AG Geldordnung und Finanzpolitik/Geldschöpfung durch Nichtbanken

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Vorbemerkung Vorbemerkung:
Dies ist eine Meinung, die derzeit von dem Mitglied Patrik vertreten wird und spiegelt nur die Meinung einiger Mitglieder der Piratenpartei oder der AG Geldordnung und Finanzpolitik wider. Wer Anmerkungen/Fragen hat schreibt diese bitte auf die Diskussionsseite zu diesem Artikel.


Einleitung

Die nachfolgende These ist etwas provokant, weil sie über das gängige Konzept der Geldschöpfung hinausgeht.

Während des Grillfestes zum Thema "Was ist Geld?" wurde festgestellt, dass bei hinreichend effizienten Finanzmärkten jede Forderung auf Geld auch Geld ist.

Auf dieser Grundlage will ich darstellen, dass bereits heute die großen Unternehmen nicht mehr notwendigerweise auf Geschäftsbankengeld (Giralgeld) angewiesen sind bzw. einen Teil ihres Liquiditätsbedarfes durch gegenseitige Kredite selbst decken können.

Es handelt sich also ebenfalls um eine Form der Buchgeldschöpfung.

Industrie-Clearing

Ausgangspunkt dieser Betrachtung ist das sog. Industrie-Clearing:

„Bezeichnung für kurzfristige Geldgeschäfte zwischen Nichtbanken zum Zweck eines Liquiditätsausgleichs. Hierbei handelt es sich ausschließlich um kurzfristige Geldgeschäfte ohne die Koppelung an ein leistungswirtschaftliches Grundgeschäft. Beim Industrie-Clearing handelt es sich also um einen Geldmarkt unter Bankkunden unter Ausschaltung der Banken (Hahn). Ursache für seine Entstehung war die Absicht, durch direkte Kreditgeschäfte die Geschäftsbanken auszuschalten und Ertrags- bzw. Kostenvorteile zu erwirtschaften. Daneben gewinnen andere Motive, wie internationale Zinsarbitragegeschäfte, Finanz-Hedging etc. immer stärker an Bedeutung. Partner im Industrie-Clearing sind nur Unternehmen erster Bonität. Industrie-Clearing wird i. d. R. in folgenden Formen abgewickelt: Tagesgeld, tägliches Geld, Termingeld und bei zunehmender Securitization durch Unterlegung mit Commercial Papers.“

Der Kauf

Offensichtlich findet bei einem normalen Geschäftsvorgang zwischen Unternehmen des Nichtbankensektors keine Geldschöpfung statt.

Ein Geldbetrag wandert von einem Unternehmen zu einem anderen, üblicherweise durch Überweisung von einem Konto zu einem anderen. Dieser Vorgang soll nachfolgend dargestellt werden.

Kauf2.jpg

Es gehen also Waren (als Teil der Umlaufvermögens UV) von Unternehmen B zu Unternehmen A, gleichzeitig findet eine Überweisung von der Sichteinlage A zur Sichteinlage B statt. Die gesamte Geldmenge bei der Bank G hat sich also nicht verändert, es hat lediglich der Eigentümer gewechselt.

Die Geldschöpfung

Unterstellen wir nun, dass Unternehmen A Bedarf an Liquidität hat. Es gibt nun zwei Möglichkeiten:

  1. Unternehmen A vereinbart, dass es nicht für die Waren bezahlen wird, sondern stattdessen einen kurzfristigen Kredit bei Unternehmen B aufnimmt
  2. Unternehmen A leiht sich Geld bei der Geschäftsbank G
Geldschöpfung.jpg

Im zweiten Fall ist wohl allgemein anerkannt, dass es sich hierbei um einen Vorgang der Giralgeldschöpfung handelt, da die Summe der Sichteinlagen bei der Bank angestiegen ist; doch wie verhält es sich nun mit dem ersten Fall?

Betrachtet man sich die Bilanz des Unternehmens A so fällt auf, dass sich die Aktivseite in beiden Fällen nicht unterscheidet, während auf der Passivseite lediglich der Halter der Forderung ein anderer ist.

In der Bilanz des Unternehmens B hat sich der Bestand an liquiden Mitteln dadurch erhöht, dass nun statt Geschäftsbankengeld eine Forderung gegen A hinzugekommen ist.

Die Frage, ob es sich bei dieser Forderung um gleichwertige Liquidität handelt, hängt einzig und allein an der Akzeptanz dieser Forderung im allgemeinen Geschäftsverkehr.

