Benutzer:Logos/Cicero

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Kommentare auf Artikel des Onine-Magazins CICERO

Gegenrede zum Artikel Urheberrecht im Internet - Der Kampf um digitale Brotkrumen[1] von Petra Sorge

Sehr geehrte Frau Sorge,

zwar ist ihr Artikel zum Thema geistiges Eigentum im Wandel der Gesellschaft weit weniger plattitüdenhaft, als das thematische Pendant des Kollegen Naumann und auch wesentlich ausführlicher - nur kommt auch dieser nicht ohne substanzielle Verkürzungen und Falschdarstellungen daher, welche den Kern des Themas betreffen:

Leider setzen sie mit der maßlosen Übertreibung „krimineller digitaler Spielplatz der Superlative“ direkt zu Beginn ein Statement, welches nichts Gutes erahnen lässt. Was würde denn ein unvoreingenommener Mensch erwarten, wenn er nicht um den Kontext wüsste? Pervers motivierte Dokumentation von Kindesmissbrauch (fälschlich Kinderpornographie genannt), Vergewaltigungsfilme oder gar Snuff-Videos im Internet? Das wäre doch der höchsten Steigerungsform „Superlativ“ angemessen. Aber nichts Dergleichen - es geht nur darum, dass sich Menschen unberechtigt Filme im Internet angesehen haben. Niemand wurde verletzt, beraubt oder gar getötet. Wenn sie ernst genommen werden möchten, sollte die zukünftig besser von solchen maßlosen Übertreibungen Abstand nehmen - damit beschädigen sie bei hinreichend Sachkundigen nur ihre eigene Reputation.

Mit „Die illegale Weitergabe von Songs hat der Musik- und Plattenindustrie, das ungezügelte Kopieren der Verlagsindustrie zugesetzt“ sind sie der verlogenen [dazu später mehr] Propaganda der Contentindustrie aufgesessen: damit werden implizit monokausale Zusammenhänge konstruiert, die keine Entsprechung in der Realität finden. Warum diese Propaganda seitens der Contentindustrie verlogen ist? Weil die sehr wohl weiß, dass derartige Verlautbarungen so platt nicht der Wahrheit entsprechen! Gerade im konkreten Zusammenhang mit kino.to hat eine unabhängige Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) ergeben, dass kino.to-Nutzer mehr Geld für Kino und DVDs ausgegeben haben als der Durchschnittsnutzer [2] [3]. Dererlei Erkenntnisse häufen sich in letzter Zeit - ohne allerdings einem breiten Publikum bekannt zu werden. Weil nämlich die Contentindustrie entsprechende Studien unter Verschluss hält, da dies der eigenen Propagandamaschinerie die Grundlage entziehen würde [4]
Damit nicht genug: Laut einer Studie geben solche Nutzer das so gesparte Geld kultur- und wohlstandsmehrend aus: der Volkswirtschaft erwächst durch "illegale Downloads" ein doppelt so hoher wirtschaftlicher Mehrwert , wie z.B. dem Musikbereich jährlich verlorengeht [5] Oder um es mit ganz harten Worten zu attestieren: die Contentnindustrie lügt wider besseren Wissens das Blaue vom Himmel herunter, um mit fiktiven Horrorzahlen von durch illegalen Downloads angeblich herbeigeführten Verlusten massiven Lobbyismus in der Politik zu betreiben und eine weitere gesetzliche Verschärfung herbeizuführen (Stichwort: kaudergate).

