Archiv:2010/Jugendmedienschutz-Staatsvertrag/Petition

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Wie bereits mehrfach vorgeschlagen, aber meines Wissens nicht in die Tat umgesetzt wurde, möchte ich eine Petition gegen die geplanten Änderungen im Jugendmedien-Staatsvertrag starten.

Da am 25.03.2010 die Landesregierungen über den Änderungsentwurf abstimmen, kann eine Petition an den Bundestag nicht zielführend sein.

Bremen hat aber als erstes Bundesland die Möglichkeit einer e-Petition vorgesehen, die jede/r unterzeichnen und einreichen kann, unabhängig von Wohnsitz oder Staatsangehörigkeit.

Wer das nicht glaubt, kann das in der Verfahrensordnung für die Petitionsausschüsse in Bremen unter Punkt 3.2 nachlesen.

Da bereits die Verweigerung eines Bundeslandes dem Änderungswurf zuzustimmen ausreichend wäre, um den ganzen Änderungsentwurf nicht wirksam werden zu lassen, schlage ich vor, (neben anderen Aktionen) in Bremen eine e-Petition einzureichen und bundesweit Unterzeichner einzuwerben. Dies könnte auch öffentlichkeitswirksam durch eine Aufforderung in einer Pressemitteilung der Piratenpartei und der Bekanntmachung über die Medien bewirkt werden.

Ich habe bereits als Einzelperson eine Petition eingereicht, aber da ich aus beruflichen Gründen nicht als Petentin öffentlich im Internet genannt werden möchte, benötige ich noch eine/n Freiwillige/n, der als Petent auftreten mag. Die Namen der Unterzeichner werden dafür nicht im Internet für jedermann einsehbar genannt, sondern nur die Anzahl der Gesamtunterzeichner/innen.

Unten habe ich bereits einen (Beispiels-)Text für eine solche Petition zusammengestellt, der aber gerne auch noch überarbeitet werden darf.

Die e-Petitionen können über dieses Formular eingereicht werden.

Wenn jemand das gerne übernehmen möchte, wäre ich dankbar, wenn er oder sie dies auch über die Bremer E-Mail-Liste der Piratenpartei bekannt machen könnte, damit ich das auch erfahre.



Text der Petition

Die Bremer Landesregierung möge beschließen, dass dem aktuellen Änderungsentwurf zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, über den die Landesregierungen am 25.03.2010 beschließen sollen, die Zustimmung von Bremer Seite verweigert wird.


Begründung:

Der aktuelle Entwurf zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) enthält eine ganze Reihe abzulehnender Vorschriften:

  • Es werden sowohl Internet-Zugangs-Anbieter (Access-Provider, ISP) als auch Anbieter von Webspace (Hosting-Provider) mit den eigentlichen Inhalte-Anbietern gleich gesetzt. Sie werden als „Anbieter“ bezeichnet. Sie alle sind für die Inhalte ihrer Kunden verantwortlich.
  • Access-Provider werden verpflichtet, ausländische Webseiten zu blockieren, die sich nicht an die in Deutschland geltenden Jugendschutzbestimmungen halten. Es muss also eine weitaus umfangreichere Internet-Zensur-Infrastruktur aufgebaut werden, als dies selbst Ursula von der Leyen im Wahlkampf mit dem sog. Zugangserschwerungsgesetz vorgesehen hatte.
  • Wenn auf einer Webseite die Nutzer Inhalte erstellen können (also zum Beispiel Kommentare in Blogs), dann muss der Betreiber der Plattform (also zum Beispiel der Blogger) nachweisen (!), dass er zeitnah Inhalte entfernt, „die geeignet sind, die Entwicklung von jüngeren Personen zu beeinträchtigen“. Ausnahmen sind keine vorgesehen.
  • `Generell werden alle Inhalte in Kategorien eingeteilt: ab 0 Jahre, ab 6 Jahre, ab 12 Jahre, ab 16 Jahre, ab 18 Jahre.
  • Alle „Anbieter“ müssen sicherstellen, dass Kinder der entsprechenden Altersstufe jeweils ungeeignete Inhalte nicht wahrnehmen. Dafür sind mehrere (alternative) Maßnahmen vorgesehen:
    • Es wird ein von der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) zugelassenes Altersverifikationsverfahren genutzt.
    • Inhalte werden nur zu bestimmten Uhrzeiten angeboten. (beispielsweise nur zwischen 22 und 6 Uhr, wenn ab 16 Jahre)
    • Alle Inhalte werden mit einer entsprechenden Altersfreigabe gekennzeichnet.
  • Die bestehenden Regelungen bezüglich schwer jugendgefährdenden Inhalten (das betrifft u.a. Hardcore-Pornographie usw.) bleiben natürlich in Kraft.