Unzweifelhaft wird Unternehmen A in jedem Fall einer Löschung dieser Forderung im Zuge eines Gegengeschäftes zustimmen. Man kann also durchaus sagen, dass zumindest in Bezug auf das Unternehmen A die besagte Forderung genau so wie Geld verwendet werden kann (bilaterales Clearing).

Ob auch andere Unternehmen bereit sind, diese Forderung anzunehmen, wird wohl im wesentlichen von der Finanzkraft bzw. Ertragskraft des betroffenen Unternehmens abhängen. Bei ausreichender Bonität sollte dies zumindest im Geschäftsverkehr mit anderen großen Unternehmen kein Problem sein.

FAZIT

Innerhalb des Unternehmenssektors übernehmen diese Forderungen die selbe Funktion wie das Interbankengeld im Finanzsektor.

  1. Die Kredite im Interbankenmarkt schaffen Liquidität unabhängig von der Versorgung mit Zentralbankgeld.
  2. Die Kredite innerhalb des Unternehmenssektors schaffen Liquidität unabhängig von der Versorgung mit Geschäftsbankengeld.

Ob man dieses als "Geld" bezeichnet oder nicht, ist reine Konvention. De facto schafft es zusätzliche Liquidität und entspricht damit in Ziel und Wirkung dem Vorgang der Geldschöpfung.

Emission von Finanzanlagen

Eine weitere Möglichkeiten der Nichtbanken Geld zu schöpfen ist die Emmission von Wertpapieren; dieses können Anleihen, Aktien oder sonstige Finanzanlagen sein, das ist im Prinzip hinsichtlich der Geldschöpfung egal.

Das Geldvermögen besteht aus Zahlungsmitteln (Bargeld + Sichtguthaben) und Finanzanlagen (Aktien, Anleihen, Derivate, Zertifikate, Versicherungspolicen, etc.) in den Händen von Nichtbanken.

Rein mathematisch kann man schon erkennen, dass folglich das Geldvermögen steigen muss, wenn die Finanzanlagen steigen:

Geldvermögen = Zahlungsmittel + Finanzanlagen

Dies mag man als falsch empfinden - weil es ja nahe legen würde, dass der Nichtbankensektor ganz einfach Geld schöpfen könnte - tatsächlich ist das aber der Fall.

Dies soll im folgenden dargestellt werden:

Aktien.JPG

Ausgangssituation

In der Ausgangssituation ist die (stark vereinfachte) Bilanz des Geschäftsbankensektors, des Unternehmenssektors und des Sektors der privaten Haushaltes dargestellt. Unternehmen und Haushalte bilden zusammen die Nichtbanken (eigentlich kommt noch der Staat hinzu, spielt aber hier keine Rolle).

Das Geldvermögen der Nichtbanken besteht also aus den Sichtguthaben und den Finanzanlagen der Nichtbanken, in diesem Falle 2 + (3 + 3) = 8 (dick umrandet)

Neue Aktien

Kauf durch Nichtbanken

Nun beschliesst das Unternehmen eine Kapitalerhöhung durchzuführen. Die Aktien werden von den privaten Haushalten gekauft. Bei diesen findet also ein Aktivtausch statt (Sichtguthaben -1, Finanzanlagen +1), bei den Unternehmen kommt es zu einer Bilanzverlängerung (Sichtguthaben +1, Eigenkapital +1).

Das Geldvermögen der Nichtbanken beträgt nun also 3 + (4 + 2) = 9

Das Geldvermögen der Nichtbanken ist um genau den Betrag der neuen Aktien gestiegen!

Kauf durch Banken

Es könnte aber auch so sein, dass die neuen Aktien von Banken gegen Gutschrit auf das Sichtguthaben der Unternehmen gekauft werden. Auch in diesem Falle kommt es zu einem Anstieg des Geldvermögens der Nichtbanken.

Das Geldvermögen der Nichtbanken beträgt nun 3 + (3 + 3) = 9

Das Geldvermögen der Nichtbanken ist um genau den Betrag der neuen Aktien gestiegen!

Merke:

  1. Man kann diese beiden Fälle beliebig kombinieren, das Ergebnis bleibt immer das selbe.
  2. Man kann genau das selbe auch mit Anleihen oder anderen Finanzanlagen machen; in diesem Fall ändert sich bei den Unternehmen nicht das Eigen- sondern das Fremdkapital - ansonsten sind die Vorgänge absolut äquivalent. Dass es sich im Beispiel um Aktien handelt, ist nebensächlich.

Handel von Finanzanlagen

Der Fall ist nicht dargestellt, denn er ist trivial; wenn Nichtbanken untereinander Finanzanlagen handeln, kommt es zu keiner Geldschöpfung, weil es zwar auf individueller Ebene zu einem Aktivtausch kommt, bei konsolidierter Betrachtung ändert sich aber nichts.

