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Pad rueckfrage-forum-rauchfrei

Unformatierter Pad-Text:

Piratenpads sind lediglich Arbeitshilfen und Infosammlungen. Sie stellen KEINE offizielle Aussage oder Haltung der Piratenpartei dar !
_________________________________________________________________________
=Was / Thema?=
* Rückfrage Forum Rauchfrei

=Zweck=
* Antwort der Piraten

=deadline=
* 16.08.2013

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Text des Screibens vom Forum Rauchfrei in fett und weiß, Antwortvorschläge in Bearbeiterfarben.

Am 14. August 2013 14:50 schrieb Martin Haug <martinhaug@piratenpartei.de>:

Hallo,
Ihr (oder einige von euch) hattet doch den Wahlprüfstein des
Aktionszentrum Forum Rauchfrei beantwortet:
https://btw13-wahlpruefsteine.piratenpad.de/144
Der Fragesteller hat noch ein paar Rückfragen und ich wollte fragen, was
ich ihm darauf schreiben kann:

Bitte erlauben Sie uns folgende Rückfragen zur Beseitigung einiger Unklarheiten:


- Zum Passivrauchen am Arbeitsplatz schreiben Sie: „Jedoch liegt es im Wesen der PIRATEN auf einen gesellschaftlichen Kompromiss und Teilhabe für alle Bevölkerungsgruppen hinzuwirken.“

Diese Aussage erscheint uns widersprüchlich. Möchten Sie einen gesellschaftlichen Kompromiss oder möchten Sie die gesellschaftliche Teilhabe auch von Menschen mit Atemwegsbehinderung sicherstellen?

Wir streben einen gesellschaftlichen Kompromiss zwischen den Interessen der Raucher und der Nichtraucher, sowie der Menschen mit Atemwegsbehinderung an. Beide Gruppen haben berechtigte Interessen. Wir sind überzeugt, dass sich die gesellschaftliche Teilhabe durch einen solchen Kompromiss realisieren lässt.

Für die gesellschaftliche Teilhabe aller ist es sicher nicht notwendig, dass jede Kneipe, jeder Raucheraum, mitunter sogar Orte unter freiem Himmel ganz unbedingt rauchfrei sein müssen. Es ist aber wichtig, dass Menschen, die sich Tabakrauch nicht aussetzen wollen oder dürfen, genügend Möglichkeiten zur Teilnahme am gesellschaftlichen Leben haben.
Zudem müssen Menschen an Orten, an denen sie sich zwangsläufig aufhalten müssen, z.B. an öffentlichen Einrichtungen, rauchfrei bleiben können.

Wie genau der Kompromiss aussehen soll, wird sich in der gesellschaftlcihen Diskussion herausbilden. Wir PIRATEN treten vor allem dafür ein, dass die Diskussion offen, undogmatisch und im Respekt vor dem jeweils anderen geführt wird.

- Sie schreiben weiter: „Gesetzliche Regelungen kommen nur zur Vermeidung von Fremdschädigung in Frage.“ Weiter unten dagegen: „Es ist ein wesentlicher Aspekt der Suchtprävention, einseitig positive Darstellung von suchterzeugenden Substanzen zu vermeiden. Wir fordern daher ein ausnahmsloses Werbe- und Sponsoringverbot für Produkte, die geeignet sind, Abhängigkeiten zu erzeugen. Dazu gehören selbstverständlich auch Zigaretten und andere Tabakprodukte.“

Die von Ihnen geforderten Werbeverbote sind unzweifelhaft gesetzliche Regelungen mit dem Ziel, die Eigenschädigung von Menschen zu verhindern. Wir empfinden Ihre Aussagen daher als hochgradig widersprüchlich und bitten um weitere erklärende Worte.

