AG Nichtraucherschutz/Tabakrichtlinie COM(2012) 788

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Bundesarbeitsgemeinschaft Nichtraucherschutz

Dieses Dokument und alle Seitenverweise bezieht sich auf den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen vom 20.12.2012 (TPD2).

Inhaltliche Stellungnahme mit Blick auf den Nichtraucherschutz

Neuartige "Tabakprodukte"

In der TPD2 wird festgelegt, dass auch neuartige nikotinhaltige Produkte ausnahmslos der TPD2 unterstellt werden. (S. 2) Sie geht sogar so weit zu fordern, dass "mittels delegierter Rechtsakte neuen Entwicklungen durch weitere Vorgaben begegnet werden" können soll (S.6). Dies stellt unserer Ansicht nach einen Vorgriff für Beschränkungen einer Vielzahl von zukünftigen innovativen Entwicklungen dar. Damit wird verhindert, dass Produkte, die dem Nichtraucherschutz förderlich sind, überhaupt entwickelt werden. Darüber hinaus wird dem ausstiegwilligen Raucher eine leicht und frei zugängliche Reduktionsmöglichkeit entzogen, seinen Tabakkonsum zu reduzieren oder ganz einzustellen.

Die AG Nichtraucherschutz hält die TPD2 auch für einen Eingriff in die unternehmerische Freiheit im Handel mit legalen Produkten, was piratigen Prinzipien widerspricht.

Rauchlose Tabakerzeugnisse

Die TPD2 fordert, dass rauchfreie, nikotinhaltige Erzeugnisse, die einen Nikotingehalt von 2 mg oder eine Nikotinkonzentration vom 4 mg/ml (oder Plasma 4 ng/ml) überschreiten, nur noch als zugelassenes Arzneimittel in Verkehr gegracht werden dürfen. (S. 10). Dies bedeutet ein de-facto-Verbot von nikotinhaltigen E-Zigaretten-Liquids bedeuten. verkehrsübliche Liquids beginnen bei 6 mg/ml (abgesehen von nikotinfreien Nuller-Liquids).

Die AG Nichtraucherschutz vertritt die Auffassung, dass eine solche Regelung nicht Bestandteil einer Tabakproduktrichtlinie sein kann, sondern in den Bereich des Verbraucherschutzes und gegebenenfalls Arzneimittelrechtes fällt.

Durch die angestrebte Einstufung als Arzneimittel steht zu befürchten, dass sich nicht nur der Preis, sondern auch die Hemmschwelle zur Benutzung durch ausstiegswillige Raucher anheben wird und viele E-Zigaretten-Dampfer wieder zu Zigarettenrauchern werden.

Die Einstufung von E-Zigaretten-Liquids als Arzneimittel steht damit einem wirksamen Nichtraucherschutz entgegen.

Rückverfolgung und Überwachung

Die geplante Rückverfolgbarkeit von Tabakerzeugnissen und die damit verbundene Datenspeicherung auch personenbezogener Daten, sowie die vorgesehene ständige Zugriffsmöglichkeit von Mitgliedsstaaten und der EU-Kommission (S. 8) stellt definitiv keine Verbesserung des Nichtraucherschutzes dar.

Stattdessen birgt sie die Gefahr, künftig auch den Endverbraucher einzubeziehen und schafft somit die Voraussetzungen für einen weiteren Schritt in Richtung Überwachungsstaat.

Verpackung

In der TPD2 (S. 6, 7, 35 und 38) wird Form, Größe und Mindestinhalt von Zigarettenpackungen und Verpackung von Drehtabak genau festgelegt, wobei Warnhinweise und abschreckende Bilder 75% der Vorder- und Rückseite der Packung einnehmen sollen. Hier sieht die AG Nichtraucherschutz keinerlei Verbesserungen für den Nichtraucherschutz. Es gibt Hinweise, dass die abschreckenden Bilder ihre Wirkung verfehlen werden. Siehe dazu:

Wie die Erfahrung zeigt, beschäftigen sich Kinder gerne mit sammel- und tauschbaren Bildern. Die geplanten Warnbilder auf den Zigarettenschachteln - noch dazu in dieser Größe - erfüllen diese Voraussetzung. Das Sammeln von Zigarettenbildern und Einkleben in speziell dafür von der Tabakindustrie zur Verfügung gestellten Sammelalben, die natürlich geeignet waren, auch andere Inhalte zu transportieren, ist bereits aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bekannt und war derzeit beliebt und weit verbreitet. Auf diese Weise könnten selbst Kinder nun schon sehr früh in Kontakt mit Tabakprodukten geraten, sogar dann, wenn in der eigenen Familie das Rauchen abgelehnt wird. Dies gilt es unserer Meinung nach zu verhindern. Darüber hinaus birgt die frühzeitige Beschäftigung der Kinder mit solch schockierenden, bildhaften Inhalten - die sogar geeignet sein sollen, Erwachsene vom Rauchen abzuhalten - nicht nur die Gefahr einer Verrohung und gefühlsmäßigen Abstumpfung, sondern eröffnet in Einzelfällen auch die Gefahr sozialer und/oder psychischer Fehlentwicklungen.

