AG Gesundheitspolitik/Wahlprogrammentwurf 2
Wahlprogrammentwurf 2 Gesundheitspolitik |
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Der Bundesparteitag möge diesen Antrag ggf. modular beschließen und im Wahlprogrammbereich Gesundheit einfügen: GesundheitspolitikModul 1 - PräambelDas Ziel von Gesundheitspolitik ist die Förderung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung. Grundsatz unserer Politik ist es daher genau zu prüfen, welche strukturellen Hindernisse diesem Ziel entgegenstehen. Dazu nehmen wir stets im ersten Schritt die Perspektive der Patientinnen und Patienten ein, da diese bei dieser Betrachtung im Mittelpunkt stehen müssen. Dabei berücksichtigen wir, dass auch in der Gesundheitsversorgung jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann und daher kluges Haushalten mit den zur Verfügung stehend Mitteln notwendig ist. Für uns zeichnet sich eine gute Gesundheitsversorgung durch ihren niedrigschwelligen Zugang aus, der allen Menschen in Deutschland eine zugewandte Behandlung nach aktuellem Stand der Erkenntnis ermöglicht. Modul 2 - Transparenz im GesundheitssystemFür Patientinnen und Patienten ist es kaum möglich die Qualität der ärztlichen Behandlung sowohl im Krankenhaus als auch insbesondere im niedergelassenen Bereich zu überprüfen. Wir fordern daher die verständliche Aufbereitung, Veröffentlichung und priorisierte Weiterentwicklung von Qualitätsmerkmalen. Intransparenz liegt zudem in den Organen der Selbstverwaltung vor. Die obersten Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen tagen und arbeiten weitestgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die Piraten werden sich für eine transparente Arbeit dieser und weiterer Gremien einsetzen. Das bedeutet auch, dass das Zustandekommen der Beschlüsse unter Nennung der jeweils vertretenen Positionen öffentlich werden muss. Auf Seiten der Krankenversicherungen und Arzneimittelherstellern fordern wir Transparenz bezüglich abgeschlossener Arzneimittel-Rabattverträge. Es muss zukünftig ersichtlich sein, wie hoch das jeweilige Einsparvolumen im Vergleich zum entstehenden Mehraufwand in der Verwaltung ist. Modul 3 - Abbau von Unter-, Über- und FehlversorgungDer Zugang zu medizinischen Angeboten ist für Patientinnen und Patienten heute stark abhängig von ihrem Wohnort. So sind in Großstädten je Einwohner deutlich mehr Ärzte angesiedelt als in ländlichen Regionen. Deshalb streben die Piraten eine Bedarfsplanung an, in der jede Abweichung vom Durchschnitt der Versorgungsdichte öffentlich zu begründen ist. Zur Schließung von Versorgungslücken werden wir uns dafür einsetzen, dass Kommunen das Recht erhalten hausärztliche Vertragsarztsitze zu übernehmen und dort Ärzte anzustellen. Zudem sollen mobile Arztpraxen Einzug in die Regelversorgung finden können. In der stationären Versorgung werden in erheblichem Umfang mehr Betten vorgehalten und finanziert als notwendig. Wir fordern daher einen planvollen Abbau dieser Überkapazitäten. Ein solcher Eingriff in die Krankenhausstruktur muss in ein regionales Versorgungskonzept eingebunden werden. Für die erforderlichen und wirtschaftlich arbeitenden Krankenhäuser sind die Erlösstrukturen so auszugestalten, dass ein ausgeglichenes Wirtschaftsergebnis auch ohne Ausnutzung von Fehlanreizen wie Fallzahlsteigerung oder massiver Kosteneinsparung im Personalbereich möglich ist. Wir sehen die Trägervielfalt (öffentliche, freigemeinnützige, und private Träger) als Anreiz für einen Wettbewerb um die Versorgungsqualität. Gleichzeitig betrachten wir die Gewährleistung der Gesundheitsvorsorge und Behandlung von Krankheiten als Fürsorgepflicht des Staates. Deshalb befürworten wir Initiativen, die einen Erhalt von Kliniken in öffentlicher Trägerschaft zum Ziel haben. Eine weitere Absenkung des Anteils öffentlich getragener Kliniken unter 30% (aktuell 30,5%) lehnen wir ab. Im Interesse der Patientinnen und Patienten wollen wir Grenzen und Hürden abbauen, wenn sie lediglich der Abgrenzung von Leistungserbringern dienen. Insbesondere die Grenze zwischen ambulanter und stationärer Versorgung muss fließend gestalten werden. Das bedeutet beispielsweise die Zulassung von ambulanter fachärztlicher Behandlung im Krankenhaus auf Überweisung einerseits