Bundesparteitag 2010.2/Antragskommission/Anträge 2010.2/2010-10-21 - Migrationspolitik fürs Parteiprogramm

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Antragsnummer

GP045

Einreichungsdatum

2010-10-21

Antragstitel

Migrationspolitik fürs Parteiprogramm

Antragsteller

Antragstyp

Programmantrag

Antragstext

Der Bundesparteitag möge als Ergänzung des Parteiprogramms beschließen:

Migration bereichert die Gesellschaften

Wir sehen die Vielfalt, die auch durch das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft entsteht, als Bereicherung des gesellschaftlichen Lebens an. Wir erkennen den gegenseitigen Einfluss von Ausgrenzung durch die Mehrheitsgesellschaft und Segregation der als »fremd« gebrandmarkten Menschen und werten diese Situation als mit unseren Vorstellungen von Menschenwürde nicht vereinbar.

Die technische Möglichkeit, vergleichsweise einfach über weite Strecken zu reisen, hat auch die Bedingungen für Migration grundlegend verändert. Die Bundesrepublik Deutschland ist seit Jahrzehnten ein Einwanderungsland. Sie ist zudem Bestandteil der sich zu einem verfassten Staatenbund entwickelnden Europäischen Union. Damit steht die deutsche Migrationspolitik vor einer vierfachen Herausforderung:

Die Entwicklung der Europäischen Union führt auch zur vollständigen Freizügigkeit ihrer Bürger

Innerhalb der Europäischen Union gelten inzwischen Arbeitsfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit ihrer Bürger. Wir sehen die Entwicklung der Europäischen Union zu einer vollständigen Wohnsitz-Freizügigkeit. Dem müssen auch die sozialen Sicherungssysteme Rechnung tragen. Angebote zum Spracherwerb und kulturelle Vielfalt gehören zu dieser Entwicklung zwangsläufig dazu.

Die Ausgrenzung von Arbeitsmigranten über Generationen hinweg ist menschenunwürdig

Menschen, die als Arbeitsmigranten oder aus ehemaligen Kolonien und Überseegebieten in die Europäische Union kamen, haben das Recht, hier heimisch zu werden. Dazu gehört die vollständige Integration in das Bildungswesen, in den Arbeitsmarkt und die Möglichkeit zur Teilhabe und Mitgestaltung des kulturellen und politischen Lebens.

Soweit in Staaten der Europäischen Union noch ein Staatsangehörigkeitsrecht gilt, das auf die Abstammung zurückgreift, sind zusätzliche Regelungen zu schaffen, die den hier Geborenen die Staatsangehörigkeit des EU-Staats ihrer Geburt als unmittelbares Recht zusprechen. Zur Integration in das politische und gesellschaftliche Leben ist daher über mindestens zwei Generationen eine mehrfache Staatsangehörigkeit zu akzeptieren. Die Integrationsleistung der aufnehmenden Staaten ermisst sich daran, wieweit die Bürger mit Migrationshintergrund aus eigener Entscheidung auf eine mehrfache Staatsangehörigkeit verzichten.

Es ist die Aufgabe der europäischen Staaten, für die reale Chance auf Bildung und beruflichen Erfolg von Menschen mit Migrationshintergrund zu sorgen. Es bedarf aktiven politischen Handelns, um Diskriminierungen abzubauen und ein gedeihliches Zusammenleben aller Menschen im Land zu erreichen. Um eine kommunale politische Mitwirkung zu erreichen, ist auch Menschen, die keine Staatsangehörigkeit eines EU-Staats haben, das Wahlrecht zu den kommunalen Vertretungskörperschaften am Ort ihres Lebensmittelpunktes zu sichern.

Europa braucht wirtschaftliche Migration

Für die wirtschaftliche Entwicklung der europäischen Staaten ist es zwingend notwendig, die Fähigkeiten und Fertigkeiten der hier lebenden Bürger zu fördern und zu nutzen. Die bisherigen Anstrengungen zu einer erfolgreichen Bildung der gesamten Bevölkerung lassen leider oft das Gegenteil vermuten. Doch die demographische Entwicklung der europäischen Staaten lässt die Perspektive zu, dass das allein für die wirtschaftliche Entwicklung und für die Sicherung der Sozialsysteme nicht ausreichen wird. Bis zum Aufbau eines weltweiten Ausgleichs wirtschaftlicher und sozialer Ungerechtigkeiten sind die Staaten Europas daher darauf angewiesen, dass Menschen hier ansässig werden und zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen. Dafür sind Regelungen zu schaffen, die die wirtschaftliche Immigration ordnen und die Wirtschaftsmigration von den Erfordernissen einer gesicherten Zuflucht vor Verfolgung und Kriegsfolgen klar trennen.

Die Fristen bis zu einem dauerhaft abgesicherten Aufenthaltsrecht und zur Chance einer Einbürgerung sind deutlich zu senken, besondere Anstrengungen der Migranten zu Spracherwerb und beruflicher Integration sind positiv zu unterstützen, ihr Fehlen nicht als Vorwand für Diskriminierung zu verwenden. Für die berufliche Integration sind die Regeln zur Anerkennung ausländischer Bildungs- und Ausbildungsabschlüsse zu vereinfachen. Internationale vertragliche Regelungen zur gegenseitigen Anerkennung von Bildungsabschlüssen sind vordringlich anzustreben.

{nachrichtlich: das Kapitel zur Zuflucht ist separat beantragt und soll erfolgreichenfalls hier eingefügt werden.}

Zuflucht vor Verfolgung und Krieg sicherstellen

Zuflucht zu gewähren vor politischer Verfolgung und den Folgen von Krieg und Bürgerkrieg gehört zu den elementaren Verpflichtungen des Völkerrechts. Diese Pflicht ist eine europäische Gemeinschaftsaufgabe. Dem widerspricht es, wenn europäische Staaten – darunter auch die Bundesrepublik Deutschland – sich dieser Aufgabe zu entziehen versuchen. Menschen, die in Europa Zuflucht suchen, haben das Recht auf ein menschenwürdiges Leben, auf Bewegungsfreiheit und die Teilhabe an der Arbeitswelt, an Bildung und Kultur. Das gilt bereits, wenn die Gründe der Flucht noch nicht anerkannt sind. Es gilt auch, wenn eine Rückkehr in das Herkunftsland nicht möglich ist.

{Dieses letzte Kapitel ist bereits Gegenstand eines separat eingereichten Antrags. Es steht hier nachrichtlich.}

Begründung

In der Initiative 1081 hatten wir bereits angekündigt, dass eine umfassendere Initiative zur Migrationspolitik von uns noch vorbereitet wird. Es hat sich leider reichlich verzögert und es wird für die restliche verfügbare Diskussionszeit sicher auch noch einige Veränderungen insbesondere im Kapitel Europa braucht wirtschaftliche Migration geben. Wenn wir es dennoch jetzt in die Diskussion einbringen, dann zu dem Zweck eine Diskussion in der Partei insgesamt möglich zu machen.

Die Initiative greift die Stichworte der Initiative für ein migrationspolitisches Meinungsbild weitestgehend auf. Über Diskussionsbeiträge und Anregungen freuen wir uns.

Liquid Feedback

https://lqfb.piratenpartei.de/pp/initiative/show/1178.html

Wiki-Antragsfabrik

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Konkurrenzanträge

derzeit keine bekannt

Hinweise zum Programmantrag

Antrag für das Grundsatzprogramm

Datum der letzten Änderung

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