SH:LPT2014.2/Anträge/P006 - Abschaffung der Fallpauschalen (G-DRG-System) im Gesundheitswesen

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Dies ist ein Antrag zur Änderung des (Grundsatz-)Programms an den Landesparteitag 2014.2.

Antrag Nummer P006 an den Landesparteitag 2014.2.
Beantragt von
winderprobt [Hauke Bruhns]
Titel 
Abschaffung der Fallpauschalen (G-DRG-System) im Gesundheitswesen
Empfehlung der Antragskommission
Formal OK
Hinweise der Antragskommission
 
betrifft Abschnitt/Kapitel 
6. Arbeit und Gesundheit

Antragstext

Der Landesparteitag möge beschließen:

»Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass das derzeitige Fallpauschalengesetz (G-DRG-System) als Hauptkriterium für die Bezahlung von Krankenhausleistungen abgeschafft wird und durch ein neues zukunftsweisendes und nachhaltiges Finanzierungssystem für Krankenhäuser ersetzt wird. Dieses soll den Einfluss rein wirtschaftlicher Interessen auf medizinische Entscheidungen ausschließen, für alle Beteiligten im Gesundheistwesen trasparent, nachvollziehbar und weniger verwaltungsintensiv sein, Fehlanreize mit dem Ziel der Erlös- und Gewinnoptimierung rückgängig machen und stattdessen finanzielle Anreize für eine höhere Ergebnisqualität mit ganzheitlichem Behandlungsansatz schaffen.«


Neue Fassung:

Die Piratenpartei setzt sich dafür ein, dass das derzeitige Fallpauschalengesetz (G-DRG-System) als Hauptkriterium für die Bezahlung von Krankenhausleistungen abgeschafft wird und durch ein neues zukunftsweisendes und nachhaltiges Finanzierungssystem für Krankenhäuser ersetzt wird. Dieses soll den Einfluss rein wirtschaftlicher Interessen auf medizinische Entscheidungen ausschließen, für alle Beteiligten im Gesundheistwesen trasparent, nachvollziehbar und weniger verwaltungsintensiv sein, Fehlanreize mit dem Ziel der Erlös- und Gewinnoptimierung rückgängig machen und stattdessen finanzielle Anreize für eine höhere Ergebnisqualität mit ganzheitlichem Behandlungsansatz schaffen.

Begründung

2003 wurde die Krankenhausfinanzierung auf Fallpauschalen, das G-DRG-System (German Diagnosis Related Groups), umgestellt. Von den Zielen, die mit dieser Umstellung erreicht werden sollten, wurde kaum eines erreicht:

Der Anstieg der Ausgaben für die stationäre Behandlung sollte durch das Fallpauschalensystem gebremst werden. Tatsächlich sind die Ausgaben seither erheblich stärker gestiegen. In den acht Jahren vor der Einführung der DRGs stiegen die Kosten für die Krankenhäuser insgesamt um 7,4 Mrd. Euro. In den acht Jahren nach der Einführung der DRGs (bis 2012) stiegen die Kosten um 17,7 Mrd. Euro. Die Kostensteigerung hat sich also mehr als verdoppelt. Ähnliches gilt für die durchschnittlichen Kosten der behandelten Fälle: In den acht Jahren vor der Einführung der DRGs steigen die Kosten pro Fall um 378 Euro. In den acht Jahren danach um 570 Euro. (vgl. destatis: „Kostennachweis Krankenhäuser“, Wiesbaden 2013, S. 9

Der wirtschaftliche Wettbewerb, dem die Krankenhäuser durch das neue Finanzierungssystem ausgesetzt sind, sollte einen Bettenabbau bewirken. Tatsächlich hat sich seit der Einführung des Fallpauschalensystems der Bettenabbau sogar abgeschwächt. Wenn Betten stillgelegt werden, dann meist deshalb, weil sie sich betriebswirtschaftlich nicht rechnen. Die Folge ist ein zunehmender Verlust der flächendeckenden medizinischen Grundversorgung.

Gleichzeitig werden vorrangig die Kapazitäten für die Behandlung von Krankheiten ausgebaut, die für das Krankenhaus besonderen wirtschaftlichen Nutzen bringen (beispielsweise Wirbelsäulen- und Gelenkoperationen, Herzkatheter und Katheterinterventionen, Herzoperationen). Dieses hat, unter Berücksichtigung des demografischen Faktors, auch die Schließung von wirtschaftlich weniger rentablen Fachabteilungen wie Geburtshilfe oder Kinderheilkunde zur Folge.

Die Bezahlung nach Fallpauschalen sollte Transparenz und Vergleichbarkeit der Kostenstrukturen in den unterschiedlichen Krankenhäusern herbeiführen. Tatsächlich ist das Abrechnungssystem derart kompliziert und undurchsichtig, dass zwischen den Krankenkassen und den Kliniken ein unlösbarer Dauerkonflikt darüber entstanden ist, wie ein Fall korrekt abgerechnet wird. In der Folge wurde der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) der GKV zu einer allumfassenden und immens teuren Kontrollbehörde aufgerüstet, parallel dazu werden in den Krankenhäusern zusätzliche Kapazitäten für ein DRG-bezogenes Controlling geschaffen, einerseits als Gegengewicht zu den Kassen und zum MDK, andererseits zur innerbetrieblichen Optimierung der Leistungsdefinition und -steuerung.

Die Personalkostensteigerungen werden durch die DRGs nicht vollständig ausgeglichen, noch werden die bei der Kalkulation der DRG unberücksichtigten notwendigen Krankenhausinvestitionen ausreichend refinanziert. Daher müssen die Kliniken die Zahl und die Behandlungsschwere der von ihnen behandelten Patienten stetig steigern und dadurch Überschüsse erzielen, um nicht unweigerlich in rote Zahlen abzurutschen und um Investitionen tätigen zu können.

Fazit: All diese Erfahrungen zeigen, dass die marktwirtschaftliche Steuerung im Gesundheitswesen aufgrund systemimmanenter Fehler so nicht funktioniert. Das Fallpauschalen-System setzt falsche Anreize: Es belohnt, möglichst viele Fälle mit möglichst wenig Personal in möglichst kurzer Zeit zu behandeln. Kosten werden zu Lasten der Beschäftigten gesenkt. Krankenhäuser bemühen sich um lukrative, aber medizinisch unnötige Eingriffe. Umgekehrt werden in anderen Fällen die Krankenhäuser bestraft, die überwiegend eine medizinische Grund- oder Regelversorgung leisten. Betriebswirtschaftliche Analysen der Kreditwürdigkeit deutscher Krankenhäuser weisen darauf hin, dass unter DRG-Bedingungen in den nächsten Jahren zehn Prozent der Häuser geschlossen werden müssen, wenn ihnen keine zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden (vgl. Klinke 2005). Darüber hinaus ist die Intransparenz des deutschen DRG–System nicht sachgerecht.

Das ursprüngliche 1969 entwickelte Konzept der Erfinder der Fallpauschalen, Robert B. Fetter und John Devereaux Thompson, wird durch das seit 2003 bestehende System nicht abgebildet. Von der Idee der Steuerung von Entscheidungen ist außer einem System der Buchhaltung in der Praxis nichts übrig geblieben. Wenn die Nebenwirkungen die Hauptwirkung eines Medikamentes überwiegen, so wendet man es nicht an. Darum kann die logische Konsequenz nur die Abschaffung des G-DRG-Systems und eine grundlegende Reform der Krankenhausfinanzierung sein.


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