeitenden Betrieben sehr daran gelegen war, einen amtlichen BSE - Nachweis wenn irgendmöglich zu verhindern.“ Außerdem dürfe nach Ansicht der Richter eine öffentliche Diskussion über Missstände in Bezug auf mögliche Gesundheitsgefahren für den Verbraucher nicht dadurch unterbunden werden, indem man den Informanten einem existenzvernichtenden Haftungsrisiko aussetzt.

Am 24.01.1995 leitete der Kreis Segeberg ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen mich wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Tierseuchengesetz ein. Als dem Kreis Segeberg anwaltlich nahe gelegt wurde zu überprüfen, inwiefern die anderen Bediensten des Veterinäramtes ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen sind und dem Landrat die Erstattung einer Strafanzeige wegen wissentlich falscher Verdächtigung angedroht wurde, erfolgte die Einstellung des Verfahrens.

Vertuschen war die Devise - Die Blindheit der Gesellschaft vor BSE

Obwohl die offensichtliche BSE - und Creutzfeldt - Jakob - Problematik nicht nur in Deutschland zur Realität geworden ist, wurde das Unterdrücken einer wahrheitsgemäßen und umfassenden Berichterstattung jahrelang von Tierärzten und verschiedenen Institutionen betrieben. Bereits 1994 hatte der Tierseuchenausschuss der Deutschen Tierärzteschaft die Devise herausgegeben : „ Überzogenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Rinderkrankheit BSE nicht das Wort zu reden. Die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Seuche seien ergriffen. Eine Einschleppung oder Weiterverbreitung in Deutschland sei sehr unwahrscheinlich.“ Die Folge war ein deutlich erkennbares Desinteresse gegenüber BSE. Der Öffentlichkeit wurden dürftige und fragwürdige BSE - Informationen präsentiert, weil man der Nation einhämmern wollte : „ BSE ist für den Menschen ungefährlich und in Deutschland gibt es keinen Rinderwahnsinn “.

Infolgedessen wurde durch meine fristlose Entlassung als Fleischhygienetierärztin im Jahre 1994 meinen Kollegen deutlich signalisiert, dass Tierärzte abgestraft werden, wenn sie BSE - Verdachtsfälle melden und nachdrücklich auf eine genaue Diagnoseabklärung bestehen, obwohl im OLG - Urteil bestätigt wurde, dass ich, in ärztlicher und wissenschaftlicher Verantwortung handelnd, in Anbetracht der für die Bevölkerung drohenden großen Gesundheitsgefahren, meinen wiederholt geäußerten und bisher nicht widerlegten BSE - Verdacht auch dann an die Öffentlichkeit bringen durfte, wenn dadurch die wirtschaftlichen Interessen des Schlachthofbetreibers geschädigt worden sein sollten. Weder die Bundestierärztekammer noch die Tierärztekammer Schleswig - Holstein haben versucht zu verhindern, dass meine Zivilcourage bei der Ausübung gesetzlich vorgegebener tierärztlicher Pflichten mit einer fristlosen Kündigung im Konsens zwischen Behörden und Industriekonzern bestraft wurde.

Am 3. September 1994 konnte man einem Bericht der Segeberger Zeitung entnehmen, dass auf dem Schlachthof der Norddeutschen Fleischzentrale in Bad Bramstedt über Monate hinweg gegen hygienische und tierseuchenrechtliche Bestimmungen verstoßen worden ist. In einem Untersuchungsbericht des Kieler Landwirtschaftsministeriums wurden umfangreiche Missstände bestätigt, aber angeblich keine BSE entdeckt. Im Vorfeld wurden die von mir geäußerten BSE - Verdachtsmomente nicht etwa nach Kräften abgeklärt, sondern in Hannover erhobene Laborbefunde mit eingeschränkter Aussagekraft für einen Bericht an das Kieler Landesparlament manipuliert, verharmlost und zur allgemeinen Beruhigung der Verbraucher missbraucht. Auf der Basis der sicheren Kenntnis dieser Verstöße wächst die Wahrscheinlichkeit, dass manche der verdächtigen Rinder tatsächlich BSE hatten. Da bis in höchste Stellen der hierarchischen Kette Mitbeteiligte an diesen Missständen herausgefunden werden können, ist das gemeinsame Bestreiten der Schlachtung BSE - verdächtiger Rinder als ein Akt der Notwehr anzusehen, zumal auch ein Sprecher der Kieler Staatsanwaltschaft nach 2 Razzien im Schlachthof im April 1995 bekannt gab, dass Fleischuntersuchungen in mehrerlei Hinsicht vorschriftswidrig durchgeführt worden waren.

Inzwischen haben Inspektoren des Lebensmittel- und Veterinäramtes der EU - Kommission in Deutschland erhebliche Untersuchungsmängel aufgedeckt. Die Kontrolleure waren von dem Umfang der Untersuchungen beeindruckt, stellten aber fest, dass es einen hohen Anteil autolysierter Proben gab, der zu falsch - negativen, also unkorrekten, Ergebnissen führte. Des Weiteren wurde erneut kritisiert, dass die Anzahl der in Deutschland als klinisch BSE - verdächtig gemeldeten Rinder im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten zu gering war. Auch diese Fakten lassen auf eine systematische Vertuschung schließen und tragen dazu bei, dass ständig neue Infektionsquellen für Mensch und Tier entstehen. Deshalb muss man vielen Tierärzten, die bereits in den neunziger Jahren klinische BSE - Symptome gesehen und nicht gemeldet haben, Verantwortungslosigkeit und mangelnde Zivilcourage vorwerfen.

Die „ BSE - Freiheit “ eines Landes war lange ein ökonomisch wertvolles amtliches Siegel. Deutschland hat es am 27. November 2000 eingebüßt. An diesem Tage meldete der Chefveterinär, Prof. Dr. Z. aus dem Bundeslandwirtschaftsministerium, einen am Tage zuvor amtlich festgestellten Verdachtsfall aus Schleswig -Holstein an die EU und an das Internationale Tierseuchenamt in Paris. Der Bundesrat hat dann am 16. Februar 2001 endlich zugegeben müssen, dass es sich bei der deutschen BSE - Freiheit um einen „ Wahn “, eine Illusion, gehandelt habe.

