BW:Kreisverband Karlsruhe-Land/Vorstand/Stellungsnahme Oktober 2013

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Stellungnahme des Kreisvorstands zu den aktuellen Entwicklungen im Kreisverband Karlsruhe-Land der Piratenpartei

Zum 23.09.13 lag dem Kreisvorstand des Kreisverbandes Karlsruhe-Land der Piratenpartei eine (bereits seit längerem angekündigte) Anfrage von Jörg Tauss vor, die zunächst mündlich gegenüber einem Kreisvorstand geäußert und am 24.09.13 auch via E-Mail an die einzelnen Vorstandsmitglieder versandt wurde. Gegenstand der Anfrage war die Bitte um ein Meinungsbild unter den Mitgliedern des Kreisvorstandes bzgl. eines Wiedereintritts von Jörg Tauss in die Piratenpartei; konkret ging es sinngemäß darum, ob sich für einen Wiederaufnahmeantrag von Jörg Tauss eine Mehrheit innerhalb des hierfür zuständigen Kreisvorstands finden würde.

Der Kreisvorstand hatte sich nach der letzten offiziellen Sitzung dazu entschlossen, die Angelegenheit (bei der es sich nicht um einen Antrag, sondern lediglich um eine Voranfrage handelte) wie bei personenbezogenen Anfragen üblich nichtöffentlich zu besprechen. Wir haben die Vertraulichkeit auch wahren wollen, um einerseits die Meinungsfindung ohne Beeinflussung von außen durchführen zu können, und sind damit andererseits auch der Bitte von Jörg Tauss nachgekommen, die Angelegenheit so zu handhaben, dass er sein Gesicht wahren kann. Sie wurde damit zu beiderseitigem Schutz vorgesehen. Unangenehm fiel dabei auf, dass bereits zu diesem Zeitpunkt feststand, dass Jörg Tauss selbst die Vertraulichkeit nicht gewahrt hatte, indem er oben erwähnte E-Mail via BCC einem nicht bekannten Kreis weiterer Empfänger zukommen ließ.

Die nichtöffentliche Diskussion ergab, dass sich für eine Wiederaufnahme von Jörg Tauss im aktuellen Kreisverstand derzeit keine Mehrheit finden würde: Das Meinungsbild ergab ein Stimmverhältnis von zwei Nein-Stimmen, zwei Ja-Stimmen und einer Enthaltung. Dies wurde Jörg Tauss durch ein Vorstandsmitglied schriftlich mitgeteilt.

Hier hätte die Geschichte zu Ende sein können. Leider scheppert und knallt es seitdem im Kreisverband, wie wir es uns in unseren schlimmsten Träumen nicht hätten ausmalen können. Nachdem das Abstimmungsverhalten der einzelnen Vorständler durch verschiedene Quellen publik geworden ist (was wir grundsätzlich für unproblematisch halten, auch wenn es nicht der vorstandsinternen Absprache entsprach), sehen wir uns harscher Kritik vor allem aus dem nördlichen Landkreis und Austritten aktiver Mitglieder konfrontiert, die im Rücktritt des Kreisverbandsvorsitzenden gipfelten. Wir werden von Piraten aus dem Kreisverband teils durchaus sachlich kritisiert, teils auch wüst beschimpft, kurz: Der Vorstand habe nicht im Sinne eines Teils der Basis gehandelt.

Hierzu möchten wir wie folgt Stellung beziehen:

1. Es ging bei der Entscheidung über eine mögliche Wiederaufnahme Jörg Tauss’ in erster Linie um die Abwägung zwischen seiner Unterstützung der Piratenpartei und der Mitarbeit im nördlichen Landkreis einerseits und seinem Verhalten gegenüber Parteimitgliedern andererseits. Der von Jörg Tauss an den Tag gelegte Umgangston wurde von allen Beteiligten als problematisch empfunden. Das 2010 gegen Jörg Tauss ergangene Urteil wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften war hingegen während der gesamten Vorstandsdiskussion über die Wiederaufnahme nie ein Thema gewesen. Ebenso wenig herrschten innerhalb des Vorstands Zweifel darüber, dass Jörg Tauss im Zusammenhang mit der so genannten "Hausverbotsaffäre" aus dem Jahr 2011 Unrecht widerfahren ist.

