AG Marktwirtschaft neu denken/PG Nachfragetheoretische Grundlagenforschung

Aus Piratenwiki
Wechseln zu: Navigation, Suche
 

Nachfragetheoretische Grundlagenforschung



      Man sollte nie dem Glauben verfallen, eine kleine Gruppe engagierter, ideenreicher Leute könnte die Welt nicht ändern. Tatsächlich wurde sie nie durch etwas anderes verändert.
Margaret Mead, amerikanische Soziologin


      Die Projektgruppe hat sich vorgenommen, Lösungsvorschläge auszuarbeiten und vorzulegen, die direkt oder indirekt mit dem Nachfrageproblem der Marktwirtschaft zu tun haben. In gewisser Weise wollen wir also zur Lehre Keynes zurückkehren, aber auf paradigmatisch neuen Grundlagen und vor allem mit neuen praktisch tauglichen Ideen. Es sollte sich also um Lösungen handeln, die sich der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik zuordnen lassen, und zwar im weitesten Sinne des Wortes. Somit sind alle, die einen leidenschaftlichen theoretischen Gedankenaustausch - eventuell auch mit kontroversen Diskussionen - schätzen, herzlich willkommen.

 

      Welche Tatsachen sollen erklärt werden?

 

      Ein Paradigmenwechsel in der Wissenschaft findet immer aus dem selben Grund statt: um empirische Tatsachen besser erklären zu können. Auch ein neues Paradigma in der Wirtschaftswissenschaft muss zur Klärung der Tatsachen führen, die im analytischen Rahmen der vorausgegangenen, also in der heute herrschenden angebotsorientierten Theorie unerklärbar geblieben sind. Das hier vorgeschlagene nachfrageorientierte Paradigma wird vor allem zwei bisher unerklärbare Tatsachenbereiche erklären:

1: Die ökonomische Freiheit führt nicht zu mehr Konkurrenz, also zu einem sogenannten perfekten Markt, wie es die Neoliberalen behaupten und beschwören, im Gegenteil. Gerade wenn man der Wirtschaft zu viele Freiheiten gewährt, bilden sich private Monopole, welche ihre Beschäftigten, ihre Kunden und die Natur rücksichtslos ausbeuten, zugunsten der Bereicherung einer kleinen Minderheit. Diese Minderheit reißt so viel Macht an sich, dass sie den Rechtsstaat zur Legitimation und Legalisierung ihrer kriminellen Machenschaften instrumentalisiert und die Demokratie zur reinen Folklore degradiert. Eine solche „marktkonforme“ Demokratie ist nichts anderes als eine Herrschaft der Reichen: eine Plutokratie. Eine „freiheitliche Ordnung“ gibt es nicht, sie ist nichts anderes als eine ideologisch getarnte hierarchische gesteuerte Ordnung - ihre Alternative ist die geregelte Ordnung.

2: Die freie (laissez-faire) Marktwirtschaft ist in sich nicht stabil - sie funktioniert nicht nachhaltig. Eine sich selbst überlassene (Markt-)Wirtschaft kann immer nur eine Zeit lang problemlos wachsen. Wenn sie wächst, steigert sie zugleich ihre Produktivität, und zwar so erfolgreich, wie es keiner anderen ökonomischen Ordnung bisher je gelungen ist. Gerade das ist ihr großer komparativer Vorteil. Hört aber das Wachstum auf, aus welchen Gründen auch immer, bricht die Marktwirtschaft zusammen. Man kann sie mit dem Fahrrad fahren vergleichen: Tritt man nicht mehr in die Pedale, fällt man um. Dieses Problem der freien Marktwirtschaft war schon den klassischen Ökonomen zu Beginn des 19. Jahrhunderts bekannt und wurde unter den Bezeichnungen Wirtschaftskrisen und ökonomische Zyklen untersucht.