Das am 26. November 2000 BSE - positiv getestete Rind hat nicht nur diesen „Wahn“ beendet. Es hat zugleich eine mehr als zehn Jahre währende Blindheit des deutschen Überwachungssystems schlagartig aufgedeckt. Im Nachhinein muss man feststellen, dass man diese vorsätzliche Wahrnehmungsverweigerung „ in Sachen BSE “ frühzeitig hätte beenden können. Das behauptet der Statistiker Dr. Hans - Jochen Luhmann vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie ( Blieb der Rinderwahn jahrelang unentdeckt ? - Der Spiegel 47 / 2003, Seite 192 ). „ Das amtliche Monitoring war unprofessionell angelegt “, kritisiert Herr Dr. Luhmann. Anhand der realen BSE - Fallzahlen von 2001 hatte Herr Dr. Luhmann herausgefunden, dass eine frühe BSE - Untersuchung aller not- oder krankgeschlachteten Rinder bereits bei einem von 350 untersuchten Tieren zu einem positiven BSE - Fall hätte führen müssen. „ Hätte man schon in den neunziger Jahren gezielt Rinder aus einer solchen Risikogruppe untersucht, so wäre der erste BSE - Fall in Deutschland wahrscheinlich bereits 1991, spätestens aber 1994 ermittelt worden “, glaubt der Statistiker Dr. Luhmann.

Nach deutschem Recht besteht eine Amtspflicht zur Information und zum Handeln. Nach dem Grundgesetz ist der Staat verpflichtet, jedes menschliche Leben zu schützen. Diese Schutzpflicht ist umfassend und gebietet dem Staat, sich schützend und fördernd vor das Leben seiner Bürger zu stellen. Nach einem Bundesverfassungsgerichtsurteil genügt angesichts der Art und Schwere möglicher Gefahren bei der Verbreitung der Creutzfeldt - Jakob - Seuche bereits eine entfernte Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung, um diese Schutzpflicht auszulösen. Zwar besteht ein Ermessensspielraum der staatlichen Organe in Bezug auf die Zweckdienlichkeit von Maßnahmen, im konkreten Fall ist den beteiligten Behörden allgemein eine evidente Verletzung der im Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verkörperten Grundsatzentscheidung zur Last zu legen, da allein die staatlichen Organe in der Lage waren, dem Anspruch des Bürgers auf Schutz gerecht zu werden.

Öffentliche Anerkennungen und Preisverleihungen

Bereits im März 1996 wurde mir vom Vorstand der New Yorker Akademie der Wissenschaften die Mitgliedschaft aufgrund meiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen angeboten. Aus finanziellen Gründen musste ich leider dieses Angebot ablehnen.

Am 2. November 2001 erhielt ich beim Welt - Ethik - Gipfel in Kühlungsborn den Welt - Ethik - Preis für Zivilcourage. Diese Auszeichnung wurde mir „ für meinen frühzeitigen und unermüdlichen, wissenden und mutigen ethischen Einsatz für die Information der Öffentlichkeit über die Gefahren einer kurzsichtigen und daher rücksichtslosen Lebensmittelproduktion ( BSE ) “ zuerkannt.

Am 16. November 2001 durfte ich in Berlin den Whistleblower - Preis entgegennehmen. Verliehen wurde diese Auszeichnung von der deutschen Sektion der Juristen gegen Atomwaffen, der Vereinigung deutscher Wissenschaftler, der Ethikschutzinitiative und dem internationalen Netzwerk der Ingenieure und Wissenschaftler für globale Verantwortung. Zuerkannt wurde mir diese Auszeichnung für die Anerkennung meines Engagements und meiner Zivilcourage, entgegen den Weisungen des Arbeitgebers die Öffentlichkeit über BSE - Verdachtsfälle aufgeklärt zu haben und in Würdigung meiner dadurch erlittenen persönlichen und beruflichen Nachteile.

Eine weitere Ehrung wurde mir am 17. Oktober 2002 durch das H. G. Creutzfeldt - Institut in Kiel mit der Verleihung des Förderpreises für Zivilcourage zuteil. Einige Monate später wurde ich neben Herrn Prof. Fielmann als „ Mann des Jahres “ zur „ Frau des Jahres in Schleswig - Holstein “ gewählt.

Anlässlich des 26. Wissenschaftlichen Kongresses des Deutschen Ärztinnenbundes in Bad Salzuflen wurde ich im September 2003 mit der Anstecknadel „ Mutige Löwin “ geehrt.

Am 19. Februar 2009 Entgegennahme des Rückgrat-Preises der Liebe und Lütje Stiftung in Oldesloe.

Am 18. Oktober 2014 wurde mir von von der Solbach-Freise-Stiftung für Zivilcourage der 19. Preis der Stiftung überreicht.

Abgelehnte Petitionen und Verdienstkreuzanträge

Fakt ist, dass nicht nur die heutige BSE - und CJD - Problematik mir Recht gegeben hat, sondern dass auch angemessene Bekämpfungs- und Forschungsmaßnahmen viel zu spät mit einem ernormen Kostenaufwand eingeleitet wurden. Dennoch sind die Turbulenzen um meine Person nicht beendet. Über 200 Internet - Einträge unter „ BSE - margrit herbst “ beweisen immer noch das bundesweite Interesse an meinem persönlichen Schicksal. Ständig werde ich von vielen Bürgern, Wissenschaftlern, Pressevertretern und Institutionen des In- und Auslandes auf die allgemeine BSE / CJD - Problematik und insbesondere auf meinen persönlichen ,, Fall “ angesprochen. Viele Fernsehberichte ( z. B. Frontal, Monitor, Report Mainz ) sowie regionale und überregionale Zeitungen ( z. B. Zeitungen des Schleswig - Holsteinischen Zeitungsverlages, die Kieler Nachrichten, die Welt, die Berliner Zeitung, die Frankfurter Rundschau, der Kölner Stadtanzeiger ) haben über meine Situation berichtet und meine Zivilcourage gewürdigt. In vielen Leserbriefen hat sich unsere Bevölkerung mit Empörung über die „ Umstände “ meiner Entlassung geäußert, die Arroganz der daran beteiligten Behörden kritisiert und eine Entschädigung für das erlittene Unrecht gefordert.