Weitere Auffälligkeiten

Außerhalb der Betrachtung der TPD2 unter dem Aspekt des Nichtraucherschutzes sind uns als Piraten folgende weitere Punkte aufgefallen:

Auswirkungen auf den Haushalt

Auf S. 14 der TPD2 werden die Auswirkungen auf den Haushalt aufgelistet. Hier ist zu erkennen, dass allein zur Verwaltung, Weiterentwicklung, Durchführung, für den Aufbau eines Netzes, sowie zur Erörterung der Durchführung dieser Regelungen und der damit in Verbindung stehenden Meldeinfrastruktur und Datenbanken nicht unerhebliche Kosten bereits angefallen sind und noch zunehmend anfallen werden. Desweiteren werden Kosten für Veranstaltungen/Sitzungen, für die Weiterentwicklung eines EU-weiten elektronischen Formats (z. B. Meldung von Inhaltsstoffen), für die Koordinierung neuer Testpanels, für die Aktualisierung und Erprobung von Warnhinweisen und für die Mitwirkung an internationaler Zusammenarbeit anfallen, aufgelistet.

Die AG Nichtraucherschutz stellt in Frage, ob wir uns in der aktuell angespannten Finanzsituation einen solchen zusätzlichen Kostenapparat leisten wollen/können. Alternativ könnten diese Aufgaben auch durch die EU-Staaten auf hohem Niveau eigenverantworlich durchführen, was die Kosten gering halten könnte.

Schmuggel und Produktfälschungen

Die EU-Kommission sieht bereits heute ein "erhebliches Problem" im "Verkauf von geschmuggelten oder gefälschten, nicht richtlinienkonformen Erzeugnissen" (S. 9). Aus unserer Sicht besteht die Gefahr, dass die TPD2 selbst geeignet ist, diese Prozesse voranzutreiben. Es ist wohl unstreitig, dass die immensen Einschränkungen z.B. zu den Aroma-/Inhaltstoffen von Tabakwaren oder der Nikotinkonzentration in Liquids zu Entwicklung und Unterhaltung eines nicht unbedeutenden Schwarzmarktes führen wird, ähnlich jenem, den wir schon jetzt in Folge unterschiedlicher Besteuerung von Tabakwaren beobachten können. Dieser realisiert sich durch Schmuggel und Produktfälschungen.

Bevormundung der Konsumenten

Die AG hält es für bedenklich, dass die TPD2 sich bedingungslos der WHO-Vorgaben zur kontinuierlichen Eindämmung des Tabakgebrauchs verschreibt (17-19). Die daraus sich ergebenden Regelungen halten wir für eine unverhältnismäßige Bevormundung. Dazu zählt auch das in der TPD2 (S. 3) verfolgte "übergeordnete Ziel", durch Tabakverbote das "Wohlergehen ihrer Völker" zu bestimmen. Dabei wird die Individualität zu Gunsten einer uniformen Gesellschaft geopfert.

Als Piraten wehren wir uns gegen derlei tiefgreifende Eingriffe in die individuelle Lebensgestaltung.

Aromagebende Zusätze

Das Verbot von rein aromagebenden Zusätzen ohne die Betrachtung von gesundheitsrelevanten Aspekten (S. 6 und 18) halten wir für nicht zielführend.

Das den Verbraucher bevormundende Verbot von aromagebenden Zusätzen wird mit der Vermutung begründet, dass in vielen Ländern der Absatz von mentholhaltigen Produkten an junge Menschen zunahm, während die Prävalenz des Rauchens insgesamt zurückging. (S. 18). Diese Aussage lässt jedoch keinen Rückschluss darauf zu, dass es junge Menschen waren, die verstärkt Mentholzigaretten konsumierten. Somit wird eine einfache, nicht evidenzbasierte Mutmaßung zur Begründung für einen ungerechtfertigten Eingriff in die Lebensweise von Bürgern und die unternehmerische Freiheit der Hersteller.

Randbemerkungen

Auf S. 3 der TPD2 ist zu lesen: "Allen Rauchern sollen [...] auch künftig bestimmte, in der TPD2 enthaltene Richtlinien zugute kommen (gesundheitsbezogene Warnhinweise und Regelung der Inhaltsstoffe)."

Das Gegenteil ist zu erwarten. Dadurch, dass die TPD2 mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Steigerung des Zigarettenschmuggels und damit auch von Fälschungen zur Folge hat, ist zu erwarten, dass die Raucher mehr minderwertige Produkte in die Hände bekommen werden als bisher. Das hat die Alkoholprohibition in den USA bewiesen.

Was die Warnhinweise auf den Packungen in diesem Zusammenhang betrifft, dürften diese den Rauchern auch in keiner Weise zugute kommen. Abgesehen von deren Unwirksamkeit bei Rauchern (s.o. unter "Verpackung") kann auch ein Nocebo-Effekt nicht ausgeschlossen werden. D.h. die unbewusste Suggestion durch den ständigen Anblick der Bilder von Krankheiten fördert die Entstehung eben dieser Krankheiten.

Schlußbemerkung

Zusammengefasst hält die AG Nichtraucherschutz den EU-Vorschlag für eine TPD2 für nicht dienlich im Sinne des Nichtraucherschutzes.

  • Durch die TPD2 werden neuartige Entwicklungen, die dem Schutz des Nichtrauchers vor Passivrauch dienen können, behindert bzw. verhindert.
  • Der Zugang zu rauchlosen und damit auch passivrauchfreien Alternativprodukten wird erschwert und vermutlich verteuert.
  • Die umfassende Rückverfolgbarkeit von Konsumprodukten ist im Zusammenhang mit einer umfassenden Datenbank ein weiterer Schritt in Richtung gläserner Bürger.
  • Die Wirksamkeit der Verpackungsvorschriften muss bezweifelt werden.
Infos
Logo der AG Nichtraucherschutz



Tango-text-x-generic with pencil.svg Dieser Artikel ist keine offizielle Aussage der Piratenpartei Deutschland, sondern hier findet/fand eine offene Diskussion des Themas statt.

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