Auch bei einem Handel mit Banken ändert sich nichts am Geldvermögen der Nichtbanken, denn wenn die Bank eine Finanzanlage kauft, steigen zwar die Zahlungsmittel (Sichtguthaben) bei den Nichtbanken, in gleichem Maße sinken aber natürlich deren Finanzanlagen.

FAZIT

  1. Durch die Emmission von Finanztiteln können Nichtbanken Geld schöpfen.
  2. Ob es sich dabei um Aktien oder anderen Wertpapieren handelt ist einerlei.
  3. Der Handel mit existierenden Aktien führt zu keiner Geldschöpfung.


Nachtrag: Aktien

Oftmals wird ein Unterschied zwischen Aktien und anderen Finanzanlagen konstruiert, weil es sich bei Aktien vorgeblich um Eigentum an Unternehmen handelt; dies ist aber ein Missverständnis.

Sie sind kein Eigentum, zumindest nicht am Unternehmen. Wenn man Aktien erwirbt, erwirbt man Eigentum an der Aktie und nicht am Unternehmen selbst.

Eigentum bedeutet, dass man VOLL UMFÄNGLICH darüber verfügen darf - als Aktionär darf man fast nichts; man hat sehr beschränkte Informations- und Mitspracherechte, das war's!

Siehe: Eigentum

"Eigentum bezeichnet das unbeschränkte, dingliche Recht, über eine Sache frei bestimmen, verfügen und auf diese einwirken zu können, sowie das Recht, andere davon auszuschließen, sofern die in der Rechtsordnung gezogenen Grenzen (z. B. Gesetze, Rechte Dritter) nicht überschritten werden. E. wird üblicherweise durch Übereignung (z. B. Kauf) oder Erbfolge erworben. "

Als Aktionär ist man GESELLSCHAFTER, nicht Eigentümer.

Siehe hier: Kapitalgesellschaft

"Rechte der Anteilseigner

Die Anteilseigner verfügen nicht über direkte Rechte an den Vermögensgegenständen der Gesellschaft. Die wesentlichen Rechte der Anteilseigner sind:

  • Stimmrechte auf der Gesellschafterversammlung (soweit nicht ausgeschlossen: Vorzugsaktie)
  • Gewinnausschüttungen gemäß Gesellschafterbeschluss
  • Anteil am Liquidationserlös bei Auflösung der Gesellschaft (Residualanspruch)"

Der entscheidende Satz ist: "Die Anteilseigner verfügen nicht über direkte Rechte an den Vermögensgegenständen der Gesellschaft."

Man hat also nicht "das unbeschränkte, dingliche Recht, über eine Sache frei bestimmen, verfügen und auf diese einwirken zu können", ergo handelt es sich nicht um "Eigentum".

Man ist Eigentümer einer Aktie und kann damit verfahren, wie es einem beliebt.

Wenn man eine (neue) Aktie kauft, ERWIRBT man damit NICHT Eigentum an dem Unternehmen, sondern man BRINGT sein Vermögen EIN - überlässt es soz. der Gesellschaft zur weiteren Verwendung. Das ist ein himmelweiter Unterschied!

Man ist nun NICHT mehr Eigentümer dieses Vermögens (weil man nicht mehr voll umfänglich darüber verfügen kann), sondern die Rechte beschränken sich auf die oben genannten. Die Aktionäre sind nicht einmal weisungsbefugt - was ist denn das für ein "Eigentum"?

Siehe auch: Sind Aktionäre wirklich Eigentümer der Gesellschaft?

„Die Aktionäre haben eine einzige Pflicht. Sie müssen das Kapital aufbringen, das mit ihrer Aktienbeteiligung verbunden ist. Sie sind nicht nachschusspflichtig und sie unterstehen keiner Sorgfalts- und Treuepflicht. Nach Leistung ihrer Kapitaleinlage haben sie nur Rechte, insbesondere das Recht zur Bestimmung derjenigen Person, die die Gesellschaft leiten soll, das Recht auf Bestimmung der Gewinnverwendung sowie Schutzrechte, namentlich auf Gleichbehandlung mit den anderen Aktionären. Eine so definierte Mitgliedschaftsposition hat NICHTS mit dem sachenrechtlichen Eigentum zu tun. ... Wenn schon der Begriff des Eigentums des Aktionärs eine Bedeutung haben soll, so kann dies nur im Zusammenhang mit dem Eigentum an der einzelnen Aktie gesehen werden.“

Das ist einfach eine juristische Tatsache.