Viele Eingaben, z. B. von der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler, einem Ärzteverband und einem medizinischen Dienst der Krankenkassen, blieben bisher erfolglos. Auch trotz Briefwechsel von vielen besorgten Bürgern mit dem Landrat, diversen Kieler Landesbehörden, dem Eingabenausschuss der Bundes- und Landesregierung, dem Bundespräsidenten und mit der EU - Kommissarin Frau Bonino wurde meine ungesetzliche Kündigung nicht zurückgenommen. Auch in diesem Fall bleibt ein systematisches Unbehagen an der Politik von demokratisch verpflichteten Regierungen.

Wegen mehrerer Anträge auf Verleihung des Bundesverdienstkreuzes und zunehmender Rehabilitationsforderungen einer kritischen und empörten Öffentlichkeit sollte ich im Jahre 2002 mit dem Bundesverdienstkreuz als eine Art Wiedergutmachung geehrt werden. Doch bevor die Kieler Staatskanzlei der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes zustimmen wollte, wurde ich mit einem zynischen „ Versöhnungsangebot “, unterbreitet von der Lübecker Bischöfin Warttenberg - Potter, konfrontiert. Ich sollte als Vorleistung die zu meinen Lasten ergangenen arbeitsgerichtlichen Entscheidungen akzeptieren und als Bezieherin einer sehr kleinen Altersrente, nach Frühverrentung wegen Dauerarbeitslosigkeit, auf Ansprüche gegen das Land Schleswig - Holstein und den Kreis Segeberg verzichten. Dadurch, dass von den Behörden der Versuch unternommen wurde, die Ordensverleihung zu einem Kuhhandel zu machen, um geschehenes Unrecht zum Nulltarif zuzudecken, hat man letztlich das Bundesverdienstkreuzverleihungsrecht in Frage gestellt.

Forderung nach einem deutschen Whistleblower - Schutzgesetz und Zahlung einer finanziellen Entschädigung durch das Land Schleswig - Holstein

Die Bekämpfung der Creutzfeldt - Jakob - Krankheit und des Rinderwahnsinns dürfte nur dann wirklich effektiv werden, wenn sich sehr viel mehr Fachleute als bisher dazu durchringen würden, diesbezügliche Missstände anzuprangern. Es ist das Gebot der Stunde, dass der Staat endlich die Meldung solcher Entdeckungen nicht mehr bestraft, sondern akzeptiert, angemessen handelt, verantwortliche Verharmloser zur Rechenschaft zieht und Opfer angemessen behandelt. Doch leider unterliegen die Taten von Politikern, Amtsträgern oder Unternehmen, die die Gemeinschaft rechtswidrig schädigen und dabei unterhalb der Strafrechtsgrenze bleiben, einem weitreichenden Verschwiegenheitsschutz. Deshalb möchte ich an dieser Stelle deutlich machen, dass wir auch in Deutschland dringend ein Whistleblower - Schutzgesetz brauchen, damit Menschen, die aus Gewissensgründen und aus Sorge um das Allgemeinwohl mit unbequemen Wahrheiten und Nachrichten an die Öffentlichkeit gehen, nicht systematisch Repressalien erleiden müssen und Existenzzerstörung und / oder Suizid ausgesetzt werden.

Obwohl sich die Kieler Landesregierung bisher geweigert hat, meine berechtigten Schadensersatzansprüche anzuerkennen, fordere ich erneut mit Unterstützung der Öffentlichkeit eine zufrieden stellende finanzielle Wiedergutmachung für die ungerechtfertigte Kündigung und die Zerstörung von wesentlichen Teilen meiner Existenzgrundlage. Deshalb wird auch heute nach dem demokratischen Rechtsempfinden großer Teile der Bevölkerung von der jetzigen Landesregierung erwartet, dass sie die Verantwortung für das Unrecht, das ich erleiden musste, übernimmt und handelt. Da die ,, Sache “ juristisch nicht nur aus meiner Sicht eindeutig ist, bin ich nach wie vor der Meinung, dass eine Rehabilitation in meinem Fall außergerichtlich möglich sein kann und muss, damit endlich in dieser peinlichen und beschämenden Angelegenheit ein versöhnlicher Schlussstrich nicht nur für mich, sondern auch für die Kieler Landesregierung gezogen werden kann.

Zum Schluss eine Feststellung von Jürgen Kühling, Richter am Bundesverfassungsgericht :

„ Das Recht schützt - auch bei uns - die dunklen Geheimnisse der Mächtigen “

BSE, Creutzfeldt-Jakob und Scrapie - Eine unterschätzte Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt

BSE, Creutzfeldt-Jakob und Scrapie – Eine unterschätzte Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt

Verfrühte Entwarnung

Die fortgesetzten Neuerkrankungen beweisen, dass die BSE-Problematik keineswegs unter Kontrolle ist. Meldepflichten werden umgangen, verdächtige Tiere rasch zur Schlachtung gebracht und in die Nahrungskette eingeschleust. Wahrscheinlichkeitsberechnungen lassen vermuten, dass systematisch eine TSE-Unterdiagnostik in Kontinentaleuropa betrieben wird und wurde. Nach einem EU-Gutachten aus dem Jahre 1999 zur Beurteilung der Risiken für eine BSE-Kontamination der menschlichen Nahrung soll das Infektionspotential eines einzigen BSE-Rindes ausreichen, um rund 400 000 Menschen zu exponieren. Da die Gefahr für alle Spezies mit der Zahl der vagabundierenden Erreger ständig steigt, nimmt auch die Anzahl der zu überdenkenden TSE-Infektionsrisiken zu.