Die Werbeverbote sind nicht in erster Linie eine Maßnahme zur Vermeidung von Eigenschädigung. Sie sollen vielmehr der Beseitigung eines Ungleichgewichts dienen: 

Auf der einen Seite steht eine finanziell gut ausgestattete Werbeindustrie, die psychologische Erkentnisse auswertet, um bestmöglich eine einseitig positive Darstellung suchterzeugender Substanzen zu präsentieren, ganz offen selbstverständlich in der Absicht, einen positiven Kontext zu schaffen und zum Konsum zu verführen. Das ist ihr Job. Auf der anderen Seite steht ein oft jugendlicher Konsument, auf den diese unter großem Aufwand hergestellte positive Konnotation nicht ohne Wirkung bleibt. Tatsächlich sind die Konsumenten also nicht frei in ihrer Entscheidung. 

Wir PIRATEN wollen zum Schutz der freien Entscheidung beitragen, indem wir diesem Ungleichgewicht mit einer verbesserten Präventionsarbeit einerseits und dem Werbeverbot andererseits entgegentreten.

- Sie beschreiben weiterhin Positionen und Tatsachenbehauptungen der „NRW-Piraten“ zum Nichtraucherschutz. Werden diese vom Bundesverband der Piratenpartei Deutschland unterstützt oder nicht?

Die Gliederungen der Piratenpartei sind in ihrer Beschlussfassung frei, solange sie nicht bestimmten ungeschriebenen Grundwerten oder konkreten Vorgaben der Satzungen und Programme übergeordneter Gliederungen widersprechen. Auf Bundesebene ist keine programmatische Entscheidung zum Thema getroffen, daher können die Landesverbände hier eigene Programme erarbeiten. Im speziellen Fall des Nichtraucherschutzes erscheint dies auch überaus sinnvoll, da es ja gerade die Länder sind, die hier gesetzgeberisch tätig werden.

- Sie schreiben: „Prinzipiell setzen wir uns für die Unabhängigkeit politischer Entscheidungsträger und Parteien ein und lehnen somit die finanzielle Unterstützung dieser aus der Wirtschaft ab.“

Existiert diesbezüglich ein konkreter Kodex oder eine andere Art bindender Vorgabe (z.B. eine Satzungsvorschrift) für Ihre Parteigliederungen und Mandatsträger und könnten Sie uns diese bitte übersenden?

Es handelt sich dabei um eines der Grundprinzipien der PIRATEN. Unser Grundsatzprogramm [1] und die Wahlprogramme [2] atmen diesen Geist und interpretieren ihn in vielfältiger Weise. Satzungsmäßig adressieren wir diesen Themenbereich für Abgeordnete nicht, da wir die im Grundgesetz festgeschriebene Gewissensfreiheit der Abgeodneten [3] sehr hoch achten. Für die Partei selbst geben wir uns jedoch strenge Regeln [4], um intransparente Beeinflussungen zu vermeiden. Überdies haben die Piraten ein sehr feines Radar für  mögliche Beeinflussung der freien Willensbildung und pflegen solche  Fälle gern und laut öffentlich zu machen. Und wir stehen auch gerne öffentlich zu diesen Prinzipen und machen sie zu Elementen des Wahlkampfes [5],

[1] http://wiki.piratenpartei.de/Parteiprogramm#Mehr_Demokratie_beim_W.C3.A4hlen
[2] http://wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2013/Wahlprogramm#Politische_Transparenz_und_Antikorruption
[3] http://dejure.org/gesetze/GG/38.html
[4] https://www.piratenpartei.de/partei/satzung/ §11
[5] ttp://piraten-ansbach.de/files/2013/05/Filz-Orange_277x392.jpg



- Weiter: „Unsere Politik ist gekennzeichnet von dem Streben nach Entscheidungsfindung aufgrund unabhängiger, wissenschaftlicher Erkenntnisse.“
Auf was bezieht sich Ihre Aussage konkret? Es gibt unserer Kenntnis nach in Ihrer Partei Arbeitsgruppen, die den international breiten wissenschaftlichen Konsens über die Schädlichkeit des Passivrauchens in Frage stellen und dazu auch eigene pseudo-wissenschaftliche Texte verfasst haben (siehe z.B. hier http://www.cigarworld.de/blog/?p=489). Steht der Bundesverband Ihrer Partei hinter solchen Aussagen und der entsprechenden Definition von „Wissenschaftlichkeit“?