2. Einer der schwerwiegendsten Kritikpunkte gegenüber dem Kreisverstand ist das "Ausnutzen" der durch Jörg Tauss geleisteten Unterstützung. Hierzu muss man als Außenstehender wissen, dass Jörg Tauss seit seinem damaligen Wechsel zu den Piraten im Jahr 2009 ein sehr aktives Mitglied der Stammtische Bretten/Bruchsal ist. Durch sein ohne Zweifel großes Know-How in der politischen Arbeit und seine zeitintensiven Aktivitäten war er immer Zugpferd für Aktionen im nördlichen Kreisverbandsgebiet und manchmal auch in Karlsruhe selbst.

Der Kreisverband Karlsruhe-Land wurde zum 01.01.2012 im Zuge des allgemeinen Erstarkens der Piratenpartei und der sich verändernden Organisationsstrukturen im Bezirksverband Karlsruhe gegründet. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Stammtisch Bretten/Bruchsal praktisch alle vorhandenen Sachmittel, die bei der Gründung dem Kreisverband zufielen, bei Jörg Tauss eingelagert. Im Sommer 2012 beschloss der Kreisvorstand auf Initiative des Stammtischs Bretten/Bruchsal, diese Mittel bei Jörg Tauss zu belassen und dafür eine Garagenmiete zu bezahlen (welche er als Aufwandsverzicht spendete). Des Weiteren hat sich Jörg Tauss intensiv an den Wahlkämpfen der Piratenpartei – auch und gerade am Bundestagswahlkampf 2013 – im nördlichen Landkreis beteiligt; dort wurden über tausend Plakate geleimt, plakatiert und aufgestellt.

In diesem unterstützenden Verhalten von Jörg Tauss erkennen viele Mitglieder im nördlichen Teil des Landkreises einen entscheidenden Grund für eine Wiederaufnahme. Da die Entscheidung anders ausgefallen ist, wird den Mitgliedern des Vorstands nun vorgeworfen, Jörg Tauss ausgenutzt zu haben.

Der Kreisvorstand stellt hierzu fest, dass wir als Kreisverband Karlsruhe-Land genauso wie viele andere Vorstände der Piraten im ständigen Zwiespalt agieren, als Amtsinhaber keine politische Meinung äußern und lediglich Verwaltungs- und Strukturarbeit leisten zu dürfen. Dies schließt auch ein, die Stammtische als eigenständig agierende Einheiten zu betrachten und auf ihre Arbeit keinen Einfluss zu nehmen. Die Beteiligung von Jörg Tauss am Stammtisch Bretten/Bruchsal war oftmals Thema auch im Landesverband Baden-Württemberg und wurde nach unserer Auffassung innerparteilich weitgehend ablehnend betrachtet. Da es jedoch fest gewachsene Strukturen waren und diese dem Willen der Mitglieder des Stammtischs entsprachen und weil wir eine Partei mit offenen Mitmachstrukturen sind, haben wir uns weder dazu geäußert, noch wäre es uns in den Sinn gekommen, einen (rein hypothetischen) Einfluss geltend zu machen.

Dieser Umstand kann uns von Gegnern wie auch Befürwortern einer Wiederaufnahme von Jörg Tauss angekreidet werden. Aus der beschriebenen Konstellation jedoch ein "Ausnutzen" in dem Sinne zu konstruieren, dass Schweigen Zustimmung bedeute, halten wir für unfair: Wenn aus freiwilliger Arbeit eine wie auch immer geartete Verpflichtung abzuleiten wäre, dann wäre es keine Freiwilligkeit mehr – Freiwilligkeit funktioniert beidseitig.