Bis zur Feststellung des angeblich ersten BSE-Falles bei einem in Deutschland geborenen Rind haben Politiker, Behörden und Landwirtschaftsfunktionäre das BSE- und Creutzfeldt-Jakob-Problem vertuscht und notwendige Untersuchungs- und Forschungsprojekte verhindert. Somit ist den staatlichen Stellen eine evidente Verletzung der in dem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit verkörperten Grundsatzentscheidung zur Last zu legen.

Der statistischen Wahrscheinlichkeit nach müssen auch in Deutschland BSE-infizierte Menschen vorhanden sein. Zunehmend gibt es auch bei uns vertrauliche Hinweise auf Erkrankungen. Die Behauptung, dass in Deutschland bisher kein Patient an BSE im Menschen erkrankt ist, widerspricht jeglicher wissenschaftlicher Logik, zumal bereits experimentell nachgewiesen wurde, dass BSE nicht nur die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, sondern auch die sogenannte sporadische Form, die in Deutschland anzutreffen ist, verursachen kann. Es ist höchstwahrscheinlich, dass wir es auch in Deutschland mit einem unbekannten Reservoir von Menschen zu tun haben, die bereits infiziert sind, aber noch keine Krankheitserscheinungen zeigen.

Erreger und genetische Faktoren

Als Verursacher der TSE-Erkrankungen werden Prione oder Viren angesehen. Es handelt sich hierbei um kleinste, bisher nicht sicher identifizierte, hochinfektiöse Partikel. Nach Angaben kolumbianischer Untersucher müssen TSE-Erkrankungen den molekularen Tumorerkrankungen zugeordnet werden, die durch Genotoxine, genotoxische Proteine und / oder metabolotoxische Proteine ausgelöst werden. Nach oraler Aufnahme gelangen die Pathogene auf dem Blut- oder Lymphwege in Organe, wie z. B. Milz oder Lymphknoten, und schließlich über Nervenbahnen ins Gehirn. Dort erfolgt eine Umwandlung wirtspezifischer Proteine in krankheitspezifische Fibrillen bzw. Amyloide.

Über die Verteilung der Pathogene in den Geweben und Körperflüssigkeiten können noch keine endgültigen Aussagen gemacht werden, weil der Erregergehalt spezifischer Gewebe und Körperflüssigkeiten überwiegend durch den Infektionsnachweis im tierexperimentellen Übertragungsversuch auf eine andere Tierart erfolgen musste. Durch das Durchbrechen einer Speziesbarriere ergeben sich unkontrollierbare Empfindlichkeitveränderungen, die verbindliche Aussagen in der Bewertung der Versuchsergebnisse nicht zulassen. Unter Einbeziehung dieser Ungenauigkeiten wurden im Gehirn, im Rückenmark, in der Milz, im Darm, in den Tonsillen und in der Thymusdrüse hohe Erregerkonzentrationen gefunden.

Der Erregernachweis beim Rind gelang im Nervensystem, im Auge, im Nasenschleim, in der Plazenta und im lymphatischen System. Untersuchungen an Ziegen ergaben, dass das Scrapie-Agens nicht nur im Gehirn und in der Cerebrospinalflüssigkeit nachweisbar ist, sondern auch in Hypophyse, Nebenniere, Speicheldrüse, Milz, Pankreas, Leber und Muskulatur. Bei einer schwangeren Creutzfeldt-Jakob-Patientin wurde Infektiosität im Blutplasma, in Nabelblutleukozyten, in der Plazenta und im Kolostrum nachgewiesen .

Nach der experimentellen Übertragung der übertragbaren Nerzenzephalopathie und der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auf Hamster wurden im Corneaepithel hohe Infektiositätstiter nachgewiesen. Carotisblut Scrapie-kranker Mäuse erwies sich während der klinischen Phase der Erkrankung infektiös, das Serum bereits 18 Stunden nach einer intraperitonealen Inokulation. Ein weiterer früher Titeranstieg des Scrapie-Agens bei Mäusen wurde in den Organen des lymphoretikulären Systems nachgewiesen.

Trotz allem werden immer wieder Blut und Milch als erregerfrei bezeichnet. Es besteht kein Zweifel, dass TSE-Erreger mit einer Konzentration von 10³ bis 104 LD i.c. pro Liter Blut nachweisbar sind und zwar von der Zeit kurz nach der Infektion bis hinein in die klinische Phase der Erkrankung. Wenn man vor Testbeginn mit größeren Blutmengen eine biochemische Anreicherung oder eine Leukozytenisolierung durchführt, findet man auch Infektiosität. Variationen und Interaktionen zwischen Wirt und Agens werden genetisch beeinflusst. Bei vielen Erkrankungen wurden bereits verschiedene Mutationen nachgewiesen. Die TSE-Erkrankungen sind nicht nur infektiös, sondern auch vererbbar.

TSE-Erkrankungen

Den übertragbaren spongiformen Enzephalopathien werden u.a. zugeordnet:

  • die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJK),
  • die familiäre tödliche Insomnie (FFI),
  • das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS),
  • Kuru,
  • Scrapie,
  • die übertragbare Nerzenzephalopathie (TME),
  • die bovine spongiforme Enzephalopathie europäischer Rinder,
  • möglicherweise das Weaver-Syndrom süddeutscher Rinder,
  • das Downer-Syndrom der amerikanischen Rinder,
  • die chronische Auszehrung der Hirschartigen (CWD),
  • die übertragbare Katzenenzephalopathie (FSE),
  • möglicherweise die feline Dysautonomie,
  • die Jagdhundataxie,
  • der graue Tremor bei Mäusen,
  • spongiforme Enzephalopathien bei Pferden, weißen Tigern, Schweinen, Straußen, Hühnern und Eichhörnchen
  • sowie experimentell übertragbare Enzephalopathien.

