Antrag:Bundesparteitag 2012.2/Antragsportal/PA457

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2012.2. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

Wende dich bei Fragen und (als Antragsteller) Änderungswünschen an ein Mitglied der Antragskommission.

Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer PA457
Einreichungsdatum
Antragsteller

Monika Belz

Mitantragsteller
Antragstyp Wahlprogramm
Antragsgruppe Innen- und Rechtspolitik
Zusammenfassung des Antrags Unabhängigkeit von Staatsanwaltschaften gewährleisten, Beschwerdestellen für Polizei-Übergriffe einrichten, Kennzeichnungspficht für Polizeibeamte einführen
Schlagworte Staatsanwaltschaft, Unabhängigkeit, Beschwerdestelle, Polizei, Polizisten, Kennzeichnung
Datum der letzten Änderung 01.11.2012
Status des Antrags

Pictogram voting question.svg Ungeprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting question.svg Noch nicht abgestimmt

Antragstitel

Transparenz des Staatswesens - Staatsanwaltschaften und Polizei

Antragstext

Der Bundesparteitag möge folgenden Antrag gegebenenfalls modular beschließen und im Wahlprogramm im Bereich Innen- und Rechtspolitik aufnehmen:

Modul 1 Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften

Die Staatsanwaltschaft hat innerhalb der Exekutive eine eigenständige Rolle. Die Staatsanwaltschaften müssen ihre Aufgaben unabhängig von politischen Opportunitätserwägungen erfüllen können. Deshalb ist die bislang im Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehene Möglichkeit von Weisungen im Einzelfall seitens der Justizminister von Bund und Ländern abzuschaffen. Weisungen innerhalb der Staatsanwaltschaften sind davon nicht betroffen. Ebenfalls ist es weiter zulässig, fallgruppenbezogene Weisungen seitens der Ministerien an die Staatsanwaltschaften zu erteilen. Die Piratenpartei macht sich insofern die Forderungen des Deutschen Richterbundes zu eigen.

Modul 2 Unabhängige Beschwerdestellen für Polizei-Übergriffe

Die Piratenpartei Deutschland strebt die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen zur Entgegennahme von Beschwerden gegen Polizei-Übergriffe an, von der aus auch exklusiv Ermittlungen gegen beschuldigte Polizeibeamte geführt werden. Diese Stellen sind den jeweiligen Generalstaatsanwaltschaften anzugliedern, die zu diesem Zweck eine unabhängige Abteilung einrichten. Ihnen wird für diese Aufgabe eine Task-Force von polizeilichen Ermittlungsbeamten zur Seite gestellt, die dienstrechtlich ebenfalls der Generalstaatsanwaltschaft zugeordnet sind und nicht aus dem Polizeidienst des jeweiligen Bundeslandes rekrutiert werden dürfen, also stattdessen etwa aus der Bundespolizei oder der Polizei eines Nachbarlandes gewonnen werden. Die Beschwerdestellen sollen auch für interne Verfahren zuständig sein, wie Mobbing- oder Diskriminierungsvorwürfe. Ihr Aufgabenbereich und die rechtlichen Rahmenbedingungen ihres Tätigwerdens müssen den von Amnesty International vorgeschlagenen "unabhängigen Untersuchungskommissionen" entsprechen.

Polizisten-Kennzeichnung

Die Piratenpartei setzt sich für eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ein. Beamte im Einsatz bei Versammlungen sind zu verpflichten, von weitem sicht- und erkennbare Kennzeichen zu tragen. Die Kennzeichen sind pseudonym (z. B. in Form einer Nummer) zu gestalten und dürfen von Einsatz zu Einsatz wechseln.

Es muss jederzeit auch im Nachhinein möglich sein, mit richterlichem Beschluss ein Kennzeichen einer Person zuzuordnen. Der Vorgesetzte ist für die wirksame Durchsetzung der Kennzeichnungspflicht und die korrekte Führung der Zuordnungen von Kennzeichen zu Personen verantwortlich.

Polizisten sind zu verpflichten, Verstöße durch andere Polizisten zu verhindern oder - falls dies nicht möglich ist - zu melden sowie den/die beteiligten Beamten zu identifizieren. Verletzungen dieser Pflichten (Tragen des Kennzeichens, korrektes Führen der Zuordnungsliste, Verhindern/Melden von Verstößen) sind strafrechtlich zu sanktionieren.

