Benutzer:Michael Ebner/lebenlassen

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Leben und leben lassen - deal?

Die Piratenpartei deckt traditionell ein eher breites politisches Spektrum ab - ich habe das bislang eher als Bereicherung denn als Problem wahrgenommen. Ich selbst würde mich als einen "in der Wolle gefärbten Liberalen" definieren, aber ich habe mit vielen Piraten gut zusammengearbeitet, die sich selbst als links definieren. Selbst mit den Piraten am linken Rand des politischen Spektrums komme ich ganz brauchbar aus, etliche davon schätze ich wegen ihres Einsatzes für Flüchtlinge. Ich arbeite auch mit etlichen Piraten gut zusammen, die ich eher dem konservativen Spektrum zuordnen würde - und ohnehin halte ich diese Einordnung im politischen Spektrum - im einfachsten Fall in ein 1-dimensionales Links-Rechts-Schema - für eine unnötige und letztlich schädliche Komplexitätsreduktion (siehe auch Links oder sozialliberal).

Ich wünsche mir keine Verengung des Spektrums, das die Piratenpartei abdeckt. Je breiter wir aufgestellt sind, desto mehr Aspekte kommen in die Diskussion. Desto mehr Wähler können wir ansprechen. Desto mehr Spaß macht die ganze Sache. Ich will ja nicht bestreiten, dass stark unterschiedliche Meinungen bisweilen auch mal schwer zu ertragen sind. Aber das ist nun mal der Preis für Meinungspluralismus, und ich bin gerne bereit, diesen Preis zu "zahlen", weil es mir das wert ist.

Dafür bin ich gerne bereit, auch mal Dinge laufen zu lassen, die mir selbst fremd sind. Ich selbst habe mich z.B. nie als Antifaschisten bezeichnet, und das hat nichts mit meiner Meinung zum Faschismus und alles mit einem erheblichen Anteil derjenigen zu tun, die sich selbst als "Antifa" bezeichnen. Ich akzeptiere es jedoch, wenn andere in der Partei das anders bewerten (auch aufgrund anderer Erfahrungen, vgl. z.B. http://seeroiberjenny.wordpress.com/2013/12/29/warum-ich-ohne-antifa-strukturen-keine-politik-machen-kann/). Ich habe eine dezidierte Meinung zu Blockaden von Nazi-Demos (vgl. Zur Blockade von Nazi-Demos), aber wenn andere sich daran beteiligen, dann ist das ihre Entscheidung - leben und leben lassen.

Es gibt jedoch auch Grenzen meiner Toleranz. Eine dieser Grenzen wurde am Wochenende überschritten - es geht um die bereits viel diskutieren Fahnen auf dem BPT in Bochum. Ich habe davon abgesehen, da am Samstag eine größere Welle zu machen, das hat jetzt einerseits mit der erheblichen Belastung zu tun, welche die Aufstellungsversammlung für die technische Wahlleitung mit sich gebracht hat, andererseits war es auch schon abzusehen, dass die Zeit knapp werden würde (zwischen Ende der Listenverkündung und Ende des Parteitags lagen rund 20 Minuten, das war schon reichlich knapp - vielen Dank auch für die Entscheidung für dieses Wahlverfahren... - da wollte ich auch nichts gefährden).

Die Fahnen in Bochum

Was ist dazu meine Sicht der Dinge? Fahnen sind nicht nur bunt bedruckte Textilien, sondern werden als Symbol für die Gruppe verstanden. Die in Bochum tagende Gruppe war die Piratenpartei, keine Antifa-Gruppe und keine autonomen Anarchisten. Es gibt zwar Situationen, in denen verschiedenen Fahnen zu sehen sind (siehe z.B. die Tradition der Gastlandflaggen), aber die höchste Flagge auf einem Schiff ist immer noch die Flagge, unter der es fährt. Die zentrale Fahne auf dem BPT (und die einzige, die im Stream zu sehen war, wenn da Piraten am Saalmikrofon gefilmt wurden) waren nun fremde Fahnen.

