Antrag:Bundesparteitag 2012.2/Antragsportal/PA455

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2012.2. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

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Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer PA455
Einreichungsdatum
Antragsteller

Monika Belz

Mitantragsteller
Antragstyp Wahlprogramm
Antragsgruppe Staat und Religion„Staat und Religion“ befindet sich nicht in der Liste (Arbeit und Soziales, Außenpolitik, Bildung und Forschung, Demokratie, Europa, Familie und Gesellschaft, Freiheit und Grundrechte, Internet und Netzpolitik, Gesundheit, Innen- und Rechtspolitik, ...) zulässiger Werte für das Attribut „AntragsgruppePÄA“.
Zusammenfassung des Antrags Maßnahmen zur Trennung von Staat und Kirche an Anlehnung an das Grundsatzprogramm
Schlagworte Staat, Religion, Kirche
Datum der letzten Änderung 01.11.2012
Status des Antrags

Pictogram voting question.svg Ungeprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting question.svg Noch nicht abgestimmt

Antragstitel

Thesen der Piratenpartei Deutschland zur Trennung von Staat und Religion in der Bundesrepublik Deutschland

Antragstext

Der Bundesparteitag möge folgenden Antrag gegebenenfalls modular beschließen und im Wahlprogramm im Bereich Staat und Religion aufnehmen:

Modul 1 Präambel / Grundlagen

Diese Thesen ergänzen das Grundsatzprogramm um konkrete Positionen und Forderungen.

Freiheit und Vielfalt der kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen kennzeichnen die modernen Gesellschaften. Diese Freiheiten zu garantieren, ist Verpflichtung für das Staatswesen. Dabei verstehen wir unter Religionsfreiheit nicht nur die Freiheit zur Ausübung einer Religion, sondern auch die Freiheit von religiöser Bevormundung. Wir erkennen und achten die Bedeutung, die individuell gelebte Religiosität für den einzelnen Menschen erlangen kann.

Trotz der von Verfassungs wegen garantierten Religionsfreiheit ist das Staatswesen der Bundesrepublik nicht frei von religiöser (und weltlicher) Priviligierung der traditionellen christlichen Kirchen. Hier gibt es einen Widerspruch, der durch Immigration und religiöse Differenzierung in der Gesellschaft zu größeren Verwerfungen führen kann.

Die weltanschauliche Neutralität des Staates herzustellen, ist daher eine für die gedeihliche Entwicklung des Gemeinwesens notwendige Voraussetzung. Ein säkularer Staat erfordert die strikte Trennung von religiösen und staatlichen Belangen; finanzielle und strukturelle Privilegien einzelner Glaubensgemeinschaften, etwa im Rahmen finanzieller Alimentierung, bei der Übertragung von Aufgaben in staatlichen Institutionen und beim Betrieb von sozialen Einrichtungen, sind höchst fragwürdig und daher abzubauen. Im Sinne der Datensparsamkeit ist die Erfassung der Religionszugehörigkeit durch staatliche Stellen aufzuheben, ein staatlicher Einzug von Kirchenbeiträgen kann nicht gerechtfertigt werden.

Modul 1 Übergangsregelungen im Grundgesetz (Art. 140 GG)

Die bislang nur als Übergangsregelung nach Artikel 140 des Grundgesetzes weitergeltenden Artikel der Weimarer Reichsverfassung sind zu überprüfen und mit der Maßgabe religiöser und weltanschaulicher Neutralität in originäre Regelungen des Grundgesetzes zu überführen. Dabei ist sicherzustellen, dass staatliches Recht den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften keine Rechtsform vorschreiben darf und dass die Zusammenarbeit des Staates mit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften nicht eine bestimmte Rechtsform voraussetzen kann.

Im Sinne des bislang weitergeltenden Art. 138 der Weimarer Reichsverfassung ist dabei auf der Bundesebene auf eine Regelung zum institutionellen Verhältnis von Staat und Kirchen zu verzichten. Der Staatskirchenvertrag (Reichskonkordat) ist daher aufzuheben.

Modul 2 Staatliche Alimentation von Kirchen und Kirchensteuer

Weil die diskriminierungsfreie Regelung eines staatlichen Einzugs von Kirchenbeiträgen nicht möglich ist, sind die Regelungen über die Kirchensteuer abzuschaffen. Das sorgt auch dafür, dass staatliche Stellen unter dem Gesichtspunkt der Datensparsamkeit die Religionszugehörigkeit nicht mehr erfassen müssen.

