Antrag:Bundesparteitag 2012.2/Antragsportal/PA112

Aus Piratenwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche

<- Zurück zum Antragsportal


Tango-preferences-system.svg Dies ist ein Antrag für den Bundesparteitag 2012.2. Das Sammeln und Diskutieren von Argumenten für und gegen den Antrag ist auf der Diskussionsseite möglich

Wende dich bei Fragen und (als Antragsteller) Änderungswünschen an ein Mitglied der Antragskommission.

Tango-dialog-warning.svg Dieser Text ist (noch) keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern ein an den Bundesparteitag eingereichter Antrag.

Antragsübersicht

Antragsnummer PA112
Einreichungsdatum
Antragsteller

PirateJoker für die AG Psyche

Mitantragsteller
Antragstyp Wahlprogramm
Antragsgruppe Psyche„Psyche“ befindet sich nicht in der Liste (Arbeit und Soziales, Außenpolitik, Bildung und Forschung, Demokratie, Europa, Familie und Gesellschaft, Freiheit und Grundrechte, Internet und Netzpolitik, Gesundheit, Innen- und Rechtspolitik, ...) zulässiger Werte für das Attribut „AntragsgruppePÄA“.
Zusammenfassung des Antrags Forderung nach mehr psychiatrischen Abteilungen in allgemeinen Krankenhäusern, psychiatrischen Institutsambulanzen, Ausbau der sozial, komplementären Versorgung und einer Bundesweiten Notrufnummer.
Schlagworte Psychiatrie, Psychologie, Psychotherapie, Krankenhaus, Institutsambulanz, komplementäre Versorgung, Notrufnummer
Datum der letzten Änderung 31.03.2013
Status des Antrags

Pictogram voting keep-light-green.svg Geprüft

Abstimmungsergebnis

Pictogram voting question.svg Noch nicht abgestimmt

Antragstitel

Psychiatrie 3.0: Verrückt ist auch normal - Antrag 3

Antragstext

Der Bundesparteitag der PIRATEN möge im Teilprogrammbereich "Psychiatrie 3.0: Verrückt ist auch normal" diesen Antrag als dritten Programmpunkt dieses Teilbereiches beschließen:

Mehr psychiatrische Abteilungen an allgemeinen Krankenhäusern
Die PIRATEN setzen sich dafür ein, den Ausbau von psychiatrischen Abteilungen in allgemeinen Krankenhäusern mit dem Ziel weiter fortzusetzen, dass alle Kreise und kreisfreien Städte im Sinne der gemeindenahen Psychiatrie mit psychiatrischen Abteilungen mit angeschlossenen Tageskliniken und psychiatrischen Institutsambulanzen versorgt werden. In Planungsregionen sollen durch Bettenabbau in allgemeinen Krankenhäusern frei werdende Bettenkapazitäten für die Errichtung von psychiatrischen Abteilungen mit entsprechend qualifiziertem Personal verwendet werden. Dabei muss perspektivisch gewährleistet sein, dass diese zunächst kleinen Einheiten durch Bettenaufstockung und psychiatriegerechte bauliche Verbesserungen in überschaubarer Frist eine regionale, gemeindeorientierte Pflichtversorgung übernehmen können. Mittelfristiges Ziel ist das System der Fachkrankenhäuser durch ein flächendeckendes System von psychiatrischen Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern zu ersetzen ist (Beispiel Saarland).

Mehr Psychiatrische Institutsambulanzen
Die PIRATEN unterstützen das Konzept der multiprofessionellen Psychiatrischen Institutsambulanzen als Teil der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung und setzen sich für den weiteren flächendeckenden Ausbau in der Bundesrepublik Deutschland ein. Psychiatrische Institutsambulanzen werden an den Psychiatrischen Abteilungen in den Allgemeinkrankenhäusern errichtet. Die PIRATEN sprechen sich dabei für die Ansiedlung von Psychiatrischen Abteilungen mit Psychiatrischen Institutsambulanzen in zentraler leicht erreichbarer Lage der Kreise und kreisfreien Städte ein, bei flächenweiten Kreisen sollen zusätzliche Außenstellen der Psychiatrischen Institutsambulanzen errichtet werden. Allgemeinkrankenhäuser, die für den Aufbau der Psychiatrischen Abteilung zunächst mit psychiatrischen Stationen beginnen, sollen bereits mit diesen Stationen auch Psychiatrische Institutsambulanz in Betrieb nehmen.

