Bundesparteitag 2010.2/Antragskommission/Anträge 2010.2/2010-10-22 - Positionspapier zum Bedingungslosen Grundeinkommen 'Freiheit - Gleichheit - Grundeinkommen'

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Antragsnummer

PP021

Einreichungsdatum

2010-10-22

Antragstitel

Positionspapier zum Bedingungslosen Grundeinkommen 'Freiheit - Gleichheit - Grundeinkommen'

Antragsteller

AG Bedingungsloses Grundeinkommen vertreten durch

Antragstyp

Programmantrag

Antragstext

Der Bundesparteitag der Piratenpartei möge folgendes, von der "AG Bedingungsloses Grundeinkommen" entworfene, Positionspapier zum Bedingungslosen Grundeinkommen beschließen:

Posititionspapier

Freiheit - Gleichheit - Grundeinkommen

"Klarmachen für das Bedingungslose Grundeinkommen!"

Vorwort

Die alte Bismarcksche Sozialpolitik aus der Industriegesellschaft ist in der Bundesrepublik Deutschland in eine Sackgasse geraten. Eine tiefe Verunsicherung hat spätestens seit der Agenda 2010 weite Teile der Bevölkerung erfasst. Etliche Reformen der letzten drei Jahrzehnte führten zu mehr Druck auf Erwerbslose, unwürdigen Arbeits- und Zwangsmaßnahmen sowie zu schlecht bezahlten Jobs [1],[2]. Selbst gut Ausgebildeten, Akademikern und deren Familien droht ein Leben in prekären Arbeitsverhältnissen mit fatalen Folgen für die staatlichen Versicherungssysteme. Die Beiträge zu Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung hängen direkt vom Erwerbseinkommen ab und die Versicherungssysteme können aus diesen Beiträgen allein schon seit Jahren nicht mehr finanziert werden. Da nicht mehr angenommen werden kann, dass das Ziel der Vollbeschäftigung, die diese Probleme lösen soll, jemals erreicht wird [3], ist ein systemisches Umdenken nötig. Herkömmliche Politik begegnet der Krise der Sozialsysteme, indem sie deren Symptome bekämpfen will. Die Piratenpartei Deutschland setzt sich dagegen für Umdenken in der Sozialpolitik ein und sieht die Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) als den besten Lösungsansatz für eine sinnvolle und konstruktive Gesellschaftspolitik in einer Kultur-, Medien- und Informationsgesellschaft.

Das Bedingungslose Grundeinkommen

Ein würdevolles Leben ist in der modernen, arbeitsteiligen Gesellschaft nur mit einem Einkommen zu bestreiten. Somit kann das Recht jedes Menschen auf sichere Existenz, soziokulturelle Teilhabe und freie Entfaltung nur erfüllt sein, wenn ein Einkommen garantiert ist.

Einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE), welches an jedes Mitglied einer Gesellschaft gezahlt wird, sollen dabei folgende 4 fundamentale Kriterien zugrundeliegen [4]: Es soll

  • die Existenz sichern und gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen,
  • einen individuellen Rechtsanspruch darstellen,
  • ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgezahlt werden und
  • keinen Zwang zur Arbeit bedeuten.

Ein für alle Bürger garantiertes Grundeinkommen festigt die im Grundgesetz festgeschriebenen Grundrechte [5]:

  • Die Würde des Menschen (Artikel 1.1),
  • die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2.1),
  • das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Artikel 2.1),
  • die Chancengleichheit für Kinder (Artikel 6.5),
  • das Recht auf freie Berufswahl (Artikel 12.1) und
  • Schutz vor Arbeitszwang (Artikel 12.2 und 12.3).

Für die Piraten sind die Grundrechte (Art. 1-19 GG) unantastbar [6]. Ein Staat, der seine soziale Pflicht (Art 20.1) ernst nimmt, muss die Wahrung dieser Grundrechte gewährleisten.

Gesellschafts-, wirtschafts- und sozialpolitische Ausgangslage

Durch die großen Erfolge der Rationalisierung und Automatisierung wird der Bedarf an menschlicher Arbeitskraft (Erwerbsarbeit) knapper und eine Vollbeschäftigung zukünftig immer unrealistischer. Die demographische Entwicklung, die geringen Löhne und Gehälter und die Erwerbsarbeitslosigkeit haben die Sozialsysteme an den Rand ihrer Belastbarkeit geführt. Bereits heute sind nur noch etwa 27 Mio. sozialversicherungspflichtig erwerbstätig [7]. Wer keiner ausreichenden Erwerbsarbeit nachgeht, bezieht sein Einkommen heute meist aus Transferleistungen. Der staatliche Anteil dafür stammt aus dem Sozialbudget: Im Jahre 2009 betrug dieses über 750 Mrd. Euro [8]. Der kostspielige und ineffektive Verwaltungsapparat beschneidet viele Grundrechte bei der intransparenten Vergabe der Sozialleistungen. Es bedarf dringend eines Umdenkens mit einem einhergehenden Systemwechsel.

Notwendigkeit eines Systemwechsels

Veränderte Welt

Seit 1881, als Otto von Bismarck die Arbeitnehmerversicherung in Deutschland offiziell eingeleitet hat, hat sich vieles verändert. In den letzten Jahrzenten gingen die Beiträge nach oben und die Leistungen nach unten.

Keine Angst und kein Zwang

Durch den massiven Ab- und Umbau der Sozialsysteme haben viele Arbeitnehmer Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und üben Tätigkeiten aus, die sie ohne Zwang nicht machen würden. Außerdem wird unter Sanktionsandrohung gefordert, dass Erwerbsarbeit aufgenommen wird, die dem Lohnabstandsgebot nicht gerecht wird. Eine Möglichkeit sich dem Zwang zu entziehen ist nicht vorgesehen.