Ich erlaube mir, mich ganz erheblich daran zu stören:

  • Zunächst einmal daran, dass es überhaupt fremde Fahnen waren. Bevor ich da vereinnahmt werde, würde ich gerne zumindest mal gefragt werden. Und jetzt bitte nicht "hättest ja einen Antrag stellen können". Erstens verlange ich für solche Entscheidungen Opt-In statt Opt-Out, und zweitens wäre dieser Antrag frühestens nach Behandlung des aktuellen Tagesordnungspunktes auf die TO gekommen. Aktueller Tagesordnungspunkt war die Kandidatenvorstellung...
  • Und zweitens steht in unserer Satzung derzeit noch etwas von demokratischem Rechtsstaat und freiheitlicher Gesellschaftsordnung - das sind nun Begriffe, die ich in erheblichem Widerspruch zu den Gruppen sehe, die da prominent präsentiert wurden.

Fakten schaffen

Ich kenne jetzt Oliver Höfinghoff schon ein paar Jahre. Naivität ist jetzt nicht das, was ich ihm unterstelle. Ich kenne jetzt auch schon Florian Bokor eine Weile, dort sehe ich das nicht anders. Ich nehme an, dass die beiden schon ganz genau wussten, was sie tun.

Es ist nicht unbedingt eine Mehrheit erforderlich, um eine Gruppe zu dominieren. Eine fehlende Mehrheit lässt sich mit Lautstärke kompensieren, mit überproportionalen Wahrnehmung, mit offensivem Auftreten, mit Einschüchterung - als Stichwort werfe ich jetzt mal Schweigespirale [[1]] in den Text. Das sind jetzt seit Jahrhunderten bewährte Verfahren, verwendet in allen möglichen Situationen.

Wir haben es hier mit einem Versuch zu tun, die politische Grundausrichtung der Partei signifikant zu verschieben, und zwar nicht über eine Mehrheitsentscheidung, sondern über das Schaffen von Fakten. Den Akteuren möchte ich zumindest zugute halten, dass ehrliche Meinung und nicht taktisches Kalkül ihre Handlungen führen - denn eine Piratenpartei am linken Rand des politischen Spektrums wird keine anderen Wahlergebnisse einfahren als die anderen Parteien, die dort schon länger beheimatet sind, also stabil unterhalb von 1% und damit außerhalb jeder politischen Relevanz.

Was bleiben für Alternativen

Was bleiben der (noch deutlichen) Mehrheit, die sich mal mehr als Linke, mal mehr als Liberale sehen, nicht aber am linken Rand?

  • Man kann die Dinge so laufen lassen, in der Außenwahrnehnung zu linken Sektierern werden, neue Mitglieder kommen aus diesem Spektrum, Piraten mit gemäßigter Einstellung verlassen nach und nach die Partei, das Ergebnis ist vorhersehbar.
  • Es könnte die Strategie "kein Fuß breit" gefahren werden: Mitglieder, die mit unfairen Methoden versuchen, die Ausrichtung der Partei zu verschieben, werden bei Wahlen immer auf die letzte Präferenzstufe gewählt, egal, wie befähigt sie auch sein mögen; Anträge aus dieser Ecke werden grundsätzlich abgelehnt - kurz eine Zusammenarbeit findet nicht statt. Es ist damit zu rechnen, dass dieses Verfahren dann auch in umgekehrter Richtung eingesetzt und wir auch einige Jahre keinen Wahlerfolg haben werden, aber die Grünen sind Jutta Ditfurth und Konsorten letztlich auch losgeworden.
  • Wir einigen uns auf "leben und leben lassen" und kämpfen mit Anträgen und Sachargumenten, also mit fairen Verfahren, um die Ausrichtung der Partei. Wir akzeptieren, dass wir an unterschiedlichen Stellen im politischen Spektrum beheimatet sind und nehmen darauf Rücksicht. Das setzt jedoch voraus, dass entweder gleich alle fair spielen, oder die Foulspieler "vom Schiri des Platzes verwiesen" werden.

Bei kurzer Betrachtung der aktuellen politischen Situation und des inhaltlichen Erfordernisses der Piratenpartei sollte die Entscheidung eigentlich leicht fallen. Also: Keine unnötigen Provokationen, die Ausrichtung der Partei bestimmen Mehrheitsentscheidungen und keine geschaffenen Fakten, es spielen alle fair. Können wir uns darauf einigen?

Leben und leben lassen - deal?