Durchbrechen der Wirtsbarrieren

Die TSE-Erreger sind ohne weiteres in der Lage, natürliche Wirtsbarrieren zu durchbrechen. Dabei wurde das Scrapie-Agens nicht nur innerhalb der Gruppe der Wiederkäuer, sondern auch auf andere Tierarten und den Menschen übertragen. Beängstigend ist die extrem hohe infektiöse Potenz des Scrapie-Erregers. Bis zu 109 infektiöse Dosen kann 1 g Hamstergehirnsubstanz enthalten und somit de facto bis zu 1 Milliarde gesunde Hamster infizieren. Auch im Gehirn BSE-infizierter Rinder sind pro Gramm Rinderhirn durchschnittlich 104 Mäuse-infizierende Erreger festgestellt worden. Grundsätzlich kann eine Speziesbarriere durch eine intrazerebrale Verabreichung von 0,5 bis 100 mg infektiöser Gehirnsubstanz überwunden werden.

Neben der subkutanen, intramuskulären, intravenösen, intraperitonealen, intrazerebralen und intrauterinen Übertragung kommt dem oralen Infektionsweg eine besondere Bedeutung zu, da 0,02 bis 10 g infektiöser Gehirnsubstanz ausreichen, um eine TSE-Erkrankung innerhalb einer Tierart mit hoher Wahrscheinlichkeit zu übertragen. Eine Transmission auf eine andere Spezies kann durch orale Aufnahme von 6 bis 130 g infektiösem Gewebe induziert werden. Nach Verfütterung von 0,5 g infektiösem Hirngewebe konnte eine experimentelle Übertragung des BSE-Erregers auf Schaf und Ziege bestätigt werden.

Bei der Transmission auf eine andere Spezies verlängert sich die Inkubationszeit, und atypische Symptome und histopathologische Befunde erschweren die Diagnose. Erst nach der sekundären Übertragung innerhalb der neuen Empfängerart zeigen sich die klassischen Symptome und histopathologischen Veränderungen. Es können aber auch nach einer Transmission auf eine andere Spezies Erregereigenschaften verändert und nach Rückübertragung auf den Ausgangswirt in veränderter Form beibehalten werden. So verliert z. B. das Scrapie-Agens nach einer Nerzpassage seine Pathogenität für Mäuse, befällt jedoch nach einer Rinderpassage Scrapie-resistente Schaffamilien. Mögliche Erregerübertragungen von Schaf, Ziege, Schwein und Wild auf den Menschen sind beschrieben worden.

Durch das Erreger-Recycling in Nahrungsmitteln, Medikamenten und im Tierfutter werden weitere TSE-Erregergemische konzentriert, erneut Speziesbarrieren durchbrochen und weitere Populationen verseucht. Mutationen und Virulenzänderungen können nach speziesübergreifenden Serien- und Einzelpassagen in verschiedenen Wirten zu einem biologischen Supergau führen, der über zeitliche und räumliche Grenzen hinweg in unvorstellbare Dimensionen reichen kann.

Erregerresistenz

Unsere herkömmlichen Sterilisationsverfahren und Speisenzubereitungsarten reichen zur vollständigen Zerstörung der Pathogene nicht aus. Nach 24-stündiger Einwirkung von 160°C trockener Hitze lässt sich in infizierten Mausgehirnen noch Scrapie-Restinfektiosität nachweisen. Mit einer 1-stündigen Exposition bei 360°C trockener Hitze kann ebenfalls keine voll-ständige Inaktivierung aller TSE-Stämme erreicht werden. Auch extreme Gefrier- und Auftauvorgänge sowie eine 5 Monate lange Lagerung bei Minus 40°C führten zu keinem messbaren Infektiositätsverlust des Scrapie-Agens. Wohingegen 90%-iges Phenol und 2%-iges Hypochlorit in der Lage sind, den Scrapie-Erreger zu inaktivieren.

In den deutschen Tierkörperbeseitigungsanlagen werden keineswegs alle Erregerstämme abgetötet, da das Verarbeitungsgut lediglich 20 Minuten lang unter einem Druck von 3 bar auf 133°C erhitzt wird und bei uns, wie auch in Großbritannien, vor 10 Jahren auf den Einsatz von Lösungsmitteln verzichtet wurde. Höchstwahrscheinlich werden durch ein ständiges Recyclinggeschehen pathogene Erregerstämme unkontrollierbar selektiert und konzentriert.

Scrapie bei verschiedenen Tierarten

Scrapie ist eine weltweit verbreitete, seit 1732 bekannte, zentralnervöse Erkrankung der Schafe und Ziegen. 1883 wurde über Scrapie beim Rind und 1942 über Scrapie beim Pferd und bei Zootieren berichtet. 1990 waren bereits in Großbritannien 30% der Schafherden Scrapie-verseucht. Erstaunlicherweise konnte eine Scrapie-Infektion bei einem Versuchstier ausgelöst werden, dem infektiöse Substanzen aus einem jahrzehntealten, formalinfixierten Paraffin-block verabreicht wurden. Schon durch Berührungskontakte mit Scrapie-Mäusen konnten gesunde Mäuse infiziert werden.

Seit 1976 ist es in den Vereinigten Staaten verboten, Fleisch von Scrapie-befallenden und Scrapie-verdächtigen Schafen als Lebensmittel zu verwenden, weil sich Scrapie auf Menschenaffenarten übertragen lässt. Eine Häufung von Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen wurde in den östlichen Mittelmeerländern und in Nordafrika beobachtet, wo aus England importierte Schafhirne, Sehnerven und Augen verspeist wurden.

Nach einer Reihenimpfung von 18.000 schottischen Schafen gegen die Virus-krankheit Louping-Ill erkrankten 2 Jahre später 1.500 Impflinge an Scrapie, da eine Impfstoffcharge aus infiziertem Hirngewebe hergestellt worden war. Mindestens 14 Menschen verstarben in Indien nach Anwendung einer Scrapie-infizierten Tollwut-vaccine. Von Scrapie-Schafen begraste Weiden können noch 3 Jahre nach der letzten Beweidung gesunde Schafe infizieren. Da in die Erde vergrabene Gewebesubstanzen von Scrapie-infizierten Hamstern noch nach 3 Jahren eine erstaunlich hohe infektiöse Potenz aufweisen, muss das Lagern, Vergraben und Einpflügen infizierter und kontaminierter Tierkörper als recht problematisch angesehen werden.