Ohne in die landesrechtlich zu regelnden Angelegenheiten einzugreifen, erklärt die Piratenpartei Deutschland, dass eine gezielte Alimentierung einzelner Kirchen aus dem Staatshaushalt nicht mehr zeitgemäß ist und daher schrittweise abgebaut werden sollte. Das gilt namentlich für die aus der Zeit der Säkularisierung im beginnenden 19. Jahrhundert abgeleiteten Globalzuweisungen an die beiden christlichen Großkirchen.

Der Staat muss religiöse Neutralität wahren

Institutionen des Staates sind von der unmittelbaren Einwirkung einzelner Religionsgemeinschaften freizuhalten. Religiöse Symbole sind in staatlichen Institutionen nicht von Amts wegen anzubringen. Individuelle Religionsausübung (etwa tageszeitgebundene Gebete oder Militär-, Krankenhaus- und Schulseelsorge) ist auch in staatlichen Einrichtungen zu ermöglichen; dabei ist ein demonstrativer Charakter auszuschließen.

Alle Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften haben das gleiche Recht auf Sichtbarkeit im Stadtbild. Das bezieht sich auf die Errichtung religiöser Gebäude ebenso wie auf Prozessionen zu religiösen Feiertagen, soweit hierdurch nicht unzumutbare Behinderungen für die Allgemeinheit ausgehen.

Die Bedeutung eines wöchentlichen Tages der Arbeitsruhe ist unabhängig von religiöser Konnotation sinnvoll, um Zeiten zivilgesellschaftlicher und familiärer Gemeinsamkeit abseits von wirtschaftlichen Zwängen zu ermöglichen. Bei den Regeln für Feiertage ist besser als bisher zwischen den Bedürfnissen der traditionellen Religionen und den Bedürfnissen religionsfreier Menschen abzuwägen.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung muss für die kritische Auseinandersetzung mit religiösen Bekenntnissen im gleichen Maße wie in anderen Bereichen auch gelten.

Staatliche Einrichtungen mit bisher religiöser Abhängigkeit

Staatlicher Unterricht muss den Schülern die Möglichkeit geben, einen eigenen Zugang zu den ethischen Grundlagen einer humanen Gesellschaft zu finden, das kann auch ein religiöser Zugang sein. Im Mittelpunkt muss aber die gemeinsame Auseinandersetzung von nicht-religiösen und religiösen Schülern der verschiedenen Glaubensrichtungen sein, um gegenseitiges Wissen und Verständnis zu fördern und religiöse Toleranz in der Gesellschaft zu verankern.

Für die theologischen Fakultäten und Fachbereiche an den staatlichen Hochschulen sind Regelungen zu finden, die die staatliche Religions-Neutralität sicherstellen.

Einrichtungen in religiöser Trägerschaft

Soweit Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften Aufgaben im Bildungs- und Sozialbereich übernehmen, sollen für sie die gleichen Regelungen gelten wie für weltanschaulich neutrale Einrichtungen.

Es ist die Aufgabe staatlicher Steuerung, dafür zu sorgen, dass es flächendeckend Einrichtungen gibt, die solche Aufgaben religiös neutral oder im Rahmen religiöser und weltanschaulicher Vielfalt anbieten. Eine Priorisierung traditioneller kirchlicher Einrichtungen ist nicht länger vertretbar.

Kirchen und Glaubensgemeinschaften stehen nicht außerhalb der Rechtsordnung

Kirchen und Glaubensgemeinschaften sind Bestandteil der Rechtsordnung. Sie haben staatliche Gesetzgebung insbesondere auch zu den Grundsätzen der Gleichberechtigung und Gleichachtung aller Menschen zu beachten. Davon kann nur im Aufgabenbereich der unmittelbaren Glaubensverkündigung abgewichen werden. Auch die allgemeinen gesetzlichen Regeln der Koalitionsfreiheit und der Mitbestimmung sind in vollem Umfang einzuhalte

Antragsbegründung

Es geht um die Freiheit - um einen durchaus zentralen Aspekt von Freiheit! Damit ist nicht nur die Freiheit zur Religionsausübung gemeint, sondern auch die Freiheit von religiöser Bevormundung. Und es geht um die Gleichheit - um die Gleichheit der gesellschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten verschiedener religiöser und weltanschaulicher Auffassungen, die nicht von Staats wegen diskriminiert oder bevorzugt werden dürfen.Und es geht um die Brüderlichkeit - denn ganz oft erwächst die Verpflichtung zu solidarischem Verhalten der Individuen in einer Gesellschaft aus einem individuell-religiösen Selbstverständnis.