3. Die Mitglieder, die das Meinungsbild des Kreisvorstandes nicht nachvollziehen können und deswegen jetzt teilweise ausgetreten sind, sind durchweg sehr aktive und aufopferungsvolle Piraten. Viele sind oder waren große Stützen im Kreis- und Landesverband. Weder können wir persönlich mit dem Druck und dem Verlust ihrer Arbeit und Mitgliedschaft umgehen, noch können wir verstehen, weshalb es zu dieser emotionsbedingten Eskalation kam, die in wütenden Kommentaren auf der Mailingliste und Austritten gipfelte.

4. Offenbar entstand der Unmut nicht nur aufgrund der Tatsache, dass das Meinungsbild im Vorstand keine Mehrheit für die Wiederaufnahme von Jörg Tauss gebracht hatte, sondern auch daraus, dass man bei den aktiven Mitgliedern im nördlichen Landkreis eine solche Möglichkeit gar nicht in Betracht gezogen hatte und davon deswegen vollkommen überrascht war.

Dazu merken wir an, dass die Frage nach einer Wiederaufnahme von Jörg Tauss zumindest im Landesverband Baden-Württemberg ständig im Raume stand. Sie war auch den bei der Wahl des derzeitigen Kreisvorstands anwesenden Mitgliedern des Kreisverbandes bewusst, und entsprechende Fragen hätten auf der Kreismitgliederversammlung bei der Vorstandswahl an die damaligen Kandidierenden gerichtet werden können; es wurde aber von niemandem danach gefragt.

5. Einer der auf der Mailingliste vorgebrachten Vorwürfe lautet, aktive Mitglieder aus dem südlichen Landkreis (der im Kreisverband zwar weniger Mitglieder stellt, jedoch mit einer Mehrheit im Kreisvorstand vertreten ist) würden in einer Art Filterbubble leben, weshalb auch von der "Südblase" die Rede ist. Gleichzeitig vergessen viele Mitglieder im nördlichen Landkreis unserer Ansicht nach, dass sie damit auch sich selbst als "Nordblase" definieren, d. h. ebenfalls keine andere als die eigene Sichtweise wahrnehmen. Wir haben uns über diesen Begriff Gedanken gemacht und legen dieses Phänomen vielmehr als "Personenblase" aus: Mitglieder, die den persönlichen Kontakt und ein freundschaftliches und arbeitsmäßiges Verhältnis zu Jörg Tauss pflegen, sind selbstverständlich von einer Wiederaufnahme ausgegangen und haben diese stark befürwortet. Dies ist menschlich und natürlich; hier schafft der persönliche Bezug jedoch nach unserem Dafürhalten eindeutig ein zu starkes Ungleichgewicht, als dass eine objektive Entscheidung möglich wäre.

6. Was den Vorwurf angeht, wir als Kreisvorstand im Allgemeinen und die aus dem südlichen Landkreis stammenden Vorstände im Besonderen hätten sich im Nachgang der Entscheidung nicht dazu geäußert, bleibt festzuhalten, dass es keine direkte und konkrete Anfrage seitens der Mitglieder gab. Wir weisen hier noch einmal darauf hin, dass es sich nicht um einen Antrag an den Vorstand, sondern um eine Anfrage von Jörg Tauss handelte, die zur Wahrung seines Gesichts zunächst privat gestellt wurde. Jörg Tauss hat die Antwort auf diese Anfrage in von ihm kommentierter Form an einige Mitglieder des Kreisverbandes weitergeleitet, was zu mehreren Austritten und Austrittsankündigungen führte.

Zwar hätte man den Bedarf an einer vorstandsseitigen Äußerung aus den teils aufgeheizten Reaktionen auf der Mailingliste des Kreisverbandes und auf Twitter durchaus herauslesen können; die Situation auf der Mailingliste eskalierte aber erst richtig, nachdem sich Erik Wohlfeil aus freundschaftlichen Banden heraus verpflichtet gesehen hatte, ein Gespräch zwischen dem Kreisvorstand und den ausgetretenen oder denjenigen Mitgliedern herbeizuführen, die ihren Austritt angekündigt hatten, und die Entscheidungsfindung des Vorstandes aufzuzeigen, um die Situation zu versachlichen und den Sachverhalt von verschiedenen Seiten zu beleuchten. Dafür wurde er immens angegriffen und musste zu Unrecht den Kopf hinhalten. Teilweise berechtigte Kritik mischte sich mit vielen unsachlichen Äußerungen, Untertönen und stark negativen emotionalen Vorwürfen, die den Autoren lediglich angehen sollten.