Damit ist auch ihre Behauptung „Filmproduzenten, aber auch Regisseuren, Schauspielern oder anderen vertraglich am Einspielergebnis Beteiligten entgehen so jährlich viele Millionen Euro, von den Kinobetreibern ganz abgesehen“ widerlegt.
Ein Lichtblick schien sich in ihrem Artikel anzudeuten, als sie die Verwertungsgesellschaften nannten - dass diese sog. „Rechteverwerter“ oft das wahre Problem der Kreativen darstellen: infolge unfairer Knebelverträge partizipieren die Kreativen oftmals viel zu wenig am finanziellen Erfolg ihrer Werke [6]. Leider haben sie diesen guten Eindruck umgehend durch die nachgeschobene Einlassung, die bestenfalls im Verlagsgeschäft und dort auch nur teilweise zu greifen vermag, zunichte gemacht. Für die negativen Einflüsse der Rechteverwerter kann die GEMA als besonders unrühmliches Beispiel herhalten, die durch für die große Mehrheit der Künstler ungünstigen Vertragsbedingungen dazu führt, dass viele „kleinere“ Künstler für ihre eigenen Konzerte sogar draufzahlen müssen [7]
Warum haben sie sich nicht dieses himmelschreienden Unrechts angenommen? Dabei veranschaulicht die GEMA auf erschreckende Weise, welche absurden Formen die Rahmenbedingungen des „geistigen Eigentums“ annehmen können, die die Interessen der Kreativen geradezu konterkarieren. Anbei einige Links zur Vertiefung des Irrsinns, den sich die GEMA leistet (und das ist nur ein kleiner Auszug aus dem Absurditätenkabinett!):

Wer immer noch Zweifel haben sollte, dass alte Gesetze/Verordnugnen gerade im Bereich des „geistigen Eigentums“ reformbedürftig im Sinne des Zurückschneidens auf ein sinnvolles Maß sind, der möge sich die groteske GEMA-Vermutung zu Gemüte führen [8]. Oftmals sind es die „Rechteverwerter“, die selbst nicht kreativ sind, es sei denn es geht um die Erschließung neuer Ideen, wie Anderen Geld abzuknöpfen ist (siehe Leistungschutzrecht), die allenthalben Zeter und Mordio schreien und nicht die Kreativen selbst. In diesem Zusammenhang sei an Hartmut Spiesecke als Pressesprecher der Phonoverbände erinnert, der lautstark vor ein Publikum trat, um mit der Durchsetzung des sog. 2. Korbes der Urheberrechtsreform angeblich die Interessen der Kreativen zu vertreten. Tatsächlich aber wurden die Kreativen de facto entrechtet zugunsten der Rechteverwerter . Im Gegensatz zu ihren Ausführungen, soll auch das nicht unbelegt bleiben: [9]
Eine Beleuchtung dieser viel zu oft tot geschwiegenen Umstände hätte ihrem Artikel gut zu Gesicht gestanden.

Ansonsten sollten doch gerade sie als Politikwissenschaftlerin wissen, dass es in der Natur einer sich technologisch und sozial verändernden Gesellschaft liegt, dass die Geldströme der Verbraucher einer stetigen Wandlung unterliegen. Würden sie Fortschritt aufhalten wollen, indem die das Auto verbieten, damit die Pferdefuhrwerker weiter ihr Einkommen haben? Wenn auch nicht Hr. Naumann, dann sollten doch allemal sie wissen, dass Musik-, Film und andere Angebote sich im Gegensatz zu den früheren „goldenen Zeiten“, als man „mit Verkäufen in der Höhe von bis zu einer Millionen Schallplatten rechnen konnte“, einem ungleich größeren Konkurrenzangebot ausgesetzt sehen. Und wenn dieses nun für Trendklamotten, Handy oder Computerspiele (um nur wenige Beispiele zu nennen) ausgegeben wird, weil sich auch die präferierten Interessen gewandelt haben (da ist er schon wieder: der gesellschaftliche Wandel), dann steht es für Anders nicht mehr zur Verfügung. Sie werden doch sicher nicht bestreiten, dass sich Geld nur einmal ausgeben lässt.

Wobei zu bemerken ist, dass vorgenannte Widerlegung ihrer wahrheitsverzerrend verkürzten Darstellung weit von einer umfassenden Würdigung aller Ursachen eines möglicherweise weg brechenden Geschäftsmodells entfernt ist. Um auszugsweise einen weiteren Aspekt zu beleuchten: Die Versäumnisse der Industrie, den potentiellen Kunden attraktive Angebote zu bieten. Auch gerade die Verlage geben in dieser Hinsicht ein mehr als unrühmliches Beispiel ab: betrachtet man deren paid-content-Angebote, wo oft für einzelne Onlineartikel nahezu der gleiche Betrag bezahlt werden soll, wie für die GESAMTE Papierausgabe, dann ist das doch reine Abzocke um nicht zu sagen „Wucher“! Und DANN wundern sich die Verlage, warum ihre online-Angebote so wenig zahlende Kunden finden? „Sicher“ tragen daran nur die „bösen Downloads“ Verantwortung, denn „gewiss“ kann die Ursache nicht einem durch und durch vermurksten, unattraktiven Angebot geschuldet sein.. Oder sollte die Wirklichkeit eben doch wesentlich komplexer sein, als uns die Trompeten (aka Pressesprecher) der Contentindustrie weiszumachen versuchen? All diesen Ursachen wurde und wird zu wenig Beachtung beigemessen - von hinreichender Würdigung ganz zu schwiegen.

