BE:Antragskommission/LMV 2012.2/Antragsportal/Programmantrag - 020

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Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den/die LMVB 2012.2. Die Antragsseiten werden kurze Zeit nach Erstellen durch die Antragskommission zum Bearbeiten gesperrt. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich
Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den/die LMVB eingereichter Antrag. Jedes Mitglied ist dazu berechtigt, einen solchen Antrag einzureichen.

Version Antragsformular: 1.05

Antragsnummer

P020

Einreichungsdatum

Antragstitel

Positionspapier: Energiepolitische Grundsätze

Antragsteller

Antragstyp

Programmantrag

Art des Programmantrags

Positionspapier

Antragsgruppe

-

Antragstext

Die Landesmitgliederversammlung möge als Positionspapier folgenden Text des Squads Wirtschaft und Umwelt beschließen:

Energiepolitische Grundsätze

Ziel der Energiepolitik des Berliner Landesverbandes der Piratenpartei Deutschland ist die Bereitstellung einer dauerhaft sicheren und preisgünstigen Energieversorgung, um den Lebensstandard und die Lebensqualität auch für nachfolgende Generationen zu erhalten und zu verbessern. Die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen und Atomkraft soll mittel- und langfristig vollständig durch ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig erzeugte, erneuerbare Energien ersetzt werden.

Die Energiewirtschaft soll so organisiert werden, dass Beschaffung, Erzeugung und Verteilung möglichst dezentral, diversifiziert und transparent erfolgen und auch die Preisgestaltung transparent und öffentlich nachvollziehbar vorgenommen wird. Dies wird durch heterogene Strukturen und fairen Wettbewerb nach den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft und unter Aufsicht unabhängiger, staatlicher Stellen erreicht.

Unsere Politik wird gewährleisten, dass durch Bürgerbeteiligung und Transparenz in Planungs- und Genehmigungsverfahren die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Aus- und Umbau der Netzinfrastruktur steigt und dass Konflikte bereits im Vorfeld durch Einbindung der zivilgesellschaftlichen Akteure gelöst werden.

Dezentralisierung, Netzausbau und Netzneutralität

Der Berliner Landesverband der Piratenpartei Deutschland lehnt die Bildung von Infrastrukturmonopolen ab und tritt für ein dezentrales Energienetz auf der Basis von lokalen Energieverbundsystemen ein. Kleinteilige, energieautonome Strukturen schaffen mehr Sicherheit als große, zentrale Einheiten und senken Betriebs- und Ausfallrisiken. Nur durch den Aus- und Umbau der Energieinfrastruktur zu einem leistungsfähigen und engmaschigen Netz, in dem sich Nachbarregionen gegenseitig ergänzen und damit stabilisieren, können Monopolstellungen verhindert und der freie Zugang und Wettbewerb ermöglicht werden.

Die lokalen Energienetze sind nach Möglichkeit zu rekommunalisieren und ihr Betrieb ist unter Wettbewerbsbedingungen auszuschreiben. Die Verträge mit Netzbetreibern sind zeitlich zu befristen und öffentlich zu machen, um den Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern sowie Transparenz gegenüber den Verbrauchern zu fördern. Unter dem Primat der Netzneutralität soll sichergestellt werden, dass alle Erzeuger und Verbraucher unter den gleichen Bedingungen Zugang zur Energienetzinfrastruktur erhalten. Die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur und ihre Sanktionsmöglichkeiten bei Verstößen gegen Wettbewerb, Markttransparenz und Netzneutralität sollen gestärkt werden.

Stärkung der Bürgerbeteiligungsverfahren bei Infrastrukturprojekten

Der Berliner Landesverband der Piratenpartei Deutschland strebt die einvernehmliche Lösung des gesellschaftlichen Konfliktes um den Ausbau der Energieinfrastruktur an – durch umfassende zivilgesellschaftliche Partizipationsmöglichkeiten über grundlegende energiepolitische Entscheidungen sowie in der Planungs- und Genehmigungsphase von Projekten. Diese erhöhen die Akzeptanz von Entscheidungen und tragen dazu bei, dass Probleme nicht erst in der Endphase von Projekten sichtbar werden, wenn diese unvermittelt in die Lebenswelt der Betroffenen eindringen.

In den Planungs- und Genehmigungsverfahren großer Infrastrukturprojekte sollen zu diesem Zweck Instrumente zur initiativen Konsultation, Mitwirkung und Mitentscheidung durch die betroffenen Bürger vorgesehen werden. Mit Hinblick auf die Komplexität und die langen Planungszeiträume dieser Projekte sollen staatliche Stellen und private Investoren gesetzlich dazu verpflichtet werden, die Projektinformationen auf OpenData-Basis transparent aufzubereiten, um Informationsasymmetrien, die der effektiven zivilgesellschaftlichen Beteiligung im Wege stehen, von Anfang an zu beseitigen.