7. Unter dem entstandenen Druck ist der Kreisvorsitzende Michael Schwiebert zurückgetreten, der in den letzten Jahren eine wichtige Rolle im Kreisverband und im Kreisvorstand gespielt hat; er konnte die Vorstandsentscheidung zur Nichtaufnahme von Jörg Tauss in Anbetracht der Folgen jedoch nicht mittragen. Sein Rücktritt ist nachvollziehbar und zu respektieren. Dem verbleibendem Vorstand wurde auf der Mailingliste explizit vorgeworfen, ihm nicht sofort für seine Arbeit gedankt zu haben; dies trifft zu, da auch unsere Zeit begrenzt ist und wir nicht rund um die Uhr verfügbar sind und zudem die Bewältigung der aktuellen Krise für uns Priorität hat. Ein Dank an Michael für seine Arbeit als Kreisvorsitzender wird von unserer Seite noch erfolgen.

8. Der Kreisvorstand hatte das nächste Vorstandstreffen bewusst als Real-Life-Treffen am 20. Oktober vorgesehen, um dort den Mitgliedern Rede und Antwort zu stehen. Ein solches Treffen erschien uns in der gegenwärtigen Situation angemessener als jede andere Form der Aussprache; Mailinglisten sind kein adäquates Arbeitsmittel, Twitter ist kein offizielles Parteimedium. Einem von verschiedenen Seiten ins Spiel gebrachten Vorschlag zur Mediation stehen wir offen gegenüber.

Resümee

Unserer Feststellung zufolge sind Arbeit und Meinung des Vorstandes für einige Mitglieder offenbar nur so lange gut, wie sie der eigenen Auffassung entspricht. Ändert sich dies, dann wird jede Position und jede Tätigkeit infrage gestellt oder in einem negativen Kontext generalisiert.

Den Vorwurf, mit Absicht einen Scherbenhaufen im nördlichen Teil des Kreisverbandes produzieren zu wollen, weist der Kreisvorstand entschieden zurück. Es war uns klar, dass nicht alle Mitglieder mit unserer Entscheidung einverstanden sein würden und dass es Unmut und Vorwürfe geben würde. Dass wir die in diesem Ausmaß entstandenen Streitigkeiten hätten absehen können, dass wir sie bewusst in Kauf genommen oder gar noch geschürt hätten, entspricht in keiner Weise der Wahrheit. Die uns von einigen unterstellten Absichten und Gründe sind vollkommen aus der Luft gegriffen, teils ehrabschneidend und völlig inakzeptabel.

Als durch Jörg Tauss gezielt einzelne Mitglieder des Kreisverbandes über die Vorgänge informiert wurden, wurde einseitig Druck ausgeübt, und uns wurde klar, dass diese Vorgänge zwischen ihm und uns nicht vertraulich bleiben würden, sondern sie zumindest Teilen des Kreisverbandes bekannt waren und weiteren Piraten bekannt werden würden. Damit war der Grundstein für die folgende Eskalation gelegt. Egal wie wir uns entschieden hätten, wir würden einen Shitstorm erleben – wahlweise von der einen oder von der anderen Seite. Schlussendlich konnten auch wir als Kreisvorstand nur nach bestem Wissen und Gewissen handeln. Unser Maßstab ist und bleibt dabei das eigene Gewissen. Im Prinzip empfinden wir die jetzige Situation so, als ob wir dafür abgestraft würden, dass wir die falsche Lieblingsfarbe haben – und ganz sicher nicht als Abfall von der "reinen Piratenlehre", der uns von einem Teil unserer Kreisverbandsbasis vorgeworfen wird.

