Bundesparteitag 2010.2/Antragskommission/Anträge 2010.2/2010-11-11 - Grundlagen und Ziele piratiger Politik - Variante B

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Antragsnummer

PP062

Einreichungsdatum

2010-11-11

Antragstitel

Grundlagen und Ziele piratiger Politik - Variante B

Antragsteller

Antragstyp

Programmantrag

Antragstext

Der Bundesparteitag möge als Positionspapier beschließen:

Grundlagen und Ziele piratiger Politik

Wir Piraten bauen auf den freien Menschen und seine Eingebundenheit in die Natur. Wir sehen darin die Grundlage aller menschengemachten gesellschaftlichen und politischen Ordnung. Wir erkennen in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte die Grundlage unseres politischen Handelns. Wir berufen uns insbesondere auf ihren Artikel 1: »Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.«

Gesellschaft und Staat beruhen auf der Übereinkunft freier Menschen. Umfassende Freiheit eignet nur dem Eremiten. Wo Menschen zusammenleben, brauchen und entwickeln sie Regeln und Strukturen. Wir berufen uns auf die im Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland seit 1949 festgelegten Grundrechte und bekennen uns insbesondere zu den Staatsgrundsätzen in seinem Artikel 20: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.«

Die Menschen sind verführbar – gerade auch durch die Ausübung von Macht. Wir Piraten bekennen uns daher zum Grundsatz der Gewaltenteilung. Durch ein System von »checks and balances« lassen sich Herrschaftsstrukturen verhindern, die eine demokratische und zeitlich begrenzte Legitimation sprengen. Wir bekennen uns zu den demokratisch legitimierten Gewalten der Gesetzgebung, der Gesetzesausführung und der gerichtlichen Kontrolle. Wir Piraten setzen uns dafür ein, dass diese klassischen Gewalten des gewaltenteiligen Staatswesens ihre jeweiligen Aufgaben wieder unbehindert wahrnehmen können. Insbesondere genießt die Gesetzgebung bei der Gestaltung der politischen Verhältnisse Vorrang.

Der Staat handelt nicht aus eigener Kraft. Er ist das Instrument freier Menschen, seiner Staatsbürger, um ihr Zusammenleben zu regeln. Gesellschaft und Staat haben die Aufgabe, den Menschen das größtmögliche Maß an Selbstbestimmung, Freiheit und Entwicklungsmöglichkeit zu sichern. Sie müssen für alle die Freiheit von Unterdrückung und staatlicher Benachteiligung gewährleisten. Daraus ergeben sich die Grenzen staatlichen Handelns und staatlicher Macht.

Die Freiheit der Staatsbürger lässt sich nur verwirklichen, wenn sie rechtlich gleichgestellt sind. Das Staatswesen hat aber nicht nur eine formale rechtliche Gleichstellung zu sichern, sondern auch Vorsorge zu treffen, dass aus individuellen Meinungen und Vorurteilen keine Benachteiligung von Menschengruppen in Staat und Gesellschaft erwächst.

Die Freiheit der Menschen setzt ein Mindestmaß an materieller Teilhabemöglichkeit am gesellschaftlichen Leben voraus. Der freiheitliche Staat hat daher die Grundsätze der Brüderlichkeit zu leben. Er berücksichtigt, dass individueller Wohlstand einzelner immer auch eine Komponente des gemeinsamen und gesellschaftlichen Erwerbs solchen Wohlstands enthält.

Zu unserem Selbstverständnis gehört, dass politische Entscheidungen dort getroffen werden, wo die örtliche Erfahrung und Kompetenz vorhanden ist. Wir entscheiden uns eher für die daraus erwachsende Vielfalt politischen und gesellschaftlichen Handelns und Engagements, als für eine zumeist als bürokratisch wahrgenommene Einheitlichkeit. Zugleich erkennen wir, dass für eine weitläufigere Welt Kompatibilität einen eigenen Wert darstellt. Es gilt also im politischen Leben, Vielfalt und Kompatibilität zu verbinden.

