Antrag:Bundesparteitag 2012.2/Antragsportal/PA078
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Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2012.2. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich
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Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag. |
Antragsübersicht | |
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Antragsnummer | PA078 |
Einreichungsdatum | |
Antragsteller | |
Mitantragsteller |
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Antragstyp | Wahlprogramm |
Antragsgruppe | Wirtschaft und Finanzen |
Zusammenfassung des Antrags | In insgesamt neun getrennt abstimmbaren Modulen werden politische Forderungen erhoben, die u.a. eine Bankentrennung, die Beschränkung des Eigenhandels von Banken sowie die Regulierung von Schattenbanken und des Derivatehandels betreffen. |
Schlagworte | Bankentrennung, Eigenhandel, Schattenbanken, Derivatehandel, Spekulationsgeschäfte, OTC-Handel, Finanztransaktionssteuer, Vergütungssysteme |
Datum der letzten Änderung | 01.11.2012 |
Status des Antrags | |
Abstimmungsergebnis |
AntragstitelRegulierung des Bankensystems und der Finanzmärkte AntragstextDer Bundesparteitag möge folgenden Antrag gegebenenfalls modular beschließen und an geeigneter Stelle in das Wahlprogramm aufnehmen: Modul 1: Trennung von Geschäfts- und Investmentbanking Die klassischen Geschäftsbankaufgaben des Einlagen- und Kreditgeschäfts sind von den Handelsgeschäften des Investmentbankings nach dem Holding-Modell der OECD zu trennen. Danach werden die jeweiligen Geschäftsbereiche als rechtlich und wirtschaftlich eigenständige Tochterunternehmen mit Banklizenz in einer Holding-Gesellschaft fortgeführt. Innerhalb der Holding gilt ein Beteiligungs- und Finanzierungsverbot der Geschäftsbank-Einheiten an den Eigenhandelsinstituten.
Solange die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanking noch nicht umgesetzt ist (z.B. wegen einer ggf. erforderlichen Harmonisierung in mehreren EURO-Staaten), dürfen Banken, die Eigenhandel betreiben, für die Finanzierung dieser Handelsgeschäfte keine Kundeneinlagen heranziehen. Weiterhin muss eine Finanzierung durch Zentralbankgeld ausgeschlossen werden. Geschäftsbanken dürfen sich an Finanzinstituten, die Eigenhandel betreiben, weder beteiligen noch diese refinanzieren. Eigenhandelsgeschäfte sind mit mind. 25% Eigenkapital zu hinterlegen.
Für Schattenbanken müssen die gleichen Regulierungen gelten wie für Kreditinstitute. Dies betrifft insbesondere Eigenkapitalvorschriften, Liquiditätsvorschriften, das Risikomanagement bei Kreditvergabe sowie Sicherungssysteme für Einlagen. Gemäß der Trennung von Geschäftsbank- und Investmentbank-Aktivitäten ist die Kreditvergabe oder die Beteiligung von Kreditinstituten an Schattenbanken, die Eigenhandel betreiben, untersagt.
Bei einer Restrukturierung oder Abwicklung von Banken sollen zunächst die Eigentümer der Bank haften. Danach müssen auch die Gläubiger der Bank an den Verlusten beteiligt werden. Dies kann u.a. dadurch erfolgen, dass die Gläubiger neues Eigenkapital durch Schuldumwandlung bereitstellen (z.B. Tausch von Gläubiger-Forderungen in Unternehmens-Anteile).
Warentermingeschäfte auf Nahrungsmittel und Agrarrohstoffe ohne konkreten Bezug zu realwirtschaftlichen Warentransaktionen werden verboten. Darüber hinaus wird Finanzinstitutionen der physische Rohstofferwerb genauso untersagt wie die Emission und der Handel mit Index- und Investmentfonds, die Rohstoffpreise oder Rohstoffpreisindices für Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel abbilden.