sowie die weitere Förderung von fachärztlichen Leistungen und Kooperationen niedergelassener Ärzte am Krankenhaus andererseits. Im Gesundheitssystem werden viele Leistungen erbracht, die sich fachlich nicht angemessen begründen lassen und teilweise sogar schädlich für die Patientinnen und Patienten sind. So ist in Deutschland beispielsweise seit Einführung von Fallpauschalen (G-DRG) die Anzahl von Operationen massiv angestiegen. Um diesem entgegenzuwirken fordern wir die Entwicklung eines Vergütungssystems, das die (Ergebnis-)Qualität einer Behandlung stärker gewichtet. Zudem setzen sich die Piraten für die Förderung der evidenzbasierten Medizin ein, d.h. dem Treffen von versorgungsrelevanten Entscheidungen nach umfangreichen Recherchen in den verfügbaren Quellen des Wissens. Nur belastbare Studien zur Beurteilung der Wirkung von Therapien und Medikamenten können Grundlage der Entscheidungen über die Erstattung der Kosten durch die Krankenkassen sein. Therapien und Medikamente, deren Wirksamkeitsnachweis nicht erbracht wurde, dürfen nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden, wenn für die zu behandelnde Krankheit keine heilenden Therapien zur Verfügung stehen oder eine wissenschaftliche Bewertung mit höchster Evidenz sich aus ethischen Gründen verbietet. Modul 4 - Stärkung der VersorgungsforschungGrundlage eines modernen Gesundheitssystems ist die fortlaufende Prüfung der angebotenen Gesundheitsleistungen. Wir wissen heute noch viel zu wenig über die Wirksamkeit von beispielsweise bestimmten Präventionsmaßnahmen. Daher möchten wir massiv die Versorgungsforschung stärken. Die Finanzierung soll durch die Einführung einer Positivliste erfolgen, wie sie in der Mehrzahl der europäischen Länder existiert. Sie garantiert, dass Patienten nur Arzneimittel mit einem hohen Grad an Nutzen und Bewährungsgrad und einem vernünftigen Kosten-Nutzen-Verhältnis verschrieben bekommen. Außerdem soll mit den Einsparungen die nicht-kommerziellen Forschung im Bereich der Arzneimittel gefördert werden, um insbesondere Therapien für seltene Krankheiten zu erforschen. Modul 5 - Gesundheitliche BildungEs besteht wissenschaftliche Einigkeit, dass Bildung und Umweltfaktoren große Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen haben. Wir setzen uns für die Erprobung eines Faches „Gesundheitsbildung“ in Schulen ein, das vermittelt welche Faktoren sich positiv und negativ auf Gesundheit auswirken und wie man sie erhalten kann. Die Finanzierung des Faches soll als Teil einer Präventionsstrategie aus der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgen. Neben der schulischen Bildung sehen wir die Notwendigkeit einer umfassenden gesundheitlichen Aufklärung als nächsten Schritt einer sozialen Inklusion von Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen. In den Fokus der Aufklärung sollen vor allem jene Krankheits- und Störungsbilder sowie Behinderungen gerückt werden, die häufig von Vorurteilen und Ausgrenzungen betroffen sind. Die PIRATEN sehen hier vor allem die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in der Pflicht, aber auch die privaten Sendeanstalten, Print- und Onlinemedien, ihren gesellschaftlichen Beitrag für eine wirksame gesundheitliche Aufklärung zu leisten. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf die Vermittlung der Botschaft liegen, dass Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft sind. Modul 6 - FinanzierungDie Finanzierung des Gesundheitssystems betrachten wir als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Daher sehen wir in der Einbeziehung sämtlicher Bürgerinnen und Bürger in die Sozialversicherung unter Berücksichtigung aller Einkommensarten, mit Ausnahme von Mieteinnahmen, ein sinnvolles Modell zur Finanzierung dieses Systems. Wir erkennen allerdings die Einschränkungen der Wahlfreiheit in dieser Art der Finanzierung für Bürgerinnen und Bürger sowie die Anbieter privater Krankenversicherungen an und verstehen ihre Bedenken. Daher setzen wir uns für einen Volksentscheid ein, um einen gesellschaftlichen Konsens in dieser wichtigen Frage des gemeinschaftlichen Zusammenlebens zu erreichen. Modul 7 - NotfallmedizinDie Überlebenschancen von Patienten hängen in Notfallsituation unmittelbar von der Reaktion