      Solche Krisen beginnen immer mit Absatzproblemen bei einem kleinen Teil der Unternehmen. Weil durch den sinkenden Absatz den Unternehmen Einnahmen wegbrechen, werden sie zahlungsunfähig, so dass sie ihre Einkäufe folgerichtig herunterfahren. Der Ausfall dieser Nachfrage hindert dann weitere Unternehmen daran, ihre Güter abzusetzen, sie bekommen die gleichen Probleme und so breitet sich der Nachfragemangel als Dominoeffekt immer weiter aus. Irgendwann stellt (fast) jedes Unternehmen fest, dass es sich vorgenommen hat, mehr zu produzieren, als seine Kunden kaufen wollen bzw. können. Der Markt ist gesättigt, so dass allgemeine Überproduktion („general glut“) eine durchaus treffende Bezeichnung dieser Marktlage ist. Wenn man das Fehlen der Käufer hervorheben will, lässt sich diese Lage als allgemeiner Nachfragemangel bezeichnen. Ob nun Überproduktion oder Nachfragemangel, beides sind Beschreibungen von ein und derselben Tatsache, aber aus zwei verschiedenen Blinkwinkeln. Wegen der Absatzprobleme können die Unternehmen ihre Kredite bei den Banken nicht tilgen, so dass auch die Banken Pleite gehen - das hatten wir im Herbst 2008. Der Zusammenbruch der Banken und Börsen ist immer das erste sichtbare Symptom der Krise, aber nicht ihre Ursache.

   
Die theoretische Erklärung
der zyklischen Krisen  


 
   
   
   

 

      Wie erklärt man den Nachfragemangel?

 

      Ist der Nachfragemangel aber wirklich die Ursache der Wirtschaftskrisen? Dies scheint offenbar so zu sein. Es hat sich aber auch gezeigt, dass manch andere Faktoren als Ursache für die Wirtschaftskrisen in Frage kämen. Außerdem hat es sich als äußerst schwierig erwiesen, den allgemeinen Nachfragmangel zu beweisen. Mit dem sogenannten Sayschen Gesetz der Absatzwege (1803) wurde sogar das Gegenteil „bewiesen“, nämlich die Unmöglichkeit des allgemeinen Nachfragemangels. Mit diesem „Beweis“ ist es der Angebotstheorie gelungen, zwei Jahrhunderte fast ununterbrochen die Wirtschaftswissenschaft zu dominieren.

      Am Anfang des 19. Jahrhunderts haben die ersten Gegner des Sayschen Gesetzes den Nachfragemangel durch Geldhortung erklärt. Erwähnen wir zwei dieser klassischen Nachfragetheoretiker: Simonde de Sismondi und Thomas Malthus. Auch ein Jahrhundert später hat Keynes immer noch den Nachfragemangel vornehmlich mit der Geldhortung erklärt. Da es um Geld ging, können wir von monetärer Nachfragetheorie und monetärem Nachfragemangel sprechen. Nach der Großen Depression und dem Zweiten Weltkrieg siegte die Nachfragetheorie über die Angebotstheorie und sie wurde zum ersten Mal zum Mainstream in der Wirtschaftswissenschaft. Warum sie dann nach nur drei Jahrzehnten - die man auch noch als das Goldene Zeitalter des Kapitalismus bezeichnete - durch die schon als totgesagt erklärte Angebotstheorie verdrängt wurde, hat mehrere Gründe. Einer von ihnen ist die analytische Schwäche der monetären Nachfragetheorie sowie ihre schwache empirische Unterstützung. Die Erklärung des Nachfragemangels benötigt also einen völlig anderen analytischen Denkansatz.

      Unserer neuen Erklärung des Nachfragemangels liegt eine kreislauftheoretische Analyse bzw. ein aus ihr abgeleitetes neues Kreislaufmodell zugrunde, das als Kreislaufmodell 3.0 bezeichnet werden kann. Es ist ein mikroökonomisch fundiertes Totalmodell der Marktwirtschaft, eine Alternative zum angebotstheoretischen Modell des allgemeinen Gleichgewichts. Im Rahmen dieses neu konzipierten Kreislaufmodells ist es möglich zu beweisen, dass das (aggregierte) Einkommen der Wirtschaftsakteure nicht immer groß genug sein muss, um die von den Unternehmen bereits produzierten bzw. angebotenen Güter zu kaufen. Bei dieser Erklärung des Nachfragemangels geht es nicht um Geld, sie lässt sich also nicht als monetär bezeichnen. Der Gegenpart zu monetär in der ökonomischen Sprache heißt real, so dass wir von einem realen Nachfragemangel sprechen können. Folglich lässt sich die aus der Kreislaufanalyse bzw. dem Kreislaufmodell 3.0 abgeleitete Theorie über die Funktionsweise der Marktwirtschaft als reale Nachfragetheorie bezeichnen.