Der Handel mit Derivaten soll ausschließlich über Börsen erfolgen. OTC-Geschäfte müssen in Handelsregistern erfasst und die Risiken aus den Geschäften mit Sicherheiten hinterlegt werden.
Der in der EU inzwischen verbotene ungedeckte Kauf von Kreditderivaten auf Staaten ist auszuweiten auf Kreditderivate auf Banken, Unternehmen, etc.
Die Piratenpartei setzt sich für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer mit einer möglichst breiten Bemessungsgrundlage ein. Daher sind gegenüber dem derzeitigen Vorschlag der Europäischen Kommission in die Besteuerung auch Devisentransaktionen sowie ausländische Tochtergesellschaften europäischer Banken mit einzubeziehen. Um gleichzeitig Finanzierungs- wie auch Lenkungseffekte zu erzielen, halten wir Steuersätze von 0,1 % für den Handel mit Aktien und Anleihen und 0,01 % für den Handel mit Derivaten für angemessen.
Die variable Vergütung darf das Festgehalt nicht übersteigen und muss durch einen mehrjährigen Bonus-Malus Pool aus tatsächlich realisierten Gewinnen gespeist werden. Um nicht Anreize für Gewinne aus besonders hohen Risiken zu setzen, müssen die Boni umso geringer ausfallen, je höher die Risiken der eingegangenen Geschäfte sind. Außerdem ist die steuerliche Absetzbarkeit von Managergehältern und Abfindungen als Unternehmensausgaben zu beschränken und Vergütungssysteme, die darauf ausgelegt sind, die Besteuerung systematisch zu umgehen (z.B. durch Offshore-Konten), müssen verboten werden. AntragsbegründungDie durch die Finanzkrise sichtbar gewordenen Regulierungsdefizite bzgl. der Finanzmärkte im Allgemeinen und der Banken in Speziellen ist in den letzten Jahren kaum voran gekommen. Die Piratenpartei, der in der breiten Öffentlichkeit noch wenig Kompetenz im Bereich „Wirtschaft und Finanzen“ zugebilligt wird, braucht für die Umsetzung ihrer finanzpolitischen Vorstellungen daher politische Partner, die in diesem Punkt gleiche oder ähnliche Ziele verfolgen. Das weitgehendste Regulierungskonzept kommt derzeit von der SPD und enthält viele Punkte, die auch in den zuständigen AGs der Piraten in ähnlicher Form diskutiert und mehrheitlich befürwortet wurden. Die vorgeschlagenen Module sind in den angestrebten Zielen und den dafür erforderlichen Mitteln weitgehend deckungsgleich mit einer Reihe von Punkten aus dem SPD-Konzept. Dadurch positionieren wir uns bzgl. der so wichtigen Finanzmarkt/ Banken-Regulierung in einer Form, die die politische Umsetzung unserer Ziele ermöglicht. Die Piraten stehen für eine Politik des konstruktiven Miteinanders - auch mit politischen Wettbewerbern - statt einer ausschließlichen Profilierung durch Abgrenzung. Wir sollten in diesem wichtigen Politikfeld ein klares Signal setzen, dass wir die SPD – falls diese nach der Bundestagswahl Seniorpartner einer neuen Regierungskoalition wird – in einer Reihe von Punkten ihres Konzepts zur Regulierung der Banken und Finanzmärkte unterstützen werden.
Die Holding selbst darf keine eigenen Geschäfte durchführen. Handelstätigkeiten der Bank auf eigene Rechnung (= Eigenhandel) sind nur noch in einer eigenständigen Investmentgesellschaft möglich. Innerhalb einer Holding werden Kapitaltransfer, Haftungsübernahmen und Kreditvergabe zwischen den Tochterunternehmen unter aufsichtsrechtliche Überwachung gestellt und können eingeschränkt werden, um im Krisenfall ein Überspringen von Verlusten zu begrenzen.