Vielfalt und Kompatibilität des politischen, gesellschaftlichen und praktischen Lebens haben mit der Globalisierung der Informationsnetze eine neue Dimension gewonnen. Wo Menschen nahezu in Echtzeit weltweit ihre Gedanken und Meinungen austauschen und publizieren können, verlieren die traditionellen Formen kanalisierter Informationsvermittlung Macht und Wirksamkeit. Auf den neuen Vertriebswegen für Information und Wissen sind neue Formen der Nutzungsregelung erforderlich: Statt überkommener Verwertungsbeschränkungen ermöglicht ein offener Umgang mit Informationen und Immaterialgütern, dass Innovation schneller und effektiver bis zur Anwendungsreife entwickelt werden kann.

Die Wechselwirkungen dieser neu gewonnenen Innovations-, Informations- und Publikationsfreiheit mit den Gefahren der Überwachung und des Missbrauchs solcher Informationen für Diskriminierung und Benachteiligung fordern erhebliche Anstrengungen, die Medienkompetenz der Netzbürger zu stärken. Das gilt umso mehr, als Informationen, die einmal im Netz verfügbar gemacht wurden, üblicherweise nicht mehr rückholbar sind und zu beliebigen Zeitpunkten an beliebiger Stelle wieder sichtbar werden können, selbst wenn man versucht, sie an ihrer ursprünglichen Adresse physisch zu löschen. Technische Lösungen gegen diese Entwicklung gibt es nicht. Netzsperren sind ein untauglicher Versuch, im Netz vorhandene Inhalte zu verbergen; im Kampf gegen strafbare Netzinhalte hilft nur, dieses Übel an der Wurzel (beim physischen Speicherort und beim inhaltlich Verantwortlichen) zu packen.

Die Informationsgesellschaft schafft auch die Notwendigkeit, einen neuen und globalen Konsens darüber zu entwickeln, wie Auffassungen und Anschauungen anderer Nutzer geachtet und die Freiheit der Information global gesichert werden kann.

Zu unserem Selbstverständnis gehört ebenfalls, dass Aufgaben, die im gemeinsamen, zivilgesellschaftlichen Engagement der Bürger wahrgenommen werden können, besser ohne direktes Eingreifen politischer Instanzen übernommen werden sollen. Wir bekennen uns zu einer weltanschaulich neutralen Subsidiarität sozialer Aufgaben.

Wir nehmen Partei für den Vorrang des individuellen Engagements vor dem kollektiven Handeln. Wir stehen für einen funktionierenden wirtschaftlichen Wettbewerb gleichberechtigter Teilnehmer an einem offenen Markt. Es ist die Aufgabe des Staats, Beteiligungschancen und Wettbewerb zu sichern und den immanenten Tendenzen zur Wettbewerbsbeschränkung entgegenzuwirken.

Demokratie bewährt sich im gesellschaftlichen Wettstreit der Ideen und Interessengruppen. Der Staat hat in seinen Entscheidungen zu beachten, dass sein Handeln demokratisch legitimiert sein und dabei die Interessen aller Bürger berücksichtigen muss. Der Staat darf sich nicht zum Spielball mächtiger Interessengruppen machen lassen.

Für Piraten steht der Mensch im Mittelpunkt ihres politischen Handelns. Ziel ist es, die Freiheit des einzelnen auf die Grundlage gelebter rechtlicher und materieller Entfaltungschancen in Staat und Gesellschaft zu stellen.

Begründung

Dass ich diesen Antrag eingereicht habe, geschieht vorsorglich, da der Meinungsbildungsprozess in LiquidFeedback noch nicht abgeschlossen ist. Aus dem gleichen Grund bringe ich auch eine Variante A für diesen Antrag ein.

Eine gute Ergänzung zu diesem Antrag ist https://lqfb.piratenpartei.de/pp/issue/show/566.html - Piratiges Verständnis des Menschen.

Liquid Feedback

https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/1237.html

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Datum der letzten Änderung

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