      Fügen wir noch hinzu, dass die monetäre und die reale Erklärung des Nachfragemangels, auch wenn sie sich sehr unterscheiden, in keinem logischen Widerspruch zueinander stehen: Sie sind sozusagen kompatibel. Deshalb bleibt die PG Nachfragetheoretische Grundlagenforschung für alle offen, die den Nachfragemangel als grundsätzliches Problem der Marktwirtschaft ansehen und an Lösungen für seine Vermeidung und Behebung mitarbeiten wollen.

   
kommt noch  
   

 

      Was kann man nun konkret tun?

 

      Die von unserer Projektgruppeausgearbeiteten nachfrageorientierten Lösungsvorschläge sollen zugleich praxisbezogen sein, denn sie sollen der konkreten Gestaltung der Politik der Piratenpartei dienen. Vorerst wird an folgenden zwei gearbeitet:

• Volkswirtschaftliche Regelung der Arbeitszeit

Die Erfahrung lehrt uns, dass es nicht möglich sein wird, die konjunkturellen Schwankungen in der Marktwirtschaft vollständig zu beseitigen. Es wäre schon viel damit getan, wenn wir Arbeitsplätze besser sichern, damit Massenentlassungen und Massenarbeitslosigkeit verhindert werden. Die Sicherung der Arbeitsplätze darf aber Unternehmen keine besonderen Kosten aufbürden und auch ihre Gestaltungsmöglichkeiten nicht zu stark einschränken. Bei der makroökonomischen Maßnahme, die Länge der monatlichen und jährlichen Arbeitszeit für die ganze Volkswirtschaft fortdauernd den ökonomischen Umständen anzupassen, wird dies nicht der Fall sein. Fügen wir noch hinzu, dass diese Anpassung nicht bedeutet, dass die Regierung eigenmächtig und diskretionär (ad hoc) über die Arbeitszeit entscheiden sollte. Diese kann nur von einer völlig transparenten und automatisch wirkenden Regelung bestimmt werden. Die Aufgabe der demokratisch legitimierten Regierung soll sich darauf beschränken, eine gut funktionierende Regelung zu entwerfen.

• Demokratische Geldschöpfung und Geldmengenregelung

Da der freien Marktwirtschaft die Nachfrage fehlen kann - so wie einer schlecht funktionierende Maschine Öl fehlen kann, das ständig nachgefüllt werden muss -, soll der Nachfragemangel vom zusätzlich geschöpften Geld kompensiert werden. Wie viel Geld geschöpft werden soll, soll die Regierung auch nicht eigenmächtig und diskretionär (ad hoc) entscheiden, sondern durch die - ebenfalls von ihr entworfenen - Regelung bestimmt werden.

   
   
Volkswirtschaftliche Regelung  
der Arbeitszeit  
   
Demokratische Geldschöpfung
und Geldmengenregelung
 
 
   

 

      Mach mit!

 

      Zu diesen Lösungsvorschlägen können weitere hinzukommen - das soll dem Einfallsreichtum und Arbeitseifer der Mitglieder der Projektgruppe überlassen werden. In ihrer Wirkung sollen sie letztendlich - um der Ausrichtung der Projektgruppe zu entsprechen - direkt oder indirekt für eine Verbesserung der Nachfrage sorgen. Andere Probleme der Wirtschaft können entsprechend in anderen Projektgruppen bearbeitet werden. Die AG Marktwirtschaft neu denken fügt am Ende alle Ergebnisse aus den Projektgruppen zu einem Gesamtbild zusammen, formuliert sie aus, um sie nach dem Liquid-Feedback-Verfahren den anderen Parteimitgliedern vorzustellen, damit diese schließlich über sie abstimmen können. Das ist unser Ziel.