Bundesparteitag 2010.2/Antragskommission/Anträge 2010.2/2010-11-11 - Piratiges Verständnis des Menschen

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Antragsnummer

PP063

Einreichungsdatum

2010-11-11

Antragstitel

Piratiges Verständnis des Menschen

Antragsteller

  • Korbinian Polk
  • Julia Schramm

Antragstyp

Programmantrag

Antragstext

Piratiges Verständnis des Menschen

Das eigene Verständnis über den Menschen ist der Ausgangspunkt jeder Politik. Aus der Sicht auf die menschliche Natur wird das Verhältnis von Individuum und Gemeinschaft, Bürger und Staat abgeleitet. Ein gemeinsamer Blick auf den Menschen, seine Schwächen und Stärken ist daher essentiell für politische Arbeit.

Menschen sind widersprüchliche Wesen.

Sie streben einerseits nach Individualität und andererseits nach Zugehörigkeit zu einer Gruppe. Erst ihre Einzigartigkeit lässt sie wertvolles Mitglied einer Gemeinschaft sein.

Sie sehnen sich nach dem Erfahren von Gefühlen ebenso, wie nach Rationalität. Die Leidenschaft ist ebenso eine Handlungsmotivation, wie der Wunsch die eigene Umwelt durchdenken, verstehen und bewerten zu können.

Sie sind fasziniert von Komplexität und streben gleichzeitig Vereinfachung an. Nur durch die Reduzierung wird die Vielgestaltigkeit ihrer Umgebung für sie erleb- und verarbeitbar.

Sie wünschen sich sowohl Freiheit im Denken und Handeln als auch eine Einbettung in geschlossene Denksysteme. Erst die Gewissheit der Beständigkeit dieser ererbten Absicherung ermöglicht es ihnen, diese zu hinterfragen.

Diese widersprüchliche Natur verbindet uns und gibt uns allen den gleichen Wert. Daraus leitet sich das Recht auf die Unantastbarkeit unserer menschlichen Würde ab.

Verantwortung

Politik muss sich den Bedürfnissen des Menschen nach physiologischer Versorgung und materieller Sicherheit ebenso verpflichten, wie dem Wunsch nach Anerkennung, nach Selbstverwirklichung und Sinnstiftung. Dem Bedürfnis nach Informationserlangung und -verarbeitung muss piratige Politik genauso dienen wie der materiellen Grundversorgung der Bürger.

Das piratige Menschenverständnis lehnt eine Idealisierung des Menschen genauso ab, wie die Forderung nach einer Anpassung der menschlichen Natur an abstrakte Ideen oder statische Systeme. Vielmehr ist es die Aufgabe von Politik, die widersprüchlichen menschlichen Pole wertzuschätzen und in die politischen Prozesse zu integrieren. Gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen setzt Respekt gegenüber der Unperfektion voraus und darf keine Optimierung des Menschen anstreben. Politisches Handeln muss dem Ziel dienen humanen Bedürfnissen gerecht zu werden. Eine Nichtbeachtung oder der Versuch der Entgegenwirkung der grundlegenden Bedürfnisse führen am Ende in ein unfreiheitliches System.

Menschen wollen Verantwortung übernehmen, was jedoch nur unter der Abwesenheit von Zwang funktionieren kann. Nur wer Vertrauen geschenkt bekommt übernimmt Verantwortung. Gleichzeitig muss jedem Einzelnen jedoch auch die Möglichkeit gegeben werden Verantwortung an die Gemeinschaft vertrauensvoll zu übertragen.

Freiheit

Dem Wunsch des Menschen nach Beherrschbarkeit muss ebenso Rechnung getragen werden wie dem Wunsch nach Zerstreuung. Einem mündigen Bürger muss die Freiheit zugestanden werden, seine Abhängigkeiten selbst zu wählen.

Menschen machen die Erfahrung eines freien Willens, sehen sich aber immer wieder, z.B. durch soziologische und biologische Faktoren in Ihren Handlungsmöglichkeiten begrenzt. Freier Wille kann also auch als Abwesenheit von Zwang gesehen werden. Ein mündiger Bürger muss die Möglichkeit haben, diese Anlage eines freien Willens entfalten zu können. Dies zu ermöglichen ist die Aufgabe von Politik.

Alle Bestandteile der individuellen Existenz und ihrer Bedürfnisse müssen akzeptiert und reflektiert werden. Erst durch ein umfängliches Verständnis dafür kann Emanzipation stattfinden, an deren Ende die Versöhnung mit den eigenen und gesellschaftlichen Widersprüchen und die Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Leben steht. Ein mündiger Bürger muss die Chance haben, sich von den sozialen und biologischen Zwängen emanzipieren zu können. Dies zu gewährleisten ist auch Aufgabe von Politik.

Die aus dem piratigen Menschenverständnis abgeleitete Politik hat als Ziel, Reflektion ebenso zu ermöglichen, wie den Mut, über sich hinauszuwachsen. Piratige Politik muss sich um einen Ausgleich der Pole menschlicher Bedürfnisse bemühen, verschiedene Motivationen und Unterschiede in der Gemeinschaft akzeptieren und sie einbinden. Einem mündigen Bürger muss eine offene und respektvolle Umgebung zur Verfügung stehen.

Begründung

Dieser Text über das Verständnis der menschlichen Natur wurde von Jean- Pol Martin initiiert. Im Anschluss an die #om10 in Kassel ist in Kombination mit anderen Piraten ein Text zum "Menschenbild" entstanden. Wir haben uns jedoch darauf geeinigt, dass dieser Begriff ideologisch aufgeladen ist und deswegen vermieden werden sollte. Darüber hinaus haben wir versucht ein progressives und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basierendes Modell zu entwickeln, welches gleichzeitig verständlich und nicht akademisch formuliert ist.

Der Text soll eine Absage an das Dogma des Menschen als absolut freies Wesen in totaler Selbstbestimmung sein und vielmehr darstellen, dass diese Fähigkeit angelegt ist, jedoch von der Gemeinschaft in seiner Entfaltung unterstützt werden muss. Auch die Idee des homo oeconomicus wird in diesem Verständnis des Menschen abgelehnt. Vielmehr soll eine Grundlage für eine Ausarbeitung des Programms an den Pfeilern "Freiheit" und "Solidarität" geliefert werden.

Liquid Feedback

https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/1223.html

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Datum der letzten Änderung

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