Nachhaltigkeit und Umstellung auf erneuerbare Energien

Der Berliner Landesverband der Piratenpartei Deutschland tritt für eine nachhaltige Gestaltung der Energieerzeugung und -verteilung ein und strebt langfristig die Umstellung auf einhundert Prozent erneuerbare Energien aus abiotischen Quellen an. Wir wollen erreichen, dass in Deutschland bis 2030 in allen Bereichen, der privaten Wirtschaft, in den privaten Haushalten und im öffentlichen Sektor, mehr als die Hälfte des Primärenergiebedarfs durch erneuerbare Quellen gedeckt wird. Langfristig soll dieser Anteil sukzessive erhöht werden und im Stromsektor bis spätestens 2050 100 Prozent betragen. Der Wärme- und Treibstoffsektor sollen schnellstmöglich folgen.

Für eine Übergangsphase sind fossile Energieträger wie Erdgas in hocheffizienten Anlagen mit Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) geeignet, die Stromerzeugung zu ergänzen. Die energetische Nutzung fossiler Ressourcen, insbesondere die Verstromung von Braun- und Steinkohle, ist im Sinne einer schnellen Entwicklung in Richtung der Vollversorgung durch erneuerbare Energien schrittweise zu reduzieren. Der Berliner Landesverband der Piratenpartei Deutschland lehnt den Neubau von Kohlekraftwerken und die Anwendung der CCS-Technologie zur Abscheidung und Endlagerung von CO2 im Untergrund ab.

Der Berliner Landesverband der Piratenpartei Deutschland begrüßt ausdrücklich die Entscheidung des Deutschen Bundestages, die Laufzeit aller deutschen Kernkraftwerke bis 2022 stufenweise und abschließend zu beenden. Nach Möglichkeit soll der Ausstieg schneller erfolgen, da die enormen externen Kosten und Risiken, insbesondere bei Betrieb der Anlagen sowie bei Transport, Endlagerung und Wiederaufbereitung von Brennstäben, aus Sicht von Umwelt und Gesellschaft nicht zu verantworten sind. Die offene Frage der Zwischen- und Endlagerung muss gelöst werden, wobei die Betreiber von Atomkraftwerken, welche jahrzehntelang finanziell von der Kernenergie profitiert haben, im erheblichen Maße an den immensen Folgekosten für Rückbau der Anlagen sowie Entsorgung der radioaktiven Abfälle beteiligt werden sollen.

Die Umstellung von fossilen Energieträgern und Atomkraft auf erneuerbare Energien soll sowohl umweltschonend als auch gesellschaftlich verträglich erfolgen. Gerade bei den erneuerbaren Energien dürfen wirtschaftliche Aspekte nicht über Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit stehen:

  • Wir lehnen es ab, dass Energiepflanzen zu Lasten von Nahrungsmitteln angebaut werden oder deren Anbau mit einem Verlust an Biodiversität einhergeht. Energie aus Biomasse soll in erster Linie in lokalen Kreisläufen aus Rest- und Abfallstoffen erzeugt werden.
  • Im Bereich Photovoltaik sollen geschlossene Stoffkreisläufe etabliert werden, um dort, wo Stoffe wie Schwermetalle und Umweltgifte im Produktionsprozess nicht ersetzbar sind, deren Austreten in die Umwelt zu verhindern und um die Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe sicherzustellen.
  • Die Auswirkungen von Fundamenten und Seekabeln auf die empfindlichen Ökosysteme in Nord- und Ostsee sollen bereits bei der Genehmigung und Planung von Offshore-Windparks berücksichtigt werden. Erhebliche Eingriffe in Ökosysteme und Landschaft sind bei der Nutzung von Wasserkraft zu vermeiden. Geologische Risiken sind vor der Planung von Geothermieprojekten sorgfältig zu untersuchen. Die Hydrofracking-Methode zur Erschließung unkonventioneller Erdgas- und Ölvorkommen lehnen wir ab.

Energetische Speicherung und Kombination von Strom- und Erdgasnetz

Der Berliner Landesverband der Piratenpartei Deutschland tritt neben dem Ausbau der erneuerbaren Energiequellen und der Anpassung der Netzstruktur für eine ökonomisch und energetisch effiziente Speicherung von Energie ein. Damit das Potential der erneuerbaren Energien weitgehend ausgeschöpft und die daraus gewonnene Energie länderübergreifend genutzt werden kann, sollen in Unterlastzeiten anfallende Überschüsse gespeichert werden, um Nachfragespitzen auszugleichen.

Die Entwicklung einer vielgliedrigen Speicherstruktur soll durch Forschungsförderung und durch die Umsetzung staatlicher Maßnahmen intensiv unterstützt und beschleunigt werden. Insbesondere die Umwandlung von Strom aus erneuerbaren Energien in synthetisch hergestelltes Wasserstoff- und Methangas (EE-Gas) und dessen Einspeisung in das bereits vorhandene Erdgasnetz mit unterirdischen Erdgasspeichern, ermöglicht langfristige Versorgungssicherheit und universelle Verwendung der Energie bei gleichzeitiger Entlastung der elektrischen Netzinfrastruktur.