Eine Übertragung des Scrapie-Erregers durch Schafkadaver, verseuchten Boden und infizierte Futtermittel auf amerikanische Weisswedelhirsche, Wapitis und Maultierhirsche wurde in-zwischen bestätigt. Trotz Warnungen der Tierärzte forcierte das kanadische Landwirtschaftsministerium den Ankauf Wapitis aus verseuchten Gebieten für die Wildbret-Industrie. Es ist durchaus möglich, dass wir von dort infiziertes Wildfleisch bezogen haben.

BSE

Nach Angaben mehrerer Autoren muss die Inkubationszeit bei Rindern zwischen ca. 1 Jahr und 30 Jahren liegen. Das bedeutet, dass viele infizierte, möglicherweise hochinfektiöse Tiere, während ihrer Lebenszeit gar nicht auffällig werden. Bislang erfolgte die labormäßige Bestätigung der klinischen BSE-Diagnose in Deutschland überwiegend bei 4- bis 6- jährigen Rindern, die möglicherweise auch durch Kontakt mit Nasenschleim oder Futterstaub, über Auge und Nase aufgenommen, zusätzlich infiziert worden sind.

In den deutschen Tierkörperbeseitigungsanlagen wurden keineswegs alle TSE-Erregersicher abgetötet, nachdem man auch bei uns auf den Einsatz von organischen Lösungsmitteln verzichtet hat. Gerade diese Mittel haben entscheidend zur Minderung des Infektionsrisikos der außerordentlich hitzestabilen Erreger beigetragen. Somit konnten potentiell infizierte Tierkörpermehle und Milchaustauscher für Kälber eine lawinenartige Verbreitung der TSE-Erreger in immer weitere Rinderherden begünstigen. Da auch Schweine-, Geflügel-, Wildtier- und Fischbestände mit potentiell infizierten Tierkörpermehlen gefüttert worden sind, muss ein diesbezügliches Infektionsrisiko endlich umfassend abgeklärt werden.

Das Prionics-Testverfahren bei geschlachteten Rindern gibt keine 100%-ige Sicherheit. Es lässt sich lediglich als verbraucherbesänftigende Maßnahme gut für das Marketing einsetzen. Sehr problematisch bei geschlachteten Tieren ist die Tatsache, dass bei der Anwendung von Bolzenschussapparat und anderen Schlachtwerkzeugen nachfolgende gesunde Rinder mit infizierten Gehirn- und Rückenmarkssubstanzen verunreinigt werden, ohne dass eine an-gemessene Desinfektion durchgeführt werden kann.

Bereits 1989 verlangte das Paul-Ehrlich-Institut vom Bundeslandwirtschaftsminister vergeblich unverzügliches Handeln, weil die Widerstandsfähigkeit des BSE-Erregers gegenüber den herkömmlichen Desinfektionsmaßnahmen extrem hoch ist und nicht nur Nervengewebe, sondern alle Gewebearten und Körperflüssigkeiten von befallenen Rindern als mögliche Infektionsherde eingestuft werden müssen. Somit könnten BSE-Erreger über Rinderseren und Rinderzellen, die bei der Impfstoffproduktion verwendet werden, unerkannt weiterverbreitet werden.

Dass Politiker durchaus über tödliche Gefahrenpotentiale in Kenntnis gesetzt worden sind, beweist ein Erlass des Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftsministers aus dem Jahre 1993. Darin werden Hochsicherheitsbedingungen für beamtete Untersucher bei der Obduktion BSE-verdächtiger Rinder vorgeschrieben.

Beim Schlachten der Rinder mit dem Bolzenschussgerät konnte bei 5 von 30 Rindern bereits 30 Sekunden später Hirngewebe in der Blutbahn nachgewiesen werden. Da dieses Gewebe auch bei asymptomatischen Rindern hochinfektiös ist, kann der Erreger bei der Schlachtung in die gesamte Blutbahn gelangen. Muskelfleisch enthält immer Blutgefäße, Nerven- und Lymphgewebe in unterschiedlicher Ausprägung. Da der BSE-Erreger mit den weißen Blutkörperchen transportiert wird, muss er auch in der Kuhmilch vorhanden sein. Somit sind Milch und Fleisch aus einem BSE-Betrieb möglicherweise höchst gefährlich. Wenn der BSE-Erreger enthalten ist, lässt er sich durch keine einzige technische Verfahrensweise oder Speisenzubereitungsart aus der Nahrungskette entfernen.

Gelatine ist in Nahrungsmitteln, Süßigkeiten, Kosmetika und Medikamenten enthalten. Sie wird aus Häuten und Knochen von Rindern und anderen Tieren gewonnen. Da das Ausgangsmaterial der Gelatine ebenfalls Blutgefäße und Nervengewebe enthält und die Verfahrensschritte bei der Herstellung BSE-Erreger nicht sicher abtöten, kann auch Gelatine nicht in jedem Fall erregerfrei sein.

Weitere Untersuchungen müssen abklären, welches erhöhte Erkrankungsrisiko durch das Verarbeiten von infizierten bzw. kontaminierten Fleischteilen, Schlachtnebenprodukten und Kadavern gegeben ist. Infiziertes Rinderserum, das in der Gentechnik, in der Kosmetik- und Pharmaindustrie, in der Forschung und in der Transplantationschirurgie Verwendung findet, darf als Risikofaktor nicht unterschätzt werden. Als weitere mögliche BSE-Infektionsquellen sind infizierte Fliegenlarven und -puppen zu betrachten, die per os Hamster infizieren können.

Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen

Die Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen treten sporadisch, endemisch oder familiär gehäuft auf. Bei familiären Erkrankungen wird häufig ein vorzeitiges Auftreten klinischer Symptome bei den nachfolgenden Generationen beobachtet. Im Zunehmen begriffen sind atypische und überlappende Krankheitsbilder. Neuerdings unterscheidet man zwischen dem Typ Jakob mit initialer Wesensänderung, dem Heidenhain-Typ mit cortikaler Blindheit, dem diffusen Typ und dem Brownell-Oppenheimer-Typ, der durch frühe Ataxien gekennzeichnet ist. Eine Sonderform stellt der panenzephalopathische Typ mit einer fulminanten Degeneration der weißen Substanz dar.

Bei der „ neuen CJD-Variante “, auch vCJD genannt, stehen Depressionen, Angstzustände und Wutanfälle im Vordergrund. Hinzu kommen Gedächtnislücken, Seh- und Gleichgewichtsstörungen. Schwachsinn und Muskelzuckungen treten erst später auf. Auch vor der Typisierung der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit im Mäusetest als BSE, war die potentielle Gefahr für den Menschen erkennbar. Bereits 1988 wurde berichtet , dass EEG-Auswertungen BSE-kranker Rinder ähnliche Veränderungen aufweisen, wie diejenigen von CJD-Patienten. 2002 lassen neue englische Untersuchungsergebnisse vermuten, dass die Ansteckung mit BSE nicht nur für die „neue“ CJD-Variante verantwortlich ist, sondern auch für „ herkömmliche “ CJD-Formen, die in den letzten Jahren stark zugenommen haben.

Erkrankungsfälle bei 12- und 13-jährigen Kindern können auf orale Erreger-Aufnahme mit der Baby- und Kindernahrung hinweisen und durch Verletzungen beim Zahnen und Zahnwechsel oder Kariesbefall begünstigt sein. Die experimentelle Übertragung auf dentalem Wege führte beim Hamster zum Nachweis hoher Konzentrationen infektiösen Materials im gingialen Gewebe und in der nervenreichen Zahnpulpa. Bei einem Übertragungsversuch der infektiösen dentalen Zahnpulpa wurden alle Versuchstiere infiziert. Dass Jugendliche bevorzugt an der neuen CJD-Variante sterben, lässt sich statistisch durch ihren höheren Verzehr von Burgern, Kebab und Fleischpasten belegen.

Schon 1985 wurde in den USA auf den nahezu statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit und dem Verzehr von Rinder- und Geflügelleber hingewiesen. Diese Patienten hatten einen übermäßigen Konsum von halbgarem Fleisch und einen erhöhten von Lamm- und Schweinefleisch. Weitere Risikofaktoren waren der Verzehr von Gehirnen wilder Ziegen und Eichhörnchen, die in Amerika als Potenzmittel verspeist wurden. 1997 brachten amerikanische Ärzte eine Anhäufung von 5 CJD-Fällen in einem einzigen Krankenhaus in Kentucky mit dem Genuss des traditionellen Gerichtes burgoo in Zusammenhang, welches aus mit Ei aufgeschlagenem Hörnchengehirn besteht und roh gegessen wurde.

Neue Untersuchungsergebnisse lassen befürchten, dass Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen bereits schon vor dem Ausbruch der BSE-Epidemie in England hervorgerufen wurden, weil dort bis November 1989 bis zu 10 % Rinderhirn ohne Deklaration dem Fleisch- und Wurst-warenangebot zugesetzt werden durfte und Babynahrung bis Februar 1989 Rinderhirn enthalten durfte.

Bluttransfusionen sind keineswegs so unbedenklich, wie lange Zeit offiziell beteuert wurde. Durch Verabreichung von Mutterblutplasma, Nabelblutleukozyten und Kolostralmilch einer schwangeren Creutzfeldt-Jakob-Patientin konnten Mäuse infiziert werden. Bei der 3. Mäusepassage der Kolostralmilch-Gruppe verkürzte sich die Inkubationszeit von ursprünglich 611 Tagen auf durchschnittlich 131 Tage und die Morbidität steigerte sich von ursprünglich 20 % auf 100%. Mit Patientenurin ließen sich ebenfalls Mäuse anstecken. Somit könnte auch die mehrfach beschriebene Übertragung durch infizierte Blutprodukte menschlichen Ursprungs und durch Geschlechtsverkehr eine stetige Zunahme der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankungen zur Folge haben.

Auch Hormonbehandlungen verschiedener Art stellen ein zunehmendes Risiko dar. Nach Behandlung kleinwüchsiger Kinder mit menschlichen Wachstumshormonen sind viele Patienten in Frankreich, Großbritannien, Brasilien, Neuseeland und in den Vereinigten Staaten gestorben.

In Australien verstarben 3 Frauen an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, nachdem sie wegen Sterilität mit Geschlechtshormonen menschlichen Ursprungs behandelt worden waren. Als weitere Risikogruppe sind Kraftathleten anzusehen, die infizierte Wachstumshormone zur Steigerung des Muskelwachstums zu sich nehmen. Diese Hormone wurden aus Hirnanhangsdrüsen von Leichen gewonnen und auf dem „ Schwarzen Markt “ verkauft.

Bereits 1977 wurde in Zürich die Übertragbarkeit der CJD von Mensch zu Mensch durch lege artis „ sterilisierte “ Hirnsonden in 3 Fällen nachgewiesen. Weitere Todesfälle wurden u. a. durch Transplantationen von Cornea und Dura, oculare Tonographien und chirurgische Eingriffe anderer Art hervorgerufen. Auch der Einsatz von mehrfach verwendeten chirurgischen und zahnärztlichen Instrumenten, Endoskopen, Gefäßkathedern etc. könnte ein zunehmendes CJD-Problem der modernen Medizin werden, weil die herkömmlichen Sterilisationsverfahren nicht ausreichen, um TSE-Erreger abzutöten, und diese Pathogene in der Lage sind, sich an Metall- und Plastikoberflächen ohne Infektiositätsverlust zu binden.

Risiken am Arbeitsplatz, wie z. B. in medizinischen Bereichen, dürfen nicht unerwähnt bleiben. Seit längerem ist bekannt, dass Personen, die Umgang mit Tieren oder tierischen Produkten haben, an der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung sterben. Auch bei diesen Fällen müssen mögliche nasale oder corneale Übertragungswege, z.B. beim Hantieren mit infektiösem Staub von Dünger, Futtermitteln und Mineralstoffen, in Betracht gezogen werden. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auffallend mehrere deutsche Creutzfeldt-Jakob-Opfer mit Dünger aus Rinderhornspänen zu tun hatten. Dieses Material wurde möglicherweise durch den Schlachtvorgang infolge des Einsatzes eines Bolzenschussgerätes mit BSE-Erregern verunreinigt. Beim Ausstreuen des staubigen Düngers könnte eine corneale und / oder nasale Infektion stattgefunden haben.

