Benutzer:Michael Ebner/Links oder sozialliberal

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@Riotbuddha hat im Neuen Deutschland (http://www.neues-deutschland.de/artikel/834096.html) für einen »progressiv linken« Kurs der Piratenpartei geworben und kritisiert, dass der Begriff "sozialliberal" immer wieder in der Partei gebraucht wird, ohne zu klären, was er eigentlich bedeute.

Diese Kritik ist einerseits treffend, auf der anderen Seite auch ein klassischer Matthäus-7-3, da der Begriff "links" um mindestens eine Größenordnung ungeklärter ist.

Links

Auf manchen deutschen Bühnen findet sich ein Schild "Bühne links - stage right" (und auf der anderen Bühnenseite "Bühne rechts - stage left"). Die Ursache darin liegt nicht in den mangelnden Englischkenntnissen des Verfassers, sondern darin, dass im deutschsprachigen Raum die Bühnenseiten mit Blick des Zuschauers auf die Bühne definiert sind, und im englisch-amerikansichen Raum mit Blick des Darstellers in den Zuschauerraum.

Auch im politischen Raum war bei der Definition dieser Begriffs die Betrachtungsweise maßgeblich: Die Begriffe "links" und "rechts" zur Einordnung von politischen Strömungen entstanden bei der französischen Nationalversammlung 1789, in welcher die konservativen Strömungen vom Sitzungspräsident aus rechts und die progressiven Strömungen links saßen. Hätte man das nicht aus Sicht des Sitzungspräsidenten, sondern aus Sicht des Betrachters mit Blick auf den Sitzungspräsidenten definiert, wäre heute links rechts und rechts links.

Wir kennen solche "historischen Definitionen" auch an anderes Stelle, zum Beispiel bei technischer Stromrichtung und Elektronenbewegung, es lässt sich damit leben. Zu kritisieren ist eher, dass im 21. Jahrundert, wo jedes popelige Smartphone seine Position in geographischer Länge und Breite auf viele Nachkommastellen genau ermitteln kann, Menschen ernsthaft versuchen, politische Positionen in einem simplen Links-Rechts-Schema zu erfassen. Selbst dann, wenn zwischen links und rechts eine wie auch immer definierte Mitte gesetzt wird, changiert dieser Versuch irgendwie zwischen absurd und grotesk.

Wenn doch dieses Links-Rechts-Schema zwar eine grobe, aber doch wenigstens klare Positionierung hervorbringen würde. Aber auch dem ist nicht so. Im klassischen eindimensionalen Links-Rechts-Spektrum wäre eine Partei wie die NPD klar ganz rechts außen eingeordnet, während man eine Partei wie die FDP ziemlich in der Mitte anordnen müsste. Im zweidimensionalen politischen Kompass (http://www.politicalcompass.org/germany2005) ist jedoch die FDP auf der Links-Rechts-Achse ganz rechts außen und die NPD exakt in der Mitte.

Die nächste Frage könnte sein, ob die SPD eine linke Partei ist. Viele Menschen, die jetzt von "linker Mehrheit" im Bundestag reden, scheinen das so zu sehen. Es gibt aber auch Gründe, die SPD als rechte Partei zu sehen (siehe auch http://www.politicalcompass.org/germany2013).

Zuletzt bliebe die Frage, wie nun die "Mitte" bei einem Links-Rechts-Schema justiert würde. In der Spitze der Gauß'schen Normalverteilung? Im Median? Völlig unabhängig von der Verteilung der politischen Meinung einer Bezugsgruppe, festgemacht an statischen Wertvorstellungen? Wenn ja, an welchen?

Fortsetzen ließe sich das noch mit der Frage der Gemeinsamkeiten der Menschen, die sich selbst als "links" oder "rechts" einordnen würden. Insbesondere "links" würde man da nicht viel finden, neben der Selbstbezeichnung eigentlich nur noch, dass man "rechts" schlecht findet. Abgesehen von diesem gemeinsamen Nenner sind sich die verschiedenen Strömungen häufig so spinnefeind wie die judäische Volksfront und die Volksfront von Judäa.

Von daher erste These: Das Links-Rechts-Schema zur Einordnung politischer Strömungen ist umgehend auf dem Müllhaufen der Geschichte endzulagern.

Sozial-Liberal

Der Begriff "sozial-liberal" lässt sich aus den beiden Komponenten herleiten, er kann auch vor dem Hintergrund der damaligen sozial-liberalen Koalition (SPD & FDP 1969 bis 1982) gedeutet werden, wobei beide Definitionen nicht übermäßig voneinander abweichen.

"Sozial" im politischen Bereich lässt sich definieren als eine Politik zur Verbesserung der Situation von Benachteiligten, insbesondere zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation von wirtschaftlich Benachteiligten. Im Gegensatz zur rot-grünen Koalition kann man die Politik der sozial-liberalen Koalition als tatsächlich sozial durchgehen lassen.

"Liberal" im politischen Bereich lässt sich definieren als eine Politik zur Förderung der Freiheit des Menschen, damit verbunden ein Eintreten für die Menschenrechte. Liberale Politik setzt sich auch für die wirtschaftliche Freiheit des Menschen ein und gerät damit in ein Spannungsfeld zu sozialer Politik. Hier sind Kompromisslinien zu erarbeiten, den Satz "Wir wollen Armut verhindern, nicht Reichtum" aus unserem Grundsatzprogramm könnte da eine solche Kompromisslinie.

Der Begriff "sozial-liberal" deckt sicher längst nicht alle Dimensionen politischer Strömungsrichtungen ab, er kennt insbesondere weder ökologische noch postmaterielle Komponenten. Für einen kurzen Begriff ist er jedoch hinreichend klar. Ich bin jetzt kein unbedingter Fan dieses Begriffs, wer bessere Vorschläge hat, möge sich melden - aber "links" ist kein besserer Begriff.

Zweite These: Bis wir etwas besseres haben, kann man die Piratenpartei mit "sozial-liberal" hinreichend präzise beschreiben.