Bis dahin konnte man ihnen ja noch Unwissen zu gute halten, aber auch die gleiten noch weiter ab: Sie unterstellen der Piratenpartei, dass sie „davon ausgeht, dass Künstler etwa kein Brot brauchen“ und begrenzt sei, „weil ihre Vorstellung von Moral davon absieht, dass noch jedes Recht moralischen Ursprungs ist oder zumindest sein sollte.“ Nun sollte ihnen, die leider auch erschreckend wenig wissen, doch wenigstens bewusst sein, dass ihr Artikel im Internet erscheint. Als Akademikerin müssten Sie wissen, dass fragwürdige Aussagen eines Beleges bedürfen. Den hätten sie wenigstens in diesem Zusammenhang einmal liefern können - nennt sich Hyperlink

Wenn sie implizit dafür plädieren, die von Steuergeldern finanzierten wissenschaftlichen Erkenntnisse weiterhin durch Spezial-Verlage closed zu halten, nur weil denen dadurch Geschäftsmodelle wegbrechen könnten, mit denen sie sich auf Kosten der Allgemeinheit ein Auskommen gesichert haben, dann wäre es nur konsequent, wenn sie auch gleich Open Source-Software und freie Blogs verbieten ließen, denn die versetzen womöglich auch gewissen Geschäftsfeldern „den Todesstoß“. Das ist eine wirklich „aufgeklärte“ und „progressive“ Sichtweise, die sie da an den Tag legen, Fr. Sorge. Und so ganz im Sinne der Allgemeinheit. Bravo! Studiert man das so?

Den Tiefpunkt erschließen sie allerdings, indem sie sich dazu versteigen, auf den/die unterirdischen Artikel von Hr. Naumann und dessen inkompetente Äußerungen [10][11]zu verweisen, die umgehend praktisch durch die Bank widerlegt wurden [12] Haben sie sich nicht der Mühe unterzogen, die entsprechenden Kommentare zu lesen oder sind sie am Verständnis gescheitert? Und ja, der „prinzipielle Exklusivitätsanspruch der Rechteverwerter“ muss hinterfragt werden - dass ist sogar im Sinne der Kreativen!

Resümee: auch ihr Artikel wird nicht annähernd der komplexen Problematik des geistigen Eigentums gerecht - auch sie stolpern über die vielen mit dem komplexen Thema behafteten Fallstricke und die von der Contentindustrie verbreitete Propaganda, welche die Wahrheit nur allzu oft in ihr Gegenteil verkehrt!

Das Bemerkenswerteste ihres Artikels liegt allerdings in den Konsequenzen dieser Feststellung: obwohl sie deutlich jünger als Hr. Naumann und in soweit noch geistig flexibler sind und als Akademikerin (Politikwissenschaften) eine gebotene kritische Haltung gegenüber einfachen Darstellungen einnehmen sollten, ist es auch ihnen nicht gelungen, die Problematik des geistigen Eigentums im Internetzeitalter der Komplexität und Wahrheit angemessen darzustellen - um wie viel weniger mögen dann Politiker dazu befähigt sein, die von dererlei Zusammenhängen noch weit weniger beleckt sind als Sie? Allein dieser Umstand zeigt, wie es im wahrsten Sinne das Wortes notwendig ist, dass mit den Piraten eine Partei in der Politik tätig wird, die als Einzige über die nötige fachliche Kompetenz der komplexen Zusammenhänge verfügt - um weiteren Schaden von der Gesellschaft durch alte, verkrustete, inkompetente und ignorante [sowie evtl. korrupte] Politik abzuwenden!

In dieser Hinsicht möchte ich Ihnen mein Dank aussprechen!

Einzelnachweise/Referenzen