Angesichts der verhärteten Fronten und im Hinblick auf das oben skizzierte "Blasenverhalten" fragen wir uns auch, weshalb auf unsere Entscheidung Flamen auf der Mailingliste, Drohungen und sofortige Austritte folgten. Wir hätten uns gewünscht, dass uns die Fehler unserer – unter Umständen vielleicht tatsächlich "falschen" – Meinung auf eine durchweg piratige Weise aufgezeigt würden. So wäre beispielsweise die Einberufung einer ordentlichen Kreismitgliederversammlung nach §4.2 unserer Satzung nach wie vor ohne weiteres möglich. Falls Teile des Vorstandes tatsächlich in einer Blase leben, hätte man auf diese Weise ohne den entstandenen Tumult handeln können und das Gegenteil bewiesen.

8. Oktober 2013

Der Vorstand des Kreisverbandes Karlsruhe-Land

Stellungnahmen der einzelnen Vorstände

Wir haben beim Erstellen dieser Stellungnahme Wert darauf gelegt, eine gemeinsame Erklärung abzugeben. Um jedoch Spekulationen und Angriffen gegen einzelne Vorstände vorzubeugen, haben wir uns ferner entschlossen, auch zu dem ursprünglich vertraulich gehandhabten Meinungsbild die Beweggründe für die jeweilige persönliche Entscheidung darzulegen.

Michael:

Michael hat sich für eine Aufnahme von Jörg Tauss ausgesprochen. Wir haben von ihm die Erlaubnis erhalten, diese Angabe an dieser Stelle zu veröffentlichen.

Erik:

Ich bin erst im Mai 2012 der Piratenpartei Deutschland beigetreten und war deswegen mit vielen früheren parteiinternen Vorgängen um die Person Jörg Tauss nicht vertraut. Ich habe mir meine Meinung aufgrund dessen recht kurzfristig innerhalb weniger Tage bilden müssen. Ich habe mich zunächst noch einmal darüber informiert, was Bundes- und Kreissatzung zur Aufnahme von Mitgliedern sagen bzw. was hier allgemein in punkto Vereinsrecht und Parteiengesetz zu beachten ist. Auf dieser Basis habe ich mich schließlich mit großen Bauchschmerzen für die Aufnahme von Jörg Tauss ausgesprochen.

Aus den Satzungen ergibt sich, dass bei der Aufnahme eines Mitglieds durch den Vorstand mindestens die folgenden Fragen betrachtet werden müssen (Bundessatzung Abschnitt A: Grundlagen - §2, §3(2) und §8):

1. Werden Grundsätze und Satzung der Piratenpartei Deutschland vom Bewerber anerkannt? Dies ist eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung.

2. Richten sich die Aufnahme oder Nichtaufnahme eines Bewerbers gegen die Grundsätze, die Ordnung oder das Ansehen der Piratenpartei Deutschland?

In diesem Rahmen entscheiden wir als Kreisvorstand frei über die Aufnahme (Bundessatzung Abschnitt A: Grundlagen §3(2) sowie PartG §10(1)).

Am 25.09.2013 stellte sich für mich die Situation so dar, dass Jörg Grundsätze und Satzung der Piratenpartei anerkennt. In den anderen Punkten erkannte ich Widersprüche: Auf der einen Seite sprach einer unserer Grundsätze für eine Aufnahme (Grundsatzprogramm > Mehr Demokratie wagen > Mehr Teilhabe); auf der anderen Seite hatte ich massive Bedenken,

  • dass Jörg gegen die Ordnung der Partei verstoßen würde,
  • dass Jörg seine Mitgliedsrechte in einer Weise nutzen würde, mit der er großen Schaden für das Ansehen der Piratenpartei herbeiführen könnte,
  • und dass bereits Jörgs Wiederaufnahme an sich dem Ansehen der Piratenpartei erheblichen Schaden zufügen würde.