Bausteine der komplementären Versorgung
Die PIRATEN fordern, dass in allen Gebietskörperschaften die Strukturen der sozialen, komplementären Versorgung für Menschen mit psychischen Störungen bedarfsdeckend aufgebaut bzw. (bei Trägerschaft von gemeinnützigen Vereinen) durch entsprechende Fördermittel erhalten werden. Diese komplementäre Versorgung ist das Kernstück der sozialen Inklusion; dazu gehört vor allem die Unterstützung in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Freizeit.

  • Wohnen: Die meisten psychotischen Störungen treten erstmalig in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter auf. Für diesen Personenkreis habe sich betreute Wohngemeinschaften ebenso bewährt wie zur „Wiederbeheimatung“, zur Rückführung von Langzeitpatienten, die in sog. „Heime“ verschoben und dort ausgegrenzt wurden. Solche Wohngemeinschaften, oft unter Betreuung von Sozialarbeitern, sind bedarfsdeckend einzurichten.
  • Arbeit: Die Arbeitssituation der Betroffenen ist häufig fatal; entweder bleibt ihnen der 1. Arbeitsmarkt aufgrund der Stigmatisierung verschlossen, oder sie sind tatsächlich den Anforderungen nicht gewachsen. In Regionen, in denen langjährig sozialpsychiatrisch gearbeitet wurde, entstand eine Palette von Arbeitsmöglichkeiten im 3. Arbeitsmarkt, von einfachen Zuverdienstfirmen bis zu komplett autonomen Firmen, die weiter geführt werden müssen.
  • Freizeit: Die Freizeit sinnvoll mit anderen zu gestalten, ist für Menschen mit psychischen Störungen ebenfalls nicht so einfach wie für andere. Diverse Clubs, in denen sich alle (auch Normale!) treffen können, Patientencafés inmitten der Städte etc. sind daher unverzichtbare Bausteine einer komplementären sozialpsychiatrischen Versorgung.
  • Tagesstätten: Im Gegensatz zu Tageskliniken findet in Tagesstätten keine medizinische Versorgung statt, sondern Therapeuten aller Ausbildungstypen (z. b. Ergo-, Kunst- und Musiktherapeuten etc.) gestalten zusammen mit Pflegern, Sozialarbeitern und engagierten Bürgern den Alltag der Betroffenen. Tagesstätten haben sich zudem als besonders nützlich erwiesen, wenn Demenzkranke ältere Menschen von ihren berufstätigen Kindern versorgt werden, und müssen daher flächendeckend angeboten werden.

Bundesweite Notrufnummer
Die Piraten setzen sich dafür ein, dass in allen Notrufleitstellen psychiatrisch geschultes Personal eingesetzt wird. Dieses soll eine kurzfristige Krisenintervention in psychischen Krisen ermöglichen, ähnlich wie dies bereits in Israel gehandhabt wird. Für psychische Notfälle soll es eine leicht zu merkende kostenfreie Rufnummer geben, die Anrufer mit der Leitstelle verbindet. Desweiteren soll psychiatrische Notfallhilfe per E-Mail und SMS ganztags erreichbar sein.