Das Spannungsfeld zwischen Staat und Religion

Das Spannungsfeld ergibt sich im Bereich der staatlichen Beitragseinziehung für Glaubensgemeinschaften (Kirchensteuer) über konfessionsgebundenen Schulpflicht-Unterricht, konfessionsgebundene Schulen oder die Militärseelsorge bis zu den Relikten aus der Auflösung kirchlicher Latifundien (Subsidiaritätsprinzip): Aufgrund der vereinbarten Subsidiarität tritt der Staat als Anbieter gesellschaftlicher Dienstleistungen (von der Kinderbetreuung über die Krankenversorgung bis zur Sterbebegleitung) hinter die Angebote religiös bzw. weltanschaulich fundierter Träger (nur teilweise auch laizistischer Träger - Rotes Kreuz) zurück.

In diesem Spannungsfeld entstehen Formen religiöser Bevormundung, wenn etwa aufgrund regionaler politischer Priorisierung religions- und konfessionsfreie Angebote gar nicht unterbreitet werden. Das kann auch Ausdruck gezielter politischer Diskriminierung sein - zum Beispiel im Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatung.

Abbau staatliche Alimentierung

Hintergrund der Forderung auf Abbau staatlicher Alimentierung ist die seit der Säkularisierung im beginnenden 19. Jahrhundert übliche Grundförderung der beiden christlichen Konfessionen aufgrund des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803 (Link zur Wikipedia). Nach über zweihundert Jahren ist eine Ablösung dieser Verpflichtungen geboten.


Soziale Einrichtungen

Die öffentliche Förderung von sozialen Einrichtungen ist abhängig davon, dass der Träger einen finanziellen Eigenanteil aufbringt. Kirchliche Einrichtungen können hier einfacher Mittel aufbringen, solange es staatliche Globalzuweisungen gibt, die eben auch dafür genutzt werden können. Daraus ergibt sich eine Benachteiligung laizistischer Träger, die eben nicht auf derartige Finanzierung zurückgreifen können.

Politische Bevorzugung

Beispiele einer politischen Bevorzugung kirchlicher Träger zeigen sich in der Erreichbarkeit laizistischer KiTas in ländlichen Regionen konservativ regierter Bundesländer, oder in der Benachteiligung etwa von Pro Familia in der Schwangerschaftskonfliktberatung.

Ethik-Unterricht

Die Formulierung zielt auf einen religions- und konfessionsübergreifenden Ethik-Unterricht, wie er z.B. in Berlin eingeführt wurde. Ein konfessionsgebundener Religionsunterricht ist mit den hier formulierten Zielen nicht vereinbar, da er eben nicht religions- und konfessionsübergreifend alle Schüler anspricht. Eine Umsetzung, die den konfessionellen Religionsunterricht aus dem Angebot der Schulen löst, wird aber voraussichtlich auf längere Zeit an Art. 7 Abs. 3 GG scheitern, auch Art. 141 GG hilft da nicht weiter.

Der Initiator der Liquid Feedback Initiativen Eberhard Zastrau hat diesen Antrag bereits zum BPT 2010.2 als PP017, zum BPT 2011.1 als Antrag PA020 eingebracht, und zum BPT2011.2 als Antrag Q009 eingebracht, sie wurden dort aber nicht behandelt. Eberhard Zastrau ist am 22.05.2012 verstorben, die Berliner Piraten haben versprochen, seine unbehandelten Anträge einzureichen - das erfolgt hiermit.

Diskussion

  • Vorangegangene Diskussion zur Antragsentwicklung: {{{diskussionVorher}}}
  • [{{{antragsdiskussion}}} Pro-/Contra-Diskussion zum eingereichten Antrag]


Konkurrenzanträge