Eine Verantwortlichkeit und Sperr-Verpflichtung der Internet-Zugangs-Anbieter (Access-Provider) für in- oder ausländische Inhalte wäre eine Verletzung europäischen und nationalen Rechts und würde zu erheblichen Einschränkungen der Meinungs- und Informationsfreiheit führen. Darüber hinaus wäre auch der eCommerce in Deutschland im internationalen Wettbewerb massiv beeinträchtigt, wenn Access-Provider aus Haftungsgründen zu einer inhaltlichen Kontrolle der von ihnen transportierten Inhalte gezwungen wären. Frohlocken würden hierüber nur deutsche Porno-Anbieter, die derzeit im Online-Bereich wegen der nur in Deutschland geltenden Bestimmungen zur Altersverifikation derzeit nicht wettbewerbsfähig sind.

Eine unverhältnismäßige Ausweitung von Kontrollpflichten, wie die beabsichtigte Ausweitung der Prüf- und Lösch-Pflichten für Inhalte Dritter, beispielsweise für Kommentare in Blogs und Diskussionsforen bzw. sog. „User Generated Content“, führt dazu, dass derartige Angebote in Deutschland nicht oder nur noch extrem eingeschränkt verfügbar wären. Denn Anbieter würden gänzlich unkalkulierbaren Haftungsrisiken ausgesetzt. Hierdurch wäre nicht nur die Entwicklung innovativer Web-2.0-Angebote, sondern auch der wirtschaftliche Standort Deutschland massiv gefährdet. Derartige Prüfungspflichten schränken zudem die Meinungs- und Rezipientenfreiheit (Artikel 5 GG) erheblich ein.

Eine Verpflichtung zur Kennzeichnung („Labeling“) von Inhalten im Internet ist logistisch und technisch undurchführbar und weltweit nicht sinnvoll durchsetzbar. Zudem ist eine solche Kennzeichnung in vielen Fällen auch willkürlich, da es kaum greifbare und objektive Kriterien zur Einstufung einer Seite, gerade im Altersbereich zwischen 3 und 16 Jahren, gibt.

Sendezeitbegrenzungen werden aber der Natur eines internationalen Kommunikations- und Abruf-Mediums nicht gerecht. Zudem würde die Einführung einer „Sendezeit“ für das deutsche Internet nur bereits bestehende Ansätze verstärken, nicht jugendfreie Inhalte in das für den deutschen Gesetzgeber nicht kontrollierbare Ausland zu verlagern, so dass überhaupt kein Schutzniveau mehr vorhanden ist.

Dem Entwurf mangelt es an ausreichender Normenklarheit. Er ist insgesamt nicht eindeutig, zu unbestimmt und überaus interpretationsfähig. Der Gesetzgeber muss aber für die wesentlichen Punkte seines Anliegens von Verfassungs wegen klare und eindeutige Regeln schaffen und nicht solche, die durch andere Institutionen nachträglich interpretiert werden müssen und einen viefältigen Spielraum zur Auslegung bieten[1].

Die Ziele des Jugendmedienschutzes sind nicht länger primär durch Ge- und Verbote gegenüber Anbietern zu erreichen. Sowohl der Gesetzgeber als auch die zuständigen Behörden müssen sich von dieser Vorstellung verabschieden. Aufgabe des Staates wird es künftig vor allen Dingen sein, in den Schulen Medienkompetenz zu vermitteln. Ansonsten fällt es primär in den Verantwortungsbereich der Eltern, dafür Sorge zu tragen, dass ihre Kinder nicht mit bedenklichen Inhalten in Kontakt kommen[2]. Als Unterstützung könnte hier eine positive Zertifizierung von kinder- und jugendfreundlichen Seiten, die durch eine unabhängige Stelle durchgeführt oder zumindest überwacht wird, angeboten werden, der sich Webseitenbetreiber freiwillig unterwerfen können und die u. U. auch eine Filterung ermöglicht [3].