Antragsbegründung

Zu Mehr psychiatrische Abteilungen an allgemeinen Krankenhäusern
Betroffene sollen stets die Möglichkeit haben, auch im Rahmen einer stationären Therapie in räumlicher Nähe zu ihrem sozialen Umfeld zu bleiben. Ortsnahe stationäre Behandlungsangebote sind unabdingbar für eine erfolgreiche kurzfristige Krisenintervention, vor allem wenn eine stationäre Aufnahme angezeigt, aber nur von kurzer Dauer notwendig wird. Zugleich ermöglicht es Betroffenen in der Nähe ihres sozialen Umfeldes zu bleiben, was ebenso die Behandlungsqualität fördert und die Wiedereingliederung in den Alltag erleichtert. Psychiatrische Fachkrankenhäuser werden durch psychiatrische Abteilungen in allgemeinen Krankenhäusern strukturell entlastet und ebenso in ihrer Behandlungsqualität gefördert, da sie verstärkt langfristige Therapiekonzepte anbieten können. Da psychiatrische Fachkrankenhäuser in ihren Kapazitäten oft ausgelastet sind, führt das zu sehr langen Wartezeiten für Aufnahmen oder aber zu Überbelegung von Stationen im Fall von akuten Aufnahmen, sodass Patienten teilweise auf dem Gang untergebracht werden müssen. Eine Auslagerung von Therapieplätzen auf Stationen in allgemeinen Krankenhäusern wirkt solchen Misständen entgegen. Desweiteren ist es von Vorteil, wenn Menschen mit psychischen Erkrankungen vermehrt in denselben Einrichtungen behandelt werden, wie Patienten mit körperlichen Erkrankungen, da dies dazu beiträgt, das Stigma, das psychischen ErkrankungenKrankheiten und davon Betroffenen anhaftet, abzubauen. Denn gerade große spezialisierte psychiatrische Fachkrankenhäuser tragen dazu bei, bei der Bevölkerung ein negatives Bild von der Psychiatrie und den Patienten dieser Institutionen zu erzeugen, da es so wirkt, als wären die Patienten dort "weggesperrt". Zudem profitieren auch die restlichen Stationen von allgemeinen Krankenhäusern von einer psychiatrischen Abteilung, da sie dadurch viel einfacher und schneller auf Konsiliarleistungen der Psychiater zurückgreifen können. Auch bei den psychiatrischen Patienten können so körperliche Beschwerden durch die räumliche Nähe zu Stationen und Ambulanzen anderer Fachbereiche viel leichter abgeklärt werden. Der Weltgesundheitsbericht der WHO von 2001 stellt deutlich Vorteile der gemeindenahen psychiatrischen Versorgung dar und fordert Staaten dazu auf, den Schwerpunkt von großen Fachkliniken hin zu wohnortnahen Angeboten zu verlagern.

Zu Mehr Psychiatrische Institutsambulanzen
Unter einer Institutsambulanz versteht man ein multiprofessionelles ambulantes Behandlungsangebot psychiatrischer Fachkrankenhäuser und psychiatrischer Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern, welche gemäß § 118 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ermächtigt sind. Es handelt sich um ambulante Krankenhausleistungen. Auch Universitätskliniken und Kliniken für Kinder- und Jugendpsychiatrie können dieses Angebot machen. Seit dem Jahr 2000 werden nicht nur psychiatrische Fachkliniken, sondern auch psychiatrische Abteilungen an Allgemeinkrankenhäusern ermächtigt. Die Vergütung erfolgt außerhalb der vertragsärztlichen Gesamtvergütung direkt durch die Kassen. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Bundesländern. Versorgungsschwerpunkte sind die Behandlung schwer und chronisch Kranker im Rahmen der Nachsorge, aber auch Notfallpsychiatrie. Ziel ist die Vermeidung oder Verkürzung stationärer Behandlung, aber auch die Sicherstellung einer Behandlung für Patienten, die von den Angeboten niedergelassener Ärzte nicht oder nicht ausreichend erreicht werden. Das Versorgungskonzept stellt praktisch eine integrierte Versorgungsform dar, ist aber nicht auf bestimmte Diagnosen festgelegt oder beschränkt. Quelle:Wikipedia PIA sollen Betroffenen ortsnahe ambulante Behandlungsmöglichkeiten bieten, wenn stationäre oder teilstationäre Aufnahmen medizinisch nicht notwendig sind, aber sonstige ambulante psychotherapeutische Behandlungsangebote nicht ausreichen. Desweiteren sollen PIA eine Vermittlerfunktion erfüllen, indem sie als erste Anlaufstelle dienen können, in dem sie Betroffenen bei Bedarf an stationäre, teilstationäre oder zusätzliche ambulante (Selbsthilfegruppen, Sozialarbeiter usw.) Angebote weiterverweisen, Angebote für Angehörige organisieren und die Nachsorge nach einem stationären Aufenthalt übernehmen. Eine (teil-)stationäre Therapie (z.B. Tagesklinik) ist von vielen Betroffenen nicht erwünscht und auch bei weitem nicht in allen Fällen notwendig. Das ambulante Therapieangebot von niedergelassenen Psychotherapeuten und Psychiatern beschränkt sich meistens jedoch auf Einzelpsychotherapie mit wöchentlichen Terminen. Manche Betroffene profitieren aber, vor allem in der Initialphase der Therapie, viel stärker von häufigeren Terminen und auch zusätzlichen Therapieangeboten, wie Gruppen- und Ergotherapie. Niedergelassene Therapeuten haben nicht die Kapazitäten, dies anzubieten. Zudem ermöglichen PIA auch eine bessere Vernetzung des stationären und des ambulanten Bereichs, was sowohl den Betroffenen als auch den Behandelnden zugute kommt.