beteiligten Bürgerinnen und Bürger ab. Um die Bevölkerung besser in die Lage zu versetzen in solchen Situation richtig zu handeln fordern wir Programme zur Förderung von Ersthelfermaßnahmen in allgemein- und weiterbildenden Schulen. Ein angemessenes Verhalten in Notfallsituationen soll auch durch die Einrichtung und Förderung von Schulsanitätsdiensten auf freiwilliger Basis in Schulen erleichtert werden. Unterstützend möchten wir die Verbreitung von Defibrillatoren im öffentlichen Raum fördern. Um nach Eintreffen des Rettungsdienstes jeder Patientin und jedem Patienten unabhängig von seinem Aufenthaltsort eine bestmögliche Erstversorgung zu gewährleisten setzen wir uns für bundeseinheitliche Mindeststandards in der Ausstattung von Rettungswagen ein. Modul 8 - elektronische GesundheitskarteWir erkennen den Vorteil an, den eine rasche Zugriffsmöglichkeit von Ärzten auf diagnose- und behandlungsrelevante Patientendaten hat. Elektronische Kommunikation im Gesundheitswesen ist der Schlüssel zum Abbau der Versorgungsgrenzen und der kontinuierlichen Versorgung chronisch erkrankter Patientinnen und Patienten. In der derzeitig geplanten Form lehnen die PIRATEN die elektronische Gesundheitskarte jedoch ab. Wir fordern ergänzend die verbindliche Einführung dezentraler Speichermöglichkeiten direkt auf der Chipkarte. Durch diesen Speicher können, ergänzt durch die Möglichkeit rechtssicherer elektronischer Unterschriften, alle Anforderungen an eine moderne IT-Infrastruktur bei gleichzeitiger Wahrung des Datenschutzes erfüllt werden. So erhalten Patientinnen und Patienten die volle Entscheidungshoheit über ihre Daten und können die Vorteile dieser Technologie nutzen. Modul 9 - Rezeptfreie Abgabe der 'Pille danach'Wir wollen uns für eine rezeptfreie Abgabe der "Pille danach" (mit dem Wirkstoff Levonorgestrel) einsetzen. Diese entspricht den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und wird bereits in den meisten anderen europäischen Ländern praktiziert. Durch die Einnahme der "Pille danach" können ungewollte Schwangerschaften und Schwangerschaftsabbrüche vermieden werden. Zudem ist sie relativ gut verträglich; eine vorhergehende ärztliche Untersuchung ist nicht notwendig. Daher stellt die Rezeptpflicht dieses Medikaments für Frauen einen absolut unangemessenen Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung dar. Modul 10 - Pflegequalität und PflegesicherheitDie PIRATEN sprechen sich für klare und eindeutige Regeln zum Personaleinsatz in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen der Langzeitversorgung aus. Es sind durch Fachgremien anhand empirisch festgestellter Fakten Zahlenschlüssel festzulegen, nach denen die maximale Anzahl von Patient pro dreijährig examinierter Pflegekraft definiert ist. Zusätzlich ist je nach Bereich festzulegen wie viele Pflegehilfskräfte minimal und maximal im Verhältnis zu dreijährig examiniertem Personal einzusetzen sind. In Abteilungen mit besonderen Belastungen, wie zum Beispiel Intensivstationen, sind Sonderschlüssel anzuwenden, die wie im Fall der Intensivmedizin bereits durch die (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) definiert wurden. Diese Festlegungen werden durch ein Fachgremium des Bundes oder Landes, nicht aber der Landschaftsverbände, getroffen bzw. bestätigt. Modul 11 - Fortbildungspflicht in der PflegeDie professionelle berufliche Pflege in Form der Gesundheits- und Krankenpflege, als auch der Altenpflege ist einem enormen Arbeits- als auch Wissensdruck ausgesetzt. Die ständig zunehmenden wissenschaftlichen Erkenntnisse im Bereich der Medizin als auch der Pflege sowie die wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen machen eine ständige und fundierte Fortbildung unausweichlich. Die PIRATEN fordern eine Fortbildungsverpflichtung und einen Fortbildungsnachweis von professionell beruflich Pflegenden, um den modernen pflegerischen als auch medizinischen Anforderungen gerecht zu werden. Die Form des Nachweises kann dabei in einem Punktesystem ähnlich dem Modellprojekt „Registrierung beruflich Pflegender“ erfolgen. Die Fortbildungen sind so zu etablieren, dass es eine Freistellungspflicht seitens der Arbeitgeber gibt. |
Begründung |
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