Archiv:2010/Bundesparteitag 2010.1/Antragsfabrik/Positionierung zu Problemen des Patentwesens
Dies ist ein eingereichter/eingereichtes Programmantrag für den Bundesverband von Datenritter und lkl. Bitte diskutiere den Antrag, und bekunde Deine Unterstützung oder Ablehnung auf dieser Seite. Der Antragstext darf nicht mehr verändert werden! Eine Übersicht aller Anträge findest Du in der Antragsfabrik. |
- Änderungsantrag Nr.
- TE083
- Beantragt von
- Datenritter und lkl
- Programm
Wahlprogramm/Parteiprogramm
- Schlagworte Pro
- Schlagworte Contra
- Beantragte Änderungen
Der Bundesparteitag möge beschließen, folgende Forderungen in das Grundsatzprogramm aufzunehmen:
Inhaltsverzeichnis
- 1 1 (volkswirtschaftliche Rechtfertigung, Inkaufnahme von Schutzlücken)
- 2 2 (Ablehnung von Softwarepatenten)
- 3 3 (parlamentarische Kontrolle)
- 4 4 (unwissentliche Verletzung)
- 5 5 (Problematik der getrennten Klagewege)
- 6 zu 1
- 7 zu 2
- 8 zu 3
- 9 zu 4
- 10 zu 5
- 11 Quellen/Fußnoten
- 12 Unterstützung / Ablehnung
- 13 Diskussion
1 (volkswirtschaftliche Rechtfertigung, Inkaufnahme von Schutzlücken)
- Patente müssen volkswirtschaftlich gerechtfertigt sein.
- Insbesondere dürfen die "Genialität des Erfinders" oder die Erfüllung künstlicher Kriterien wie "Technizität", "technischer Beitrag" o.ä. nicht für die Erteilung von Patenten ausreichend sein.
- Ggf. muss man "Schutzlücken" — zum Nachteil einzelner Unternehmen — in Kauf nehmen, wenn dieses zum Wohle der Volkswirtschaft oder der Gesellschaft geschieht.
- Alternative Systeme zur Marktregulierung sind branchenabhängig in Betracht zu ziehen und ggf. anstelle des Patentsystems einzusetzen.
2 (Ablehnung von Softwarepatenten)
- Software muss von Patentansprüchen freigehalten werden.
- Jeder muss das Recht haben, Software zu schreiben, zu verbreiten und zu nutzen, ohne durch Patentansprüche eingeschränkt zu werden.
3 (parlamentarische Kontrolle)
- Patentämter müssen unter parlamentarischer Kontrolle stehen.
- Patentämter dürfen sich nicht unabhängig, insbesondere nicht durch Einnahmen aus Patentgebühren finanzieren.
4 (unwissentliche Verletzung)
Patente müssen so gestaltet sein, dass es unwahrscheinlich ist, ein Patent unwissentlich zu verletzen.
5 (Problematik der getrennten Klagewege)
- Im Falle eines Patentverletzungsprozesses sollte der Beklagte die Möglichkeit haben, die Rechtmäßigkeit des Patentes prüfen zu lassen.
- Dies sollte zeitnah möglich sein, insbesondere bevor im Verletzungsprozess ein Urteil gefällt wird.
- Begründung
Hinweis: Abgestimmt wird über den Antragstext oben. Das Folgende sind die Gründe, die die Autoren sahen, andere könnten andere sehen.
Zitat aus der Diskussion unten: Die geforderten Änderungen, insbesondere die Besinnung auf volkswirtschaftliche Betrachtungen, kommen einem Paradigmenwechsel im Patentwesen gleich. Das erkennt man, wenn man sich ansieht, wie das System zur Zeit praktiziert wird.
zu 1
- Das Patentsystem wächst zu einem Problem heran. Es gibt eine Flut von Patenten, darunter Trivial- und Softwarepatente. Viele Unternehmen brauchen mittlerweile mehr Schutz vor Patenten als Schutz durch Patente.
- Patente sind (zeitlich begrenzte) Monopolrechte mit weitreichenden wirtschaftlichen Folgen. Ob sie Innovationen fördern ist umstritten und branchenabhängig. Sie müssen daher mit großer Behutsamkeit vergeben werden.
- Für Patente gibt es eine volkswirtschaftliche Rechtfertigung, nämlich die Verringerung des Konkurrenzdrucks, wenn dieser Investitionen absehbar unrentabel macht — also wenn Entwicklungskosten hoch und Nachahmungskosten niedrig sind*.
- Das Patentsystem darf jedoch kein System des allgemeinen "Innovationsschutzes" werden.
- Ein Beispiel für ein branchenspezifisches alternatives System ist der von der Piratenpartei Schweden erarbeitet Vorschlag für eine Alternative zu Pharmapatenten [2].
(* Anm.: Man sollte nicht nach Rechtfertigungen für einzelne Patente suchen, sondern das System so einstellen, dass es im Mittel eine positive Wirkung entfaltet. Diskussionen über Einzelfälle sind i.d.R. nicht zielführend.)
zu 2
- Softwarepatente sind besonders gefährlich, weil sie die Entwicklung von Software nahezu unmöglich machen könnten.