Freiheit

Der wichtigste Effekt eines BGEs ist die persönliche Freiheit.

Freiheit bei der Berufswahl
Freiheit bei den Bildungsmöglichkeiten
Freiheit bei der Wahl der Tätigkeit
Freiheit bei der Partnerwahl
Freiheit "Nein!" zu sagen
Bildung

Die Möglichkeit auf lebenslanges Lernen ist eine Voraussetzung für eine funktionierende Wissensgesellschaft. Das BGE ermöglicht eine Ausbildung unabhängig von Alter, Herkunft oder Vermögensverhältnissen.

Transparenter Staat / kein gläserner Bürger

Bei heute 153 existierenden Transfer-/Sozialleistungen von 44 Behörden muss durch die Preisgabe unnötiger, persönlicher Informationen auf Privatsphäre nahezu völlig verzichtet werden.

Gesellschaftliches Engagement

In unserer Gesellschaft sind 23 Millionen Menschen ehrenamtlich tätig und bekommen keine finanzielle Anerkennung. Die gesellschaftliche Anerkennung für ein Engagement in Vereinen, Familie, karitativen Einrichtungen etc. wird durch ein BGE ausgedrückt.

Stärkung der Autonomie

Mit einem BGE ermöglichen wir allen Bürgern nicht weniger, als ihr Leben selbstbestimmt, frei von Existenznot und gemäß ihren Wünschen und Begabungen zu führen. Niemand ist mehr von seinem Arbeitgeber oder Partner (finanziell) abhängig.

Stärkung der Demokratie

Sind die für die demokratische Teilhabe benötigten Ressourcen in hohem Maß ungleich verteilt, gewährleistet der politische Prozess die gleiche Berücksichtigung aller Interessen allein deshalb nicht, weil sie unterschiedliche Chancen haben, zu den Entscheidungsträgern durchzudringen. Zwar verlangt die Demokratie nicht umfassende Gleichheit, dennoch bedroht eine übermäßige soziale Ungleichheit ihren Kern. Das BGE kann in weiten Teilen diese Gleichheit wieder herstellen und somit die Demokratie stärken [9].

Weniger Bürokratie

Die Vereinfachung staatlicher Verwaltung sowie der Wegfall der Überwachung Bedürftiger hätten einen deutlichen Bürokratieabbau zur Folge, mit dem Potential, frei werdende Arbeitskraft an sinnvollerer Stelle zu entfalten.

Förderung von Kunst, Kultur und freiem Journalismus

Ein Grundeinkommen fördert freien Journalismus, Kunst- und Kulturschaffende und entschärft Urheberrechtskonflikte. Journalismus und Kunst müssen nicht mehr primär kommerziell ausgerichtet sein.

Der Kern einer neuen Gesellschaft - Das Bedingungslose Grundeinkommen

Wir Piraten stehen für eine freie und moderne Gesellschaftspolitik. Ein Baustein dazu ist das bedingungslose Grundeinkommen. Unser Ziel ist es, dass alle Bürger ihre Fähigkeiten entfalten, füreinander einstehen und in Würde frei sein können. Die Einführung des BGE für alle Bürger als Grundrecht ist die logische Konsequenz aus den Grundwerten der Piraten (Transparenz, Datensparsamkeit und Demokratie) und eine Voraussetzung für den erfolgreichen Übergang in die moderne Kultur-, Medien- und Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts.

Antragsbegründung

Die verschiedenen sozialen Sicherungssysteme sind aufgrund verschiedener Entwicklungen in Zivilgesellschaft, Staat und Wirtschaft mittels der traditionellen Methoden nicht mehr in der Lage sich zu tragen und den Anforderungen einer modernen Zivilgesellschaft zu genügen. Diesen Entwicklungen müssen moderne Sicherungssysteme insoweit Rechnung tragen, dass sie den Anforderungen eines modernen Gesellschafts- und Rechtsverständnisses gerecht werden, die jedem Bürger eine generellen sowie individuellen Zugang an gesellschaftlicher Teilhabe ohne Zwang und Voraussetzungen garantiert. Dies erfordert jedoch, dass alle Buerger auch von diesen Sozialsystemen mitgenommen werden und dass diese Sozialsysteme auch für alle transparent und gerecht sind. Das BGE erfüllt diese Bedingungen, weil es jeden Einelnen von uns in seiner Existenz und Mündigkeit stärkt, die staatlichen Transferleistungen transparent und gegenüber uns allen gleich anwendet sowie uns auch den Anforderungen einer modernen, flexiblen und zukunftsorientierten Arbeitswelt wappnet.

Dieses Positionspapier stellt keinen Anspruch an ein Konzept und legt keine Richtung der Umsetzung fest, sondern bringt zum Ausdruck, dass die PIRATEN hinter der Idee des BGEs stehen, sofern diese sich aus den Prinzipien und Zielen der Piratenpartei ableiten lässt.

Der Beschluss pro BGE soll Ansporn und Verpflichtung der Piratenpartei sein, Konzepte zu erarbeiten, Umsetzungen zu überprüfen und Forderungen zu formulieren, um das BGE politisch geltend zu machen.

Verweise:

Liquid Feedback

https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/1187.html

Wiki-Antragsfabrik

http://wiki.piratenpartei.de/Antragsfabrik/Bedingungsloses_Grundeinkommen

Konkurrenzanträge

derzeit keine bekannt

Hinweise zum Programmantrag

Antrag als Positionspapier

Datum der letzten Änderung

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