AG Geldordnung und Finanzpolitik/Wie werden Staatsanleihen bewertet

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Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Einleitung

Oft liest oder hört man in der Presse, dass die EZB interveniert, um die Zinssätze für Staatsanleihen niedrig zu halten.

Das könnte man nun so verstehen, dass ein Staat bspw. eine Staatsanleihe mit einem Nominalwert von 100 herausgibt und nun verschiedene Banken u.a. die EZB dafür einen Zinssatz anbieten, zu dem sie bereit sind, die Staatsanleihe zu kaufen; logischweise verkauft der Staat sie dann an denjenigen Bieter, der den geringsten Zins verlangt. Unterbietet die EZB die Geschäftsbanken, dann sorgt sie dafür, dass sich der Staat billiger finanzieren kann.

So weit, so falsch!

Tatsächlich ist dies eine geschickte Medienmanipulation, um die wahren Vorgänge zu verschleiern.

Die Anleihe

Die Auktion

In Wirklichkeit nimmt die Zentralbank an der Auktion gar nicht teil - sie darf es schlicht nicht.

Der EZB ist es untersagt, Staatsanleihen direkt anzukaufen; sie kann im Nachgang zur Auktion nur noch Staatsanleihen am Sekundärmarkt aufkaufen, was allerdings nur noch reine Kurskosmetik ist, für den Staat ist das Kind zu diesem Zeitpunkt schon in den Brunnen gefallen.

Die Bewertung

Weiterhin bieten die Geschäftsbanken keine Zinssätze an, sondern der Zins steht in Form des Koupons fest und die Geschäftsbanken bieten Kaufpreise für die Staatsanleihe an; der Staat verkauft dann an diejenigen Bieter, die den höchsten Preis geboten haben. Im Ergebnis ist es das selbe als würden die Banken Zinssätze anbieten; der Grund, warum es über den Preis der Anleihe läuft, ist historisch begründet.

Der Koupon

In früheren Zeiten wurde eine Anleihe tatsächlich in Form eines Papiers verkauft, auf dem ein nominaler Wert, bspw. 100, unveränderlich aufgedruckt war. Auf diesem Papier waren auch Abschnitt ebenso unveränderlich aufgedruckt, die anzeigten, wieviel Geld man an den jeweiligen Stichtagen verlangen durfte, bspw. 10 Abschnitte mit einem Wert von 5 - diese Abschnitte hießen Coupons.

Anleihe.jpg

Das ganze funktionierte so:

  1. Man kaufte die Anleihe bei seiner Geschäftsbank (oder dem jeweiligen Vorbesitzer)
  2. An den Stichtagen schnitt man einen Koupon ab und reichte ihn bei der Geschäftsbank (oder dem Emittenten) ein und bekam den entsprechenden Betrag ausgezahlt
  3. Zum Ende der Laufzeit reichte man die Anleihe ein und bekam den Nominalwert ausgezahlt

Alle Auszahlungsbeträge waren also festgelegt, die Bewertung konnte also lediglich über den Kaufpreis des Papiers erfolgen. Logischerweise orientierte sich der Preis im wesentlichen an der Bonität des Emittenten, denn diese war dafür entscheidend, ob man sein Geld ganz oder anteilig wiederbekam. Je höher die Bonität, desto höher der Preis des Papiers - oder umgekehrt, desto niedriger die effektive Verzinsung.

Ein Beispiel

Um das Prinzip zu verdeutlichen, will ich mich auf ein ganz einfaches Beispiel beschränken:

Ein Staat begibt eine Anleihe mit einem Nominalwert von 100 und einem Koupon von 5 bei einer Laufzeit von einem Jahr.

Kauft jemand die Staatsanleihe zu 100 liegt der effektive Zinssatz offensichtlich bei 5%, da der Käufer zum Zeitpunkt des Kaufes 100 zahlt und nach einem Jahr 105 zurückerhält.

Je nach Attraktivität der Staatsanleihe (absolut, aber auch im Vergleich zu anderen angebotenen Anleihen) kann der Marktpreis der Anleihe aber durchaus auch höher oder niedriger sein als der Nominalwert (und ist er im Allgemeinen auch). Kauft jemand die Anleihe bspw. zu 103, dann liegt der effektive Zins also bei 105:103= 1,0194 also 1,94%, zahlt der Käufer hingegen nur 97, dann liegt der effektive Zins nur bei 105:97=1,082 also 8,2%.

Je attraktiver also eine Anleihe ist, desto höher ist ihr Preis, desto weniger Anleihen müssen verkauft werden, um eine bestimmte Summe zu erzielen und desto niedriger sind die effektiven Zinsen.

Stützungskäufe

Nun legt die Presse also nahe, dass die Zentralbank durch "Stützungskäufe" den Staaten etwas Gutes tut, denn sie hebt den Preis der Staatsanleihe und verhilft den Staaten so zu einer günstigeren Finanzierung.

Dies wäre aber nur richtig, wenn die Zentralbank direkt am Primärmarkt intervenieren würde - sprich die Anleihen direkt von Staat kaufen würde - und so in direkte Konkurrenz zu den Geschäftsbanken treten würde, tatsächlich passiert nichts dergleichen.

Was wirklich passiert ist folgendes:

  1. Ein Staat begibt eine Anleihe mit einem Nominalwert von 100 und einem Koupon von 5
  2. Eine Geschäftsbank kauft diese Anleihe zu 97, also mit einem effektiven Zinssatz von 8,2%
  3. Die Zentralbank kauft der Geschäftsbank die Anleihe zu 103 ab, so dass sich "am Markt" ein Zinssatz von 1,94% einstellt.
  4. Jubelmeldung in der Presse: Zinsen sinken wieder!

Effekt:

  1. Der Staat hat von dieser Intervention überhaupt nichts, denn er muss nach wie vor einen Zins von 8,2% bedienen
  2. Die Geschäftsbank hat ad hoc einen Gewinn von 103-97= 6 realisiert (6,2% an einem Tag ohne Risiko)
  3. "Der Markt" (andere Anleger) zahlt drauf, denn natürlich werden die Geschäftsbanken die Staatsanleihen nicht unter dem Preis weiterverkaufen, den die EZB bietet.

FAZIT

Auch hier handelt es sich (mal wieder) um eine Subventionierung der Geschäftsbanken zu Lasten der Staaten und der Öffentlichkeit - und um nichts anderes.