Die Piratenpartei versteht sich als Mitmachpartei, ihre politische Arbeit setzt auf Offenheit und Beteiligung. So wie sich in der Bevölkerung unterschiedliche Meinungen artikulieren, tun sie das auch bei den Piraten. Daher werden Sie allerlei Arbeitsunterlagen im Wiki der Piratenpartei finden, unter anderem eben auch den in dem von Ihnen verlinkten Blogartikel zitierten Text [6] aber auch ganz gegensätzliches [7]

[6] http://wiki.piratenpartei.de/Datei:AG_Nichtraucherschutz_Studien_zur_Gef%C3%A4hrlichkeit_von_Passivrauch.pdf
[7] http://wiki.piratenpartei.de/Schutz_vor_Passivrauch/NiSchG_NRW:_1._Offener_Brief

Solange die Diskussion innerhalb des durch die Satzung abgesteckten Rahmens abläuft, haben wir nicht nur nichts dagegen, sondern wir begrüßen es ausdrücklich, die Diskussion auf einer breiten Basis und in gegenseitigem Respekt zu führen.

Die "Meinung der Piraten", ihr Programm, hingegen bildet sich ausschließlich auf den Parteitagen, denen alle Gruppen gleichermaßen ihre Entscheidungsvorlagen präsentieren können. Nur die dort gefassten Beschlüsse sind verbindlich. Bisher nicht vorgelegte, nicht aufgerufene und sogar abgelehnte Beschlussvorlagen und die dafür verwendeten Arbeitsmaterialien verbleiben aber selbstverständlich aus Gründen der Nachvollziehbarkeit im Wiki.

In Sachfragen legen die Piraten gerne ideologische Vorurteile beiseite und orientieren sich  ergebnisoffen an nachvollziehbaren Präzedenzfällen oder wissenschaftlichen Untersuchungen. Es gibt jedoch eine Reihe von Politikfeldern, in denen uns dies schwer gemacht wird. 

Alles rund ums Rauchen ist ein solches Feld. Studien mit widersprüchlichen Ergebnissen sind oft in ihrer Seriösität nur schwer zu beurteilen, da die Finanzierung der dahinterliegenden Forschungsarbeit nicht offengelegt wird. Der Verdacht liegt nahe, dass ideologiefreie, neutrale Sudien eher der Ausnahmefall sind. Und selbst wenn man von einer seriösen Studie ausgehen darf, treibt die politische Bewertung oft seltsame Blüten, wie jüngst in Nordrhein-Westfalen, wo eine selbst in Auftragggebene Studie [8] (in diesem Fall zur sog. e-Zigarette) von der verantwortlichen Gesundheitsministerin aus ganz offenbar sachfremden Gründen ignoriert wurde [9].

[8] http://www.ruhrbarone.de/e-zigarette-das-gutachten-das-barbara-steffens-verstecken-wollte-als-download/
[9] http://www.derwesten.de/politik/ministerin-steffens-verteidigt-e-zigaretten-verbot-id7319484.html

Wir PIRATEN dagegen gehen in dieser Situation nicht den leichten Weg und ziehen uns auf irgendeine vorgefertigte Meinung zurück, die wir -notfalls gegen alle Vernunftsargumente- durchsetzen. Stattdessen versuchen wir, die Diskussion trotz der äußeren Widrigkeiten so gut wie möglich zu führen, und alle erreichbaren Quellen zu sichten und zu bewerten. Und aufgrund unseres Transparenzprinzips haben Sie die Möglichkeit, Zeugen dieses Meinungsbildungsprozesses zu werden und, mehr noch, Ihre Sachargumente in die Diskussion einzubringen.

Und darauf sind wir PIRATEN stolz.
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