Mir war dabei bewusst, dass wir als aufnehmender Vorstand von einigen Mitgliedern für mögliche negative Folgen von Jörgs Handeln mitverantwortlich gemacht werden würden. Da ich aber Jörg nicht für Handlungen vorverurteilen wollte, die ich aufgrund seiner Handlungen und seines Verhalten der letzten Monaten zwar für die Zukunft befürchtete, mangels übernatürlicher Fähigkeiten aber nicht mit Sicherheit voraussagen konnte, stellte ich diese Bedenken zurück. Würden sie eintreten, würde sich ein Schiedsgericht damit befassen müssen. Würde ein Schaden für das Ansehen der Piratenpartei entstehen, hätten wir als Kreisvorstand dies in der Tat mitzuverantworten, aber ich wollte meine Entscheidung auch nicht allein von der Außenwirkung abhängig machen. Ich blieb also dabei, meine Entscheidung allein nach dem Grundsatz einer möglichst großen demokratischen Teilhabe für jeden einzelnen, also auch für Jörg, zu treffen.

Auch wenn ich mich für eine Annahme eines eventuellen Mitgliedantrags von Jörg Tauss ausgesprochen hatte, hielt und halte ich die Ablehnung meiner Vorstandskollegen und deren Begründungen für akzeptabel und zulässig. Von daher war für mich das ablehnende Ausfallen des Meinungsbildes tragbar, und ich war und bin auch weiterhin bereit, dieses mitzutragen.

In Anbetracht von Jörgs Verhalten und Vorgehen von dem Zeitpunkt an, an dem das von ihm gewünschte Meinungsbild ihm mitgeteilt wurde, bis heute ist diese meine Einschätzung inzwischen überholt. Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich einen Mitgliedsantrag von Jörg Tauss ablehnen, da er meines Erachtens die Satzung der Piratenpartei Deutschland nicht vollumfänglich anerkennt und sich wesentliche Teile seines Handeln bewusst gegen Ordnung und Ansehen der Piratenpartei Deutschland richten.

Das Grundsatzprogramm legt fest, wofür wir allgemein politisch stehen. Mit unseren Satzungen organisieren wir uns als Partei, und in ihnen werden auch diese Grundsätze umgesetzt, soweit sie uns als Partei betreffen. Es ist vorgesehen und wird von Vorständen erwartet, dass sie entsprechend der Satzung der Partei handeln. Zudem legt die Bundessatzung die Grundsätze als nur einen von drei Aspekten fest, die beim Handeln als Vorstand bedacht werden müssen (neben der Ordnung der Piratenpartei und dem Ansehen der Piratenpartei). Dies bedeutet leider, nicht rein nach den Grundsätzen der Partei entscheiden zu können. Das mag man bedauerlich finden, aber ich sehe das keineswegs als Verrat an den piratigen Idealen.

Die Regelungen der Satzung dienen in diesem Fall auch einem gesunden und vernünftigen Eigeninteresse und Eigenschutz der Piratenpartei. Und auch angesichts der gegenwärtigen Gesamtsituation der Partei halte ich es trotzdem weiterhin für sinnvoll, uns selbst zu schützen. Der Zustand der Piratenpartei ist bei weitem nicht so schlecht, wie ihn mancher derzeit darstellt. Dass Jörg sich höhnisch und spottend zwischen den Zeilen äußert, durch seine Aufnahme könnte sich der Zustand der Piratenpartei wohl kaum noch verschlechtern, ist in meinen Augen nicht zutreffend; und gewiss ist dies nicht zu seinem Vorteil auszulegen.

Sven:

Meine Meinungsbildung hat einen längeren Findungsprozess hinter sich, da ich mir stets der Absprache bewusst war, die Jörg Tauss mit dem vorherigen Vorstand des Landesverbandes Baden-Württemberg getroffen hatte. Zu meiner Entscheidung haben in der Hauptsache die parteiinterne Kommunikation im Zeitraum der letzten ca. 1,5 Jahre (#bwmist, Twitter) sowie zu Teilen persönliche Erlebnisse in der Außendarstellung der Partei beigetragen. Nachdem ich diese Entscheidung gefällt hatte, habe ich mich nach Abwägung aller Argumente intensiv gegen eine Aufnahme von Jörg Tauss ausgesprochen und in diesem Zusammenhang unseren Schatzmeister aufs Schärfste für seine Enthaltung kritisiert. In meinen Ansichten bezüglich Jörg Tauss wurde ich in den letzten Tagen bestätigt; in den Folgen für den KV kann ich mich nicht wiederfinden und bin gelähmt, genervt, erschüttert und der unhaltbaren Vorwürfe, haltlosen Unterstellungen und insgesamt der aggressiven Konfrontationen überdrüssig.