Antragsbegründung

Zur Forderung nach Stärkung der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaften

Die externe Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte widerspricht dem Prinzip der Gewaltenteilung (Hier: Exekutive vs. Legislative). In der Vergangenheit (vgl. z.B. "Amigo-Affäre") hat die Weisungsgebundenheit, und damit Abhängigkeit, der Staatsanwälte immer wieder das Ansehen der Justiz und das Vertrauen in den Rechtsstaat gestört.

Die externe Weisungsgebundenheit im Einzelfall bedeutet, das ein Justizminister zum Verfahren in einem konkreten Einzelfall Weisung geben darf, wie zu verfahren ist. Das Recht, Weisungen für ganze Fallgruppen zu geben bleibt von der Forderung ebenso unberührt, wie auch auch die Weisungsbefugnis innerhalb der Staatsanwaltschaft. Auch die Weisungsbefugnis der Staatsanwaltschaft gegenüber der Polizei bleibt unberührt.

Zur Forderung nach Unabhängigen Beschwerdestellen für Polizei-Übergriffe

Die Ermittlungen nach Berichten über Polizeigewalt bleiben derzeit unbefriedigend. Interne Ermittlungen der Polizei selbst begegnen dem Vorwurf, die ermittelnden Beamten könnten befangen oder einem Corpsgeist unterworfen sein. Amnesty International hatte über 15 Fälle von Polizeigewalt berichtet und kritisiert, dass oftmals nicht unabhängig und objektiv bei Vorwürfen gegen Polizeigewalt ermittelt würde.

Die Aufgaben der Polizei sind vielfältig und schwierig. Polizeiliches Handeln ist situationsbezogen und kann teilweise im Nachhinein nur schwer rekonstruiert werden. Das gilt umso mehr, wenn in der Bürgerschaft der Eindruck entsteht, die Polizei sei damit überfordert, Fällen von Polizeigewalt wirksam entgegenzutreten.

Unabhängige Beschwerdestellen zu schaffen, ist kein Generalverdacht gegen die Polizei, sie dienen vor allem dazu, eine wirksame Aufklärung zu leisten, in Fällen, in denen vom Staat Fehler gemacht werden. Sie kann das Vertrauen in die staatlichen Institutionen, die von Gesetzes wegen unmittelbaren Zwang ausüben dürfen, weiter erhöhen.

Die Initiative greift die Initiative von Amnesty International auf und entwickelt sie weiter. So siedelt sie die Ermittlungs-Aufgaben in der Exekutive an, legt aber Wert darauf, dass ein anderes Ministerium (Justiz) die Hoheit über die Stelle hat. Sie entspricht damit besser den Grundvoraussetzungen der Gewaltenteilung.

Die Position von Amnesty International sagt leider nicht, aufgrund welcher demokratischer Legitimation die Untersuchungskommission innerhalb der durch die Gewaltenteilung gegliederten Institutionen tätig werden soll. Es hat sich erwiesen, dass eine interne Untersuchung innerhalb der Polizei die Aufgabe nicht erfüllen kann. Deshalb ist die Zuordnung zu einem anderen Ministerium erforderlich. Die Beschwerdestelle hat exekutive Funktionen wie strafrechtliche Ermittlungen durchzuführen, deshalb ist ihre Zuordnung zur Staatsanwaltschaft sinnvoll. Um die Aufgaben erfüllen zu können muss die Beschwerdestelle um eine Task Force ergänzt werden, die ohne Anbindung an die Polizei die polizeilichen Ermittlungen übernehmen kann. Es ist Aufgabe des Justizministeriums durch organisatorische Maßnahmen die Unabhängigkeit innerhalb der Staatsanwaltschaft zu sichern. Die Ahndung erwiesener Straftaten obliegt den Gerichten. Die Staatsanwaltschaft ist kraft ihrer Aufgabe die sinnvolle Institution, um die Aufgabe zu übernehmen. Ihre Arbeit unterliegt dann natürlich auch der parlamentarischen Kontrolle.

Die Initiative beruht auf einer Initiative, die im Berliner Landesverband erfolgreich war und Eingang in das Berliner Wahlprogramm für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus gefunden hat. Sie ist hier erweitert worden und in der Begründung ergänzt worden. Damit greift sie die Anregungen von Amnesty International auf. Sie ist imstande die "sieben guten Gründe" Amnestys innerhalb des Systems gewaltenteiliger Strukturen zu realisieren.

Aus dem Positionspapier von Amnesty International - Sieben gute Gründe ...

