Bundesparteitag 2010.2/Antragskommission/Anträge 2010.2/2010-11-05 - Sozialstaat 3.0 - bedingungsloses Grundeinkommen

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Antragsnummer

PP052

Einreichungsdatum

2010-11-05

Antragstitel

Sozialstaat 3.0 - bedingungsloses Grundeinkommen

Antragsteller

  • Michael Ebner

Antragstyp

Programmantrag

Antragstext

Der Bundesparteitag möge beschliessen, kein Positionspapier zum Thema BGE zu verabschieden, solange kein seriöses Finanzierungskonzept vorliegt.

Hilfsweise wird beantragt, mit dem nachfolgenden Text ein Positionspapier zu verabschieden, dass zumindest auf die Forderung "kein Zang zur Arbeit" verzichtet und damit keine Erwartungen weckt, die auf absehbare Zeit nicht erfüllt werden können.

Sozialstaat 3.0 - bedingungsloses Grundeinkommen

Der Sozialstaat in seiner jetzigen Ausprägung ("Sozialstaat 2.0") ruht auf den Fundamenten des Wirtschaftswunders der Nachkriegszeit und hat über Jahrzehnte einen vergleichsweise brauchbaren gesellschaftlichen Ausgleich geschaffen. Durch den demographischen Wandel und die Entwicklung zur digitalen Wissensgesellschaft des 21. Jahrhundert werden den jetzigen Systemen zunehmend die Grundlagen entzogen. So wie es zur Zeit des Wirtschaftswunders richtig war, den Bismarck'schen Sozialstaat ("Sozialstaat 1.0") weiterzuentwickeln, so ist es inzwischen erforderlich, es nicht bei der Veränderung von einigen Parametern zu belassen, sondern den Sozialstaat von Grund auf neu zu konzipieren.

Gerechtigkeit durch Einfachheit

Der "Sozialstaat 2.0" versuchte, durchaus in bester Absicht, Einzelfallgerechtigkeit herzustellen. Dies hat dazu geführt, dass die leistungsgewährenden Behörden sich intensiv mit dem jeweiligen Einzelfall auseinandersetzen und dafür erhebliche Mengen an Daten erheben müssen. Den damit verbundene Zwang zur Offenlegung der privaten Verhältnisse lehnen wir Piraten ab. Zudem wurde eine kaum mehr zu überschauende Zahl von unterschiedlichen Leistungen eingeführt, deren Wechselwirkungen nicht mehr zu überblicken sind, ohne dass man dem Ziel der Einzelfallgerechtigkeit näher gekommen ist. Der Komplexität des "Sozialstaates 2.0" steht die Verwaltung und insbesondere auch der Bürger zunehmend hilflos gegenüber.

Wir wollen uns von diesem Ansatz verabschieden und statt dessen versuchen, dem Ideal der Gerechtigkeit durch Einfachheit und Transparenz nahezukommen. Wir wollen einen Sozialstaat, dessen Regelungen von jedem verstanden werden können. Einfachheit reduziert auch Missbrauchsanfälligkeit. Wir wollen den Sozialstaat nicht missbrauchsanfällig gestalten und dann den Bürgern hinterherschnüffeln, ob sie sich ehrlich verhalten, sondern wir wollen die Systeme so ausgestalten, das Missbrauch möglichst inhärent ausgeschlossen ist. Mit diesem Ansatz vermeiden wir auch Willkür und Gängelung bei der Vergabe staatlicher Leistungen.

Was ist das bedingungslose Grundeinkommen?

Das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) ist eine staatliche Leistung, die an alle Bürger des Landes ausgezahlt wird. Es soll andere staatliche Leistungen wie ALG2, Wohngeld, Bafög aber auch die Steuerfreiheit des Existenzminimums ersetzen. Eine Prüfung der Bedürftigkeit ist nicht erforderlich - das spart nicht nur massiv Aufwand in der Verwaltung, sondern erübrigt auch, dass der Anspruchsberechtigte umfassend über seine persönliche Verhältnisse Auskunft geben muss.

Ein solches BGE würde es auch ermöglichen, die Einkommenssteuer auf einen einheitlichen Steuersatz ("Flat Tax") umzustellen, in der Kombination von BGE und Flat Tax würde sich netto eine progressive Besteuerung ergeben. Ein einheitlicher Steuersatz wiederum würde eine enorme Vereinfachung der Steuerverwaltung ermöglichen.

Finanzierung

Es gibt verschiedene Modelle für ein BGE, die Piratenpartei hat sich noch nicht abschließend auf ein Modell festgelegt. Zumindest teilweise wird sich ein BGE aus dem Wegfall bestehender Sozialleistungen und die Abschaffung von Steuerfreibeträgen finanzieren. Die Piratenpartei Deutschland legt Wert auf eine solide Gegenfinanzierung, welche die Voraussetzung ist für eine tatsächliche Realisierung. Wir distanzieren uns von sozialutopischen Träumereien, für deren Realisierung die Voraussetzung auf absehbare Zeit nicht vorliegen werden.

Flexibilität für die digitale Wissensgesellschaft

Der Übergang von der klassischen Industriegesellschaft zur digitalen Wissensgesellschaft ist gekennzeichnet von einer Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse und zunehmender Heterogenität der Beschäftigungsbiographien. Klassisches Vollzeit-Arbeitsverhältnisse werden nicht völlig aussterben, ihre Bedeutung wird jedoch stark abnehmen. Dies erfordert einen Sozialstaat, der zur Lebensrealität seiner Bürger passt, einen Sozialstaat, der nicht bei jeder Änderung der Situation einen Verwaltungsvorgang auslöst.

Ein bedingungloses Grundeinkommen - in welchem Modell auch immer - scheint uns am besten geeignet, die erforderliche Flexibilität sicherzustellen.

Begründung

Warum nicht die anderen Anträge

PP021

Der Text enthält zahlreiche Mängel, die damit verbundene LF-Initiative (https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/1187.html) hat auch keine Mehrheit bekommen. Ein Teil dieser Mängel wurde in der Gegeninitiative http://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/1210.html aufgeführt.

PP020

Mit der Forderung "kein Zwang zur Arbeit" weckt dieser Text die Erwartung, man könnte auf absehbare Zeit zu einem Zustand kommen, in dem keiner mehr arbeiten muss, um ein auskömmliches Einkommen zu erhalten. Diese Erwartung wird sich nicht erfüllen lassen, darum sollten wir sie erst gar nicht wecken.

Zudem halte ich es für fragwürdig, aus verschiedenen Grundrechten ableiten zu wollen, dass wir quasi durch das Grundgesetz gezwungen wären, ein BGE einzuführen. Es hat in Deutschland noch nie ein BGE gegegben, ohne dass dies vom Bundesverfassungsgericht jemals bemängelt worden wäre.

Warum ist dieser Text so, wie er ist

Der vorgeschlagene Text nähert sich dem Thema BGE nicht über das Thema Umverteilung, sondern über piratige Themen wie
- Übergang zur digitalen Wissensgesellschaft
- Transparenz und Einfachheit der staatlichen Systeme
- Schutz der persönlichen Daten
- Vermeidung von Willkür und Gängelung.

Beim Thema Finanzierung wurden deutliche Worte dafür gefunden, dass wir auf eine solide Gegenfinanzierung bestehen. Es sollte Aufgabe der Piratenpartei sein, das Thema BGE aus den Sphären sozialromantischer Utopien zu holen, um zu zeigen, dass dies tatsächliche ein realisierbarer Weg für die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme ist.

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