Zu Bausteine der komplementären Versorgung
Die soziale Inklusion von Menschen mit psychischen Störungen stellt sich nur her, wenn in den einzelnen Gemeinden auch die entsprechenden Strukturen vorliegen. Nicht nur die Institutionen der traditionellen Psychiatrie standen und stehen dem oft entgegen.

  • Im Zuge einer „Enthospitalisierung“ in den frühen 80er Jahren wurden Langzeitpatienten aus den Kliniken in entfernt liegende „Heime“ verbracht, in denen sie genauso ausgegrenzt waren wie zuvor auf den Langzeitstationen der Psychiatrie. In normalen Wohnungen inmitten ihrer Heimatstädte leben zu können, ist für die Betroffenen eine grundlegende Voraussetzung der sozialen Inklusion.
  • Werkstätten für Behinderte (WfBs) sind nahezu immer auf körperlich oder geistig Behinderte ausgerichtet oder schließen gelegentlich psychisch Behinderte bereits in ihren Statuten aus. Das hat im Umfeld von sozialpsychiatrisch orientierten Kliniken oft dazu geführt, das Zuverdienstfirmen entstanden, in denen die Betroffenen je nach Arbeitsfähigkeit und individuellem Bedarf arbeiten konnten – von wenigen Stunden bis zur Vollzeit. Dadurch wurde nicht nur ihre finanzielle Situation verbessert, sondern ebenso ihr Selbstwertgefühl und ihre Tagesstrukturierung.
  • Freizeitangebote und Begegnungsstätten verhindern auf mehrfache Weise die soziale Ausgrenzung. Neben den Effekten für die Betroffenen (Freizeitgestaltung bis hin zu gemeinsamen Ausflügen und Urlauben, Austausch mit anderen Betroffenen etc.) sorgen sie auch durch die „Normalität“ der Begegnungen mit „Normalen“ auch für eine Senkung der Hemmschwelle von Nicht-Betroffenen.
  • Die größten Entdeckungen in der Psychiatrie des 20. Jahrhunderts waren zu Beginn der 50er Jahre die Entwicklung von Neuroleptika (1953 Megaphen®) und in den 80er Jahren die (sensationelle) Entdeckung, dass Menschen mit psychischen Störungen auch Angehörige haben. So ist die Familie nach wie vor die größte Versorgungsinstitution zur Betreuung demenzkranker Menschen. Zu ihrer Entlastung haben sich vor allem die Tagesstätten für ältere Menschen hervorragend bewährt.

Zu Bundesweite Notrufnummer
Menschen in psychischen Krisen brauchen unverzüglich, unbürokratisch und professionell Hilfe. Diese Soforthilfe steht daher rund um die Uhr als Not- und Krisendienst zur Verfügung. Diese Krisen sind große seelische Belastungen und bedeuten immer eine schwere, ausweglos erscheinende Zuspitzung im Erleben der Betroffenen. Eine akute seelische Notsituation kann auch bei familiären Konflikten, bei gewalttätigem Verhalten, extrem belastenden Erlebnissen sowie plötzlichem Partnerverlust entstehen. Die Betroffenen erleben dabei oft Gefühle tiefer Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, verbunden mit Anspannungen, Ängsten und dem Gefühl starker Bedrohung. In dieser Situation fällt es oft besonders schwer, professionelle Hilfe anzunehmen. Auch in Israel gibt es bereits mit diesem Konzept gute Erfahrungen. Wie auch folgende Studie belegt:Psychiatry. 2007 Spring;70(1):12-8.Emotional first aid for a suicide crisis: comparison between Telephonic hotline and internet.Gilat I, Shahar G.Israeli Association for Emotional First Aid (ERAN), Risk/Resilience Laboratory of Ben-Gurion University of the Negev, Beer-Sheva, Israel. gilati@netvision.net.il

Auf dem BPT in Bochum wird dieser Antrag voraussichtlich durch Xenia Wagner und Friedhelm Tropberger vorgestellt.

Diskussion

  • Vorangegangene Diskussion zur Antragsentwicklung: {{{diskussionVorher}}}
  • [{{{antragsdiskussion}}} Pro-/Contra-Diskussion zum eingereichten Antrag]


Konkurrenzanträge