Fördermaßnahmen und Einspeisevergütung erneuerbarer Energien

Der Umstieg auf erneuerbare Energien soll durch Förderprogramme vorangetrieben werden. Zuschüsse, Einspeisevergütungen, Prämien und Steuervorteile sollen ökologisch und ökonomisch sinnvoll, sozial ausgewogen, ressourcenschonend sowie unmittelbar für den vorgesehenen Zweck wirksam sein. Förderprogramme sollen langfristig angelegt sein und Planungssicherheit bieten, aber auch nach dem Erreichen des Förderzwecks konsequent zurückgefahren werden.

Grundsätzlich hat die steuerfinanzierte Förderung von Grundlagenforschung und Entwicklungsprojekten gegenüber der reinen Bezuschussung von Investitionsausgaben Vorrang. Ergebnisse aus staatlich finanzierten Programmen sollen der Öffentlichkeit allgemein zugänglich gemacht werden. Wir lehnen verdeckte Subventionsprogramme für die Automobilindustrie ab.

Der Berliner Landesverband der Piratenpartei Deutschland befürwortet ausdrücklich die Beibehaltung des Erneuerbaren Energien Gesetzes (EEG). Das EEG hat über das Instrument des umlagefinanzierten Einspeisetarifes zu einer Demokratisierung der Stromerzeugung geführt und bleibt in diesem Sinne auch weiterhin das zentrale Förderinstrument für erneuerbare Energien aus kleinen und mittleren Anlagen. Allerdings gilt es die erneuerbaren Energien schneller an den Markt heranzuführen, um die Steigerung der Energiepreise – auch aus sozialen Gründen – zu dämpfen. Zu diesem Zweck sind gerade für Großanlagen auch andere Förderinstrumente wie z.B. Ausschreibungen einzusetzen. Spezielle Fördermaßnahmen für kommunale und genossenschaftliche Projekte aus dem Bereich erneuerbarer Energien sollen verhindern, dass sich auch im Bereich der erneuerbaren Energien oligopolartige Strukturen herausbilden.

Einen besonderen Schwerpunkt der Förderung sehen wir in der Verbesserung der Energieeffizienz und Verbrauchsvermeidung sowie der kaskadenartige Nutzung der verfügbaren Energie. Wichtig sind dabei die Förderung von dezentralen Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung und der Fernwärme, die Förderung von Wärmedämmungsmaßnahmen sowie kostenlose Angebote zur Energieberatung. Bisher werden die verfügbaren Potentiale für Energieeffizienz und sparsamen Energieeinsatz gerade von privaten Verbrauchern nur in geringem Maße ausgeschöpft.

Antragsbegründung

Gespräche und Diskussionen vor, auf und nach dem Bundesparteitag in Offenbach haben gezeigt, dass für eine erfolgreiche programmatische Verankerung der energiepolitischen Vorstellungen ein Antrag notwendig ist, in dem sich die Mehrheit der Partei wiedererkennen kann und der auch in energiepolitischen Fragen die spezifische Perspektive der Piratenpartei mit den Eckpunkten Dezentralisierung, Netzneutralität, Bürgerbeteiligung und Nachhaltigkeit betont – ohne, im Hinblick auf andere Parteien, beliebig zu werden.

Daher basiert dieses Positionspapier des Berliner Squads Wirtschaft und Umwelt auf dem energiepolitischen Kompromissantrag PA158 zum BPT2011.2, der bereits im Bundesliquid mit 77 Prozent (333 ja-Stimmen) angenommen wurde, jedoch leider nicht mehr auf dem Bundesparteitag in Offenbach behandelt werden konnte. Gegenüber PA158 wurde der Text in einigen Punkten weiter verdichtet und ergänzt, sowie in Hinblick auf die erneuerbaren Energien begrifflich geschärft.

[...]

Gerade auf dem wichtigen Feld der Energiepolitik ist aus unserer Sicht eine Kampfabstimmung zwischen Maximalforderungen nicht sinnvoll, daher haben wir die energiepolitischen Grundsätze aus den Kernforderungen der Piratenpartei abgeleitet und die aus unserer Sicht wichtigsten weiteren Aspekte berücksichtigt, wie z.B. beschleunigter Atomausstieg, Bürgerbeteiligung, soziale Komponente, Verbot von Fracking und CCS sowie das Verhältnis zum EEG.

Vor diesem Hintergrund sprechen wir uns für die Verwendung des allgemein in Bevölkerung, Wirtschaft und politischem Diskurs verwendeten Begriffes „erneuerbare Energien“ aus, da wir der Meinung sind, dass gute Politik immer auch verständlich sein muss, um gegenüber der Bevölkerung vermittelbar zu sein. Wortneuschöpfungen aus dem wissenschaftlichen Elfenbeinturm wie z.B. „generative“ Energien (und die Verklärung dieser zum Dogma), lehnen wir ab, auch, da der Streit um Begrifflichkeiten die Gefahr beinhaltet, von der Auseinandersetzung mit Inhalten abzulenken.

Liquid Feedback

Ja: 106 (94%) · Enthaltung: 5 · Nein: 7 (6%) · Angenommen · https://lqpp.de/be/initiative/show/1384.html

Piratenpad

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Antragsfabrik

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Datum der letzten Änderung

14.09.2012

Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft