Europäischer außenwirtschaftlicher Ausgleichs- und Stabilitätspakt/Clearing-Union

Aus Piratenwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

Der Vorschlag einer International Clearing Union von John Maynard Keynes 1940 wurde John Maynard Keynes von der britischen Regierung beauftragt, ein Modell einer Weltwirtschaftsordnung für die Nachkriegszeit zu entwickeln5. Durch die Weltwirt-schaftskrise nach 1929 und den Zweiten Weltkrieg war der internationale Warenverkehr mehr oder weniger zum Erliegen gekommen. Das internationale Finanzsystem war be-reits seit dem Zusammenbruch des Goldstandards 1914 von Instabilität geprägt und war nach dem Ersten Weltkrieg nur notdürftig wiederhergerichtet worden. Basierend auf den Erkenntnissen seiner wirtschaftswissenschaftlichen Arbeit entwickelte Keynes das Modell einer „International Clearing Union“ (ICU), die auf drei Grundelementen beruhen sollte.


1. Verrechnung in Weltwährung

Jedes Land sollte bei einer neu geschaffenen internationalen Clearing Stelle ein Konto unterhalten, über das alle seine Zuflüsse und Abflüsse im Rahmen der Außenwirt-schaftsbeziehungen abgewickelt und registriert würden. Als Verrechnungseinheit dieser Konten sollte eine neue internationale Währung namens Bancor dienen, die eigens als – von den nationalen Währungen unabhängige – Weltwährung geschaffen worden wäre. Damit wäre eine wichtige Schwachstelle aller bisherigen Weltwährungssysteme überwunden worden, die immer unter der Vorherrschaft der Währung des jeweils dominierenden Landes (bis dahin v.a. des Pfund Sterlings, seit dem des US-Dollars) standen bzw. stehen.


2. Freier Handel, kontrollierter Kapitalverkehr und Spielräume für die Wirtschaftspolitik

Das System sollte den Welthandel beleben, aber zugleich den nationalen Regierungen wirtschaftspolitische Gestaltungsspielräume lassen. Um mehr Planungssicherheit im Außenhandel zu gewährleisten, sollten die Wechselkurse aller Währungen in einem festen, aber mittelfristig anpassungsfähigen Verhältnis zum Bancor fixiert werden. Gleichzeitig sollte jedes Land die Souveränität über die eigene Geld- und Fiskalpolitik behalten, um nach eigenem Ermessen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung fördern zu können. Bei festen Wechselkursen und unterschiedlichen nationalen Geldpolitiken, d.h. Zinssätzen, musste der internationale Kapitalverkehr sehr stark eingeschränkt sein. Andernfalls hätten die Ersparnisse aller Länder immer im Land mit den höchsten Zinsen angelegt werden können, was zu dramatischen Kapitalbewegungen geführt hätte. Die ICU war damit das genaue Gegenteil des Systems des Goldstandards vor 1914, bei dem zwar freier Kapitalverkehr herrschte, die einzelnen Länder bzw. deren Zentralbanken aber keinen direkten Einfluss auf die Geldpolitik hatten

3. System für den Ausgleich der Leistungsbilanzen

Als drittes – und mit Blick auf den hier beschriebenen Konstruktionsfehler der EWU besonders instruktives – Grundelement war ein Sanktionsmechanismus für Leistungsbilanzungleichgewichte vorgesehen. Ein Land, das dauerhaft mehr importiert als exportiert, landet unweigerlich in einer Schuldenkrise, weil es sich das Geld für seine Importüberschüsse im Ausland leihen muss. Zur Durchsetzung ihrer Forderungen haben die Gläubiger den Schuldnerländern in der Regel harte Sparauflagen auferlegt. Die Importüberschüsse der Schuldnerländer sind aber eine logische Konsequenz der Handelsüberschüsse der Gläubigerländer, denn die Summe aller Handelsbilanzsalden auf der Welt ist definitionsgemäß null. Wenn also die Schuldner ihre Schulden zurückzahlen sollen, dann müssen auch die Gläubiger bereit sein, auf Handelsüberschüsse zu verzichten. Genau in diesem Sinne sah die ICU ein symmetrisches, auf den Ausgleich beider Seiten gerichtetes System vor. Die Länder mit einem Handelsüberschuss hätten am Jahresende auf ihrem Konto bei der ICU ein Guthaben, die Konten der Länder mit Handelsdefizit ein Soll ausgewiesen. Statt aber, wie allgemein üblich, ein Guthaben mit Habenzinsen und ein Soll mit Sollzinsen zu belegen, sollte genau das Gegenteil der Fall sein. Überschüsse, d.h. Guthaben bei der ICU, wären ebenso wie die Defizite durch eine progressive Strafsteuer entwertet worden, so dass im System eine Tendenz zum Gleichgewicht bestanden hätte. Guthaben und Defizite wären über die Zeit kumuliert worden. Außerdem wollte Keynes Obergrenzen für die Guthaben und Schulden bei der ICU festlegen. Als Obergrenze für die akkumulierten Guthaben und Schulden hatte Keynes die durchschnittlichen Exporterlöse eines Jahres im Sinn. Darüber hinausgehende Guthaben wären automatisch enteignet und den Währungsreserven der ICU zugeführt worden. Extreme Gläubigerpositionen hätten so gar nicht erst entstehen können und die Summe der weltweiten Auslandsschulden (d.h. der Defizite bei der ICU) wäre zugleich begrenzt worden. Neben diesen finanziellen Sanktionen hatte Keynes ein Bündel von wirtschaftpolitischen Sanktionen vorgesehen, die je nach Grad des Ungleichgewichts zur Anwendung gekommen wären. So hätte ein Überschussland z.B. durch expansive Fiskalpolitik die Gesamtnachfrage und damit auch die Nachfrage nach Importen steigern sollen. Eine andere Maßnahme wären deutliche Lohnerhöhungen gewesen, denn auch sie stärken die Nachfrage (nicht nur) nach Importen und senken die internationale Wettbewerbsfähigkeit eines Landes auf ein für den Rest der Welt erträgliches Maß.


Literatur / Quelle

Keynes, John Maynard (1941/1980): Activities 1940-1944: Shaping the Post-War World: The Clearing Union, in: The collected writings of John Maynard Keynes, Vol. XXV, Macmillan/Cambridge University Press, 1980, London/Cambridge.