Eine weitere Gefahrenquelle in der Berufsausübung und im Verkehrsgeschehen könnten Creutzfeldt-Jakob-Patienten darstellen, die an Koordinationsstörungen, depressiven Verstimmungen und Sehstörungen leiden. Reale Objekte werden von ihnen in Farbe, Größe und Form verändert bzw. verzerrt gesehen, Entfernungen beim Autofahren nicht richtig eingeschätzt und Trugbilder wahrgenommen. Sollten Unfallverursacher zunehmend BSE-infiziert sein, müsste dieses endlich ein Anlass sein, u. a. die Ursachenfrage bei diversen „ungeklärten“ Unfällen von einem anderen Blickwinkel aus zu analysieren.

Des Weiteren wäre es im Rahmen einer Studie sinnvoll, Menschen mit „unerklärlichen“ Gemütsveränderungen, die aus der Sicht ihrer sozialen Umgebung plötzlich und unerwartet gefährliche Körperverletzungen, Tötungsdelikte, bzw. Suizid begehen, auf das mögliche Vorliegen einer Creutzfeldt-Jakob-Krankheit zu untersuchen.

Kuru

Am Beispiel des rituellen Kannibalismus, der auf Neuguinea die Kuru-Erkrankung durch Verspeisen eines Creutzfeldt-Jakob-Opfers verursacht hatte, wurde der Infektionsweg von Mensch zu Mensch nachhaltig beschrieben. Männer, die nur das Muskelfleisch der Verstorbenen gegessen hatten, verstarben nach etwa 25 Jahren.

Bürokratische Serientäter und das trügerische Prinzip Hoffnung

Wenn Politik auf den Plan tritt, verabschieden sich oft Vernunft und Wissenschaft. Deshalb wird uns seit vielen Jahren versichert, dass das Infektionsrisiko für den Menschen verschwindend gering sei, obwohl die Artenbarriere in mindestens 67 Fällen durchbrochen wurde, und die Erkenntnisse über die Gesamtheit der spongiformen Enzephalopathien alarmierend sind. Trotz allem fehlen viele wissenschaftliche Fakten, die es ermöglichen, sichere Aussagen über die Anzahl der eventuell latent TSE-Infizierten sowie über die Manifestationsrate dieser bis-her therapieresistenten Erkrankungen und ihrer Latenz- und Inkubationszeit zu machen. Der statistischen Wahrscheinlichkeit nach müssen auch in Deutschland BSE-infizierte Menschen vorhanden sein. Immer wieder gibt es auch bei uns von vielen Seiten vertrauliche Hinweise auf Creutzfeldt-Jakob-Patienten. Die Behauptung, dass in Deutschland bisher kein Patient an BSE im Menschen erkrankt ist, widerspricht jeglicher wissenschaftlicher Logik, zumal bereits experimentell nachgewiesen wurde, dass BSE nicht nur die neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, sondern auch die sogenannte sporadische Form, die in Deutschland anzutreffen ist, verursachen kann. Es ist höchstwahrscheinlich, dass wir es auch in Deutschland mit einem unbekannten Reservoir von Menschen zu tun haben, die mit verschiedenen Erregerstämmen bereits infiziert sind, aber noch keine Krankheitserscheinungen zeigen.

Deshalb kann niemand vorhersagen, wie es weitergehen wird. Bisher gibt es kaum gesicherte Erkenntnisse über Größen der minimalen infektiösen Dosis, über die Auswirkungen wiederholter Expositionen, über Kofaktoren und Varianzen der individuellen Empfänglichkeit. Nach wie vor werden viele Tiere geschlachtet, von denen etliche Tausende symptomlos infiziert sind und sich noch in der Inkubationszeit befinden. Auch diese Tiere stellen als Infektionsquelle ein Risiko unbekannten Ausmaßes dar. Außerdem lassen sich allzu leicht auch andere Tierarten infizieren, die erhebliches Infektionspotential bedeuten, da auch symptomfreie TSE-infizierte Schafe, Schweine und Hühner die Erreger weitergeben können.

Nicht tödlich mit TSE infizierte Menschen können Infektiosität anreichern und Empfänger ihres Blutes und ihrer Organe töten. Da ihre infektiösen Prion-Proteine menschlich sind, können sie die Krankheit mit wesentlich kürzeren Inkubationszeiten übertragen. Es sieht nicht nach einer Abnahme des TSE-Problems aus, sondern nach einer schwer abschätzbaren Dauerproblematik mit vielen menschlichen Opfern.

Es ist unverantwortlich, dass Hirnschwammerreger aus kommerziellen Gründen in immer neue Arten und Populationen eingeschleust werden. Infolge selten nachgewiesener Immunreaktionen und hoher Inaktivierungsresistenz können sie sich dort jahrelang unerkannt aus-breiten und weitere Lebewesen gefährden. Schlampereien, Falschdeklarationen, gewissenloser Betrug, mangelnde Konsequenzen und Sanktionen sowie ein absichtsvoll vertuschender verlogener und verantwortungsloser Umgang mit politisch unbequemen Wahrheiten treiben möglicherweise ein zynisches Spiel mit vielen Menschenleben. Von garantierter Lebensmittelsicherheit und zuverlässigen Schutz der Verbraucher kann nicht die Rede sein, nur von vagen Hoffnungen, dass nichts Schlimmeres passieren möge.

Eine Umorientierung auf den Gebieten der Forschung, der Tierzucht, der Fütterung, der Tierkörperbeseitigung, der Hygiene, der Nahrungsmittelgewinnung und der Medizintechnologie ist sofort erforderlich. Es wird höchste Zeit, dass sich neutrale Fachleute und nicht nur von Politik und Wirtschaft Abhängige dieses Gefahrenpotentials annehmen, damit dieses bislang tödlich verlaufende Seuchengeschehen nicht weiter bagatellisiert wird und die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Veröffentlichungen