Als Eigenhandel gelten alle Handelsbuchgeschäfte, die zur kurzfristigen Gewinnerzielung auf eigene Rechnung getätigt werden. Durch das Verbot der Beteiligung an oder Finanzierung von Banken mit Eigenhandel durch andere Kreditinstitute sollen Dominoeffekte vermieden werden.
Unter dem Begriff Schattenbanken werden aufgrund ihrer bankähnlichen Geschäftstätigkeit zusammengefasst: Zweckgesellschaften, Geldmarktfonds, Investmentfonds wie Hedge-Fonds und Private-Equity-Fonds oder Finanzierungsgesellschaften. Global verwalteten diese Schattenbanken 2010 etwa ein Viertel der globalen Vermögenswerte. Die bestehende Regulierung von Schattenbanken deckt die Risiken, die diese für das Finanzsystem darstellen, nicht ab.
Für die Beteiligung von Bankgläubigern (z.B. Inhaber von Bankanleihen) muss es klare Regelungen geben. Erst nach der vorrangigen Haftung von Eigentümern und Gläubigern sollen etwaige Bankenrettungs-Fonds die für die Restrukturierung noch erforderlichen Kosten übernehmen und insb. die Einlagen privater Sparer schützen (soweit dies nicht durch vorhandene Systeme der Einlagensicherung sicher gestellt ist).
Auf den Rohstoffmärkten hat das Engagement von Banken und anderen Finanzmarktakteuren inzwischen zu einer gefährlichen Entkoppelung der Rohstoffmärkte von der Realwirtschaft geführt. Über börsengehandelte Indexfonds wird auch Privatpersonen ermöglicht, sich daran zu beteiligen.
Derivate sind - vereinfacht gesagt - Spekulationen auf zukünftige Preisentwicklungen. Das Volumen des Derivate-Handels (Ende 2011 mehr als 500 Billionen Euro) übersteigt inzwischen das globale Wirtschaftsprodukt etwa um das Zehnfache. Diese Geschäfte werden zu einem erheblichen Teil nicht über Börsen abgewickelt, sondern als sogenannte Over-the-Counter (OTC)-Geschäfte außerhalb regulierter Märkte und ohne dass Aufsichtsbehörden über Art und Umfang der Geschäfte informiert werden. Ein großer Teil dieser OTC-Geschäfte sind nicht mit Sicherheiten hinterlegt. Der Ausfall eines einzelnen Marktteilnehmers kann daher zu einer Kettenreaktion führen.
Beim ungedeckten oder „nackten“ Kauf eines Kreditderivates wird eine Versicherung gegen den Ausfall eines Kredites gekauft, ohne dass man im Besitz der Kreditforderung ist. Durch solche spekulativen, ungedeckten Handelsaktivitäten können insbesondere in Krisenzeiten die Kurse einzelner Wertpapiere übermäßig unter Druck gesetzt werden.
Im Vordergrund steht die Schaffung zusätzlicher finanzieller Handlungsspielräume für den Staat. Ein Lenkungseffekt wird für den Hochfrequenzhandel mit Derivaten angestrebt.
Die erfolgsabhängige Vergütung, die für Handelsbereich-Mitarbeiter oft ein Vielfaches des festen Grundgehalts beträgt, hat den Fokus dieser Bankbeschäftigten zunehmend auf kurzfristige Gewinne verschoben. Dieses Anreiz-System verführt dazu, langfristige Risiken zugunsten kurzfristiger Gewinne systematisch auszublenden. Auch als Folge davon wuchsen die Vergütungen im Finanzsektor weit über diejenigen in der Realwirtschaft hinaus, so dass sich inzwischen mit der Vermehrung von Geld weitaus mehr verdienen lässt als mit der Vermehrung von Produktivvermögen. Hierdurch werden für unsere Gesellschaft höchst ungesunde Anreize gesetzt. Diskussion
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