  • 1. Unabhängige Untersuchungskommissionen können über den Einzelfall hinaus strukturelle Vorschläge zur Verbesserung der Polizeiarbeit machen, die gegebenenfalls bei den politisch Verantwortlichen einen höheren Stellenwert erhalten würden, als gleich lautende Vorschläge aus der Polizeiorganisation oder von den Berufsvertretungen. So bereitet die Kommission in England in regelmäßigen Abständen „lessons learned“ zu bestimmten Fragen der Polizei auf.
  • 2. Durch die Möglichkeit, auch auf eigene Initiative hin Ermittlungen über sich abzeichnende Muster von Rechtsverletzungen durchführen zu können, entfalten unabhängige Untersuchungskommissionen eine präventive und "befriedende" Wirkung.
  • 3. Unabhängige Untersuchungskommissionen bieten der Polizei die Möglichkeit, Vorwürfen oder dem Argwohn entgegenzuwirken, bei Auseinandersetzungen um polizeiliches Fehlverhalten würden intern Ermittlungen behindert oder Übergriffe vertuscht und gedeckt werden.
  • 4. Eine allgemein anerkannte neutrale Kontrollinstanz kann die Position solcher Beamtinnen und Beamten stärken, die zu Unrecht polizeilichen Fehlverhaltens beschuldigt werden.
  • 5. Unabhängige Untersuchungskommissionen fördern die Transparenz polizeilichen Handelns, verstärken mittelbar den Dialog zwischen Polizei und (polizeikritischen) Bürgerinnen und Bürger und erhöhen damit die "Bürgernähe".
  • 6. Unabhängige Untersuchungskommissionen bieten PolizistInnen die Chance, außerhalb ihrer eigenen Dienststelle mögliches Fehlverhalten von KollegInnen anzuzeigen, ohne dabei unter Druck zu geraten. *7. Unabhängige Untersuchungskommissionen können präventiv gegen Übergriffe schützen, da sie Transparenz fördern und Straflosigkeit für rechtswidrige Gewalt entgegenwirken. So werden insbesondere die Rechte der Opfer von rechtswidriger Polizeigewalt geschützt.

zur Forderung der Kennzeichnungspflicht für Polizisten

Aus dem Positionspapier von Amnesty International . fünf gute Gründe für eine individuelle Kennzeichnungspflicht:

  • 1. Durch eine individuelle Kennzeichnung tragen Polizisten zu einer erhöhten Transparenz polizeilicher Arbeit, zur Einhaltung internationaler Standards und zur Legitimation bei. Rechenschaftspflicht und die Verhinderung von Straflosigkeit sind Grundprinzipien moderner demokratischer Gesellschaften.
  • 2. Durch eine Kennzeichnung tritt die Polizei selbstbewusst in der Öffentlichkeit auf und das Verhältnis zu Bürgerinnen und Bürgern verbessert sich. Die wichtige Arbeit der Polizei kann durch persönlichen Bezug mehr Anerkennung erfahren.
  • 3. Durch eine bessere Identifizierbarkeit werden Polizisten in ihrer täglichen Arbeit vor falschen Anschuldigungen geschützt, da diese besser von Zeugen identifiziert werden können und ihre Entlastung sowie die Anerkennung guter Arbeit dadurch einfacher wird. Zudem wird es leichter, „schwarze Schafe“ in der mehrheitlich gute Arbeit leistenden Polizei zu identifizieren und zur Verantwortung zu ziehen. Auch dadurch wird das gute Ansehen der Polizei gestärkt.
  • 4. Eine gute Regelung wäre auch, es den Polizisten freizustellen, ob sie – abhängig vom jeweiligen Einsatz – eine Nummernkennzeichnung oder ein Namensschild tragen möchten. Namensschilder fördern eine persönlichere und damit günstigere Kommunikationsbasis, insbesondere bei konfliktbeladenen Anlässen.
  • 5. Wo große Gruppen von Menschen anonym und konfliktbeladen aufeinandertreffen, droht stets eine Gewaltentladung. Diese psychologische Erkenntnis gilt auch für Polizisten bei Demo- oder Fußballeinsätzen. Dabei schwächt die Anonymität die eigene Affektbeherrschung und Selbstkontrolle. Eine Kennzeichnung wirkt dem entgegen.

Eberhard Zastrau hat diesen Antrag bereits zum BPT 2012.1 er wurde dort aber nicht behandelt. Eberhard Zastrau ist am 22.05.2012 verstorben, die Berliner Piraten haben versprochen, seine unbehandelten Anträge einzureichen - das erfolgt hiermit.``

Diskussion

  • Vorangegangene Diskussion zur Antragsentwicklung: {{{diskussionVorher}}}
  • [{{{antragsdiskussion}}} Pro-/Contra-Diskussion zum eingereichten Antrag]


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