Krisch:

Ich habe mir lange Gedanken darüber gemacht, wie ich mich in diesem Fall – der sich ja deutlich abzeichnete – verhalten sollte. Auf der einen Seite gab es eine Reihe valider Argumente, Jörg Tauss die Mitgliedschaft nicht zu verweigern: Er war zwar wegen des Besitzes kinderpornografischer Bilder verurteilt worden, doch hielten und halten viele (so auch ich) die von ihm geäußerte Version der Dinge für glaubwürdig. Insofern kann ich wohl für den ganzen Vorstand sprechen, wenn ich feststelle, dass dieser Sachverhalt als solcher wie auch die nachfolgende Verurteilung keine Rolle bei der Entscheidungsfindung spielten. Hinzu kommt, dass die Bewährungsdauer verstrichen ist. Ebenfalls ist mittlerweile weitgehend Konsens, dass das in Berlin ausgesprochene Hausverbot eine Willküraktion dortiger Piraten war, die bis heute nicht aufgearbeitet ist. (Eine entsprechende Anfrage des Landesverbandes Baden-Württemberg liegt dem Bundesvorstand der Piratenpartei meines Wissens seit geraumer Zeit vor, wird aber nicht bearbeitet.)

Auf der anderen Seite steht Jörg Tauss’ Verhalten gegenüber mehreren Mitgliedern der Piratenpartei, mit dem er sich bei vielen einen schlechten Ruf erworben hat. Es steht zu befürchten, dass Jörg Tauss seine Parteimitgliedschaft als Mittel betrachtet, gegen seine dann parteiinternen Gegner vorzugehen. Nicht nur dies deutete er in der Mail an, in der er das Meinungsbild zur Wiederaufnahme anfragt, sondern seine Äußerungen lassen den Schluss zu, dass er sich der Reaktionen der Mitglieder im nördlichen Landkreis im Falle einer Ablehnung schon beim Stellen der Anfrage durchaus bewusst war.

Es ging in diesem Fall also um eine Abwägung zwischen den möglichen Auswirkungen, die Jörgs Wiederaufnahme auf die Piratenpartei – und zwar sowohl auf der Kreisverbands- als auch auf Landes- und Bundesebene – haben würde. Wir hätten in diesem Fall ein Mitglied für den Kreisverband gewonnen, das sich in den letzten Monaten, vor allem aber im Vorfeld der Bundestagswahl durch eine Unmenge lokaler Mitarbeit ausgezeichnet hat. Gleichzeitig aber hat Jörg Tauss meiner Einschätzung nach klar gemacht, dass er im Falle einer Wiederaufnahme seine Gegner angehen würde, was weitere Unruhe in die Partei gebracht hätte. Da ein derartiges, von mir als destruktiv gewertetes Verhalten meiner Meinung nach nicht der Zweck einer Parteimitgliedschaft sein sollte, habe ich mich gegen die Wiederaufnahme Jörgs ausgesprochen.

Jens:

Da es seit Ende 2011 im Raum stand, dass Jörg Tauss nach der Bundestagswahl einen Antrag auf Wiederaufnahme stellen würde, habe ich mir immer mal wieder Gedanken dazu gemacht. Letztendlich ist meine Entscheidung bereits vor einigen Wochen gefallen. Ich bin aufgrund der Abwägungen zwischen pro und contra (die alle im Raum standen und bereits von meinen Vorstandskollegen erwähnt wurden) zu dem Entschluss gekommen, keiner Seite Rechnung tragen zu können. Daher habe ich mich beim Meinungsbild mit meiner Stimme enthalten – in dem Wissen, Gefahr zu laufen, als Feigling betrachtet zu werden, der nicht Farbe bekennen will.