- Nur Großkonzerne profitieren von ihren umfangreichen Patentportfolios, die sie als juristische Waffe einsetzen.
- Softwarepatente stehen in Konflikt mit dem Urheberrecht. Auch wenn man keinerlei fremden Code kopiert, kann eine selbstgeschriebene Software ohne weiteres hunderte von Patenten verletzen. Das ist absurd und innovationsfeindlich — und eine große Gefahr für kleine und mittelständische Unternehmen, sowie für die Entwickler freier Software.
- In der Softwarebranche ist ein Nachahmer, der nicht gegen das Urheberrecht verstößt, volkswirtschaftlich betrachtet wünschenswert. Sein Aufwand ist vergleichbar mit dem des Autors der ursprünglichen Software. Konkurrierende Produkte beleben den Markt, die beste Lösung setzt sich durch.
- Softwarepatente würden zur Blockade von Ideen und Konzepten und somit zur Bildung von Oligopolen[1] führen.
- Bislang gibt es keinerlei Beleg für nennenswerte "Schutzlücken" im Softwarebereich. Wann immer die Rede ist von einem Patentschutz für "computerimplementierte Erfindungen", "technische Software", "Software mit technischem Beitrag", etc., geht es offensichtlich darum, Software auf abenteuerliche Weise nach derzeitigen Kriterien als patentierbar darzustellen.
- Aus Sicht eines einzelnen Unternehmens mag es durchaus sinnvoll sein, so viele Patente wie möglich zugesprochen zu bekommen — und zu diesem Zwecke derartige Tricks anzuwenden. Volkswirtschaftlich aber schadet dies.
zu 3
- An der sich zuspitzenden Situation ist maßgeblich die freizügige Erteilungspraxis des Europäischen Patentamtes (EPA) schuld.
- Dessen Selbstfinanzierungsmodell (siehe) motiviert zur Annahme von Patenten.
- Es besteht ein regelrechtes Kunde-Dienstleister-Verhältnis zwischen Patentanmeldern und dem EPA.
- Die Arbeitsbedingungen für Patentprüfer sind so gestaltet, dass die Annahme von Patenten leichter fällt als die Ablehnung. Seit langem beklagen die Mitarbeiter des EPA unangemessene Produktivitätsvorgaben und warnen vor einer sinkenden Qualität bei den erteilten Patenten. (Sie streikten daher mehrmals in den Jahren 2006 und 2007.)
- Das EPA ist keine Behörde. Andernfalls könnte es durch Parlamente kontrolliert werden, u.a. durch Zuteilung von Mitteln.
- Bisherige EU-Richtlinieninitiativen räumen dem EPA eine zu mächtige Position ein und lassen wichtige Korrektive vermissen.
zu 4
- Der Offenlegungsgedanke ist dem Patentsystem in weiten Teilen verloren gegangen.
- Viele Patente sind viel zu abstrakt und enthalten weder die Informationen, die man benötigt, um die "Erfindung" nachzubauen, noch sind sie präzise genug, um sicher abschätzen zu können, ob man ein Patent verletzt.
- Zu oft werden absolut naheliegende Ideen patentiert.
zu 5
- In Patentverletzungsprozessen ist der Beklagte in einer bedrückenden Situation, denn
- Er kann nur in einem getrennten Verfahren auf Nichtigkeit klagen,
- Ihm können drastische Maßnahmen auferlegt werden. (Unterlassung, Rechnungslegung, Vernichtung der produzierten Güter, etc.)
- Fälle der jüngsten Vergangenheit zeigen, wie mittels fragwürdiger Patente und Patentverletzungsklagen tief in die unternehmerische Tätigkeit der Beklagten eingegriffen wird[2].
- Wird aber gegen ein Patent vorgegangen, kann es Jahre dauern, bis darüber entschieden und das Patent für ungültig erklärt wird.
Quellen/Fußnoten
- Ein Dokument, das so ziemlich alles erklärt, was hier steht, ist das Gutachten "Patentschutz und Innovation". (Ca. 30 Seiten.) Es wurde 2007 vom wissenschaftlichen Beirat am Ministerium für Wirtschaft und Technologie erstellt. Das Gutachten benennt folgende Fehlentwicklungen im europäischen Patentsystem:
- Anmeldungen und Erteilungen nehmen doppelt so schnell zu wie Ausgaben für Forschung und Entwicklung.
- Es gibt eine Mehrbelastung der Patentämter, auch durch komplexere Patente (mit mehr Teilansprüchen).
- Bündelpatente, "Minenfelder" von Patenten.
- Die Qualität der Patente ist gesunken.
- Die Erteilungsrate (Anteil gewährter Patente im Verhältnis zur Zahl der beantragten) liegt trotz immer mehr Einreichungen fast konstant bei 67%.
- Der Mehraufwand bei Zurückweisung eines Antrags (70% höherer Aufwand) wird vom EPA ignoriert.
- Die Zahl der Einspruchsverfahren (relativ zur Gesamtzahl) hat sich halbiert, insbesondere in Bereichen Elektro- & Informationstechnik.
- Ein lesenswerter Artikel in der englischen Wikipedia: Tragedy of the anticommons.
Unterstützung / Ablehnung
Piraten, die vrstl. FÜR diesen Antrag stimmen
- bld (Der Antrag ist gut. Wem er nicht weit genug geht, kann ja zusätzlich noch Anträge einreichen.)
- icho40
- Datenritter 09:20, 19. Apr. 2010 (CEST) Natürlich. :)
- Andena 23:32, 19. Apr. 2010 (CEST) Die Richtung stimmt. Eine vereinfachte Lizenzierung und lizenzhöheabhängige Patentgebühren zur Verhinderung von Sperrpatenten wären schön gewesen
- HKLS 20:55, 22. Apr. 2010 (CEST)
- Sebastian Pochert Zu Softwarepatenten bin ich teils anderer Meinung. Ich stimme aber für den Antrag, da er auf jeden Fall deutlich mehr helfen als schaden würde.
- Twix 15:42, 28. Apr. 2010 (CEST) Position zu Gen-Patenten kann man später noch ergänzen
- Jan
- MichaelG 21:50, 3. Mai 2010 (CEST)
- DeBaernd 15:55, 12. Mai 2010 (CEST)
Piraten, die vrstl. GEGEN diesen Antrag stimmen
- Trias
- DanielSan Ohne auf den Inhalt wirklich Bezug zu nehmen, aber allein die Form ist sch****e ... sorry :(
- MrHan
- Lieber nächstes Jahr in zusammenhängendem Text Jonas M. 00:12, 21. Apr. 2010 (CEST)
- Spearmind 21:52, 27. Apr. 2010 (CEST)
- Aleks_A 01.05.2010
- RicoB CB 10:36, 2. Mai 2010 (CEST)
- Salorta
- Monarch 09:17, 5. Mai 2010 (CEST) Von der Richtung her richtig, aber Formulierung völlig unzureichend
- Haide F.S.
- Unglow
- icehawk In Parteiprogrammen stehen zusammenhängende Texte, das hier ist eine Stichwortliste -.-
- Action_Boo Grundsätzlich dafür, aber nicht in der Form
Piraten, die sich vrstl. enthalten
- Korbinian 20:37, 15. Apr. 2010 (CEST) wenn man explizit softwarepatente mit rein nimmt, wär ich auch dafür patente auf leben zu erwähnen
Wollten wir nicht, weil wir uns in dem Bereich nicht auskennen. Aber... wieso solltest Du Dich enthalten, weil der Antrag nicht weit genug geht? Formulier doch einen Ergänzungsantrag. :) Datenritter 08:40, 16. Apr. 2010 (CEST) - Rainer Sonnabend
- Boris Turovskiy
- Käptn Blaubär
- zero-udo
Diskussion
Bitte hier das für und wider eintragen.
Piratenpartei pro Patente?
Also die Grundtendenz zu einer Liberalisiserung des Patentwesens ist natürlich zu begrüßen, aber die Ausgestaltung halt ich für zumindest unglücklich. Der Antrag befürwortet Patente explizit. Die Piratenpartei Schweden lehnt diese zB grundlegend ab. Es wäre also ein Bruch mit unserer Schwesterpartei. Ich persönlich halte as Patentwesen auch für sehr überarbeitungsbedürftig, da es zB keine kollaborativen Entwicklungen fördert und allein auf dem Gedanken "geistiges Eigentum" aufbaut. --Trias 23:14, 15. Apr. 2010 (CEST)
- Wir sind auch nicht die PPSE:) Es heißt auch nirgends, dass sich die einzelnen Piratenparteien die Programme voneinander kopieren müssten. -TurBor 20:44, 25. Apr. 2010 (CEST)
Der Programmtext (nicht die Begründung) befürwortet Patente nicht explizit; er stellt notwendige Bedingungen an ein Patentsystem. Wenn es in bestimmten Branchen bessere Instrumente zur Marktregulierung gibt, dann sind diese zu bevorzugen. Das sollte jeweils separat gefordert und begründet werden, so wie es etwa in dem von dir verlinkten Dokument für die Pharmabranche getan wird. Ich finde nicht, dass man dafür das Patentsystem komplett abschaffen muss. Lkl 10:26, 16. Apr. 2010 (CEST)
- "Patente müssen volkswirtschaftlich gerechtfertigt sein. " Das interpretiere ich als Affirmation. Auch der restliche Text beschäftigt sich ja damit, wie man an dem Patentsystem rumdoktern könnte, erwähnt eine Abschaffung oder eine grundlegende Neukonzeption aber nicht. --Trias 10:32, 16. Apr. 2010 (CEST)
- Die geforderten Änderungen, insbesondere die Besinnung auf volkswirtschaftliche Betrachtungen, kommen einem Paradigmenwechsel im Patentwesen gleich. Das erkennt man, wenn man sich ansieht, wie das System zur Zeit praktiziert wird.Lkl 12:38, 16. Apr. 2010 (CEST)
Änderung: Der Programmtext spricht jetzt auch alternative Systeme an. Die Begründung verweist auf das alternative System für Pharmapatente als ein Beispiel.
Argument 2
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